Palliative Pflege

Aus Familienwortschatz
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Mit dem Begriff Palliativpflege wird in Deutschland zumeist die pflegerische Versorgung am Lebensende eines schwerkranken Patienten bezeichnet. Diese spezialisierte Pflege berücksichtigt im Vergleich zur kurativen Pflege in höherem Maße die subjektiv empfundene Lebensqualität des Patienten. Palliative Pflege ist Bestandteil der Palliative Care und schließt in ihrer Ausführung neben der körperlichen, geistigen und seelischen Dimension auch die Spiritualität des Patienten und seiner Angehörigen mit ein. Ebenso werden unkonventionelle Behandlungs- und Pflegemaßnahmen toleriert oder sogar unterstützt, wenn dadurch ein positiver Effekt auf die Lebensqualität des Patienten erzielt werden kann.

Im wörtlichen Sinn bedeutet palliative Pflege aber umhüllende oder auch schützende Pflege, welche bei allen Menschen mit einem Selbstversorgungsdefizit angewandt werden kann. So definiert A. Napiwotzky (1998) den Begriff der synonym verwendeten Ganzheitlichen Pflege:

"Die sich aus der Pflegebeziehung ergebenden Pflegeaufgaben können mit den Pflegekompetenzen entdeckt und greifbar werden."

Die Versorgung von Palliativpatienten kann seit der (schrittweisen) Einführung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) auch durch das regional tätige Palliative Care Team (PCT) erfolgen.

Pflegekompetenzen

Zu den Pflegekompetenzen gehören:

  1. Umfassende Wahrnehmung
  2. Kommunikation / Kooperation (u.a. Bedürfnisklärung / Beratung / Gesprächsergebnisse)
  3. Schutz geben (u.a. Zuverlässigkeit, Erreichbarkeit)

Diese sind zentrale Schlüsselbegriffe zur Analyse von verschiedenen Pflegesituationen. Die Erfassung wichtiger Details der Pflege wird nur dann adäquat erfolgen, wenn dies durch qualifiziertes Pflegepersonal geschieht, welches im Rahmen der Organisationsstruktur Zeit, Raum und Mittel zur Bewältigung dieser Aufgabe erhält. Dies schließt z.B. den Einsatz fachfremder Hilfskräfte aus, die z.B. aus Kostengründen in manchen Einrichtungen zum Waschen oder zur Essensverteilung herangezogen werden.

1. Umfassende Wahrnehmung

Kranke und Zugehörige umfassend wahrzunehmen und zu betreuen heißt jedoch nicht, für alles eine Lösung finden oder „alles“ wahrnehmen zu müssen – umfassend bedeutet, das Gegenüber nicht zu reduzieren auf eine Krankheit, sondern beim Gegenüber das wahrzunehmen, was jetzt notwendig ist. Pflegende, die Geist, Körper und Seele als Einheit begreifen, gehen mit allem anders um, sie haben Respekt vor anderen und anderem. Der Umgebung wird Wirkung zuerkannt, z.B. dem Ausdruck von Bildern oder der Heilkraft der Natur. Auch dem Wahrnehmen der Gefühle der Pflegenden wird Raum gegeben, um die Beziehungsfähigkeit dieser zu erhalten.

Umsetzung in die Praxis

  • Palliative Anamnese: Lebensgeschichte, Gewohnheiten und Interessen, aktuelle Symptome und ihre Auswirkungen; Bedürfnisse, Wünsche und eventuelle Ambivalenz des Patienten und seiner Angehörigen
  • Sterbephasen erspüren
  • Finalphase erkennen

Die Erhebung der relevanten Daten erfolgt dabei nicht sofort komplett, sondern wird im Verlauf der Palliative Care stetig ergänzt. Dabei können Informationslücken ggf. bestehen bleiben, wenn z.B. die Mitteilungsfähigkeit des Kranken eingeschränkt oder kaum vorhanden ist, oder er selbst / die Zugehörigen ganz bewusst wenig bzw. keine Angaben machen möchten.

2. Kommunikation

Pflegende haben unterstützende Funktion in der Kommunikation, z.B. in der Übersetzung und Erläuterung des medizinischen Vokabulars gegenüber den Kranken und ihren Zugehörigen. Umgekehrt müssen sie Ergebnisse der Krankenbeobachtung und Wünsche der Betroffenen den jeweiligen Fachkräften/Spezialisten verständlich mitteilen. Prinzipien der Gesprächsführung werden dabei beachtet bzw. angewendet. In der Kooperation orientieren sich Pflegende an den Fähigkeiten der Kranken, die sich oft sehr schnell ändern (manchmal im Sekundenbereich). Es geht nicht um Bevormundung durch das Verordnen der „richtigen“ Pflege, sondern um das gemeinsame Bewältigen einer Situation. Manchmal ist es das Erproben einer Strategie, die sich aus bisherigen Erfahrungen des Kranken und dem Wissen der Pflegenden ergibt, damit aber womöglich keiner standardisierten Pflegeplanung entspricht und/oder anerkannte Pflegetechniken ignoriert.

Umsetzung in die Praxis

  • Unverstellt sein: Echtheit, Wertschätzung und Empathie als Grundvoraussetzung
  • Kenntnis und Anwendung der verschiedenen Kommunikationsebenen (verbal direkt, verbal symbolisch, nonverbal symbolisch)
  • (Aktives) Zuhören
  • Bewältigung der eigenen Ängste (Göttinger Stufenmodell)

Pflegende werden im Umgang mit Schwerkranken häufig mit "Warum"-Fragen ("Warum habe ausgerechnet ich diese Krankheit bekommen?") konfrontiert und fühlen sich unter Druck gesetzt, darauf eine akzeptable Antwort auf der Sachebene geben zu müssen. Eine solche Antwort kann aber nicht gegeben werden, damit werden die Möglichkeiten eines jeden Gesprächspartners überschritten. Ein schneller Verweis auf scheinbar kompetentere Kommunikations-Fachleute wie Psychologen oder Seelsorger ist in einem solchen Fall keine angemessene Reaktion, denn der Fragende sucht in erster Linie ein Gegenüber, das als Mensch das Unbegreifliche mit aushält. In Abstimmung mit dem Patienten werden dann Spezialisten hinzugezogen, wenn sich erhöhter Gesprächs- oder therapeutischer Bedarf erkennen lassen.

Die Sprachlosigkeit angesichts eines unverständlich erscheinenden Schicksals kann nur ausgehalten werden, was dann auch so formuliert werden darf ("Darauf habe ich auch keine Antwort."). Allerdings können die emotionalen Anteile der Frage aufgenommen werden, denn hinter den "Warum"-Fragen stehen Gefühle wie Wut, Zorn und Enttäuschung. Darüber kann ein vertiefendes Gespräch entstehen, das den Emotionen Raum gibt, aber nicht den Anspruch hat, das Ausgangsproblem lösen zu wollen.

3. Schutz geben

Die schützende Fürsorge von Pflegenden achtet auf das Wohlergehen der Kranken und der Begleitenden, also auch auf sich selbst. Sicherheit wird gewährleistet durch Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit in Äußerungen und Handlungen, sowie die vorausschauende Bereitstellung von personellen und materiellen Ressourcen für den Fall, dass die bisherigen Mittel sich als nicht ausreichend erweisen.

Umsetzung in die Praxis

  • Symptomkontrolle / -linderung
  • Geborgenheit vermitteln: sich dem Rhythmus anpassen, Zuwendung geben
  • Sicherheit geben: Vertrauen aufbauen durch das Einhalten von Zusagen, Vermeidung von Phrasen und Floskeln; keine Versprechen geben, die nicht auch erfüllt werden können; Probleme sachlich ansprechen
  • Vorausschauend pflegen: Vorbereitungen treffen für kritische Situationen, z.B. Materialen zur Blutstillung bei drohender massiver Tumorblutung griffbereit im Zimmer deponieren, ggf. zusätzlich beruhigende Medikamente nach ärztlicher Anordnung. Damit wird in dieser für Patient und Angehörige beängstigenden Situation vermieden, dass die pflegende Person das Zimmer verlassen muss und Zeit verloren geht, bis angemessen gehandelt werden kann.

Pflegeplanung in der Palliativpflege

Auch in der Palliativpflege dient die Pflegeplanung der positiven Entwicklung des Versorgungsprozesses eines Patienten. Sie hat aber als oberstes Ziel die Bewahrung oder Verbesserung der Lebensqualität - wie sie vom Patienten selbst als verbessert empfunden wird. Daher weichen die einzelnen Pflegeziele häufig von denen einer kurativen Pflegeplanung ab. So wird beispielsweise bei vorhandenem Dekubitalulcus als Ziel nicht dessen Heilung festgelegt, wenn der Patient mit den dazu nötigen Maßnahmen nicht einverstanden ist.

Weitere Ziele der Palliativpflege sind

  • weitgehende Bewahrung der Autonomie des Patienten
  • Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit
  • Symptomkontrolle in dem vom Patienten gewünschten oder tolerierten Maß[1]

Siehe auch

Holismus
Fortbildung Palliative Care
Wahrheit am Krankenbett

Quelle

  • Ewers Michael, Schaeffer Doris (Hg.): Am Ende des Lebens. Versorgung und Pflege von Menschen in der letzten Lebensphase. Huber, Bern 2005, ISBN 978-3-456-84203-5.
  • J.-C. Student, Annedore Napiwotzky: Palliative Care, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2007.

Einzelnachweise

  1. Martha Wiggermann: Pflegeplanung in der Palliativpflege. Zeitschrift für Palliativmedizin 04/2010, S. 162-165

Weblinks