Kognitive Dissonanz
Kognitive Dissonanz
Einleitung
Kognitive Dissonanz bezeichnet in der Psychologie einen unangenehmen Spannungszustand, der dadurch entsteht, dass ein Mensch widersprüchliche Gedanken, Einstellungen, Meinungen oder Wünsche in sich trägt. Dieser Begriff, geprägt von Leon Festinger im Jahr 1957, beschreibt einen Zustand des inneren Konflikts, der sowohl im Alltag als auch aus wissenschaftlicher Sicht von großer Bedeutung ist. Wer etwa etwas tut, was nicht zu den eigenen Überzeugungen passt, fühlt diese innere Spannung. Kognitive Dissonanz spielt eine zentrale Rolle dafür, wie Menschen sich selbst und ihre Umwelt wahrnehmen, Entscheidungen treffen und ihr Verhalten rechtfertigen.[1][6]
Kognitive Dissonanz im Alltag
Im alltäglichen Leben begegnet jedem Menschen kognitive Dissonanz. Ein klassisches Beispiel ist der Vorsatz, gesünder zu essen, während dennoch zur Schokolade gegriffen wird. Obwohl das Wissen um die ungesunde Wirkung präsent ist, handelt man gelegentlich dennoch widersprüchlich. Die Spannung, die daraus entsteht, versuchen Menschen oftmals mit sogenannten „Ausreden“ oder Rationalisierungen abzubauen („Schokolade mit hohem Kakao-Anteil ist ja gesund“).[3] Auch bei größeren Entscheidungsfragen – etwa bei einem Autokauf oder dem Wechsel des Arbeitsplatzes – tritt häufig kognitive Dissonanz auf, wenn sich nach der Entscheidung Zweifel oder negative Konsequenzen zeigen.
Fachliche Perspektive und Theorie
Aus fachlicher Sicht ist kognitive Dissonanz ein zentraler Begriff in der Sozialpsychologie. Laut Festinger besteht ein Grundbedürfnis des Menschen darin, innere „Konsistenz“ zu erleben – also ein Gleichgewicht zwischen Überzeugungen und Handlungen. Kommt es zu Widersprüchen, wird das als Dissonanz empfunden und Betroffene entwickeln das Bedürfnis, die Spannung abzubauen. Dies geschieht nach Festinger meist auf drei Wegen:
- Hinzufügen neuer, konsonanter Kognitionen (z.B. neue Informationen suchen)
- Entfernen oder Abwerten dissonanter Kognitionen (z.B. Verdrängen unangenehmer Fakten)
- Änderung von Einstellungen oder Verhalten[1][5]
Ein typisches Alltagsbeispiel aus der Medizin: Ein Raucher weiß um die Gefahren des Rauchens, rechtfertigt sein Verhalten aber mit Entspannungseffekten. Die kognitive Dissonanz zwischen Wissen und Handeln wird so zumindest kurzfristig gemindert.[6]
Verschiedene Sichtweisen
Kognitive Dissonanz wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet:
- Alltagsnah – Als das bekannte „unangenehme Bauchgefühl“, wenn man merkt, dass eigenes Verhalten den Überzeugungen widerspricht.[3]
- Wissenschaftlich – Als theoriebasiertes Modell für Selbsttäuschung, Verhaltensänderung und die Entwicklung von Einstellungen. Die Theorie ist durch zahlreiche Experimente und Studien bestätigt und weiterentwickelt worden.[1][5]
- Kritisch – Nicht alle Fachdisziplinen bewerten den Begriff uneingeschränkt positiv. Kritik gibt es etwa daran, dass Dissonanz und deren Auflösung sehr individuell verlaufen und schwer objektiv messbar sind.
Relevanz für die Familie und andere Themen
Gerade im Familienalltag ist kognitive Dissonanz ein verbreitetes Phänomen – etwa, wenn Eltern Werte vermitteln, sich aber im Alltag widersprüchlich verhalten (z.B. „Kein Handy beim Essen“, aber selbst aufs Handy schauen). Dies kann auch Konflikte und Missverständnisse zwischen Eltern und Kindern verstärken.
Die Theorie wird außerdem häufig im Bereich Gesundheitspsychologie, Motivation, Lieben und Streiten oder der Entscheidungsfindung verwendet.