1.9 Entwicklungspsychologie

Aus Familienwortschatz
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Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit der Entwicklung und Veränderung im Erleben und Verhalten während des ganzen Lebens: Von der vorgeburtliche Entwicklung über die Kindheit und Jugend bis zum mittleren Erwachsenenalter und höherem Alter.

Embryo (1.-9. Woche), Fötus (ab 9. Woche):

Schon im Mutterleib beginnt die Wahrnehmung. In der embryonalen Entwicklung (bis zum 3. Schwangerschaftsmonat), reagiert der Embryo bereits auf koordinierte Bewegungen und Lageveränderungen der Mutter. Zu Beginn der fötalen Periode (ab dem 4. Schwangerschaftsmonat), kann der Fötus Gleichgewicht und Bewegungen wahrnehmen und regulieren. Im 4. Schwangerschaftsmonat entwickeln sich Geschmacksinn und Gehör. Er kann nun verschiedene Töne wie Herzschlag, Musik, usw. wahrnehmen. Nach dem 8. Schwangerschaftsmonat reagiert er auf Lichtreize. Mit der zweiten Schwangerschaftshälfte entstehen durch die Vernetzung der Nervenzellen untereinander erste Gedächtnisspuren. Der Fötus kann im letzten Viertel seiner Entwicklung Reizmuster speichern und Erfahrungen sammeln. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche bildet sich die sensorische Basis (Sinnesorgane).

Pränatale (Vorgeburtliche) Einflussfaktoren:

Rauchen oder Drogenabhängigkeit können zu Missbildungen und Fehlgeburten führen. Weiters zeigt der Säugling nach der Geburt Entzugsymptome.

Die Schwangerschaft löst bei der Mutter Stress aus, der sich auch auf das Kind überträgt. Dies geschieht vor allem bei lang anhaltendem Distress, bei dem es zu einer Ausschüttung von Cortisol kommt.Bye

Perinatale (während der Geburt) Einflussfaktoren:

Sauerstoffmangel, wenn die Atemwege verstopft sind oder sich die Nabelschnur um den Hals legt. Bei einer Frühgeburt kann das Kind ab dem 6. Monat überleben, es wiegt wenn es zur Welt kommt ca. 1 kg (Normalgewicht: 3-4 kg). Nachdem der Säugling auf der Welt ist, sollte er in den Brutkasten um überleben zu können. Die Mutter sollte während und nach der Schwangerschaft keine Medikamente nehmen, da sie während der Schwangerschaft auch den Säugling mit den Medikamenten „versorgt“ und er diese auch über die Muttermilch bekommt. Durch Medikamente kann die Leber und Niere des Säuglings geschädigt werden.

Entwicklung der Motorik:

1.-2. Lebensmonat: Kind hebt den Kopf in Bauchlage
3. Lebensmonat: Kind hebt Kopf und Brust in Bauchlage
4. Lebensmonat: Kind versucht sich aufzurichten
5. Lebensmonat: Kind sitzt ohne Hilfe
6. Lebensmonat: Kind steht gestützt an Möbeln
7.-8. Lebensmonat: Kind wechselt Gegenstände von Hand zu Hand
9.-10. Lebensmonat: Kind kriecht und krabbelt
11. Lebensmonat: Kind steht allein
12. Lebensmonat: Kind geht mit Hilfe
13. Lebensmonat: Kind geht alleine

Neugeborene (1-2 Lebensjahr):

In diesen Lebensabschnitt durchläuft der Säugling in rascher Folge viele Entwicklungsfortschritte. Das Neugeborene ist auf spezielle Betreuung und Pflege angewiesen, es schläft sehr viel, rund 16 Stunden pro Tag und viele Verhaltensweisen sind noch von Reflexen gesteuert (z.B.: Bewegungs-, Schrei-, Saug-, Schluckreflex). Nach den ersten Monaten nimmt das Schlafbedürfnis des Kindes ab, nach und nach gleichen sich Wach- und Schlafzeiten aus. Für das Kind ist es wichtig, sich geborgen zu fühlen, Zuneigung und Anregung zu erhalten. Es reicht nicht, dass es gepflegt, sauber und gesättigt ist. Erhält das Kind zu wenig Aufmerksamkeit und Liebe können Defizite in der kognitiven Entwicklung (Wahrnehmung, Denken, Sprache) und bei der Ausbildung von Gefühlen und Sozialverhalten entstehen. Durch mangelnde persönliche Betreuung kann es zu Hospitalismus (Exkurs Hospitalismus: „Das Kind zeigt keine oder nur geringes Interesse an den Dingen und Vorgängen seiner Umgebung. Menschen begegnet es Teilnahmslos und deutlichen Zeichen der Abwehr und Angst. Häufig kommt in der weiteren Entwicklung noch andere Auffälligkeiten dazu: Ausreißen der Haare, Wippen mit dem Oberkörper und Kopfschaukeln…. Diese Auffälligkeiten sind einerseits Ersatzbefriedigungen und andererseits als Entladung entstandener Spannung zu verstehen“) kommen. Bei manchen Kindern kommt es vor, dass sie psychisch so am Ende sind, dass sie nichts mehr essen und somit bis zum Tod abmagern (= Marasmus).

erste Erfahrungen des Kindes:

Die Bezugspersonen des Säuglings sind die Mutter und der Vater. Das Kind hat vollstes Vertrauen zu ihnen und befindet sich in einer Abhängigkeit. Das Kind macht mit dem Mund seine ersten „sexuellen“ Lusterfahrungen (z.B.: beim Saugen an der Mutterbrust und am Schnuller), es wird geküsst und steckt alles in den Mund. Das Kind sollte die Möglichkeit haben viele verschiede Dinge und Materialien angreifen zu können damit es Farben, Formen, Größen, Gewichte und andere Eigenschaften kennen lernt. Kinder brauchen nicht nur Kinderspielzeug; oft genügt es, wenn man ihnen Alltagsgegenstände zum spielen gibt wie z.B.: Korken, Plastikgeschirr, usw.

Sprache – vom Schreien zum ersten Wort:

Schon sehr früh kann man in den Äußerungen einzelne Laute unterscheiden. Ab etwa dem dritten Monat übt das Kind ganze Ketten von gurrenden, glucksenden und schnalzenden Lauten wie z.B. erre-erre-erre, ähähähähäh, bmbmbmbmbm, usw. Solche Versuche macht das Kind vor allem, wenn es sich wohl und behaglich fühlt. Die Bereitschaft zum Sprechen ist jedem Kind angeboren. Zum Erlernen seiner Muttersprache braucht das Baby Kontakte zu anderen Menschen, die auf seine Laute reagieren und mit ihm sprechen. Gegen Ende des ersten Lebensjahres plaudert das Kind schon sehr viel; meist kann es auch schon „Mama“ und „Papa“ sagen.


Kleinkind (2.-3. Lebensjahr):

Die Bezugspersonen des Kleinkindes sind die Eltern und die Geschwister. Das Kind lernt Gegenstände und Menschen festzuhalten und loszulassen. In diesem Alter wird der Wille gebildet und das Kind erlernt, seinen Körper zu beherrschen. Das Kleinkind reagiert auf seinen Namen, ahmt Gesten nach (,,bitte’’ ,,bitte’’, ,,so groß bin ich’’, usw.). Das Kind braucht genug Entfaltung. Es muss sich zwar weiterhin geborgen fühlen, darf aber nicht übertrieben behütet werden. Es überträgt die Erfahrungen, die es im Umgang mit anderen Menschen macht.

Kind (4. -12. Lebensjahr):

Die Bezugspersonen sind einerseits die Familie und Verwandte, Menschen in der Wohngegend und die Kinder in der Schule. Das Kind lernt im Alter vom vierten bis zum siebenten Lebensjahr das eigenständige Tun. Weiters wird sich das Kind des Geschlechtsunterschiedes bewusst. Das Mädchen fühlt sich mehr zum Vater und der Junge mehr zur Mutter hingezogen. Vom siebenten bis zum zwölften Lebensjahr will das Kind lernen, etwas Richtiges zu machen, es will mit Anderen zusammenarbeiten und hat das Bedürfnis tüchtig zu sein. Das sexuelle Interesse ist zwar vorhanden, tritt aber noch nicht bestimmend hervor. Der erste Gestaltwandel (Streckung) vollzieht sich.

Jugendalter (13. – 17. Lebensjahr):

Die Bezugspersonen und zugleich Vorbilder sind meist die eigenen Freunde bzw. Freundesgruppen. Jugendliche können in diesem Alter sehr leicht in schlechte Gesellschaft gelangen. Der junge Mensch sucht zu ergründen: „Wer bin ich, wer bin ich nicht?“ und sucht seine Rolle in der Gemeinschaft.

Pubertät:

ist die Zeit der eintretenden Geschlechtsreife mit körperlichen und geistig-seelischen Wandlungen (2. Gestaltwandel bzw. abstraktes, selbständiges Denken). In dieser Zeit entdecken sie ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Stimmungen und Affekte. Der junge Mensch ist in dieser Zeit sehr sensibel. Bei Mädchen dauert die Pubertät in der Regel ca. vom 13. – zur zweiten Hälfte des 15. Lebensjahres; Jungs sind in der Regel vom ca. 14. – 16. Lebensjahr. Es gibt aber dabei eine große Bandbreite, der Zeitpunkt der Pubertät schwankt individuell.

Die Bezugspersonen im Jugendalter sind die Freunde und der (sexuelle) Partner. Der Mensch lernt, sich im anderen zu verlieren und zu finden (Liebe). Er setzt sich mit Ordnung auseinander und lebt seine Geschlechtlichkeit mit dem/der Partner/In aus.


Erwachsenenalter (18. – 60. Lebensjahr):

Das Erwachsenenalter kann in drei Altersabschnitte gegliedert werden, wobei das hohe Alter, ein eigenes Kapitel ist.

Frühes Erwachsenenalter (18. – 30. Jahre): Das frühe Erwachsenenalter ist nicht gerade leicht. In diesem Alter muss sich der junge Erwachsene mit der Frage der Wahl eines geeigneten Lebenspartners befassen. Er muss alleine lernen diese Konflikte zu bewältigen. Die Bindung an einen Partner ist oft erfüllt von Ängsten und Zweifeln; Ablösung von zu Hause, Angst vor Bindung, Verantwortung und Verpflichtung.

Mittleres Erwachsenenalter (30. – 60. Jahre): Der Erwachsene will das Erreichte sichern (seine staatsbürgerlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Verantwortungen auszubauen und festigen). In dieser Phase verändert sich das Verhältnis der Ehepartner zueinander.

Die Übergänge verlaufen fließend, es bestehen große individuelle Unterschiede.

hohes Alter (ab 61. Lebensjahr):

Einige alte Menschen haben es im Leben oft schwerer gegenüber jungen Menschen. Sie vereinsamen und fühlen sich überflüssig, sie wissen auch meist nichts mehr mit ihrer Zeit anzufangen (z.B.: sinnvolle Beschäftigung). Es besteht auch eine Isolierung von der jüngeren Generation. Doch auch alte Menschen brauchen Verbindungen (z.B.: Freundschaften), Zuneigung und eine angemessen Teilnahme am Familienleben. Der alte Mensch muss sich damit abfinden, körperlich nicht mehr so leistungsfähig zu sein.

Sie sollten sich auch Hobbys und sinnvolle Tätigkeiten suchen. Die Einstellung der jungen Generation gegenüber der älteren Generation, beeinflusst maßgeblich das Befinden älterer Mitmenschen.


8 Stadien der Entwicklungspsychologie nach ERIKSON

Der amerikanische Psychoanalytiker Erik Erikson unterscheidet acht verschiedene Lebenskrisen:

1. Urvertrauen gegen Misstrauen: Im ersten Lebensjahr lernt der Säugling, entweder seiner Umwelt zu vertrauen oder zu misstrauen. Diese Erfahrung erwirbt er für sein ganzes Leben.

2. Autonomie gegen Scham und Zweifel: Im zweiten und dritten Lebensjahr entdeckt das Kind verschiedene Fähigkeiten an sich. Hat es die Möglichkeit eine Fähigkeit auszuprobieren, so erwirbt es Selbständigkeit (= Autonomie). Wird es dagegen kritisiert und/oder bestraft (z.B. für selbstbewusstes Verhalten, das sich als Trotzen äußert), so zweifelt es an sich selbst. Auch wird in dieser die Reinlichkeitserziehung sehr wichtig. Wird hier das Kind von den Eltern überfordert, so entwickelt es eine Schamhaltung.

3. Initiative gegen Schuldgefühl: Im vierten und fünften Lebensjahr zeigt das Kind immer mehr Eigeninitiative (z.B. im Kindergarten). Eltern können diese Ablösung von Zuhause entweder begrüßen und somit die Initiative verstärken oder durch Verbote einengen und somit Schuldgefühle (z.B. wenn das Kind auf die Steckdose hingreift, und die Eltern mit ihm schreien, hat das Kind Schuldgefühle, man muss es ihm auf eine ruhige Art und Weise erklären damit das Kind es hinnimmt) erzeugen.

4. Fleiß gegen Minderwertigkeitsgefühle: Im sechsten bis elften Lebensjahr interessiert sich das Kind dafür, wie die Dinge funktionieren. Wird dem Kind vermittelt, dass seine Nachforschungen und Fragen als dumm oder störend angesehen werden, so entwickelt es ein Minderwertigkeitsgefühl. Diese Erfahrung macht es vor allem außerhalb des Elternhauses (Grundschule).

5. ldentitätsfindung gegen Rollendiffusion: Der Jugendliche (12 bis 18 Jahre) erfährt eine neue Welt. Er verhält sich in verschiedenen Situationen unterschiedlich und probiert somit verschiedene Rollen aus. Dies hilft ihm zur Antwort auf seine Frage, wer er eigentlich ist (ldentitätsfindung). Findet er hierzu keine Antwort, so lernt er nicht, seine Rolle zu finden. Er wechselt daher ständig seine Rollen bzw. landet in einer negativen Rolle, die von der Gesellschaft abgelehnt wird (z.B. „Rocker“, „Punker“).

6. Intimität gegen lsolation: Der junge Erwachsene sucht den Kontakt zu anderen Personen, insbesondere zum anderen Geschlecht (Partnerschaft und Bindung). Daraus kann sich eine Intimität in sexueller, gefühlsmäßiger und moralischer Hinsicht entwickeln. Scheitert jedoch die Kontaktaufnahme, so wird sich der Erwachsene in die lsolation zurückziehen.

7. Schaffenskraft gegen Stagnation: Im mittleren Erwachsenenalter (ca. 25 bis 50 Jahre) richtet sich das Interesse über die eigene Person hinaus auf die Familie, auf die Gesellschaft, auf zukünftige Generationen. Man will sich und seine Fähigkeiten an die Nachkommen weitergeben. Erlebt man dabei die Enttäuschung, dass der eigene Beitrag bei den anderen nicht ankommt, so erfolgt ein Rückzug auf sich selbst, z.B. ein Sich-beschränken auf den rein materiellen Besitz.

8. Ich-Integrität gegen Verzweiflung: Ab ca. sechzig Jahren steht der Erwachsene vor einem Entwicklungsabschnitt, den er als Abstieg erlebt: Verlust der Berufstätigkeit und somit von sozialer Anerkennung, körperlicher und geistiger Abbau. Er muss sich jetzt auf den Tod hin orientieren. Hieraus kann Verzweiflung folgen, wenn das Leben insgesamt als unbefriedigend erlebt wurde. Sieht er jedoch sein Leben als erfüllt an, so empfindet er sich als eine Ich-Integrität.

Interviews mit der Krankenpflegerin Birgit P.

(Es handelt sich um die Zusammenfassung eines Interviews mit Frau Dipl. Krankenpflegerin Birgit P. von der Geburtshilfestation im Krankenhaus Rudolfstiftung in Wien zur Entwicklung von Kindern, kleinen Patienten)

Die Entwicklung der Kinder in den ersten Tagen ist sehr spannend und geht auch sehr schnell. Zuerst wollen sie nicht alleine liegen, und sie greifen nichts an; jedoch später wollen sie genau das Gegenteil. Die Kinder werden nach der Geburt der Mutter zum Kinn hingelegt; nach ca. 30 Minuten sucht das Kind von selbst die Brust und wandert mit dem Kopf immer weiter in Brustnähe. In den ersten Tagen haben die Kinder die Augen meist geschlossen, nach vier Tagen öffnen sie die Augen immer öfter. Essen wird in dieser Zeit zu ihrer Lieblingsbeschäftigung. Der Alltag einer Krankenschwester im Kinderzimmer ist zeitweise sehr stressig. Das ist natürlich abhängig von der eigenen Tagesverfassung, vom Zustand der Mütter und der Neugeborenen. Vormittags und nachts ist auf der Station am meisten los, weil da die meisten Kinder geboren werden.

Eine gewisse Routine liegt bei erfahrenen Pflegerinnen vor, jedoch kommt diese erst nach einigen Jahren zu Stande. Anfangs ist jeder Tag anders.

Im Kinderzimmerbereich sterben fast nie Kinder; es ist erst einmal vorgekommen. Bevor sie ins sogenannte Kinderzimmer wechselte, arbeitete sie in der Kinderchirurgie. Dort ist die Sterblichkeitsrate deutlich höher, doch auch daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Natürlich bedeutet das nicht, dass man nichts empfindet, wenn ein Baby stirbt. Krankenpflegerin Birgit P. empfindet dabei noch immer Entsetzen und Trauer.


Ab und an kommt es vor, dass eine Mutter ihr Kind nicht haben will. In diesen Fällen, erzählt Krankenpflegerin P. Birgit, gehe sie auf Distanz zur Mutter, da sie die Mutter nicht in Schutz nehmen will und soll.

Wenn das Kind, warum auch immer, keine Mutter hat, wird es zur Adoption freigegeben. Das Kind bleibt nicht auf der Station; eine Sozialarbeiterin kommt und schaut sich das Baby genau an, es wird darauf geachtet, dass das Kind in die Adoptivfamilie passt, so dass Außenstehende kaum erkennen können, dass es sich bei den Adoptiveltern nicht um die leiblichen Eltern handelt. Entscheidet sich die echte Mutter dann doch, das Kind bei sich zu behalten, ist dies die Angelegenheit des Jugendamtes.

Siehe auch