AEDL-Anregungen zur Pflege von Menschen mit Demenz

Aus Familienwortschatz
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AEDL-Anregungen für die Pflege von Menschen mit Demenz-Erkrankung. Bzw. ATL bei anderem Pflegekonzept.

Kommunizieren

Pfleger mit Bewohner
  • Milieusprache, Dialekt
    • Menschen mit Demenz reagieren positiv auf Redewendungen und den Dialekt ihrer Herkunftsfamilie. (Prof. Erwin Böhm"Wir pflegen Menschen nicht Betten", Begründer des psychobiografischen Pflegemodells)= individuelle Biografie
  • Wertschätzung, Empathie
    • In der Kommunikation wird Menschen mit Demenz Empathie und Wertschätzung entgegengebracht. ([Nicole Richard Integrative Valrdation
  • persönliche Anrede überprüfen
    • Menschen mit Demenz reagieren je nach Demenzstadium unterschiedlich auf unsere Anrede. Die jeweilige Form der Anrede richtet sich nach dem Wunsch des Menschen mit Demenz, nach seiner Prägung und seiner geistigen Erreichbarkeitsstufe. Die Reaktion der Menschen mit Demenz auf den Spitznamen, den Vornamen usw. wird im Team besprochen und dokumentiert.


  • Ihr/Sein Wörterbuch anlegen

Von Monat zu Monat wird der Wortschatz immer geringer. Anfangs fällt das kaum auf. Und dann geht es rasend schnell. Noch 12 Wörter, noch 7, noch 4, noch 1. Wer sich häufig gebrauchte Wörter rechtzeitig notiert, hilft späteren Pflegenden einzuschätzen, womit man vielleicht von der erkrankten Person verstanden werden kann. Welche Bedeutung manche Ausdrücke haben, die scheinbar sinnlos oder zusammenhanglos auftauchen. Ist es der Klang, die emotionale Satzmelodie oder steckt doch ein Botschaft darin?

Einfach ein Vokabelheft anlegen - oder eben nur noch ein Wörter-Blatt.


Sie hat bei ihren öffentlichen Auftritten drei Regeln konsequent beachtet: Augenkontakt, wertschätzende Ansprache, vorsichtige Berührung


  • Warum-Fragen vermeiden
    • man sollte in der Kommunikation mit Dementen Menschen nie nach einem "Warum" fragen. Ein Mensch mit einer Demenz müsste für diese Frage überlegen (wie wir es ja auch tun müssen), aber leider ist dies vom Gedächtnis her nicht mehr möglich und auch dies bekommt der Betroffene mit. Dies erzeugt Situationen, in denen Menschen mit einer Demenz unter Umständen eingeschüchtert werden. Am besten eignen sich Fragen, die mit einem Wie, Wo, Was, Wer etc. anfangen und von dem Betroffenen mit einem Ja oder aber einen Nein beantwortet werden können.

Sich bewegen

… ist förderlich in allen AEDL s

  • sinnvolle Bewegungen "Unterstütze den Menschen in dem, was er kann, dann kann er sehr viel"
    • Menschen mit Demenz haben unterschiedliche Bewegungsmuster. Sie sitzen entweder häufig lange Zeit auf einem Platz oder sie wandern ruhelos umher.
    • Tätigkeiten können zu einem Ausgleich ihrer Bewegungslosigkeit oder ihres erhöhten Bewegungsdranges führen. Dies beginnt mit einfachen Dingen, wie z.B. selbst eine Flasche zu öffnen, sich ein Getränk einzugießen, Vorhänge auf- und zuzuziehen oder das Bett selbst zu machen.

Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten

  • Bewegung an frischer Luft
    • Die Aufrechterhaltung der Atmung, des Kreislaufs oder die Regulierung der Körpertemperatur werden durch ausreichende Bewegung an frischer Luft unterstützt.

==Sich pflegen== Nonverbale Kommunikation

  • keinen Waschzwang ausüben
    • Einige Menschen mit Demenz haben Angst vor dem Baden oder Duschen. Unter Berück-sichtigung der Hygieneregeln und der Vorschriften des Medizinischen Dienstes der Kranken-kassen (MDK) waschen sich die Menschen mit Demenz nach ihren eigenen Gewohnheiten.
  • Badezeit den Gewohnheiten anpassen
    • Menschen mit Demenz werden nicht nach «Badeplan« sondern nach ihren Wünschen gebadet.
  • sparsamer Gebrauch oder Verzicht von Pflegeprodukten und Badelotionen
    • Viele der heute alten Menschen gehen mit Seifen oder Cremes sehr sparsam um. Sie waren früher teuer und galten als Luxusartikel. Kernseife wurde meist nur verwendet, wenn man wirklich schmutzig war.

Essen und trinken

  • gemeinsame Mahlzeiten
    • Menschen mit Demenz sollen solange wie möglich an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen.
  • Tischgebet sprechen
    • Je nach Religion oder Kultur vor oder nach dem Essen ein Tischgebet sprechen.
  • aktivierende Tischkultur, die Erinnerungen weckt
    • Rituale der Sonn -und Feiertage, wie z.B. eine weiße Tischdecke, ein besonderes Geschirr oder besondere Speisen, beibehalten. Speisen in Schüsseln, Platten etc. auf den Tisch stellen. Menschen mit Demenz bedienen sich selbst oder werden vom Tisch aus bedient.
  • Kittelschürzen oder Stoffservietten statt infantile Lätzchen
    • Bislang sind Lätzchen Babys und Kleinkindern vorbehalten. Eine Alternative dazu bieten für Frauen Schürzen. Ansonsten werden Stoffservietten an der Kleidung befestigt.
  • individuelle Essmanieren tolerieren
  • Esstraining
    • Menschen mit Demenz können nicht jeden Tag ihre Alltagskompetenzen erfüllen. Je nach Tagesform sind einige am Morgen, andere dagegen erst in der zweiten Tageshälfte oder am Abend aktiv. Vor jeder Hilfestellung beim Essen ist die Analyse wichtig: Benötigt der Mensch mit Demenz Hilfe oder nur Zeit?
  • Entscheidungstraining
    • Ein Entscheidungstraining beginnt bereits damit, was jemand trinken möchte und wie er es trinken möchte. Tee oder Kaffee? Mit Milch oder Zucker? Vorgesüßte oder mit Milch versehene Getränke sollten tabu sein.
  • Ursachenforschung, wenn nicht aufgegessen wird
    • Nach Entbehrungen und Hungersnot ist es für die heute alten Menschen eine Sünde, Essen zu verweigern oder wegzuwerfen. Trotzdem entwickeln sie Strategien, wie sie das Essen, das sie nicht kennen oder mögen, verschwinden lassen können.
  • Tisch decken und abdecken
    • Besonders Frauen werden nach ihren Fähigkeiten zum Tisch decken und abdecken einbezogen.
  • Geschirr abspülen und abtrocknen
    • Für schwächere Menschen wird das Geschirr auf dem Tisch in Plastikschusseln zum Abspülen und Abtrocknen abgestellt.
  • Abstände der Essenszeiten beachten
    • Unruhe in den späten Abendstunden oder frühen Morgenstunden kann auch durch Hunger oder einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel hervorgerufen werden. Eine Tasse heiße Milch oder ein Butterbrot schaffen Abhilfe

Ausscheiden können

  • praktisch handhabbare Einlagen
    • Werden am Tag oder zur Nacht Einlagen benötigt, sind Netzhöschen mit Inkontinenzmaterial zu tragen, die wie eine Hose hoch- und hinuntergezogen werden können. Sie lassen selbst-ständige Toilettengänge zu.

Sich Kleiden

  • Kleiderschränke bleiben geöffnet
    • Ein Kleiderschrank und dessen Inhalt stellt für Menschen mit Demenz einen wichtigen Besitz dar, der ihnen immer zur Verfügung stehen soll.
  • eigene Kleiderwünsche berücksichtigen
    • Menschen mit Demenz wählen ihre Kleidung selbst aus. Ist die Kleiderwahl ungewöhnlich, wird überprüft, ob die Wahl beabsichtigt und sich eine Handlungslogik dahinter verbirgt.
    • Eine alte Dame zog ihren Büstenhalter über das Unterhemd an, damit er nicht auf der Haut scheuerte. Ein alter Herr zog sein Unterhemd mit der Hinterseite nach vorne an, damit sein Brustausschnitt höher war.
    • Die Kleidung wird gemeinsam mit den Menschen mit Demenz ausgesucht.
  • Strümpfe oder Strumpfhosen nach Gewohnheit
    • Viele alte Menschen ziehen Strümpfe, mit Strumpfbändern oder Strapsen gehalten, den Strumpfhosen vor.

Ruhen, schlafen, entspannen

Psychopharmaka oder Schlafmedikationen werden nur im Notfall verabreicht (?? - wer definiert ihn aus der Sicht der gepflegten Person?). Denn die Halbwertszeit dieser Medikamente (= Zeit bis der Wirkstoff zur Hälfte im Körper abgebaut ist) kann sehr hoch sein, so dass der Antrieb der Menschen mit Demenz noch Tage danach gestört oder verlangsamt sein kann (Kumulation).

  • Zubettgeh-Rituale
    • Individuelle »Zubettgeh-Rituale« wie ein Kreuzzeichen, ein gemeinsames Abendgebet, ein kurzes Gespräch oder ein »Betthupferl« vor
  • eigene Bettwäsche
    • In Alten- und Pflegeheimen wird die Bettwäsche von zuhause verwendet. Zuhause lebende Menschen erhalten ihre persönliche Bettwäsche.
  • Wärmflasche aus der Prägungszeit
    • Kalte Füße hindern häufig am Einschlafen. Wird die herkömmliche Wärmflasche nicht akzeptiert, kann ein warmer Ziegelstein vor dem Zubettgehen oder ein warmes Heu-Säckchen als Ersatz dienen.
  • individuelle Schlafzeiten berücksichtigen

wer sein Leben lang "mit den Hühnern" ins Bett gegangen ist, um dann früh wieder aufzustehen, wird kein Interesse haben an einem Nachtcafé-Besuch und wird auch nicht länger schlafen, sondern zur gewohnten Zeit vom "inneren Wecker" aus dem Schlaf geholt werden.

  • Verzicht auf Psychopharmaka oder Schlafmittel (wenn möglich)
    • Zur Nacht unruhige Menschen mit Demenz werden beschäftigt

dem Schlafengehen beruhigen und fördern das Einschlafen.

Sich beschäftigen, lernen, sich entwickeln

  • »Sinn finden« durch »Beschäftigung« mit lebenspraktischen Tätigkeiten
    • Ein altes Sprichwort lautet: »Wer rastet der rostet!« Menschen mit Demenz wollen sich gebraucht und wichtig fühlen. Sie erhalten Sicherheit, indem sie täglich Aufgaben bewältigen. Es werden ihnen Beschäftigungen angeboten, die ihnen sinnvoll erscheinen und sie wieder aufleben lassen. Für Frauen sind dies meist lebenspraktische Tätigkeiten aus dem Haushalt. Männer werden mit Holzarbeiten, Kehren, Tiere füttern, Gartenarbeit, usw. beschäftigt.
    • Kategorie Freizeitangebote

Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten

  • Die geschlechterspezifischen Rollen leben lassen
    • Die heute alten Menschen sind geprägt, sich geschlechterspezifisch zu verhalten. Die Frauen waren für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig, Männer für die so genannte schwere, körperliche Arbeit und die finanzielle Versorgung der Familie. Die typische Rollenverteilung wird bei den verschiedenen Aktivitäten berücksichtigt. Menschen mit Demenz knüpfen Kontakte zum anderen Geschlecht und leben nach Wunsch ihre Sexualität.

Für eine sichere/fördernde Umgebung sorgen

  • strukturierter Tagesablauf
    • Ein strukturierter Tagesablauf gibt Orientierung und Sicherheit.
  • Milieugestaltung
    • Alte Möbelstücke, abgewetzte Sessel oder andere lieb gewordene Dekorationen können Sicherheit und Orientierung geben, sowie ein gewisses »Daheimgefühl« erhalten oder vermitteln.
  • Ausreichende Lichtquellen
    • Um Situationen und Räume besser erkennen zu können, benötigen Menschen mit Demenz helles Licht. Ausreichende Lichtquellen sollen Schattenbildungen verhindern und Wege besser ausleuchten. Dadurch können auch Stürze vermieden werden.
  • Orientierungshilfen
    • Auf Menschen mit Demenz abgestimmte Orientierungshilfen helfen diesen, sich in der Umgebung zurechtzufinden. Orientierungshilfen, wie zum Beispiel die Brille oder das Hörgerät, sollten immer getragen und nach ihrer Funktionstüchtigkeit überprüft werden.
      • Es sollte aber immer der Wunsch der Person berücksichtigt und die Ablehnung der Hilfsmittel akzeptiert werden, da bei zunehmender Demenz die Orientierungshilfen als Fremdkörper wahrgenommen werden. Die dadurch entstehenden Defizite, sind nur für den Aussenstehenden von Bedeutung, der zu Pflegende kommpensiert die fehlende Sinneswahrnehmung und reagiert immer stärker auf Stimmmungen und Gefühle.

Soziale Bereiche/Beziehungen sichern

  • Besitz als soziale Absicherung
    • Besitz gibt Sicherheit! In der Vergangenheit war Besitz in Form von Eigentümern oder Geld sichtbar und galt unter anderem als Absicherung für das Alter. Allein der Besitz einer Geldbörse, eines Schlüssels oder einer Handtasche kann die »Ich-Identität« erhöhen und fördern.
  • Fotos, Urkunden, etc.
    • Fotos demonstrieren Beziehungen zu Angehörigen oder Freunden. Die Erinnerung an eine "andere" Zeit, die gute alte Zeit, wird durch Urkunden oder durch andere für den alten Menschen besondere Gegenstände erhalten.
  • Beziehungen erhalten
    • Mit anderen Menschen zusammen sein, gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit.
    • Wie zum Beispiel: gemeinsam am Tisch sitzen, die Kirche besuchen oder selbst Besuch empfangen und bewirten können.

Existentielle Erfahrungen des täglichen Lebens

  • Existenzbedrohende Situation erkennen und abschaffen
    • Menschen mit Demenz fühlen sich oftmals von ihren Familienangehörigen verlassen. Sie suchen zum Beispiel wieder ihre Eltern, auch wenn diese langst verstorben sind. Pflegende und Angehörige sollten überlegen, wie sie den Menschen mit Demenz dem Wunsch nach Geborgenheit nachkommen können. Existenzbedrohende Situationen, wie z.B. nicht mehr zu wissen, wer man ist, woher man kommt oder wo man sich befindet, können durch Orientierungshilfen, persönliche Papiere oder Ausweise abgeschwächt werden.
  • Ausflüge an Orte, die Emotionen wecken
    • Menschen die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen, zeigen dies oftmals durch auffälliges Verhalten. Besuche an emotional besetzte Orte schaffen möglicherweise Abhilfe. Dies kann ein Platz sein, der positive Emotionen weckt, wie z.B. ein Friseurbesuch, ein Besuch auf dem Friedhof, ein Besuch in einer Gaststätte, einem Kaffeehaus oder auch im benachbarten Heimatort.

Siehe auch

Literatur

Bücher:

  • Corry Bosch (1996): "Vertrautheit - Studie zur Lebenswelt dementierender alter Menschen", Ullstein Medical, ISBN 3861266466


Zeitschriften: