Amyotrophe Lateralsklerose

Aus Familienwortschatz
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Die Amyotrophe Lateralsklerose (auch ALS, Charcot-Krankheit, Myatrophe Lateralsklerose) ist eine fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei kommt es zu einer Schädigung (Degeneration) der motorischen Neuronen, die die willkürlichen Bewegungen über die Skelettmuskulatur steuern.

Erstmals wurde die Krankheit 1830 vom englischen Anatom und Physiologen Charles Bell beschrieben (in The Nervous System Of The Human Body), aber erst der französische Begründer der Neurologie, J. M. Charcot, gab ihr den Namen Amyotrophe Lateralsklerose (1869): aus dem griechischen A = Fehlen, nicht -, myo = Muskel, trophisch = den Ernährungszustand betreffend, lateral = seitlich, Sklerose = Verhärtung.

Ursachen

Es gibt bislang nur Hypothesen zur Krankheitsentstehung, darunter die

  • Glutamathypothese: Veränderungen an den Rezeptoren für den Botenstoff Glutamat bzw. ein gestörter Glutamattransport können die Nervenzellschädigung auslösen
  • Neurofilamenthypothese
  • Autoimmun- und Virushypothese
  • Physische Aktivitätshypothese
  • Vascular Endothelial Growth Factor / VEGF-Hypothese

Symptome

Die Symptome der ALS ergeben sich aus der Degeneration der motorischen Nervenzellen (1. und 2. Motoneuron), wobei die Vorderhornzellen des Rückenmarks und die die Hirnnervenkerne betroffen sein können. Die willkürliche Motorik kann zunehmend nicht mehr gesteuert werden, die entsprechenden Muskeln schwinden.

Im frühen Stadium werden Ausdauerverlust, Ermüdungserscheinungen oder Steifigkeit der Muskeln bemerkt, manchmal auch Muskelzucken; später treten vermehrt Muskelkrämpfe (v.a. in den Waden) auf.

Stimmprobleme können zu einer heiseren und undeutlichen Sprache sowie zu Schluckstörungen führen, dies ist ein Hinweis auf einen bulbären Krankheitsbeginn.

Ein spinaler Krankheitsbeginn betrifft die Extremitäten: Bei Beeinträchtigung der Motorik der Hände kommt es immer öfter zu "Ungeschicklichkeiten" (z.B. gehäufte Verletzungen bei der Küchenarbeit) oder das Schreiben fällt schwerer; ist die Beinmotorik betroffen, äußert sich dies in Gangunsicherheit, ähnlich wie bei Multipler Sklerose.

Im weiteren Verlauf führt die zunehmende Muskelschwäche dazu, dass immer mehr Verrichtungen kompensatorisch von Angehörigen und/oder Pflegekräften übernommen werden müssen.

Die Schluckstörungen können zu einer Einschränkung in der Nahrungszufuhr führen und wegen der Aspirationsgefahr eine Sondenernährung z.B. über eine PEG notwendig machen. Auch der vermehrte Speichelfluss (Sialorrhoe) beruht auf der zunehmenden Unfähigkeit, den produzierten Speichel zu schlucken.

Besonders gefürchtet ist die Auswirkung der ALS auf die Atemmuskulatur im Sinne einer Hypoventilation. Ähnlich wie beim Schlaf-Apnoe-Syndrom führt sie u.a. zu erheblicher Müdigkeit und Konzentrationsschwächen, eine unzureichende Belüftung der Lunge erhöht auch das Risiko einer Pneumonie. Eine fortschreitende respiratorische Insuffizienz macht auf Dauer eine maschinengestützte Beatmungstherapie notwendig, z.B. eine Masken- oder Heimbeatmung, die anfangs nur nachts, im Spätstadium aber kontinuierlich durchgeführt werden muss.

Das Bewusstsein sowie die Wahrnehmungs- und intellektuelle Fähigkeiten werden durch die ALS nicht beeinträchtigt.

Therapie

Eine Heilung der ALS ist derzeit nicht möglich. Die Behandlung ist symptomatisch, d.h. sie zielt auf weitestgehende Linderung der Krankheitserscheinungen ab.

  • Muskelkrämpfen kann durch körperliches Training, Gymnastik und Hochlagern der Benie während Ruhezeiten vorgebeugt werden. Tritt dennoch ein Krampf auf, so kann Wärmeanwendung und passive Dehnung hilfreich sein. Medikamentös kann u.a. Magnesium, Chinin, Phenytoin, Carbamazepin oder Baclofen eingesetz werden.
  • Paresen können mit Physiotherapie zwar nicht aufgehalten werden, die daraus resultierenden Beschwerden können aber gelindert werden und weitere Komplikationen wie z.B. Kontrakturen werden vermieden.
  • Schmerzhafte Spastiken sprechen gut auf Botulinumtoxin an, das direkt in den entsprechenden Muskel injiziert wird.
  • Zunehmende Sprachstörungen sollten frühzeitig mit Logopädie behandelt werden, Hilfsmittel zur Kommunikationserleichterung wie Schreib- und Buchstabentafeln oder der LightWriter können zusätzlich eingesetzt werden
  • Bei Schluckstörungen kann die orale Nahrungsaufnahme mittels Eisstimulation erleichtert werden.
  • Belastender andauernder Speichelfluss kann medikamentös kurzfristig z.B. mit Amitriptylin, Imipramin, Scopolamin und Atropin reduziert werden. Eine länger anhaltende Wirkung (bis zu 3 Monaten) wird mit Botulinumtoxin erreicht, das direkt in die Ohrspeicheldrüse injiziert wird.
  • Das situativ und emotional nicht begründete pathologische Lachen und Weinen spricht auf die Verabreichung von L-Dopa, Lithium und Fluvoxamin an.
  • Die respiratorische Insuffizienz wird zunächst mit Atemgymnastik behandelt, gleichzeitig wird damit Infekten vorgebeugt; später kommen atmungsunterstützende Maßnahmen - auch apparativ z.B. mithilfe von CPAP - hinzu.
  • Bestehen große Ängste bezüglich des Lebensendes (s.u. Prognose), sollte die Möglichkeit einer Palliativen Sedierung in Betracht gezogen werden. Die dazu nötigen Gespräche mit Patient, Angehörigen, Pflegenden und Ärzten, ggf. auch Psychologen oder Seelsorgern sind allein schon hilfreich in der Krankheitssituation und sollten immer eingefordert werden, auch wenn es letztendlich nicht zu einer solchen Maßnahme kommt.

Pflege

Neben der im Krankheitsverlauf zunehmenden Übernahme der Grundpflege werden in steigendem Maß auch behandlungspflegerische Maßnahmen notwendig, wie die Versorgung einer PEG und/ oder eines Tracheostomas, das endotracheale Absaugen, die Überwachung der Beatmung mitsamt der dazu nötigen Geräte, die fachgerechte Verabreichung geeigneter Medikamente, Überprüfung der Wirksamkeit und ggf. Anpassung der erforderlichen Maßnahmen. Dazu kommt die erhebliche psychische Belastung des Patienten durch die Auswegslosigkeit der Erkrankung und dem stetig zu beobachtenden Abbau der körperlichen Kräfte sowie die Angst vor dem unausweichlichem Sterben.

Prognose

Die mittlere Überlebenszeit beträgt 3 bis 5 Jahre nach der Diagnosestellung, selten kommt ein Verlauf über 10 Jahre vor.

Die Todesursache ist meistens eine Lungenentzündung; anders als häufig angenommen wird, kommt es nicht zum Tod durch Ersticken, da ein Atemstillstand infolge der langsam fortschreitenden Atemlähmung nicht plötzlich eintritt, sondern während einer Art "Selbstnarkose" unbemerkt erfolgt.

Literatur

Weblinks