Raum und Zeit gestalten, arbeiten und spielen

Aus Familienwortschatz
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Raum und Zeit gestalten, arbeiten und spielen zählt als feststehender Begriff zu den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) nach Liliane Juchli (s. a. Pflegeplanung). Es ist eine Umschreibung für identitätsstiftende Beschäftigungen, die mit besonderem Aufwand, besonderer Motivation und Erfüllung verbunden sind, und durch die das Leben strukturiert wird:

  • Tagesstruktur: verschiedene Tätigkeiten und Räume (Schlaf, Essen, Körperpflege, Arbeit, Freizeit...)
  • Wochenrhythmus: Unterscheidung zwischen Alltag und Wochenende, religiöse Bräuche
  • Jahreszeiten, Feste, Urlaub
  • Lebensabschnitte: altersentsprechende Beschäftigungen und Räume

Formen der Zeit-Gestaltung

Jeder Mensch beschäftigt sich zur Erhaltung seines Wohlbefindens im Rahmen seiner Möglichkeiten und Bedürfnisse mit verschiedenen Tätigkeiten. Maßgeblich für die Entscheidung für oder gegen bestimmte Tätigkeiten sind z.B. direkte Befriedigung von Grundbedürfnissen, Ablenkung/"Zeitvertreib", soziale Anerkennung, Anstrengung und Mühe, persönliches Interesse (Freude, Selbstverwirklichung), materieller Zugewinn.

Arbeit

Die meisten Menschen denken bei dem Begriff "Arbeit" an Lohnarbeit als bezahlte Tätigkeit, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Beruf, für den man sich aus verschiedensten Gründen entscheidet und zu dem man ausgebildet wird, bildet eine Sonderform davon: Man legt sich auf ein bestimmtes Fachgebiet fest und wird zumindest in einem kleinen Bereich zum Experten.

Daneben gibt es die unbezahlte Reproduktionsarbeit (Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Gartenarbeit, Heimwerken etc.) zur Pflege der Wohnung und des sozialen Umfelds. Sie ist im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar - als entlohnte Tätigkeit wegen der "Personalkosten" (z.B. Köchin, Putzfrau, Hausmeister, Erzieherin etc.) recht teuer; für die Aufrechterhaltung der bestehenden Gesellschaft und Kultur unverzichtbar.

Spiel

Gesellschafts- und Kinderspiele bieten Gelegenheit, unter "entschärften" Bedingungen mit der Welt umzugehen, mit konkreten Materialien, Bewegungen des eigenen Körpers, mit theoretischem Wissen und in der sozialen Interaktion zu experimentieren. Dazu gehört auch der Sport als besonders körper- und leistungsorientierte Variante.

Hobby

Intensive Beschäftigung auf praktischer oder intellektueller Ebene, die zwar auch produktiv sein kann, aber weder aus sozialer Verantwortlichkeit noch wegen eines evtl. materiellen Gewinns erfolgt. Ein Hobby dient vor Allem der Selbstverwirklichung oder dem Ausgleich bei Unterforderung oder hoher Belastung in sonstigen Tätigkeiten.


Es gibt natürlich Überschneidungen zwischen den genannten Bereichen, z.B. bei professionellem Leistungssport, Ehrenamt, profitabler künstlerischer Tätigkeit etc. Beachtenswert ist, dass auch ganz "einfache" Tätigkeit wie Nahrungsaufnahme, Eigenbewegung, Lautieren etc. als basale Arbeit bezeichnet werden kann.

Relevanz in der Pflege

Pflegende leisten einen wertvollen Beitrag zur Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft. Sie sind dabei oft unterbezahlt oder (als Ehrenamtliche oder pflegende Angehörige) unbezahlt tätig. Der gesellschaftliche oder individuelle Wert ihrer Arbeit darf weder von anderen noch von den Pflegenden selbst unterschätzt werden.

Pflegebedürftige können sich oft nicht (mehr) in dem Ausmaß bzw. in der Form beschäftigen, wie es als normal gilt. Pflegebedarf entsteht durch schwere Krankheit oder psychische, geistige oder körperliche Behinderung, was zunächst den Verlust der Arbeitsfähigkeit zur Folge hat. D. h. die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit kann nicht mehr geleistet werden. Auch nicht-berufliche reproduktive Arbeit und selbst leichte Freizeitbeschäftigungen können dann die individuellen Fähigkeiten übersteigen.

Pflegeplanung

In der Pflegeplanung und Dokumentation muss berücksichtigt werden, welche Tätigkeiten für den Patienten/Bewohner früher wichtig waren (s. a. Biographiearbeit), und welche jetzt im Rahmen seiner Ressourcen und Bedürfnisse möglich und notwendig sein könnten.

Mögliche Themen:

Therapie

  • Fähigkeiten erhalten: Nichts übernehmen, was der Pat./Bew. selbst durchführen kann, aktivierende Pflege
  • basale Arbeit ermöglichen und würdigen
  • Ergotherapie: biographisch relevante Beschäftigungen und/oder angemessene Alternativen anbieten

Raum gestalten

Verschiedene Beschäftigungen sind begleitet von räumlichen Strukturen - verschiedene Bereiche innerhalb und außerhalb der Wohnung:

  • Tagesstruktur spiegelt sich in Ortswechsel zu verschiedenen Beschäftigungen (s. o.)
  • Differenzierung verschiedener Bereiche in der Öffentlichkeit nach Alter (Disco oder Tanzcafé), sozialem Status (Discounter oder Edelboutique), Jahreszeit (Freibad oder Weihnachtsmarkt) u. a.

Einflussnahme auf die persönliche Umgebung durch reproduktive oder kreative Tätigkeit ist ebenfalls wichtig für die Entfaltung der Persönlichkeit. Erinnerungsstücke, selbst gestaltete bzw. gepflegte Bereiche im Wohnraum machen u. U. einen wesentlichen Teil der Identität aus.

Pflegeplanung und Therapie

Mobilität von Pflegebedürftigen und die Differenzierung verschiedener räumlicher Bereiche müssen beachtet werden. Immobilen Personen müssen Ortsveränderungen ermöglicht werden, auch bei Bettlägerigen (zumindest kurzfristige Mobilisation, besondere Beachtung der Ordnung im Wohnraum => Pflegeutensilien wegräumen, verschiedene Beleuchtung, Unterhaltungsmedien, Temperatur etc.)

Interessen an der Gestaltung des eigenen Wohnraums müssen unbedingt erfasst und ggf. aufgegriffen werden. Bei bestehendem Interesse sind sie wesentlich für das Wohlbefinden der betreffenden Person. mögliche Themen:

  • Übernahme gewohnter Gegenstände in ein neues Umfeld,
  • Einbeziehen persönlicher Elemente: Lieblingsfarbe, bevorzugte Themen aufgreifen
  • kreatives Gestalten: Neue Möbel selbst auswählen, Gegenstände arrangieren, Dekoration auswählen/herstellen
  • praktische Einflussnahme: Pflege der Wohnung, Versorgen von Zimmerpflanzen


Siehe auch

Weblinks