Alltag

Aus Familienwortschatz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hintergrund

Der Begriff ‚Alltag’ wird im pflegerischen Kontext häufig genutzt. Man spricht von den alltäglichen Verrichtungen der Menschen, von der Bewältigung des Alltags bei Krankheit oder beschreibt chronisch Kranke als Experten ihres Alltags. Inwieweit der Begriff Alltag dabei jedoch immer dasselbe meine, ist nicht immer klar ersichtlich. Besonders wenn es sich um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zum Alltag von Menschen handelt, ist es nötig, den Alltagsbegriff konzeptuell zu definieren bzw. zu beschreiben. Dieser Artikel möchte den Alltagsbegriff anhand des Lebenswelt-Konzeptes beschreiben und einige Charakteristika aufzeigen. Gleichzeitig erhebt diese Ausarbeitung nicht den Anspruch, die einzig mögliche Beschreibung des Alltagsbegriffs im pflegewissenschaftlichen Kontext darzustellen.

Alltagsbegriff

Zum Alltagsbegriff wurden in unterschiedlichen Disziplinen eigene, zum Teil verschiedene, theoretische Konzepte entwickelt (Moers et al 1999). So hat sich das Konzept ‚Alltag’ im 20. Jahrhundert immer wieder gewandelt und sich in verschiedene Schulen unterteilt. In der Philosophie wurde der Begriff insbesondere durch Husserls Phänomenologie geprägt. In der Soziologie sind die Sozialphänomenologie von Alfred Schütz und die Soziologie des Alltags wichtige Strömungen (vgl. Moers et al. 1999). Im gesundheitswissenschaftlichen Diskurs hat sich das Konzept der Lebenswelt bei der Betrachtung des Alltags der betroffenen Personen durchgesetzt, besonders im Hinblick auf die ambulante Pflege sowie die Pflege älterer, behinderter oder chronisch kranker Menschen.

Alltag und Lebenswelt

Unter der Lebenswelt eines Menschen wird „das grundlegende Gefüge der natürlichen und sozialen Gegebenheiten verstanden, das uns Menschen so vertraut und selbstverständlich ist, dass wir es kaum wahrnehmen, weil wir uns eine andere als unsere menschliche, geschichtlich und kulturell situierte Existenz schwerlich vorstellen können“ (Kesselring 1996, S. 10). Indem man nach der Lebenswelt von Menschen fragt, versucht man herauszufinden, „was die Menschen tun, um sich selbst in den sozialen und räumlichen Situationen ihres Alltags wiederzufinden, wie sie ihre Lebenssituation praktisch und symbolisch stabil halten, und wie sie damit gleichzeitig an der inneren Stringenz ihrer Biographien arbeiten. Wir fragen, worin für sie der Sinn und die ´Normalität` ihrer Gewohnheiten, Optionen und Verbindlichkeiten liegt und welche Wechselwirkungen dabei bestehen: zwischen Personen, räumlichen Umweltbedingungen und für den Menschen bedeutungsvollen Gegenständen, mit denen sie sich umgeben“ (Zeman 1998, S. 114). Die Lebenswelt wird weiterhin nicht nur von den Betroffenen selbst geprägt, auch Partner, Angehörige und Freunde können Bestandteil der Lebenswelt einer Person sein. Um also Einblicke in den Alltag von Menschen zu gewinnen, muss man sich mit ihrer Lebenswelt befassen, in die der Alltag eingebunden ist. Der Alltagsbegriff in der Pflegewissenschaft wird also geprägt vom Konzept der Lebenswelt.

Charakteristika des ’Alltags’

Nach Moers et al. (1999) ist der Alltag „durch vertraute (dadurch sinnhafte) Sequenzen wiederkehrender Situationen, durch kompetent bewältigte Routinen gekennzeichnet“ (ebd., S. 18). Diese Routinen führen zu einem Gewinn an Sicherheit und Verlässlichkeit im Umgang mit der sozialen Umwelt, da Ergebnisse nicht immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, sondern mit ihnen als Grundlage von Handlungsroutinen gerechnet werden kann. In ihrem Alltag fühlen sich Menschen prinzipiell kompetent und können somit in der Regel selbstbestimmt handeln. Gleichzeitig umfasst ‚Alltag’ jedoch mehr als nur diese Routinen und Situationen. Er ist ebenfalls gekennzeichnet durch eine ständige Gegenwärtigkeit, denn jeder Mensch erlebt Alltag. Man kann also „nicht den heutigen Tag mit all seinen körperlichen, emotionalen und sozialen Notwendigkeiten nicht leben“ (ebd., S. 19), denn Alltag findet immer statt. Schließlich umfasst der Alltag eines Menschen nicht ausschließlich ihn selbst, sondern auch sein soziales Umfeld, da dieses einen starken Einfluss auf seine Lebenswelt hat.

Siehe auch

Literatur

  • Kesselring, A. (1996): Die Lebenswelt der Patienten: pflegewissenschaftliche Studien. Verlag Hans Huber, Bern.
  • Moers, Martin ; Schnepp, W.; Schiemann, D. (1999): Pflegewissenschaft und andere ‚Alltäglichkeiten’. In Moers, M.; Schnepp, W.; Schiemann, D.: Pflegeforschung zum Erleben chronisch kranker und alter Menschen. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber, S. 11-23.
  • Zeman, P. (1998): Vernetzung von Lebenswelt und Professionen in der Pflege. In: Schmidt, R.; Thiele, A. [Hrsg.]: Konturen der neuen Pflegelandschaft. Regensburg: Transfer Verlag, S. 111-120.