Beatmung

Aus Familienwortschatz
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Beatmung ist in der Medizin die Kurzbezeichnung für den Einsatz eines Überdruck-Beatmungsgerätes. Diese Geräteart ist im Prinzip erst im Jahr 1950 erfunden worden. Von der Beatmung ist die Reanimation mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung zu unterscheiden (siehe dort).

Definition

Unter Beatmung wird die teil- oder vollständige Übernahme der physiologischen Atmung durch externe Hilfen oder Quellen verstanden. Angewendet wird dieser Begriff in der professionellen Medizin.

Sie wird bei unzureichender Spontanatmung oder deren kompletten Ausfall durchgeführt.

Unterschieden werden muss zwischen verschiedenen Beatmungsformen. Die kontrollierte (mandatorische) Beatmung bildet hierbei einen Pol des Spektrums, die assistierte den anderen. Leider gibt es nur wenige eindeutig definierte Begriffe innerhalb dieses Spektrums, denn jeder Hersteller von Geräten verwendet seine eigenen Bezeichnungen. Daher werden an dieser Stelle anhand verschiedener Beispiele die unterschiedlichen Beatmungsformen beschrieben.

Kontrollierte Beatmung

Die Kontrollierte Beatmung wird auch als mandatorische Beatmung oder controlled/continuous mechanical/mandatory ventilation (CMV) bezeichnet. Bei dieser Beatmungsform wird die Atemarbeit komplett von der Beatmungsmaschine übernommen. Indikationen für solch eine Beatmung sind Grunderkrankungen wie ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) oder iatrogene Einwirkungen (Narkose). Die kontrollierte Beatmung ist aufgrund der Muskelatrophie-Gefahr nur über einen kurzen Zeitraum einsetzbar.

Volumenkontrollierte Beatmung

Volumenkontrollierte Beatmung mit Tidalvolumen von 500ml, PEEP 5mbar und FiO2 1,0

Bei dieser Beatmungsform wird innerhalb einer bestimmten, einstellbaren Zeit ein bestimmtes Atemvolumen in den Patienten appliziert. Das Atemminutenvolumen wird dabei in erster Linie mit dem Tidalvolumen (Atemzugvolumen) und der Frequenz bestimmt. Bei dieser Beatmungsform können sehr hohe Spitzendrücke entstehen, da der Respirator nur das zu applizierende Volumen überwacht. Um dieses Risiko zu verhindern, muss ein Maximaldruck als Alarmgrenze hinterlegt, bzw. eine Mischform aus volumenkontrollierter drucküberwachter Beatmung gewählt werden. Die volumenkontrollierte Beatmung hat ihren Stellenwert in der Intensivmedizin relativ verloren. Allenfalls in der initialen Akutsituation oder als Nachbeatmung bei lungengesunden Patienten wird sie noch angewandt.

Druckkontrollierte Beatmung

Druckontrollierte Beatmung mit ASB 26 mbar, PEEP 5 mbar und Fi02 1,0

Die druckkontrollierte Beatmung ist die am häufigsten angewandte Beatmungsform, die eingesetzt wird. Sie ist im Gegensatz zur volumenkontrollierten Beatmung schonender, da hier keine hohen Spitzendrücke entstehen können. Gekennzeichnet ist sie durch zwei Druckniveaus: dem oberen (so genannter Inspirationsdruck), und dem unteren Druck, (positiv endexspiratorischer Druck, engl. positive endexpiratory pressure, kurz PEEP). Diese beiden Drücke sind variabel einstellbar und ergeben das Tidalvolumen (Atemzugvolumen). Zeit und Frequenz ergeben zusammen das Atemminutenvolumen.

Flowkontrollierte Beatmung

Der Unterschied zwischen der „flow"- und "volumen-kontrollierten Beatmung“ ist vorwiegend von technischer Bedeutung. Für den Anwender ist dieser Mechanismus allerdings fast bedeutungslos, da Flow, Volumen und Zeit immer miteinander korrelieren. Daher ist ein volumenkontrollierter Hub auch immer flowkontrolliert - und umgekehrt. Daher kann in der Praxis die gängige Bezeichnung „Volumenkontrollierte Beatmung“ für das eigentlich „flow- und volumen-kontrollierte - Beatmungsverfahren“ durchaus beibehalten werden.

Assistierte Beatmung

Der natürliche Atemtrieb des Patienten wird berücksichtigt: Wenn der Patient anfängt zu atmen, wird der Atmungsvorgang unterstützt. Hat der Patient längere Atemaussetzer, wird er kontrolliert zwischenbeatmet. Die Triggerung kann flowgesteuert oder druckgesteuert je nach Geräteart erfolgen.

Nichtinvasive Beatmung (NIV / NIB)

Die nichtinvasive Beatmung (NIB) mit CPAP und Druckunterstützung durch PEEP ist eine mechanische Beatmungsform. Diese unterstützt die Atmung ohne endotrachealen Zugang, über Gesichtsmasken, Nasenmasken und Hauben.

Prinzipiell kann jede Beatmungsform auch nichtinvasiv durchgeführt werden. In der Praxis haben sich die druckgesteuerten Beatmungsformen durchgesetzt. Druckkontrollierte Beatmung (PCV), die Druckunterstützte Beatmung (PSV), CPAP- und BIPAP-Beatmung und das spezielle BiPAP®. Nach wie vor bleibt die NIV eine Domäne der assistierten Beatmung.

Im Vergleich zur invasiven Beatmung (endotrachealer Tubus) führt die NIB zu einer Reduktion von nosokomialen Infektionen, vor allem der Ventilator-assoziierten Pneumonie. Es werden weniger Sedativa nötig und die Krankenhausverweildauer verkürzt sich. Siehe auch: Vermeidung beatmungsassoziierter Pneumonien durch ein „Null -Toleranz Programm

"Die frühzeitige nichtinvasive Beatmung nach Extubation verminderte bei Patienten mit Hyperkapnie während eines Spontanatmungsversuchs das Risiko einer respiratorischen Insuffizienz und verringerte die Sterblichkeit nach 90 Tagen. Die routinemäßige Umsetzung dieser Strategie in das Behandlungsschema künstlich beatmeter Patienten mit chronischen Atmungsstörungen erscheint angebracht."[1]

Die nichtinvasive Beatmung kann in folgenden Klinikbereichen eingesetzt werden: Intensivstation, Notfallambulanz, Überwachungsstation, spezialisierte Normalstationen (z. B. Pulmologie).

Protektive Beatmung

Unter protektiver Beatmung wird eine aus mehreren Komponenten bestehende Beatmungstrategie verstanden, welche ventilatorinduzierte Lungenschädigungen vermindern soll. Aufgrund der trotzdem bestehenden unphysiologischen Positiven Überdruckbeatmung wäre es besser, eher von einer „weniger schädlichen“ Beatmung zu sprechen, da Beatmung per se niemals „protektiv“ sein kann und dem Anwender eine falsche Sicherheit impliziert. Um beatmungs-assoziierte Schäden zu minimieren, werden folgende Strategien verfolgt:

Neue Beatmungsstrategien (sogenannte „ultraprotektive“ Beatmung) definieren dabei eine Begrenzung des applizierten Tidalvolumens auf 3-4 ml/IBW.(1) Durch die Begrenzung des Tidalvolumens kann beim ARDS eine Überblähung der funktionellen Restlunge (Baby-Lung-Konzept) vermieden werden. Die Amplitude zwischen endinspiratorischem und endexspiratorischem Druckniveau sollte 15-16cm H2O nicht übersteigen. Eine Unterstützung oder Erhalt der Spontanatmung des Patienten ist vorrangiges Ziel der Beatmung, um einer schnell einsetzenden Atrophie der Zwerchfellmuskulatur vorzubeugen, die sich ungünstig auf das anstehende Beatmungsweaning auswirken kann.(2) Auch eine Begrenzung der mandatorischen Beatmungsfrequenz ermöglicht Raum zur Spontanisierung.

Als Folge der Begrenzung der Beatmungsinvasivität und des Atemminutenvolumens kommt es oft zu einer (permissiven) Hyperkapnie, die mit einer Reihe potentieller Risiken für den Patienten verbunden ist, so dass eine Normalisierung des Blut-pH anzustreben ist.

Zu diesem Zweck wird oftmals eine pumpenlose, extrakorporale CO2-Entfernung installiert (iLA Membranventilator, Novalung). Dieses komplikationsarme Verfahren ermöglicht eine drastische Reduzierung der Beatmungsinvasivität und fördert den Erhalt der Spontanatmung. Klinische Daten zeigen, dass dadurch auch der Sedierungs- und Analgetikabedarf der Patienten gesenkt werden konnte.(3)


Atemgasklimatisierung

Die Gase, die aus dem Beatmungsgerät kommen, sind technisch bedingt sehr kalt und trocken. Beim normalen Atmungsvorgang dienen die anatomischen Strukturen der Atemluftklimatisierung (Erwärmung, Anfeuchtung). Während einer Beatmung werden diese aber umgangen, deshalb muss der Atemluft eines beatmeten Patienten Wärme und Feuchtigkeit hinzugefügt werden. Unterschieden wird zwischen aktiver und passiver Atemgasklimatisierung.

In-line-Beatmungsfilter HME (Heat and Moisture Exchanger)

HME sind zunächst Feuchtigkeits- und Wärmeaustauscher, zusätzlich können sie Viren und Bakterien aus der Ein- und Ausatmungsluft des Respirator-Patienten filtern. Sie sind also hydrophob (wasserabweisend) und hygroskop (wasseranziehend). Moderne Filter haben beide Eigenschaften.

Der Einsatz des Filters erfolgt immer patientennah vor dem Y-Stück. Wird zusätzlich ein Medikamentenvernebler nötig, so erfolgt dessen Einbau zwischen Filter und Tubus.

Als Kontraindikationen sind starke Sekretbildung, tracheobronchiale Blutung und schwieriges Weaning zu nennen. Innerhalb der Neugeborenenbeatmung wird auf den Filtereinsatz ganz verzichtet. Mehr dazu:Beatmungsfilter

Aktive Atemgasklimatisierung (Feuchtbeatmung)

Feuchtbeatmung Befeuchter.jpg
Feuchtbeatmung.jpg

Bei Patienten, die länger als 3 Tage beatmet werden müssen oder eine rasche Extubation nicht absehbar ist, wird häufig eine aktive Atemgaskonditionierung angewendet. Bei der gebräuchlichsten Form wird die Luft des inspiratorischen Schenkels der Beatmungsschläuche durch ein Wasserbad geleitet. Die Atemluft erwärmt sich und wird mit Wasser aufgesättigt. Um ein Kondensieren des Wassers im Schlauchsystem zu verhindern, werden die Schläuche der Inspiration und der Expiration beheizt.

Die Feuchtbeatmung birgt einige Risiken, da es trotz Schlauchheizung zur "Pfützenbildung" im Schlauchsystem kommen kann, diese können das Keimwachstum im Beatmungssystem fördern. Daher besteht immer die Gefahr der Kondenswasseraspiration und der damit verbundenen intrapulmonalen Keimverschleppung. Die meist verwendeten Wärme- und Feuchtigkeitstauscher erhöhen bauartbedingt den Totraum und verursachen einen erhöhtem Atemwiderstand. Daher wird die aktive Atemgaskonditionierung kontrovers Diskutiert. [2]

Prinzipiell sollte immer der Patient der Indikator für oder gegen eine aktive Atemgasklimatisierung sein. Ist das Trachealsekret trotz des Einsatzes eines HME-Filters trocken und zäh, sollte der Einsatz einer aktiven Befeuchtung erwogen werden. Der standardisierte Einsatz der "Feuchtbeatmung", wie er häufig praktiziert wird, ist hingegen zu überdenken.

Praxis: Sprache wenn Tracheotomiert und beatmet

Artikel - invasive Beatmung Geschrieben von: Dirk Jahnke: "Im Alltag eines Intensivpflegers hat man es häufig mit tracheotomierten und beatmeten Patienten zu tun. Nicht selten sind diese Patienten wach und wollen sich mitteilen. Aufgrund des dafür nötigen Cuffs ist diesen Patienten die Möglichkeit der Sprachbildung genommen..." hier geht es weiter: [1]

Herz-Lungen-Maschine und Künstliche Lunge

Bei einer Herz-Lungen-Maschine (HLM) werden Atmung und Herzfunktion außerhalb der Körpers für eine beschränkten Zeitraum von einer Maschine übernommen. Das Blut wird z. B. während einer Operation am Herzen über ein Schlauchsystem in die Maschine umgeleitet und dort mit Sauerstoff angereichert. Danach wird es unter Umgehung von Herz und Lungenkreislauf in den Körper zurückgepumpt (extrakorporale Zirkulation, Herzchirurgie). In der Intensivmedizin kommen kleinere Systeme wie die Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO, auch Künstliche Lunge genannt) zum Einsatz.

Fortschritt

Bis etwa 1970 wurden Eiserne Lungen verwendet, um Menschen mit einer Atemlähmung maschinell zu beatmen (beispielsweise bei der damals noch weit verbreiteten Polio-Erkrankung). Danach wurden nur bereits seit längerem bestehende Behandlungen mit diesen Geräten fortgesetzt. Um 1920 hatte der US-amerikanische Ingenieur Philip Drinker diese bettgroßen Geräte entwickelt. Dabei liegt der Körper des Patienten bis zum Hals komplett im Inneren eines Hohlzylinders, in dem abwechselnd Unter- und Überdruck erzeugt wird und damit der Brustkorb durch den Luftdruck der Umgebung bewegt wird.

Siehe auch

Literatur

  • R. Larsen, Th. Ziegenfuss: "Beatmung - Grundlagen und Praxis", 4. Aufl., Springer 2009. ISBN 978-3-540-88811-6
  • v.Hintzenstern,U.; Bein,T. - "Praxisbuch Beatmung", 2004; 3.Auflage, ISBN 3-437-23410-2
  • Lang,H. - "Beatmung für Einsteiger: Eine Lernhilfe für Intensivpersonal", 2007; ISBN 3-00-018555-0

(1)Bein, T. et al. Anesthesia, 2009, 64:195-8. Pumpless extracorporeal removal of carbon dioxide combined with ventilation using low tidal volume and high positive end-expiratory pressure in a patient with severe acute respiratory distress syndrome.

(2)Levine, S. et al. The New England Journal of Medicine, 2008, 358:1327-35. Rapid Disuse Atrophy of Diaphragm Fibers in Mechanically Ventilated Humans.

(3)Weber-Carstens, S. et al. Intensive Care Medicine, 2009, 35:1100-5. Hypercapnia in late-phase ALI/ARDS: providing spontaneous breathing using pumpless extracorporeal lung assist.

Weblinks

Fort- und Weiterbildungen zum Thema außerklinische Beatmung

Quellen

<references \>

  1. M Ferrer and others. Non-invasive ventilation after extubation in hypercapnic patients with chronic respiratory disorders: randomised controlled trial. Lancet 2009; 374: 10.1016/S0140-6736(09)61038-2
  2. http://www.medizin.uni-halle.de/kai/index.php?cid=396