Bobath-Konzept

Aus Familienwortschatz
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Das Bobath-Konzept ist ein rehabilitativer Ansatz in der Therapie und Pflege von Patienten mit Schädigungen des Gehirns oder des Rückenmarks. Benannt ist es nach ihren Entwicklern Berta Bobath (1907–1991), einer Physiotherapeutin und ihrem Ehemann, dem Neurologen Karl Bobath (1906–1991).

Die Grundlagen

Das Konzept beruht auf der Annahme der „Umorganisationsfähigkeit“ des Gehirns, das heißt dass gesunde Hirnregionen die zuvor von den erkrankten Regionen ausgeführten Aufgaben neu lernen und übernehmen können. Häufig sind bei traumatischen Hirnschädigungen nicht die eigentlichen Kontrollzentren zerstört, sondern Verbindungswege unterbrochen, die durch konsequente Förderung und Stimulation des Patienten von Seiten aller betreuenden Personen neu gebahnt werden können. Insbesondere nach einem Schlaganfall bei halbseitig gelähmten Menschen (Hemiplegikern) kann das Konzept gute Erfolge in der Rehabilitation erzielen. Es muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass das Bobath-Prinzip im Gegensatz zu anderen Therapien, wie zum Beispiel der Forced Use Therapy (FUT) bisher nicht durch wissenschaftliche Studien als signifikant wirksam eingestuft werden konnte. Wissenschaftliche Studien die den Erfolg des Bobath-Konzeptes beweisen,liegen mitlerweile vor.

Hemiplegiker neigen häufig dazu, ihre gelähmte (mehr betroffene) Seite zu vernachlässigen, bis hin zur völligen Leugnung und dafür ihre Einschränkungen um so mehr mit ihrer beweglichen (weniger betroffenen) Hälfte zu kompensieren. Solche einseitigen Bewegungen (Neglegt-Syndrom) helfen dem Patienten jedoch nur vordergründig, da die mehr betroffene Seite nicht die Möglichkeit erhält, neue Informationen zu empfangen und zu verarbeiten. Das Gehirn kommt also gar nicht in Verlegenheit, sich umzustrukturieren. Statt dessen besteht auf Grund asymmetrischer Bewegungen eher die Gefahr, schmerzhafte Spastiken zu entwickeln.

Das Hauptprinzip des Bobath-Konzepts bezieht dagegen die mehr betroffene Körperseite immer wieder in Alltagsbewegungen ein, indem sie sensorisch stimuliert wird, um sie in ihren Bewegungen mit der weniger betroffenen Körperhälfte in Einklang zu halten.

Inhalt und Ziel des Bobath-Konzeptes

Das Bobath-Konzept ist das weltweit in allen pflegerischen Bereichen erfolgreich angewandte Pflege- und Therapiekonzept zur Rehabilitation von Menschen mit Erkrankungen des ZNS, die mit Bewegungsstörungen, Lähmungserscheinungen und Spastik einhergehen. Die Kernprobleme bei der Arbeit nach dem Bobath-Konzept sind die zentral bedingte teilweise oder vollständige Lähmung (Parese bzw. Plegie) eines Körperabschnittes, die Haltungs-, Gleichgewichts- und Bewegungsstörungen, unkontrolliert erniedrigte Muskelspannung (Hypotonus, schlaffe Lähmung) bzw. unkontrolliert erhöhte Muskelspannung (Hypertonus, Spastik) sowie die Störungen der Körperselbstwahrnehmung (Propriozeption). Das Bobath-Konzept strebt einen Lernprozess des Patienten an, um mit ihm die Kontrolle über die Muskelspannung (Muskeltonus) und Bewegungsfunktionen wieder zu erarbeiten. Die Arbeitsprinzipien des Bobath-Konzeptes sind Regulation des Muskeltonus und Anbahnung physiologischer Bewegungsabläufe. Alle Lernangebote an den Patienten werden nach diesen beiden Prinzipien gestaltet und auch vom Erfolg her beurteilt. Die "Methoden" des Bobath-Konzeptes sind Lernangebote, die dem Patienten nach einem individuellen pflegerischen Befund von Problemen, Ressourcen und Pflegezielen wiederholt und gezielt entgegengebracht werden. Lernangebote der Pflegetherapie sind insbesondere die Lagerung (Vermeidung bzw. Hemmung der Spastik), das Handling (Bewegungsanbahnung) und das Selbsthilfetraining (Anbahnung der Selbstpflegefähigkeit). Ein schematisiertes Arbeiten mit stets gleichförmigen "Übungen" ist nicht im Sinne des Bobath-Konzeptes. Die therapeutische Pflege von hirngeschädigten Menschen nach dem Bobath-Konzept muss so früh wie möglich beginnen, damit negative Entwicklungen, wie Ausbildung von Spastik und Erlernen unphysiologischer bzw. unnötiger, kompensatorischer Bewegungsabläufe verhindert bzw. kontrolliert werden können. Hemiplegiepatienten, die im Akutkrankenhaus nach Bobath gepflegt wurden, haben bessere Erfolgsaussichten in der weiteren Rehabilitation. Das Bobath-Konzept bereichert die Pflege, weil es eine selbständige und vom Arzt unabhängige, selbstbestimmte therapeutische Pflege ermöglicht. Zugleich ermöglicht es eine echte, ineinandergreifende Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen im Krankenhaus. Ein positiver Effekt ist auch die sehr rückenschonende Arbeitsweise beim Handling nach Bobath.

Bei wem das Bobath-Konzept angewandt wird

Patienten mit Hirnschäden und zentralen Lähmungen galten noch vor einigen Jahren als Pflegefälle. Durch gezielte pflegetherapeutische und andere therapeutische Maßnahmen können sie heute durchaus einer erfolgreichen Rehabilitation zugeführt werden. Typische Anwendungsbereiche des Bobath-Konzeptes sind alle Krankheitsbilder mit zentral bedingten Lähmungen, die mit Spastik einhergehen. Die Erkrankung, bei der das Bobath-Konzept am häufigsten angewandt wird, ist der apoplektische Insult bzw. der Schlaganfall (Hirninfarkt), der mit einer Halbseitenlähmung (Hemiplegie) einhergeht. Die Zahl der Patienten mit ischämischen (durch Minderdurchblutung bedingten) Insulten (Anfällen), die die akute Phase des Krankheitsgeschehens überleben, nimmt in den letzten Jahren erheblich zu. Die veränderte Gestaltung ganz normaler Krankenpflege nach dem Bobath-Konzept verbessert die weiteren Aussichten dieser Patienten im Hinblick auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL). Weitere Zielgruppen für die Anwendung des Bobath-Konzeptes sind Menschen mit Krankheitsbildern, wie z. B. Zuständen nach Hirnblutungen (Intracranielle Blutungen, ICB und Subarachnoidalblutungen, SAB), Schädel-Hirn-Traumen (SHT), Zuständen nach neurochirurgischen Operationen, Multiple Sklerose (Enzephalomyelitis disseminata, ED), entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS), dem apallischen Durchgangssyndrom sowie allen anderen Erkrankungen des ZNS, die mit Spastik bzw. Lähmungen einhergehen. Bei diesen Menschen wird das Bobath-Konzept in allen Bereichen der Pflege, wie der Versorgung auf der Intensivstation, der Akutpflege, der Pflege in der Rehabilitation, der häuslichen Pflege und der Altenpflege und Langzeitpflege erfolgreich eingesetzt. Fachgerechte Pflege nach den Prinzipien des Bobath-Konzeptes ist für den erkrankten Menschen nicht nur erfahrene Hilfe durch Pflege, sondern auch gezielte Therapie an seinen individuellen Problemen. Deshalb spricht man von der Pflegetherapie nach Bobath.

Wie sich das Bobath-Konzept entwickelt hat

Das Bobath-Konzept hat seinen Namen nach seinen beiden im Jahr 1991 verstorbenen Urhebern, der Krankengymnastin Berta Bobath und dem Arzt Dr. Karl Bobath. Die Entwicklung des Bobath-Konzeptes begann etwa um 1943. Frau Bobath entdeckte bei der Behandlung schwer spastischer Patienten, dass die Spastik des Patienten durch bestimmte Lagerungen, Stellungen und Bewegungen nachließ oder sogar verschwand. Sie erkannte, dass Spastik nicht wie bisher allgemein angenommen eine feststehendes, konstantes Phänomen ist, sondern von der Stellung und der Bewegung des Körpers beeinflusst wird. Durch systematische Beobachtung vieler Patienten und Erprobung weiterer Behandlungstechniken entstand so das Bobath-Konzept als empirisches (auf Erfahrungen gestütztes) Behandlungskonzept. Die neurophysiologischen Grundlagen des Konzeptes wurden von dem Neurologen Dr. Karl Bobath, dem Ehemann von Berta Bobath, erarbeitet und das Konzept damit untermauert. Das Ehepaar Bobath bezeichnete die von ihnen entwickelte Arbeitsweise ausdrücklich als ein Konzept und nicht als eine Methode. Das Bobath-Konzept beinhaltet also keine vorgeschriebenen Pflegetechniken, Methoden oder Übungen, die mit allen Patienten in stets gleicher Weise zu absolvieren sind, sondern es berücksichtigt vielmehr die individuellen Möglichkeiten und Grenzen eines Patienten und bezieht diese unter Anwendung einiger Prinzipien in die Pflege und Therapie mit ein. Zunächst wurde das Bobath-Konzept überwiegend bei Kindern mit Zerebralparese eingesetzt. In den 60er Jahren wurde dieses Konzept auf die Pflege und Therapie erwachsener Patienten ausgedehnt. Heute stellt es das erfolgreichste und weltweit anerkannte ganzheitliche Pflege- und Behandlungskonzept für Hemiplegiker und andere Hirngeschädigte dar. Seit 1994 arbeitet in Deutschland eine Organisation von Pflegekräften, die BIKA (Bobath-Initiative für Kranken- und Altenpflege e. V.). Die BIKA fördert die Verbreitung und Weiterentwicklung des Bobath-Konzeptes in der Kranken- und Altenpflege und regelt die Ausbildung von Pflegeinstruktoren für Bobath.

Angestrebte Ziele

Die Ziele des Bobath-Konzeptes ergeben sich aus den zentralen Problemen von Patienten mit Schädigungen des ZNS: die zentral bedingte teilweise oder vollständige Lähmung (Parese bzw. Plegie) eines Körperabschnittes, die damit verbundenen komplexen Bewegungsstörungen, die unkontrollierte Muskelspannungsveränderung (Spastik, schlaffe Lähmung), die Störungen im Gesicht des Patienten und beim Kauen und Schlucken sowie die propriozeptiven Wahrnehmungsstörungen. So ergeben sich folgende Ziele des Bobath-Konzeptes, die mit der pflegetherapeutischen Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Patienten und den anderen beteiligten Berufsgruppen erarbeitet werden können.: Vermeidung bzw. Hemmung von Spastik und Wiederherstellung eines angepassten Muskeltonus Anbahnung normaler, beidseitiger Bewegung, Vermeidung eines kompensatorischen Fehleinsatzes der weniger betroffenen Seite Normalisierung der Wahrnehmung des eigenen Körpers und der Umwelt Anbahnung normaler Gesichts-, Mund-, Zungen und Schlundmotorik, Selbständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)

Bedeutung des Bobath-Konzept

Was bringt das Bobath-Konzept für die Patienten?

Mit dem Bobath-Konzept wird im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden keine notdürftige Kompensation der Lähmungen sondern das Wiedererlernen normaler Bewegungsfähigkeiten erreicht. Intensive Mitarbeit des Patienten vorausgesetzt, wird der gelähmte Patient wieder selbständiger in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Dauernde Pflegebedürftigkeit, Abhängigkeit von fremder Hilfe und Unterbringung im Pflegeheim können so in vielen Fällen verhindert werden. Der frühzeitige Einsatz therapeutischer Bobath-Pflege schon auf der Intensivstation kann negative Entwicklungen, wie die Ausbildung von Spastik und das Erlernen unphysiologischer Bewegungsabläufe vermindern helfen. Die fortgesetzte Anwendung der Prinzipien des Bobath-Konzeptes bewirkt für alle Patienten bessere Erfolgsaussichten in der weiteren Rehabilitation.

Was bringt das Bobath-Konzept für Pflege und Therapie?

Die Pflegearbeit nach Prinzipien des Bobath-Konzepts ermöglicht therapeutische Pflege als ständigen Bestandteil des gesamten Tagesablaufes des Patienten. Pflege, therapeutische Mitarbeiter und Ärzte arbeiten zusammen nach den gleichen, berufsübergreifenden Prinzipien. Pflegetherapeuten verbringen die meiste Zeit mit dem Patienten. Deshalb übernimmt die Alten- und Krankenpflege im Bobath-Konzept wichtigste therapeutische Aufgaben. Normale Krankenpflege wird zur Therapie. Alle an der Rehabilitation Beteiligten arbeiten eng zusammen. Patient, Ärzte, Pflegetherapeuten, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten orientieren sich an einem gemeinsamen berufsübergreifenden Therapieschema, den Prinzipien des Bobath-Konzeptes. Die Mobilisation und das Handling des Patienten nach dem Bobath-Konzept sind besonders rückenschonend und ökonomisch, da sie sich an der normalen Bewegung des Menschen orientieren und ausschließlich mit Zug- und Hebelkräften arbeiten. Der Patient wird in keinem Fall gehoben.

Wo sind die Grenzen der Arbeit nach Bobath?

Der Rehabilitationserfolg bei hirngeschädigten Patienten ist auch bei der Arbeit nach dem Bobath-Konzept nicht garantierbar und von zahlreichen Faktoren abhängig. Die der Erkrankung zugrunde liegende Hirnschädigung kann mit der Arbeit nach Bobath nicht ungeschehen gemacht werden. Sie beeinflusst nach Art und Umfang natürlich die Lernfähigkeit, d. h. die Fähigkeit des Gehirns zur Umorganisation der Zusammenarbeit der intakten Nervenzellen. Besonders mehrfache Hirnschädigungen oder diffuse Hirnschädigungen, z. B. durch generellen Sauerstoffmangel nach Reanimation (Hypoxämischer Hirnschaden) sind für den Lernprozess weniger günstig, da sie die Fähigkeit des Gehirnes zur Umorganisation nicht nur herdförmig sondern global beeinträchtigen. Zusätzlich können durch die Hirnschädigung bedingte Hirnleistungsstörungen (Neuropsychologische Störungen) die Lernfähigkeit einschränken. Die Motivation zur aktiven Mitarbeit des Patienten ist ein ganz entscheidenden Faktor. Sie wird von der Persönlichkeit des Patienten vor seiner Erkrankung, seiner individuellen Krankheitsverarbeitung und auch der Art seiner Hirnschädigung mitbestimmt. Die Motivation muss durch wiederholte und offene Information des Patienten erhalten werden. Die beste Motivation wird durch den für Patienten selber erkennbaren Erfolg und Fortschritt erreicht. Angehörige nehmen eine wichtige Rolle ein. Sie können die Motivation des Patienten positiv und negativ beeinflussen, ihn aktivieren oder zur Passivität anhalten, die Krankheitsverarbeitung maßgeblich mitbestimmen und so den Rehabilitationsverlauf erheblich mitbestimmen. Deshalb ist ihre frühe Einbeziehung und Information im Bobath-Konzept vorgesehen und entscheidend. Für die effektive Gestaltung des Lernprozesses nach Bobath ist es wichtig, dass nicht nur die Pflege, sondern alle an der Rehabilitation des Patienten beteiligten Berufsgruppen miteinander und möglichst gleichartig arbeiten. Je weniger eine solche ineinandergreifende Zusammenarbeit stattfindet und je unterschiedlicher Berufsgruppen mit dem Patienten arbeiten, desto geringer wird der Lernerfolg des Patienten sein. Unter günstigen Voraussetzungen ist eine fast vollständige Wiederherstellung des Patienten durchaus möglich. Wir können aber keinem Patienten eine vollständige Heilung durch seine Mitarbeit im Rahmen des Bobath-Konzeptes versprechen. In jeden Fall werden aber durch die Pflege nach Bobath gegenüber konzeptionsloser Pflege immer bessere Rehabilitationserfolge erzielt werden.

Schwerpunkte der Pflegepraxis

Das Bobath-Konzept strebt einen Lernprozess des Patienten an, um ihm die Kontrolle über den Muskeltonus und die verlorenen Bewegungsfunktionen wieder verfügbar zu machen. Dieser Lernprozess basiert auf der lebenslangen Lernfähigkeit des Gehirnes durch ständige Umorganisation der Zusammenarbeit der Nervenzellen untereinander und der unvollständigen Nutzung der Nervenzellen des Gehirnes (Plastizität des Gehirnes). Das "Ergebnis" dieses angestrebten Lernprozesses ist die Bahnung von Funktionen auf der Ebene der Nervenzellen im Gehirn durch die Aktivierung vorhandener Synapsen (Verbindungen zwischen Nervenzellen) bzw. die Bildung neuer synaptischer Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Der Lernprozess nach dem Bobath-Konzept findet nicht nur während zeitlich begrenzter Therapiesitzungen statt, sondern ist ständiger Bestandteil des gesamten Tagesablaufes. Alle an der Rehabilitation Beteiligten arbeiten eng zusammen. Patient, Pflegetherapeuten, andere Therapeuten, Ärzte, und Angehörige des Patienten orientieren sich rund um die Uhr an gemeinsamen berufsübergreifenden Arbeitsprinzipien. Dabei hat aber jede Berufsgruppe eigene Schwerpunkte der praktischen therapeutischen Arbeit.

Lernangebot Lagerung

Die Lagerung stellt wegen der regelmäßigen Wiederholung, gerade in der Akutphase ein besonders wichtiges Lernangebot für den Patienten dar. Über eine konsequent durchgeführte und fachgerechte Lagerung kann in jedem Fall eine Muskeltonuserhöhung günstig beeinflusst und begrenzt werden. Ebenfalls wird eine unerwünschte Behinderung des durchaus erwünschten Aufbaus eines funktionellen Muskeltonuses verhindert. Ohne therapeutische Lagerung sind die Rehabilitationsaussichten wesentlich ungünstiger. Für Patienten mit Störungen der Körperwahrnehmung, die oft durch große Unruhe oder starke Spastik auffallen, ist die Lagerung eine gute Möglichkeit, die Wahrnehmung des eigenen Körpers gezielt zu intensivieren. Ganz im Gegensatz zu verbreiteten Vorstellungen der Dekubitus-Prophylaxe wird man versuchen, diese Patienten eher hart zu lagern. Über den höheren Auflagedruck und die zusätzliche Einbettung festen Lagerungsmateriales und damit mehr Kontaktfläche auch an den nicht aufliegenden Körperteilen soll der Patient mehr Spürinformation über den eigenen Körper erhalten. Selbstverständlich muss in jedem Einzelfall eine individuelle Abwägung zwischen der Dekubitusgefahr auf der einen Seite und dem pflegetherapeutischen Nutzen härterer Lagerung andererseits erfolgen. In vielen Fällen wird man alleine durch die regelmäßige Umlagerung in kürzeren Intervallen aber schon eine ausreichende Dekubitus-Prophylaxe erzielen!

Lernangebot Mobilisation und Handling

Das Handling, also die therapeutische Handhabung des Patienten bei der Bewegung erfolgt z.B. im Rahmen einer jeden Mobilisation, u. a. beim Betten, beim Umlagern, beim Aufstehen und Umsetzen in den Rollstuhl, usw. Immer, wenn ein Patient bewegt oder transportiert wird, werden die Techniken des Handlings eingesetzt. Der Pflegetherapeut übernimmt durch Gestaltung der Situation und durch Führen der betroffenen Körperteile die ausgefallenen Bewegungsfunktionen. Der Patient setzt die Fähigkeiten seiner nicht betroffenen Körperanteile ein. Durch Führen in physiologische Bewegungsabläufe hinein und damit richtigen Input als Lernangebot wird die Anbahnung bzw. Wiedererlangung normaler, bilateraler Bewegung ermöglicht.

Lernangebot Selbsthilfetraining (ATL-Training)

Das Selbsthilfetraining heißt auch ATL-Training, da hier die Selbständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) geübt wird. Durch die Einbeziehung von regelmäßig wiederkehrenden Alltagstätigkeiten in die Bobath-Therapie wird der Lernprozess des Patienten besonders intensiviert. Durch Gestaltung der Ausgangssituation (Lagerung bzw. Ausgangsstellung des Patienten, Hilfsmittel, Umgebung) wird eine Kontrolle des Muskeltonus angestrebt. Aus dieser tonuskontrollierten Situation heraus lernt der Patient durch die Führung des Pflegetherapeuten, seine betroffenen Körperanteile bzw. seinen gesamten Körper immer wieder in Aktivitäten einzubeziehen. Damit ist neben der Selbständigkeit bzw. Selbsttätigkeit auch wieder die Anbahnung bzw. der Abruf physiologischer, vor der Erkrankung erlernter Bewegungsprogramme verbunden. Geeignete Bereiche für therapeutisch gestaltetes ATL-Training sind z. B. Körperpflege, An- und Ausziehen und Nahrungsaufnahme. Es handelt sich dabei um für den Patienten aus der Zeit vor seiner Erkrankung vertraute Handlungen, für die er vor seiner Erkrankung genaue Konzepte und Bewegungsprogramme besaß. Die Pflegetherapie kann so auf konkrete Bewegungserfahrung zurückgreifen und muss nicht von Grund auf neue, zunächst abstrakte Bewegungen erarbeiten. Die Motivation und Orientierung des Patienten ist durch die vertraute, konkrete und lebenspraktisch bedeutsame Situation meistens besser, als in abstrakten und fern der Lebenspraxis gestalteten therapeutischen Übungssituationen. Besonders im Rahmen der Körperpflege ergeben sich wieder zusätzliche Möglichkeiten therapeutischer Stimulation der Körper-Eigenwahrnehmung (Propriozeption). Hier finden sich interessante Parallelen zwischen dem Bobath-Konzept und der Basalen Stimulation, die einen gegenseitig ergänzenden Einsatz beider Konzepte bei manchen Patienten nahelegen.

Berufsübergreifende Zusammenarbeit

Das Bobath-Konzept ist ein 24-Stunden-Konzept. Da das Gehirn immer lernt, müssen die Lernangebote bewusst richtig gestaltet werden, um fehlerhafte Lernprozesse zu vermeiden. D.h. der Lernprozess nach dem Bobath-Konzept findet nicht nur während zeitlich begrenzter Therapiesitzungen statt, sondern ist ständiger Bestandteil des gesamten Tagesablaufes. Dazu ist es erforderlich, dass sich jeder, der mit dem Patienten Kontakt hat, nach den beiden Prinzipien des Bobath-Konzeptes (Regulation des Muskeltonus und Anbahnung physiologischer Bewegung) orientiert. Der Patient selbst, Pflegetherapeuten, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, Ärzte, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten orientieren sich im Idealfall rund um die Uhr an einem gemeinsamen berufsübergreifenden Therapieschema, um das Lernangebot für das Gehirn so gleichartig und unwidersprüchlich wie möglich zu gestalten. Ohne die Pflege ist eine Umsetzung des Bobath-Konzeptes als umfassender Lernprozess nahezu unmöglich. Wenn nur die Krankengymnastik nach dem Bobath-Konzept arbeitet, die Pflege jedoch mit ihrem viel höheren Zeitanteil konservativ pflegt, wird der Patient das Lernangebot der Krankengymnastik kaum aufnehmen können, da die teilweise widersprüchlichen, sogar gegenteiligen Reize aus der Pflege zeitlich und zahlenmäßig bei weitem überwiegen. Die erfolgreiche Realisierung des Bobath-Konzeptes ist also weitgehend in die Hände der Pflege gelegt. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen ist deren Anleitung z.B. des Lebenspartners ebenfalls Aufgabe des Pflegetherapeuten.

Die Begründer

Berta Bobath (* 1907) hat als Physiotherapeutin erkannt, dass sich Spastik durch verschiedene Bewegungen und Positionen beeinflussen ließ. Ihr Mann Karel [1] hat ihr darin zunächst widersprochen und musste anhand seiner Studien feststellen, dass sie doch Recht hatte.

Das Konzept existiert seit Anfang der 1940er Jahre. Zunächst wurden Säuglinge und Kinder mit angeborenen Bewegungsstörungen „nach Bobath“ behandelt. Es fußt auf dem Verständnis für die Entwicklungsphysiologie und der Neurophysiologie. Die Bobaths erkannten die Möglichkeiten, die sich durch die Plastizität des Gehirns ergeben. Verloren gegangene Funktionen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, können durch Vernetzung und Intensivierung anderer Hirnbereiche wiedererlangt werden. Hierzu werden Bewegungssequenzen durch repetitives Üben (ständiges Wiederholen) wieder "eingeschliffen". Das heißt, es werden intakte Verbindungen (Synapsen) zwischen den Nervenfasern rekrutiert, so dass neuronale Funktionsverbände aufgebaut werden, um die motorische Funktion herzustellen.

Ziele und Verlauf

Ziel der Therapie ist es, verloren gegangene senso-motorische Funktionen, wie das Gehen oder das Anziehen von Kleidungsstücken, wieder anzubahnen. Eine Kompensation wird erst in einem späten Stadium der Rehabilitation in Betracht gezogen, wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass die Funktion zurückerlangt werden kann. Die Behandlung soll in den täglichen Tagesablauf einbezogen werden. So wird das Waschen und Ankleiden bereits zur Therapie.

Zu Beginn einer erworbenen Hirnerkrankung ist die Muskulatur schlaff, wird aber oft im Laufe weniger Wochen mehr oder weniger spastisch (krankhaft erhöhte Spannung). Ganze Körperabschnitte werden in ein typisches spastisches Muster gezogen und unterliegen nicht mehr der Eigenkontrolle. Der Patient lernt in der Therapie, diesen Tonus günstig zu beeinflussen.

Heute behandeln Therapeuten und Pfleger aus verschiedenen Therapie- und Pflegerichtungen, insbesondere Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden, nach dem Bobath-Konzept. Neben Säuglingen und Kindern werden Erwachsene, das heißt auch Menschen nach Abschluss der Hirnreife, behandelt. In Reha-Einrichtungen gibt es ganze Teams, inkl. Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal, die das Konzept aufgegriffen haben und versuchen, es ganzheitlich im 24-Stunden-Management zu betreiben.

Anmerkungen

  1. 14.03.1906 geboren in Berlin (ungarische Abstammung, Elternhaus in Prag): 1932 erstes ärztl. Staatsexamen in Berlin, Opfer von dt. Verfolgungsmaßnahmen; 1939 nach der Annexion der Tschechoslowakei Flucht von dort nach England; 1941 Heirat in London, ein Sohn; 1951 Gründung eines privaten Zentrums zur Behandlung von Patienten mit zerebralen Bewegungsstörungen; 1958 kommen sie nach langer Zeit erstmals nach Deutschland; 1991 gemeinsamer Freitod am 20.1.1991 in London.

Siehe auch

Literatur

  • Bettina Paeth Rohlfs: "Erfahrungen mit dem Bobath Konzept" Grundlagen, Behandlung, Fallbeispiele; 2. Auflage, Thieme 2005 - "Experiencias con el Concepto Bobath" Fundamentos, Tratamientos y Casos; 2ª edición, Panamericana médica 2006
  • Birgit Dammshäuser: Bobath-Konzept in der Pflege. Grundlagen, Problemerkennung und Praxis ( mit DVD zu den Handlings). Elsevier, Stuttgart. 2005, 200 S. ISBN 3-437-26740-X
  • Herma Purwin, S. Korte, M. Längler: Handlings nach Bobath am Beispiel der Hemiplegie. Begleitbuch für Unterricht und Pflegealltag. Verlag Vincentz Network, Hannover - 3. A. 1999. 75 Seiten. ISBN 3878706022
  • Carina Schmelzle et al.: Gestern noch richtig - heute ein Pflegefehler? In: Pflegezeitschrift, Heft 4/2004, S. 233-236
  • Lothar Urbas, 1996: Pflege eines Menschen mit Hemiplegie nach dem Bobath-Konzept 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13-113802-5 (veraltet, auch in der unveränderten Auflage von 2005)
  • Reinhard Lay: Was gibt es Neues im Bobath-Konzept? In: Die Schwester/Der Pfleger, Heft 6/2007, S. 488-494
  • Bente E. Bassoe Gjelsvik: "Die Bobath-Therapie in der Erwachsenenneurologie" Verlag: Georg Thieme 2007, ISBN 978-313-144781-4

Weblinks


en:Bobath concept

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