Demenz

Aus Familienwortschatz
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Demenz ist eine komplexe neuropsychologische Störung, die auf jeden Fall eine Gedächtnisstörung einschließt, zusätzlich jedoch mindestens eine weitere Beeinträchtigung im Bereich der so genannten höheren kortikalen Funktionen aufweist (lateinisch "de" = fehlend; lateinisch "mens" = der Geist).

Als Störungen höherer kortikaler Funktionen gelten:

  • Aphasie (Sprachstörung)
  • Apraxie (Bewegungsstörung)
  • Agnosie (Erkenntnisstörung; die Bezeichnung von Dingen ist verloren gegangen und wird mit anderen Namen ersetzt)
  • Exekutivfunktion (verlorene Handlungs- und Planungskompetenz)

Man sollte die Betroffenen nicht als Demente bezeichnen, sondern als Menschen mit Demenz oder als kranke Menschen.

Unterteilung

Man unterscheidet hirnorganische (primäre, ca. 90%; dazu gehört die bekannteste und häufigste Krankheitsform: Demenz vom Alzheimer-Typ) und nicht-hirnorganische (sekundäre, ca. 10%) Demenzformen

Primäre Demenzformen

Die primären Formen machen 90 Prozent aller Demenzfälle bei über 65-Jährigen aus. Es liegen neurodegenerative oder vaskuläre Veränderungen vor. Spezialisten unterscheiden, ob die Nervenzellen des Gehirns „degenerieren“, also ohne äußerlich erkennbare Ursache untergehen – wie bei der Alzheimer-Krankheit –, oder ob sie z.B. wegen Durchblutungsstörungen schwere Schäden erlitten haben (diese Form wird als vaskulärer Demenztyp bezeichnet). Mit zunehmendem Alter treten häufig Mischformen der vaskulären und neurodegenerativen Demenz auf.

Neurodegenerative Demenzformen

Alzheimer-Krankheit

Eine sichere Ursache der Veränderung der Gehirnzellen und ihrer Verknüpfungen bei der Demenz vom Alzheimer-Typ ist noch nicht identifiziert. Die "Plaques" sind deren äußeres Zeichen.

Pick-Krankheit

Diese Krankheit, auch Frontotemporale Demenz genannt, gehört zu den selteneren Formen der Demenzformen nach einer Zellveränderung im Gehirn. Sie wird im Anfangsstadium häufig mit psychischen Störungen verwechselt, weil sich viele Betroffene auffällig (emotional verändert) verhalten während ihr Gedächtnis zunächst erhalten bleibt.

Lewy-Körperchen-Demenz

Die Lewy-Körperchen-Demenz ähnelt im Verlauf der Alzheimer-Krankheit und hat auch ähnliche Ursachen: In den Nervenzellen des Gehirns lagern sich Eiweißreste ab, die vom Körper nicht abgebaut werden können. Diese Einschlüsse sind jedoch viel seltener als die Alzheimer-Plaques. Sie lösen häufig schon im frühen Stadium Sinnestäuschungen aus.

Vaskuläre Demenzen

(Ursache: Mangeldurchblutung, Durchblutungsstörung oder Schädigungen der Hirngefäße)

Generell zu den Ursachen:

  • Ursache Durchblutungsstörung

Meist schwergradige, schlecht eingestellte arterielle Hypertonie, die zerebrale Mikroangiopathien verursacht (mehrere räumlich eng begrenzte Schlaganfälle). In der Hirndiagnostik früher auch Status lacunaris genannt (= veraltete Bezeichnung für Multiinfarktdemenz).

  • Ursache Gefäßschäden

Die Blutgefäße, die zur Versorgung von Hirnregionen dienen, werden durch "Kalkeinlagerungen" in den Gefäßwänden verengt oder verschlossen. Als Folge sterben nicht mehr versorgte Nervenzellen ab.

Als Sekundärprävention werden blutverdünnende Medikamente (z. B. ASS=Aspirin Cardio=100mg pro Tag, cave Kontraindikationen) gegeben.

Sekundäre Demenzen

Der geistige Verfall ist Folge einer anderen organischen Erkrankung wie einer Hirnverletzung, einer Hirngeschwulst oder einer Herz-Kreislauf-Krankheit; auch Arzneistoffe und Gifte wie Alkohol (Korsakow- Syndrom) oder andere Drogen können dazu führen. Wenn die Grunderkrankung wirksam behandelt wird, Giftstoffe das Gehirn nicht mehr belasten oder Verletzungen geheilt sind, normalisiert sich meist die geistige Leistungsfähigkeit. Oder es ist ein Stillstand des Leidens zu erreichen.


Endokrinologische Demenzen

(Ursache: Stoffwechselstörung)

Infektiöse Demenzen

(Ursache: Krankheitserreger)

Toxische Demenzen

(Ursache: Giftstoffe)

  • Schwermetalle
  • Kohlenwasserstoffe (in Farblösungsmitteln)
  • Morbus Korsakow als Folge starken Alkoholabusus (daher auch = äthyltoxische Demenz = Wernicke-Korsakow-Syndrom)
  • medikamentös bedingte Demenz

Traumatische Demenzen

(Ursache: äußere Einwirkungen)

  • Verlust von Hirnsubstanz durch Unfälle
  • Dementia pugilistica, (= Boxer Demenz)
  • Tumore oder Gehirnoperationen


Hypoxische Demenzen

(Ursache: Sauerstoffmangel)

Einteilung nach Schweregraden

leichte Demenz

Erste geistige Defizite, vollständig selbständiges Leben möglich:

  • Vergesslichkeit
  • Zeitliche Orientierungsschwierigkeiten

mittelschwere Demenz

Zunehmender Verlust der geistigen Fähigkeiten, eingeschränkte Selbständigkeit:

  • Schwindende Rechen- und Problemlösungsfähigkeit
  • Handfertigkeitsstörungen (Haushalt, Ankleiden)
  • Erkennungsstörungen
  • Steigende Vergesslichkeit (Geburtstage, Medikamente)
  • Desorientierung (Zeit und Ort)
  • Sprachstörungen (besonders Sprachverständnis)
  • Vernachlässigung der Hygiene
  • Wahnvorstellungen (Bestehlungsideen, Vergiftungswahn)
  • komplexere Handlungen sind nicht mehr durchführbar
  • Kommunikation meist nur auf Gefühlsebene möglich
  • Lernen neuer Handlungen sind nicht mehr möglich

schwere Demenz

Verlust der Alltagskompetenz mit völliger Pflegeabhängigkeit:

  • Gedächtniszerfall (auch Langzeitgedächtnis)
  • Mangelnde persönliche Orientierung
  • Erkennungsstörungen
  • Sprachzerfall (kaum mehr Satzbildung möglich)
  • Agnosie (auch Angehörige werden nicht mehr erkannt)
  • Inkontinenz
  • Es kommt zur Bettlägerigkeit und schließlich zum Tod

Gefühle werden nicht dement

Bei Menschen mit Demenz gehen Orientierung, Sprache und die Logik verloren. Die Gefühle aber werden nicht dement, denn es bleiben Ängste, Zorn, Scham und das Bedürfnis nach Intimsphäre. Nehmen diese zu, gerät die/der Kranke unter Stress.

Besondere Verhaltensformen

Im Zusammenhang mit "Demenz" werden besonders typische, wiederkehrende Verhaltensauffälligkeiten beschrieben, die aber a) nicht bei allen Kranken und b) nicht in einer bestimmten Phase der Krankheitsverläufe auftreten müssen.

Dazu gehört das Überspielen des Unverständnisses einer Situation oder Frag durch ein schauspielerisch fast perfektes Produzieren von unverbindlichen Floskeln oder Ablenkungsmanövern, die es bei nur kurzem Kontakt mit der Person so scheinen lassen, dass sie sich situationsgerecht verhält.

Als Formen von Agitiertheit oder von herausforderndem Verhalten wird oft beschrieben, wenn sich eine Person über lange Zeiten des Tages nich situationsgerecht, sozial unangepasst verhält. Den pflegenden Personen ist oft nicht klar, wieweit sich dahinter gezielte Unangepasstheit oder nur ein vollkommenes Unverständnis für die Wirkung des eigenen Verhaltens auf andere vorliegt. Letzteres ist die wahrscheinliche Erklärung, wird aber von Angehörigen oder Pflegenden nicht so wahrgenommen, da sie in dem Verhalten der ihnen vertrauten Person immer wieder versuchen, eine gezielte Kommunikation, eine Aussage wahrzunehmen/hinein zu interpretieren. Gut wäre es, wenn zur Verhaltensbeschreibung verschiedene Personen herangezogen werden könnten.

Vorsicht sollte insbesondere bei einer Gleichsetzung des unangepassten Verhaltens mit Aggression oder Aggressivität (als Ursache) walten. Bei Aggressivität wird ja oft eine Zielgerichtetheit vorausgesetzt oder erwartet, die bei einer ausgeprägten Form einer dementiellen Erkrankung gar nicht vorliegen kann. Allerdings kann es als Symptom einer Demenzform zu einer Wesensveränderung kommen, bei der eine bis dahin liebreizende Person stark aggressive Züge gegenüber ihrer gesamten Umwelt produziert.

Deutsches Zentrum zur Demenz-Erforschung, Bonn

Am 24. Juni 2009 wurde das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn offiziell gegründet, das als nationales Zentrum zur Erforschung der Demenzformen und -behandlung arbeiten wird. Die neue Großforschungseinrichtung gehört mit ihren sieben Außenstellen an Kliniken, Universitäten und Instituten zur Helmholtz-Gemeinschaft. Bund und Länder unterstützen es mit jährlichen Zuschüssen in Höhe von 66 Millionen Euro. Sein Gründungsdirektor ist Professor Pierluigi Nicotera.

Siehe auch

- Versorgung von Demenzkranken (Übersicht zu vorhandenen Artikeln; kurz kommentiert)
- Antipsychotikum (Neuroleptikum)
- Baan Kamlangchay, Wohnen und Pflege in Thailand
- Best-Friends-Modell
- Demenzstationen
- Dialogzentrum Demenz
- Gründe_für_abweichendes_Verhalten_im_Alter
- Snoezelen
- Tagesbetreuung, Tagesstätte
- Liste von Tageszentren für Demenzerkrankte (ambulante bzw. teilstationäre Tagesbetreuung, Tagesstätte u. ä. )
- Validation
- Veränderte Orientierung
- Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz

Literatur

Bücher:

  • Corry Bosch (1996): "Vertrautheit - Studie zur Lebenswelt dementierender alter Menschen", Ullstein Medical, ISBN 3861266466
  • Erich Grond: Pflege Demenzkranker. Schlütersche, Hannover. 2005. 3. Aufl. 237 Seiten. ISBN 3899934318 . (Lehrbuch für Pflegeberufe)
  • Jan Wojnar: Die Welt der Demenzkranken: Leben im Augenblick. Vincentz, Hannover, 2007. 173 Seiten. ISBN 387870657X.
  • Georg Neumann: "Rettung aus Polen. Wie Pflege zu Hause tatsächlich gelingt", Kreuz-Verlag, Freiburg, 2010, ISBN 978-3-7831-3402-5 (Erfahrungen mit demenzkranker Mutter und Ratgeber)
  • S. Schmidt, M. Döbele: "Demenzbegleiter. Leitfaden für zusätzliche Betreuungskräfte", Springer 2010. ISBN 978-3-642-04859-3


Zeitschriften:

  • Zeitschrift pflegen: Demenz
  • Schofield, Joanne (2005): "Den Alltag beobachten", in: Altenpflege (Zeitschrift) 11-2005, S.42-44
  • Altenpflege (Zeitschrift) 09-2004: Schwerpunkt dieses Heftes: Pflege von Menschen mit einer Demenz
  • Die Reise ins Vergessen. Leben mit Demenz. Spiegel Wissen Heft 1/2010 (Inhaltsverzeichnis; Themen sind: Volkskrankheit der alternden Gesellschaft. Alzheimer-Risiken. Unterschiede zwischen Vergesslichkeit und Demenz. Hightech für die Pflege. Gedächtnisambulanz. Seine Familie versucht, damit zu leben. Grenzen der Selbstbestimmung. Leben am Schlauch. Wo ein dementer Mensch am besten lebt. Kommunikationsregeln. Gutachten des Medizinischen Dienstes entscheiden, ob und wie viel Geld ein Kranker von der Pflegeversicherung erhält. Auch bei Familie W. in Stuttgart sah man dem Termin mit Bangen entgegen. Bald eine wirksame Therapie. Wohngruppen. Bedürfnisse der Dementen. Gewalt. Normale Kliniken sind auf Verwirrte nicht eingestellt.)


Siehe auch: Weitere Literaturhinweise zum Thema - hier auf der Diskussionsseite

  • Demenz und Bücher oder Demenz in der Literatur will Bücher vorstellen, die sich erzählerisch und nicht auf wissenschaftliche Weise damit beschäftigen, wie sich Demenz auswirken kann

Weblinks

  • Fachtagung: „Das tut mir so gut!“ Positive Emotionen von Menschen mit Demenz fördern Ergebnisse des Projekts DEMIAN II (Januar 2010)


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