Diabetisches Fußsyndrom

Aus Familienwortschatz
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Das diabetische Fußsyndrom (DFS; synonym: diabetischer Fuß, z.B. das Mal perforans) umfasst jede Wunde unterhalb des Knies bei Diabetikern. Oft finden sich sehr schlecht heilende Wunden (Hautdefekt), insbesondere wenn eine schwere Durchblutungsstörung vorliegt. Die diabetische Gangrän bezeichnet eine Wundheilungsstörung mit abgestorbenem Gewebe (Nekrose). Unterscheidung des DFS in

  • neuropathisch
  • neuroischämisch
  • ischämisch
diabetisches Fußsyndrom

Ursachen

Ursache des DFS ist ein über viele Jahre schlecht eingestellter Diabetes mellitus mit dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten. Dieser führt dann häufig zu Nervenstörungen, die den Fuß für übliche Schmerzreize unempfindlich machen (diabetische Polyneuropathie). Erschwerend kommt in vielen Fällen noch eine arterielle Durchblutungsstörung hinzu. Diskutiert wird jedoch auch, daß bei ansonsten guten Blutzuckerwerten regelmäßig kurzfristige Blutzuckererhöhungen ein Risiko für ein DFS darstellen. Generell gilt: je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, umso höher das Risiko. Ein Prognose für die Entstehung des DFS läßt sich jedoch nicht stellen, manche Diabetiker haben nie Fußprobleme, andere schon wenige Monate nach Entdeckung des Diabetes. In seltenen Fällen kann sogar ein diabetische Fußsyndrom noch vor der Diagnose des Diabetes selbst auftreten.

Hohe Blutzucker schädigen die peripheren Nerven (diabetische Polyneuropathie) und die Gefäßinnenwände der Kapillaren (diabetische Mikroangiopathie) und/oder der Arterien (diabetische Makroangiopathie). Dies führt zu

  • Mißempfindungen (Kribbeln) und Taubheitsgefühl in den Füßen,
  • Unterversorgung des Gewebes
  • vermehrter Hornhautbildung (Hyperkeratose)
  • Verformung des knöchernen Fußgewölbes wegen Atrophierung der stützenden Muskeln und Sehnen bis hin zum Einbruch des Fußgewölbes (Charcot-Fuß)

Zu je 40% wird das diabetische Fußsyndrom von einer Polyneuropathie oder einer arteriellen Verschlußkrankheit verursacht, in 20% der Fälle liegt beides vor.

Insbesondere Rauchen ist eine Risikofaktor, da es die Durchblutung verschlechtert.

Auslösende Faktoren

Folgende auslösende Faktoren können ein DFS verursachen:

  • mechanische Einwirkung
  • chemische Einwirkung
  • thermische Einwirkung

Der häufigste Faktor ist zu enges Schuhwerk. Besonders Diabetiker mit Polyneuropathie merken nicht mehr, wenn ein Schuh drückt oder ein kleines Steinchen in den Schuh geraten ist. Viele kaufen auch immer noch Konfektionsschuhe, obwohl sie bereits deutliche Fußdeformitäten wie Hallux valgus haben. Scherzhaft könnte man sagen, ein Diabetiker sei ein idealer Schuhkäufer, weil ihm jeder Schuh scheinbar paßt, auch wenn er zu klein ist.

Die zweithäufigste mechnische Ursache für ein DFS ist das Trauma, z.B. das Anstoßen des Fußes beim Barfußlaufen oder eine Verletzung bei der Fußpflege, aber auch z.B. beim längeren Gehstrecken, wo eine Überlastung des Gewebes durch zu enge Schuhe oder Nähte in den Schuhen nicht bemerkt wird. Eine weitere Gefahrenquelle ist Barfußlaufen im Sommer.

Ein unterschätztes Risiko ist die Verwendung salicylhaltiger Mittel zur Entfernung der Hornhaut, z.B. Salicyl-Vaseline, Tinkturen und Hühneraugenpflaster. Salicylsäure kann bei Diabetikern schwere Verätzungen verursachen, da die natürliche Schmerzempfindung fehlt.

Der wohl häufigste thermische Auslöser ist die Wärmflasche! Diabetiker mit Polyneuropathie klagen häufig über kalte Füße, obwohl die Haut sich tatsächlich warm anfühlt. Grund ist ein gestörtes oder ganz fehlendes Kälte-/Wärmeempfinden. Hierin liegt auch die Gefahr. Eine zu heiße Wärmflasche wird nicht wahrgenommen und kann so zu schwersten Verbrennungen führen.

Wenig bekannt ist, daß auch reine Fettsalben wie Linola, die in bester Absicht zur Behandlung der trockenen Haut aufgetragen werden, einen Wärmestau in der Haut verursachen können, aber nicht das Symptom der zu trockenen Haut bekämpfen. Dazu braucht es Harnstoff-haltige Pflegeprodukte mit 5-10% Anteil Harnstoff (Urea).

Lokalisation und Aussehen

diabetisches Gangrän bei AVK

Die typische reine Polyneuropathie-bedingte Verletzung, das Malum perforans, ist plantar zu finden, meist unter dem Großzehenballen, dem Großzehengrundgelenk, der Großzehe selbst, unter dem Vorfuß zwischen der 2. und 4. Zehe oder an der Außenkante des Fußes; unter dem Mittelfuß in der Regel nur bei Charcot-Deformitäten, an der Ferse am ehesten bei bettlägerigen Patienten.

Das Malum perforans stellt sich als fast kreisrundes, schmierig belegtes Ulkus dar, der Wundrand ist oft mit Hornhaut überwuchert. Die Wunde ist schmerzlos. Entzündungszeichen wie Schwellung und Rötung sind bei Vorliegen einer arteriellen Verschlußkrankheit begrenzt.

Das Gangrän bei arteriellem Verschluß (mit oder ohne Polyneuropathie) ist an beliebigen Stellen am Fuß zu finden, meist sind Zehen, Außenkante, Ferse oder Sprunggelenk betroffen. Aussehen: Der betroffene Fuß ist generell blaß und kühl. Das Gangrän selbst stellt sich als unförmige Nekrose dar, betroffene Zehen können auch bläulich-levide verfärbt sein. Die Haut ist eher pergamentartig. Entzündungszeichen sind oft ausgedehnt.

Komplikationen

Die häufigsten Komplikationen sind

Diagnostik

Folgende Untersuchungen sollten immer durchgeführt werden:

  • klinisch: Palpation der Fußpulse, Stimmgabel-Test nach Rydel-Seiffer (= 128 Hz Messung zunächst am Großzehengrundgelenk bei fehlendem Empfinden zusätzlich Messung am Innenknöchel/ Pathologische Werte: <30 Jahre:6/8 und >30 Jahre: 5/8); Semmes-Weinstein-Monofilament(=Aufsetzdruckempfinden= Bestimmung der Oberflächensensibilität durch einen definierten Aufsetzdruck auf die Haut von 10 Gramm), Tip-Therm-Sonde( Orientierende Bestimmung durch abwechselnde Berührung der Haut mit Metall/kalt und Holz/Plastik/warm), Reflexhammer( Muskelreflex: Achilles- und Patellarsehnenreflex)
  • apparativ: Duplex der Beinarterien
  • radiologisch: Röntgen des Fußes, besser beider Füße
  • bei duplexsonographischem Hinweis auf Verschlüsse: Angiographie

Therapie und Prognose

Beim polyneuropathischen Ulkus ist die Therapie relativ einfach und die Prognose meist gut. Die Therapie besteht in erster Linie in konsequenter Druckentlastung (Entlastungsschuh, Unterarmgehstützen, Orthese, Rollstuhl, Bettruhe), der Schaffung eines heilungsfördernden Wundmilieus (Entfernung von Belägen und Hyperkeratosen, feuchte Wundbehandlung mit hydroaktiven Pflastern) und bei Infektionen Antibiotika. Unter optimalen Bedingungen kann das Gangrän in wenigen Wochen abheilen. Für die Rehabilitation und Vorbeugung weiterer Ulcera müssen diabetesadaptierte Schuhe mit speziellen, langsohligen Schaumstoff- Einlagen verordnet werden. Nur bei schweren Fehlstellungen des Fußes werden orthopädische Maßschuhe verordnet. Amputationen sind nur selten notwendig.

Grundsätzlich gilt kausale (Ursache) Therapie vor symtomatischer Therapie. Wichtig ist ein gut eingestellter Blutzucker, die Vermeidung von Noxen wie Nikotin.

Bei Durchblutungsstörungen sollte zunächst eine Verbesserung der Durchblutung versucht werden: medikamentös mit Prostavasin oder Dilatation verengter Arterien in einem entsprechend ausgerüsteten Röntgen-Institut oder Anlage eines Bypass. Die Art des Verbandes richtet sich nach der Ausdehnung des Hautdefektes und den Heilungschancen: bei eher guter Prognose wie bei der Polyneuropathie, bei der trockenen Gangrän trockene Verbände. Amputationen sind hier häufig, meist reicht die Amputation der Zehen oder des Vorfußes, notfalls muß aber sogar der ganze Unterschenkel amputiert werden.

Andere Therapieformen

Veraltete Therapieformen

Häufig werden leider immer noch Fußbäder und Salbenverbände mit Jod (PVP-JOD, Braunol®, Braunovidon® ) angewendet. Die Vorstellung der verordnenden Ärzte und durchführenden Pflegekräfte ist, daß hiermit die Wundinfektion bekämpft und dadurch die Heilung gefördert wird. Tatsächlich kann eher Schaden angerichtet werden.

  • Fußbäder sind in der Regel stark keimbelastet, falsche Temperierung und zu lange Anwendung verursachen Mikrodurchblutungsstörungen, Verbrühungen oder Mazerationen.
  • Jod-Präparate wirken nur an der Oberfläche von Belägen, an den Wundgrund, an dem Keime noch aktiv sind, gelangen sie gar nicht.
  • In Wunden schädigt Jod wie auch Wasserstoffperoxid auch das gesunde Gewebe.
  • Bei exzessivem Jod-Gebrauch wird das Jod auch über die Haut resorbiert und kann bei Vorliegen einer Hyperthyreose eine thyreotoxische Krise auslösen.

Pflegerische Maßnahmen

Allgemeine Maßnahmen

  • Diabetiker sollten ihre Füße einschließlich der Zehenzwischenräume regelmäßig auf Verletzungen und übermäßige Hornhautbildung inspizieren. Bei eingeschränkter Beweglichkeit kann ein Handspiegel benutzt werden.
  • Die Füße gut abtrocken auch zwischen den Zehen, damit kein Fußpilz entsteht.
  • Täglich frische Strümpfe anziehen (ohne Naht, aus Baumwolle, mit einem nicht zu engen Bündchen)
  • Diabetiker sollten ferner nicht barfuß laufen um das Verletzungsrisiko gering zu halten, insbesondere wenn schon eine Neuropathie vorliegt.
  • Trockene Haut und Hornhäute können rissig werden und eine Eintrittspforte für Keime bilden. Zur Hautpflege sind harnstoffhaltige Produkte am besten geeignet. Harnstoff (Urea) bindet Wasser in der Haut. Ein Prozentualer Anteil von Urea in Höhe von 3-5 % erhöht dabei die Wasserbindungskapazität der Haut und ein Prozentualer Anteil von Urea über 10 % wirkt Hornhauterweichend.
  • Zehennägel sollten möglichst kurz gehalten werden. Eingewachsene Nägel gehören in die Hände von speziell ausgebildeten Podologen oder bei Entzündungen ggf. operiert!
  • Diabetiker sollten keine Hornhaut oder Hühneraugenpflaster verwenden oder einen Hornhauthobel und Hornhautraspel verwenden! Fußpflege sollte bei ausgeprägter Polyneuropahtie vom Podologen durchgeführt werden! Es eignen sich nicht einfache Fußpfleger, die ihr Wissen in einem kleinen Kurs erhalten haben, weil diese in der Regel nicht über die Risiken und Kenntnisse verfügen die insbesondere bei Neuropathien notwendig sind. Wer führt da schon ein Monofilament oder einen Stimmgabeltest durch?

Bewegungsübungen

Zur Stärkung der Fußmuskulatur sollten Übungen durchgeführt werden: Füße kreisen, auf die Zehenspitzen stellen, einen Bleistift mit den Zehen greifen und vom Fußboden aufheben, ein Blatt Papier mit den Füßen falten etc..

Bekleidung

Socken sollten aus Baumwolle bestehen und keine Nähte haben. Der Schuhkauf bei Diabetikern sollte abends erfolgen um evtl. entstehende Druckstellen zu vermeiden. Solange keine Polyneuropathie und/oder Deformitäten (Charcot, Hallux valgus, Hammerzehen) vorliegen, können Diabetiker jeden beliebigen Schuh anziehen. Bei Vorliegen der genannten Risikofaktoren sollten Schuhe aus einem weichen Obermaterial ohne Nähte an der Innenseite mit 5-6mm dicken Einlagen getragen werden. Manchmal sind Entlastungsschuhe angebracht.

Handelsübliche Einlagen sind leider meist nur halb so dick und daher nicht weich genug. Einige Hersteller bieten auch orthopädische Konfektionsschuhe an. Diese bestehen aus einem weichen Obermaterial, haben keine Nähte an der Innenseite und sind etwas breiter als normale Schuhe. Leider sind diese Schuhe aber nicht hoch genug für dicke Einlagen, so daß gerade bei Hammerzehen ein großer Druck entsteht, der ein diabetisches Gangrän verursachen kann. Deshalb sollten Verordnung und Auswahl von Schuhen und Einlagen für Diabetiker nur durch einen Diabetologen in Zusammenarbeit mit einem orthopädischen Schuhmachermeister erfolgen.

Verbandswechsel

Beim Verbandswechsel ist darauf zu achten, daß die Durchblutung nicht noch mehr eingeengt wird. Mullbinden müssen daher locker angewickelt werden! Bei arterieller Verschlußkrankheit oder zur besonderen Abpolsterung werden zusätzlich Wattebinden verwendet. Als zusätzliche Fixierung kann ein Schlauchverband dienen.

Bei Verbänden, die auch den Bereich des Vorfußes umschließen, sollten Kompressen zwischen die Zehen gelegt werden, um eine Mazeration zu vermeiden. Die Kompressen können als langes Stoffstück mäandrierend locker um die Zehen geschlungen werden.

siehe auch

Weblinks