Hitzetote

Aus Familienwortschatz
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Sterben bei Hitzewellen im Sommer mehr Menschen als sonst? Und woran sterben sie bei diesen Temperaturen?

Heuer gab es die Schreckensmeldungen noch von weit her: Neu Delhi - in Indien sind in den vergangenen sechs Wochen mehr als 250 Menschen an Hitzschlägen oder Austrocknung gestorben. Die Temperaturen in Teilen Zentral- und Nordindiens erreichten 47 Grad Celsius. Im Distrikt Angul in Orissa waren in der vergangenen Woche mehr als 50 Grad gemessen worden. Auch in der indischen Hauptstadt Neu Delhi forderte die Hitzewelle bei Temperaturen von bis 45 Grad ein erstes Todesopfer. Die meisten der Hitzetoten in Indien sind Bauern oder Strassenhändler. Aus Pakistan wurden am 22.6.05 weitere 30 Tote gemeldet. Insgesamt kamen dort seit Wochenbeginn nach offiziellen Angaben 45 Menschen ums Leben. Der Monsun wird überall sehnlichst erwartet.

Aber auch bei uns klettert das Thermometer. Ein Blick zurück:

Die Auswertung der Zahlen vom Sommer 2003 in Baden-Württemberg wurde veröffentlicht. Sie kann diese Fragen recht gut beantworten. Dabei stellte sich heraus, dass keine einzelne Todesursache, die sich explizit auf die Hitze bezieht, für sich allein Ursache der vermehrt aufgetretenen Todesfälle war.


Sterbefälle im Jahresvergleich auch 2003 etwa gleich bleibend

Im Sommer 2003 waren die Medien voll von Berichten über die Auswirkungen der außergewöhnlichen Hitzewelle, die weite Teile Europas erfasst hatte. In Baden-Württemberg starben in dem Zeitraum Juli und August über 1 800 Menschen mehr als im Vorjahr. Das Jahr verlief wie meistens, aber der August brachte einen jähen Anstieg der Zahl der Verstorbenen auf fast 8 900, was – einmal abgesehen von der Jahreswende – zu der zweiten markanten und im Vergleich mit den Vorjahren untypischen Spitze des Jahres 2003 führte. Danach sank die Kurve der Todesfälle auf jahreszeitlich zu erwartende Werte, zum Teil auch darunter. Landesweit starben 2003 ca. 97 200 Menschen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies einen Anstieg um 2 100 Todesfälle (+ 2,2 %). Nach Jahren eines stetigen Rückgangs der Sterbefälle war zuvor schon bereits 2002 im Vergleich mit 2001 eine leichte Zunahme um 1,1 % auf 95 100 zu verzeichnen gewesen.

Im Jahr 2003 gab es jahreszeitlich noch eine Besonderheit: am Jahresanfang starben in einem relativ milden Winter weniger Personen als im langjährigen Vergleich.

Vergleicht man nun zusätzlich die Zahlen des Folgejahres 2004, kann insgesamt gesagt werden, dass über die Jahre in der Summe keine wesentliche Veränderung zu beobachten war. Trotz Hitze.

Durch die Hitze vorweggenommene Sterbefälle

Im Kern handelt es sich bei den Todesursachen um vorweggenommene Sterbefälle, die daran gestorben sind, woran die Menschen auch sonst evtl. einige Wochen oder wenige Monate später gestorben wären. Die Hitze hat ihr Kreislaufsystem, den Stoffwechsel und die Immunabwehr so strapaziert, dass der Tod sie „früher“ weggerafft hat. Die Zahlen aus Baden-Württemberg sagen recht eindeutig, dass es gerade die zahlenmäßig generell dominierenden Todesursachengruppen sind, die über Zu- und Abnahme der Sterbefallzahlen sowohl aufs Jahr als auch auf die einzelnen Monate bezogen entscheiden und auch im Jahr 2003 entschieden haben.

Relativ geringe Abweichungen bei den Todesursachen gab es immerhin bei 2 100 Sterbefällen (von den insgesamt 95 100) . In absoluten Zahlen ausgedrückt wurden 935 Kreislaufsterbefälle mehr gezählt und überraschenderweise auch 966 Tote als Folge von Erkrankungen des Atmungssystems. Mehr Fälle wurden auch infolge Erkrankungen des Verdauungs- sowie des Urogenitalsystems registriert (zwischen 260 und 270). Und um 120 stieg die Todesfallzahl nach äußeren Ursachen an. Dagegen verstarben an Krebs 372 Personen weniger als noch im Vorjahr. Alle diese Zahlen sollten jedoch mit dem Vorbehalt einer Schwankungsbreite gelesen werden, die so wie so von Jahr zu Jahr auftreten kann.

Die Spitzenwerte des Jahres 2003 sind nicht auf das unvermittelte Auftreten einer außergewöhnlichen Häufung einer bestimmten Todesursachengruppe oder Einzelursache zurückzuführen. Vielmehr trägt jede Todesursachengruppe weit gehend in Übereinstimmung mit ihrem jeweiligen Gewicht innerhalb des ganzen Jahres auch zu dem zweiten Gipfel des Jahres 2003 bei. Dies gilt im Kern auch für die große Gruppe der Kreislaufsterbefälle und Tote als Folge von Erkrankungen des Atmungssystems. Für den Sommer bedeutet dies aber nichts anderes, als dass der so genannte „Hitzetod“ viele und zugleich bekannte Gesichter hatte.

Vielleicht stellt man sich die Frage, ob die Hitzewelle des Sommers 2003 als Naturkatastrophe bezeichnet werden kann. Die Statistik sagt nein. Der Sommer des Jahres 2003 stellt mit seinen hohen Temperaturen eine klimatische Besonderheit dar, der große Aufmerksamkeit zuteil wurde. Diese Aufmerksamkeit haben die immer wiederkehrenden erhöhten Sterbefallzahlen um die Jahreswende und in den Monaten vor Frühlingsbeginn nicht. Offensichtlich werden diese Sterbefälle, soweit bekannt, als typisch für einen Jahresverlauf angesehen und akzeptiert. Ähnlich verhält es sich mit dieser erhöhten Todeszahl im Sommer. Es wird sie in sehr heißen Monaten immer wieder geben.

Es sterben wieder mehr alte Menschen in Deutschland (und Frankreich)

In den vergangenen 5 Jahren waren von den an Kreislauferkrankungen verstorbenen Männern etwa 60 % über 74 Jahre alt , bei den Frauen über 85 %. Der jeweils höchste dieser Anteile wurde 2003 erreicht. Gegenüber 2002 bedeutet dies eine Zunahme um 343 bzw. 666 Fälle. Die Kreislauferkrankungen und Atemwegserkrankungen machten bei den 74 - 85jährigen 80 % aller zusätzlichen Sterbefälle des Jahres 2003 aus.

Innerhalb der breiten Altersgruppe 75 bis 110 Jahre fallen die Ergebnisse wiederum differenziert aus, sobald man die Gruppe in Altersschritte zu 5 Jahren aufteilt und separat untersucht. In der Statistik wird das meistens nicht gemacht und damit ein einheitliches Bild der Todesursachen vorgetäuscht. Die über 85 J. nach oben offene Klasse weist 2003 gegenüber dem Vorjahr überraschenderweise (?) sogar 55 Sterbefälle weniger aus! (???-von Jahrgängen, die nicht bzw. nur halb geboren wurden kann auch niemand bzw. nur weniger sterben!!) Nach dieser Statistik sind von dem Anstieg der Todesfälle in erster Linie die 75- bis 84-Jährigen betroffen. Dies insofern in keiner Weise verwunderlich als dies jetzt Jahrgänge sind, deren Kohortenstärke erheblich über der von vorangehenden Jahrgänge. liegt.Zwischen 1915 und 1919 wurden in einzelnen Jahrgängen (1916!) bis zu 50% weniger Kinder geboren - die dann auch im Alter nicht mehr bei den Sterbefällen mitgezählt werden können. Man sollte auch nicht allzu Datengläubig sein wenn es um die Bewertung der von den statistischen Landesämtern erfassten Todesursachen geht. Genauer wissenschaftlicher Prüfung halten deren Ausgangsdaten nicht stand. Die Leichenschauscheine werden zumeist oberflächlich, unwillig. beiläufig als lästiger "Behördenkram" von den beteiligten Ärzten erledigt. Die Kriterien zur Klassifizierung mögen zwar theoretisch feststehen, deren Nutzung ist jedoch keinerlei Schulung oder gar Prüfung unterzogen und absolut der subjektiven Bevorzugung des ausfüllenden Arztes überlassén. So verstärken sich landläufige Annahmen über Todesursachen. Populäre, griffige Diagnosen werden bevorzugt, eine weitere Differenzierung oder gar Diskussion der denkbaren Ursachen findet sich so gut wie nie. Tod durch Herzversagen anzugeben ist z.B. für den ausfüllenden Arzt kaum je mit dem Vorwurf der Fehlerhaftigkeit zu verbinden, da der Funktionsausfall dieses Organs letztlich immer das Ende bestimmt bzw. das Ende des Lebens begleitet, aus welchen anderen, "eigentlichen" Ursachen auch immer der Todeszeitpunkt bestimmt wird. Auch deswegen die (scheinbare) Zunahme der Herz-Kreislauf-Kranken. Die folgenden Aussagen seien deswegen nur mit Zurückhaltung zu interpretieren. Bei Hoch- und Höchstaltrigen sind akute Infekte, typischerweise der Atemwege ("Lungenentzündung")bei Fehlen sonstiger chronischer, zum Tod führenden Erkrankungen die relativ häufigste Ursache.So erklärt sich der statistische Rückgang der Krebssterblichkeit um 329 und der Kreislauftoten um 180, durch eine relativ starke Zunahme von Sterbefällen infolge Erkrankungen der Atemwege (+ 414) dem ein weniger starker Anstieg infolge von Erkrankungen der Verdauungsorgane gegenübersteht. D. h. bei den 85-jährigen und älteren muss besonders auf die Atemwegskrankheiten geachtet werden.

Individuelle Prophylaxe ist sinnvoll

Eine individuelle Prophylaxe bei Hitze ist sinnvoll. Das heißt

  • Schatten suchen
  • Trinken
  • körperliche Belastungen reduzieren und
  • bei Anzeichen einer Erkältung / Pneumonieverdacht den Arzt konsultieren.

Ältere Menschen haben durch nervliche und hormonelle Steuerung ein natürlich verringertes Durstgefühl. Weil sie dann weniger trinken, entsteht dann über Tage und Wochen ein Flüssigkeitsdefizit (medizinischer Fachausdruck: Exsikkose), das auch nur über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden kann. Bei einer belastenden Wetterlage kann das dann dramatische Folgen nach sich ziehen. Eine Folge ist evtl. die Verwirrung(bis zu Delir), die von Angehörigen oder im Krankenhaus oft fälschlicherweise zunächst als Demenz „diagnostiziert“ wird.

Allgemeine Prophylaxe durch Hitzealarm

Die Hitzewarnsysteme in der BRD seit 2004 beziehen ambulante Ärzte und Altenheime gleichermaßen ein. Maßgeblich für die Warnungen ist die gefühlte Temperatur, wobei die Grenzwerte nach einer komplizierten Formel durch den Deutschen Wetterdienst ermittelt werden. Abhängig von Luftfeuchtigkeit und Luftdruck können sie regional verschieden sein, was sehr differenzierte Warnungen möglich macht. In den USA etwa wird dagegen pauschal eine gefühlte Temperatur von 32,2 Grad Celsius als Hitze definiert.

Wie läuft ein Hitzealarm ab?

  • Bei Stufe 1 alarmiert der Wetterdienst das Sozialministerium und dieses wiederum die Regierungspräsidien. Diese informieren dann die Altenheime und den medizinischen Dienst der Krankenkassen ( das Vorgehen in Hessen). Die Pflegeheime muessen den Speiseplan umstellen und mehr Flüssigkost, vor allem elektrolytreiche Suppen, sowie weniger warme Mahlzeiten servieren. Natriumarme Mineralwässer sollten, wo das medizinisch möglich war, entweder durch mineralstoffreichere Wasser ersetzt oder durch Beimengung von Säften ergänzt werden. Kontrolliert werden die Maßnahmen in angekündigten und nicht angekündigten Stichproben durch Mitarbeiter der Versorgungsämter.
  • Hält die Hitze mehr als zwei Tage an, gilt Alarmstufe 2. Für die Niedergelassenen heißt es dann, gefährdete Patienten im Auge zu behalten, egal ob sie in einem Heim sind oder nicht: Besonders von Exsikkose bedroht sind sehr alte Menschen über 80, außerdem multimorbide und immobile Patienten sowie Menschen mit dementiellen Erkrankungen.

Die Hitzewelle 2003 als Teil des globalen Klimawandels

Zur Berichterstattung in den Zeitungen über die Hitzewelle 2003 als Teil des globalen Klimawandels gibt es eine Untersuchung des Potsdamer Klimafolgenforschung-Instituts. Danach wurden sehr viele Artikel in emotionalem Ton verfasst. Zum Teil in Richtung Katastophentourismus. Ungefähr gleich viele (aber eben nicht die Mehrheit, wie es bei dem Thema zu hoffen wäre) sind sachlich, realistisch geschrieben. Immerhin nur 7 % wurden der Kategorie „dramatisierend“ zugeordnet (Wüstenklima, Horrorzahlen). Insgesamt wird aber der Klimawandel inzwischen in über 60 Prozent der Artikel als ein bedeutendes Problem angesehen.

Der Einfluss des Menschen(der reichen Länder) wird inzwischen wahrgenommen. Für das Institut bleiben diese beiden Fragen offen: „Wird sich zukünftig die Haltung durchsetzen, den Klimawandel als unbedeutendes Problem zu verharmlosen, wie es .... geschehen ist? Oder wird sich der Realismus durchsetzen, der Strategien zur Lösung des Problems aufzeigt?“

Deutscher Wetterdienst Hitzewarnungen ab 2005

Mit einem Warnsystem will der Deutsche Wetterdienst die Zahl der Todes- und Krankheitsfälle bei Hitze verringern und damit vor allem seine eigene Bedeutung, und sei es auch mit absolut überflüssigen Daten hervorheben und seine eigenen Arbeitsplätze sichern...

Anlass für die Entwicklung des Warnsystems war der überaus heiße Sommer 2003, in dem allein in Deutschland mehr als 7000 Menschen Opfer der hohen Temperaturen wurden.

Diagnose Hitzschlag u. ähnl.

In ICD-10 wird die Diagnose Hitzschlag mit ICD T67.0 kodiert. ( ICD 10 ist eine Klassifikation der Diagnosen. ICD 10 SGB V (die deutsche Fassung) wird als Schlüssel zur Angabe von Diagnosen, von Ärzten und Kliniken zur Abrechnung mit den Krankenkassen, verwendet.)

Von Sonnenstich ist die Rede bei direkter Sonnenenwirkung auf den Kopf. Besonders gefährdet sind kleine Kinder und Personen, die keine oder nur wenige Kopfhaare besitzen. Die einfachste Vorbeugung ist neben dem Aufenthalt im Schatten das Tragen einer Kopfbedeckung. Hat der Sonnenstich einmal zugeschlagen, klagen die Opfer über Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel. Bewegungen des Nackens sind sehr schmerzhaft.

Hitzekollaps Zu einem Hitzekollaps - auch als Hitzeerschöpfung bezeichnet - kommt es durch Flüssigkeits- und Elektrolytverlust ohne entsprechende Zufuhr von außen - und damit zu einer Abnahme des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens ohne Erhöhung der Körpertemperatur. Als Ursache sind heute meist sportliche Aktivitäten anzuführen. Ein Hitzekollaps zeigt sich in den entsprechenden Schocksymptomen des hypovolämischen Schocks. die Hitzeerschöpfung - hat eine andere Ursache. Hierbei kommt es durch starkes Schwitzen zum Flüssigkeits- und Salzverlust. Zur Vorbeugung sollte man vor und nach der Anstrengung genügend trinken.

Die Sofortmaßnahmen bestehen in Flachlagerung und entsprechender Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr.

All dies ist zu unterscheiden von dem...

Hitzschlag Bei dem gefährlichen Hitzschlag (andere Schreibweise: Hitzeschlag) steigt zusätzlich die Körpertemperatur über 40°C an. Diese akute Überhitzung des Körpers führt zu einer Hirnschwellung. Der Körper kann durch seine natürliche Reaktion, das Schwitzen, die Hitze nicht abführen und die Körpertemperatur steigt. Symptome sind hohes Fieber, Krämpfe, fehlende Schweißabsonderung und Bewusstseinstrübung. Es kann zur Hirnschädigung kommen. Ursache kann eine körperliche Überanstrengung bei feuchter Hitze oder der Aufenthalt in überhitzten geschlossenen Räumen sein.

Erste Hilfe: Kühler Raum, bzw Kühlung z. B. mit feuchten Tüchern großflächig. Kleidung öffnen, mögl. entfernen. Sonst wie bei Kreislaufversagen. Nicht allein lassen. Arzt informieren lassen. Bewußtsein fortlaufend kontrollieren.


Literatur

  • Birgit Lukas, Martin Welp: Umgang der Printmedien mit extremen Wetterereignissen - am Beispiel der Hitzewelle 2003 - Klimawandel als unausweichliche Katastrophe oder bewältigbare Aufgabe? Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. 2004. Download der 200 KB pdf-Datei beim Potsdamer Klima-Institut. 2004. ca 45 S.


Weblinks



vgl. Wikipedia: "Hitzschlag"





siehe auch