Illegale Beschäftigung in der häuslichen Pflege

Aus Familienwortschatz
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Die hohen Kosten einer angemessenen Versorgung pflegebedürftiger Menschen führten verstärkt in den letzten Jahren zur Entstehung eines Grau- und Schwarzarbeitsmarktes: Die halblegale oder illegale Beschäftigung von Helfern/Helferinnen in der häuslichen Pflege, oft beschönigend als Haushaltshilfen bezeichnet.

Gründe für häusliche Pflege

Es gibt in Deutschland mehr als 2 Millionen Menschen, die auf permanente Hilfestellungen angewiesen sind. Dem können unterschiedlichste körperliche/psychische Erkrankungen oder Behinderungen zugrunde liegen. Als relativ große Gruppen mit einem hohen Betreuungsbedarf sind demenziell Erkrankte und Schwerstpflegebedürftige (gemäß den Vorgaben der Pflegeversicherung) zu nennen.

Nur etwa ein Drittel dieser Pflegebedürftigen lebt in Pflegeheimen. Die meisten älteren Menschen wollen ungern ihre gewohnte Umgebung verlassen - nicht nur wegen sentimentaler Erinnerungen und irrationaler Vorbehalte gegen die Heimunterbringung. Die eigene Wohnung macht einen wesentlichen Teil der Identität aus (Persönlichkeit, Intimsphäre, Biografie). In der gewohnten Umgebung fällt die Orientierung leicht und sind alltägliche Verrichtungen selbstverständlich, was auch bei fortschreitenden kognitiven Einschränkungen ein hohes Maß an Selbständigkeit und Eigenaktivität erhält. Rein körperliche Degeneration führt evtl. vermehrt zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins, was Betroffene dazu veranlassen kann, lieber eine Unterversorgung in Kauf zu nehmen, als sich in fremder Umgebung fremden Menschen anzuvertrauen.

Hilfebedarf von Pflegebedürftigen

Zunächst sind es Haushaltsarbeiten, die wegen körperlichen/kognitiven Einschränkungen vom Arbeitgeberhaushalt nicht mehr selbst besorgt werden können: Lebensmittel einkaufen, Essen zubereiten, Wäscheversorgung, Reinigung und Instandhaltung der Wohnung, Versorgung von Haustieren, Fahrdienste mit dem Pkw. Dazu kommen oft von vorneherein auch Tätigkeiten, die sich mit pflegerischen Berufsfeldern überlagern: Beaufsichtigung zur Vermeidung von Selbst- oder Fremdschädigungen, Grundversorgung bei der persönlichen Hygiene (Pflege beim Waschen und Ausscheiden), bei der Nahrungsaufnahme und Behandlungspflege (Einsatz von Medikamenten und Hilfsmitteln, Wundversorgung).

Gründe für die Illegalität

Der wichtigste Grund für die illegale Beschäftigung sind die Kosten für den erforderlichen hohen Zeitaufwand.

Die Versorgung in der häuslichen Umgebung kann oft nicht allein durch Angehörige sicher gestellt werden, da sie meistens nicht eine 24-Stunden-Anwesenheit alleine organisieren können. Die Betreuung durch ausgebildete Fachkräfte und der legale Einsatz von HelferInnen ist dafür wegen des hohen Zeitaufwands teuer und wird nur zu einem geringen Teil durch die Leistungen der Pflegeversicherung kompensiert. Nach Einsatz des eigenen Einkommens und Vermögens sind Familien nicht selten finanziell überfordert.

Das legale Verfahren der Beschäftigung osteuropäischer Haushaltshilfen ist bürokratisch aufwändig, so dass viele Betroffene auch deshalb illegale Schwarzarbeit für akzeptabel halten.

Ausgestaltung der illegalen Beschäftigung

Schwarzarbeit: Nicht angemeldete bezahlte Tätigkeit, also Lohnarbeit ohne Abführung von Steuern und Sozialabgaben; rechtloser Status der Beschäftigten und der Arbeitgeber (s. u.). Die Übergänge zwischen legaler und illegaler Beschäftigung bzw. zwischen den unten beschriebenen Formen der halblegalen/illegalen Beschäftigung sind dann scheinbar fließend, wenn ein Teil der Leistungen legal erbracht wird.

  • Regelmäßige Leistungen durch Angehörige (Familie, Bekannte) oder "ehrenamtliche" fremde HelferInnen werden mit einem Taschengeld oder einer rel. hohen Aufwandsentschädigung abgegolten (vgl. Babysitter).
  • Eine geringfügige Beschäftigung z.B. als Haushaltshilfe ist zwar angemeldet, es entsteht aber häufiger ein Mehrbedarf an Leistungen, der "schwarz" zusätzlich gearbeitet und bezahlt wird.
  • Regelmäßige bezahlte, nicht angemeldete Beschäftigung z.B. zur Hilfe bei der täglichen Körperpflege;
  • Aufnahme einer/eines fremden Helferin/Helfers in den Haushalt der pflegebedürftigen Person zur 24Stunden-Betreuung, umfangreiche hauswirtschaftliche und pflegerische Leistungen gegen Bezahlung, jedoch nicht als angemeldete Beschäftigung und ohne Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Bestimmungen (Arbeitszeit, Mindestlohn etc.) (s. a. Wohngemeinschaft).

Probleme der illegalen Beschäftigung

  • Straftat Schwarzarbeit - keine Lohn-/Einkommenssteuer, keine Sozialabgaben, kein Rentenanspruch - Geld- oder Freiheitsstrafen möglich;
  • rechtloser Status der Beschäftigten und der Arbeitgeber - arbeitsrechtliche Bestimmungen werden u. U. nicht eingehalten (Arbeitszeit, Mindestlohn, Qualität der Leistungen), kein Versicherungsschutz bei Unfällen
  • Qualität der Pflege ist nicht gesichert: HelferInnen ohne Ausbildung können Pflegebedürftige kaum angemessen versorgen; selbst Fachkräfte handeln in einem illegalen Beschäftigungsverhältnis u. U. unprofessionell (emotionale Überforderung, keine Kontrolle, keine fachliche Beratung) (s. a. Pflegefehler, gefährliche Pflege);
  • Sprachbarriere bei fremdsprachlichen (ausländischen) Helferinnen/Helfern: Verständigungsprobleme bei Absprachen oder Anweisungen, Kommunikation mit Pflegebedürftigen erschwert.

Alternativen

  • bereits beschäftigte HelferIn anmelden, rechtlich korrekten Arbeitsvertrag abschließen und einhalten;
  • (mehr) ehrenamtliche Helfer (z.B. Besuchsdienste gemeinnütziger Organisationen, Hilfe durch Bekannte, Mitglieder der religiösen Gemeinde);
  • Beratungs- und Entlastungsangebote sozialer Organisationen;
  • Beantragen einer (höheren) Pflegestufe, um mehr professionelle Hilfen finanzieren zu können;
  • kurzfristige Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste oder vorübergehende Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung z.B. während des Urlaubs betreuender Angehöriger oder bei besonderen Krisen der pflegebedürftigen Person (s. Kurzzeitpflege, familienentlastende Dienste);
  • Umzug mit PertnerIn in eine Wohngemeinschaft (Senioren-WG, Betroffenen-WG);
  • dauerhafte Aufnahme in eine stationäre Einrichtung (Behinderten-, Alten- oder Pflegeheim) - dabei besteht ja weiterhin die Möglichkeit der zusätzlichen Versorgung durch Angehörige (mit evtl. insgesamt besserer Rund-um-Versorgung) !
  • am besten: hiesiger Pflegedienst mit festangestelltem Personal und Kassenzulassung. Es gibt wenige deutsche Pflegedienste die diese Anforderungen in der Rund-um-die-Uhr-Pflege erfüllen,aber es gibt sie.
  • Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte, die im Heimatland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Diese können zeitweise legal in Deutschland arbeiten und sind auch während ihres Einsatzes krankenversichert.

Unionsvorschlag April 2011

Die Experten von CDU und CSU schlagen intern vor, eine Regelung aus Österreich "ergebnisoffen" zu prüfen. Dort muss Helfern aus dem Ausland ein eigenes Zimmer, freie Kost und eine Bezahlung von 800 bis 1000 Euro im Monat angeboten werden. Die Sozialversicherung übernimmt die Pflegekasse. Evtl. wäre das nach einer Einigung in der Union dann mit der FDP zu diskutieren.[1]

Filme

Siehe auch

Literatur

  • Jörg Alt: Leben in der Schattenwelt; Problemkomplex illegale Migration. Neue Erkenntnisse zur Lebenssituation 'illegaler' Migranten in München und anderen Städten Deutschlands. Loeper, Karlsruhe 2003, ISBN 3860594990 .
  • Daniela Bergdolt, Katharina Högel: Tagesmütter, Haushaltshilfen, Au-pairs. Rechtlicher Rat und praktische Tipps. DTV-Beck; 2000; ISBN 3423056738
  • BMfA+S (Hrsg., 1992): Alterssicherung in Deutschland 1986. Band IV: Haushalte und Ehepaare. Forschungsbericht 200-lV Sozialforschung (Infratest Sozialforschung, Bearbeiter Klaus Kortmann), Bonn.
  • Vera Dörzbach: Bin nett, helfe gern... In: Heilberufe(Zeitschrift), Oktoberausgabe 05
  • Stefan Donhauser: Schattenwirtschaft in Baden-Württemberg. Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2005, S. 8 ff
  • Forum Sozialstation, Ausgabe 02/2005, Seite 14-17, Artikel: Vom Hausmeisterservice bis zur Reisebegleitung
  • Häusliche Pflege, Ausgabe 3/2005, Seite 14-19, Artikel: Tag und Nacht beim Kunden
  • Margaret Horsfield: Der letzte Dreck. Von den Freuden der Hausarbeit. Verlag Rütten & Loening, 1999. 272 Seiten - Rütten & Loening. ISBN 3352006210 (Urspr. in USA erschienen. Die Arbeit ist sehr viel gründlicher als der amüsiert klingende Titel ! Dort auch weitere Lit.angaben )
  • H.-J. von Kondratowitz (Deutsches Zentrum für Altersfragen, Berlin): Die Beschäftigung von Migranten/innen in der Pflege. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie. ZfGG Band 38, Nummer 6, Seiten 417 – 424. ISSN 0948-6704 . DOI: 10.1007/s00391-005-0348-0 .
  • Susanne Müller: Billig und willig. In: Altenpflege 8-05 S. 26-27.
  • Georg Neumann: Rettung aus Polen. Wie Pflege zu Hause tatsächlich gelingt. Kreuz-Verlag, Freiburg, 2010, ISBN 978-3-7831-3402-5 (Erfahrungen mit demenzkranker Mutter)
  • Justyna Polanska: Unter deutschen Betten – Eine polnische Putzfrau packt aus. Knaur TB, 2011. ISBN 978-3-426-78397-9 (Interview, mehr zum Buch)
  • Barbara Seel (Hrsg.): Sicherungssysteme in einer alternden Gesellschaft, Perspektiven sozialer Sicherung zwischen Selbstverantwortung und Solidarität. Ffm/New York. 1998.
  • Anja Uhling, Stefan Hof: Hauptsache nicht ins Heim? Osteurop. Haushaltshilfen als Pflegekräfte. Interview mit Juliane Schmidt. In: Dr. Med. Mabuse 157 – Zeitschrift im Gesundheitswesen. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main (September 2005). S. 54-57

Zitate

  1. [www.tagesspiegel.de/politik/union-will-pflegeberuf-aufwerten/4071150.html CDU und CSU einigen sich auf Eckpunkte / Bessere Versorgung von Demenzkranken geplant.] Im Tagesspiegel vom 17. April 2011

Weblinks


vgl. Wikipedia: "Ausländische Haushaltshilfe"




vgl. Wikipedia: "Au Pair"




vgl. Wikipedia: "Finanzkontrolle Schwarzarbeit"





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