Intermittierender Selbstkatheterismus

Aus Familienwortschatz
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Der intermittierende Selbstkatheterismus kurz ISK genannt, beschreibt das Legen eines Katheters zur einmaligen Blasenentleerung durch den Patienten bei sich selbst.


Grundlegendes

Der intermittierende Katheterismus, meist als Selbstkatheterismus durchgeführt, hat sich bei Patienten mit neurogener Blasenentleerungsstörung oder myogener chronischer Restharnbildung weltweit als Therapie"standard" durchgesetzt. Etwa 70 Prozent aller Patienten mit neurogener Blasenfunktionsstörung können mit dieser konservativen Therapie erfolgreich behandelt werden. Sowohl Patienten mit primär hoher Restharnbildung bei neurogener bzw. myogener Detrusor-Hypo-/Akontraktilität als auch Patienten mit einer neurogenen Detrusorhyperaktivität (sogenannte Reflexblase) können mit dieser Technik lebenslang ohne Gefährdung ihrer Nierenfunktion versorgt werden.

Da die Blase in der Regel keimfrei ist, wurde in den letzten 15 Jahren zunehmend der intermittierende Selbstkatheterismus aseptisch durchgeführt. Der aseptische Selbstkatheterismus verwendet ausschließlich sterile Utensilien, es wird jedoch im Gegensatz zum sterilen Katheterismus auf sterile Abdeckungen, sterile Handschuhe verzichtet. Dadurch ist der aseptische Katheterismus weniger zeit-, material- und kostenaufwendig als der sterile Katheterismus. Umfangreiche retrospektive Analysen haben gezeigt, dass man mit dem aseptischen Selbstkatheterismus ohne antibiotische Prophylaxe die Infektinzidenz bis auf etwa einen Infekt pro Jahr reduzieren kann. Auf Grund von Datenlage und Expertenmeinung hat sich der aseptische intermittierende Katheterismus bzw. Selbstkatheterismus heute in ganz Europa durchgesetzt.


Indikationen

Die Indikationen zum intermittierenden Selbstkatheterismus sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass eine Blasenentleerungsstörung auf Grund einer Detrusorhypo- oder -akontraktilität vorliegt, wenn der Blasenauslasswiderstand höher ist, als die verbliebene Detrusorkontraktilität, oder wenn eine neurogene Detrusorhyperaktivität (mit Inkontinenz) vorliegt, die medikamentös unterdrückt und beherrscht werden kann. Vorrangiges Ziel dieser Maßnahme ist es, die Blase druckfrei und vollständig zu entleeren. Speziell bei Patienten mit Detrusorhyperaktivität ist es essentiell, die Druckanstiege durch Unterdrückung der Blasenmuskelaktivität in der Speicherphase soweit abzusenken, dass keine druckbedingte Gefährdung des oberen Harntraktes besteht. Da bei Erfolg dieser drucksenkenden Maßnahme eine Blasenentleerung (reflektorisch) kaum noch möglich ist, muss im Kontext mit dieser Therapie konsequenterweise die Blase durch intermittierenden Katheterismus entleert werden. Die wichtigsten Indikationen sind:


Kontraindikationen

Der intermittierende Selbstkatheterismus kann praktisch, nach Rüchsprache mit dem Arzt und ausführlicher Einweisung in die Technik, von fast allen Patienten durchgeführt werden. Bei fehlender Feinmotorik der Hände oder mangelnder Kooperation des Betroffenen, kann der intermittierende Selbstkatheterismus auch als Fremdkatheterismus, also von einer Fremdperson durchgeführt werden.

Als Kontraindikation gilt:

Anwendung

Datei:Ocentisept-1.jpg
Spray zur Haut und Schleimhautdesinfektion (Ocentisept®)
Gleitgel (Instillagel®) zum ISK
verschiedene Katheter zum intermittierenden Selbstkatheterismus (ISK)

Im Gegensatz zum intermittierenden Katheterismus, der in der Regel unter sterilen Bedingungen stattfindet, wird beim intermittierende Selbstkatheterismus "nur" unter sauberen Bedingungen gearbeitet. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Verfahren mehr Risiken einer Infektion mitsich bringt, sondern dass das verwendete Material einfacher in der Handhabung sind und daher keine weiteren sterilen Bedingungen benötigt.

Die Technik des ISK ist sehr leicht zu erlernen und kann bei entsprechendem Training auch schon von Kindern ab etwa 6 Jahren selbst durchgeführt werden. Bei geübten Patienten ist das Infektionsrisiko nicht höher als beim sterilen intermittierenden Katheterismus, der von geschultem Personal durchgeführt wird. In der Regel wird der ISK 4-6 mal am Tag durchgeführt, um eine ausreichende Blasenentleerung und damit verbundene Kontinenz zu erreichen.


Anlernphase

Zu Beginn der Anlernphase ist es wichtig, den Patienten über Sinn und Zweck der Maßnahme aufzuklären, sowie die Aussicht auf eine bessere Lebensqualität zur Motivation anregen. Die Aufklärung soll auch bestehende Unsicherheiten und Ängste überwinden helfen. Das Erlernen des ISK erfolgt in 3 Abschnitten:

  1. Erklärung der anatomischen Verhältnisse, bei Frauen mit Hilfe eines Spiegels. Der Katheterismus wird von der Krankenschwester oder vom Krankenpfleger durchgeführt, der Patient ist zunächst nur Beobachter.
  2. Der Patient führt den Katheterismus selbst durch, die Pflegeperson überwacht die Aktion und gibt den Patienten ggf. Hilfestellung.
  3. Der Patient führt den Katheterismus selbständig aus.

Wie lange jede Lernphase dauert, hängt von der Geschicklichkeit (Feinmotorik) und der Motivation des Patienten ab.

Materialien

Die heute zum intermittierenden Selbstkatheterismus verwendeten Katheter sind von der Konstruktion her so beschaffen, dass die Harnröhre auch bei jahrelangem und mehrmals täglich durchgeführten Katheterismus nur sehr wenig traumatisierend wirken. Folgende Materialien werden zum ISK benötigt:

  • Desinfektionsmittel zur Haut- und Schleimhautdesinfektion (z.B. Ocentisept®)
  • evt. sterile Tupfer
  • Gebrauchsfertige atraumatische Katheter mit hydrophiler Beschichtung bzw. mit Gleitgel versehen z.B. Actreen®
  • oder nicht gebrauchsfertige atraumatische Katheter und zusätzlich ein Gleitgel (z.B. Cathejell®, Endosgel® oder Installagel®)
  • evt. Spiegel bei der Frau
  • evt. Kniespreitzer


Vorbereitung

Zur Vorbereitung des intermittierenden Selbstkatheterismus sind alle benötigten Materialien bereitzulegen. Die Durchführung der Katheterisierung sollte in einem Raum bzw. Toilette geschehen, in dem der Patient genügend Bewegungsfreiheit besitzt. Nachdem alle Teile bereit liegen, entkleidet sich der Patient unten herum wie zum Toilettengang.

  • Hände mit Wasser und Seife reinigen
  • Der Patient begibt sich in eine günstige Position z.B. Sitzend auf der Toilette
  • Utensilien gebrauchsfertig griffbereit bereitstellen
  • Die Tupfer mit Octenisept® oder Braunol® tränken


Durchführung beim männlichen Patienten

  • Die Hülle des steril verpackten Einmalkatheters am hinteren und vorderen Ende aufschneiden oder an den vorgegebenen Rißlinien einreißen
  • Katheter etwa 8-10 cm vorne aus der Hülle schieben und so ablegen, daß Sterilität gewährleistet ist (z.B. am Bettrand, am WC auf dem Spülkasten)
  • Mit einer Hand Penisschaft fassen, Vorhaut zurückschieben
  • Tupfer mit Pinzette entnehmen und die Eichel von der Harnröhrenmündung zum Kranz von oben nach unten desinfizieren
  • Für jede Wischbewegung einen neuen Tupfer nehmen
  • mit einem weiteren Tupfer Harnröhre desinfizieren
  • Desinfektionszeit beachten
  • Gleitmittel (z.B. Cathejell®, Instillagel®) in die Harnröhre einspritzen und Penisschaft unterhalb der Eichel zudrücken, Einwirkzeit beachten (bei Kathetern mit hydrophiler Beschichtung nicht notwendig)
  • Harnröhrenmündung spreizen
  • Den Katheter, dort wo er durch die Hülle geschützt ist, anfassen und langsam die ersten 8-10 cm des Katheters in die Harnröhre vorschieben.
  • Durch Zusammendrücken mit Daumen und Zeigefinger wird die Harnröhre komprimiert und der Katheter zunächst fixiert und gleichzeitig die Hülle des Katheters weiter nach hinten abgestreift
  • dann das freie Katheterstück unter Lösung des Kompressionen auf die Harnröhre weiter vorschieben.
  • Katheter in Etappen vorsichtig weiter bis zum Erreichen des Widerstandes am Beckenboden bzw. des äußeren Schließmuskels einführen
  • dann Vorschieben des Katheters unter sanftem Druck in die Blase, bis der Harn abfließt. (bei Widerstand oder verstärkten Schmerzen Vorgang abbrechen)
  • Nach vollständiger Entleerung der Blase den Katheter vorsichtig entfernen.
  • Vorhaut wieder vorschieben

Durchführung beim weiblichen Patienten

  • evt. den Spiegel so aufstellen, daß das äußere Genitale gut sichtbar ist
  • Die Hülle des steril verpackten Einmalkatheters am hinteren und vorderen Ende aufschneiden oder an den vorgegebenen Risslinien einreissen
  • Katheter etwa 6-8 cm vorne aus der Hülle schieben und so ablegen, dass Sterilität gewährleistet ist (z.B. am Bettrand, am WC auf dem Spülkasten)
  • Katheterspitze mit Gleitgel beträufeln, bei Frauen ist das Kathetergleitgel nur anfänglich erforderlich
  • oder bei hydrophil beschichteten Kathetern nach Gebrauchsanleitung vorbereiten
  • mit einer Hand Labien (Schamlippen) spreizen und Spreizhaltung beibehalten, bis der Katheter eingeführt ist
  • mit der Pinzette und je einen Tupfer erst äußere und dann innere Labien von der Symphyse (Schamfuge) in Richtung Anus desinfizieren
  • mit einem weiteren Tupfer Harnröhre desinfizieren
  • Den Katheter, wo er durch die Hülle geschützt ist, anfassen und die ca. 5-6 cm vorstehende, freie Spitze langsam und in einem Zug in die Blase einführen, bis der Harn abfließt. (bei Widerstand oder verstärkten Schmerzen Vorgang abbrechen)
  • Nach vollständiger Entleerung der Blase den Katheter vorsichtig entfernen.

Nachbereitung

  • evtl. reinigen des Genitalbereichs
  • bei inkontinenten Patienten ggf. Inkontinenzslip (Windel) anlegen
  • Patient kleidet sich wieder an
  • entsorgen der gebrauchten Materialien
  • evtl. verstauen der restlichen Materialien in einer Tasche

Tipps & Tricks

  • Für Patienten, die den intermittierenden Selbstkatheterismus über einen langen Zeitraum regelmäßig durchführen müssen, haben sich Katheter mit einer weichen und flexiblen Spitze (Stöhrer-Katheter) und einer hydrophilen Beschichtung wie z.B. SpeediCath® oder Libero® bewährt.
  • Besonders für mobile und berufstätige Patienen eignen sich Katheter, die bereits einen Urinbeutel integriert haben wie z.B. EasiCath® Set oder LoFric® Hydro-Kit II. Dadurch sind die Patienten in der Lage, den ISK auch unterwegs z.B. auf einer öffentlichen Toilette ohne Probleme durchzuführen.
  • Für Frauen gibt es jetzt seit kurzem spezielle Katheter für den intermittierenden Selbstkatheterismus, die nicht viel größer als ein Lippenstift sind. Sie werden unter dem Namen SpeediCath® Compact oder LoFric® Primo von verschiedenen Firmen vertrieben.
  • Von einigen Katheter-Herstellern gibt spezielle Taschen, in denen der Patient alle für den intermittierenden Selbstkatheterismus benötigten Utensilien und ggf. weitere Inkontinenzhilfsmittel unauffällig transportieren kann.


Siehe auch:


==Weblinks==


  • Produktlinks:



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