Körperpflege

Aus Familienwortschatz
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Ein wichtiger Teil der ATL, der von fast jedem als Basis des psycho-physischen Wohlbefindens verstanden wird.



Körperpflege

Menschen empfinden Einschränkungen in der Fähigkeit sich selber Pflegen zu können meist als eines der bedeutendsten Anzeichen für den Verlust der eigenen Autonomie, für Abhängigkeit und Hilfslosigkeit.

Hilfestellungen oder Übernahmen der Körperpflege gehen mit körperlichen Berührungen zwischen Pflegendem und Gepflegtem einher. Sie können als angenehm empfunden werden, aber auch als distanzierend, abwertend, diskriminierend oder auch als peinlicher Eingrifff in die eigene Intimsphäre.


Körperpflege als nonverbale Kommunikation

Die Körperpflege dient nicht nur der Reinigung und Pflege der Haut und Hautanhangsgebilde. Wie bereits erwähnt bietet sie die Möglichkeit der zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme. Die Hände des Pflegenden und die Haut des Bewohners stellen den Kontakt untereinander her. Selbst bei Menschen, die für uns nicht sichtbar reagieren, kann evt. durch die Vermittlung von sensiblen Reizen (Wärme, Kälte, Berührung, Vibration, Druck) oder von Gerüchen die Wahrnehmung der Umwelt und die Kontaktaufnahme zu ihr angebahnt bzw. gefördert werden. Auch bewußtlose Bewohner sollen im wahrsten Sinne des Wortes spüren, daß sie nicht vergessen sind.


Bei Armut an äußeren Reizen (z.B. bei Bettlägerigkeit), bei Störungen der verbalen Sprache und bei Verwirrtheitszuständen gewinnt die nonverbale Kommunikation sehr an Bedeutung.

Die Durchführung der Körperpflege bietet eine ausgiebige und intensive Möglichkeit zur nonverbalen Kommunikation. Auch erfährt der Bewohner durch die Berührung seine Körperstrukturen; er nimmt die Grenzen zwischen sich und der Außenwelt wahr. Pflegende sollten sich dessen bewußt sein und dem Bewohner ausdrücklich sensible Reize und menschliche Zuwendung vermitteln.

nicht "bloße Reinigung"

unter dem Begriff "sich pflegen" subsumieren wir vor allem Aspekte der Körperpflege:

also einerseits alles, was im weitesten Sinn mit Hygiene und Sauberkeit zu tun hat, andererseits aber auch

  • Pflege von Kleidung und Schuhen (Jemand sieht "gepflegt" aus, oder nicht)
  • "Seelenpflege", sich etwas gönnen (Entspannungsbad, Massage)

In der praktischen (professionellen) Pflege geht diese Vielschichtigkeit leider oft verloren. Pflege wird hier auf ihre körperbezogene Bedeutung im Sinne von "reiner Körperpflege" reduziert.

Aspekte der Körperpflege

Außer der hygienischen Bedeutung hat die Körperpflege auch weitergehende Aspekte:

  • Identitätsstiftung und -erhaltung
  • Selbstwertsteigerung (Status, soziale Rolle, Prestige)
  • Gewinn/Verlust von Unabhängigkeit
  • Ausgeliefertsein
  • Sensibilisierung
  • Mobilisation
  • Berührung / Körperkontakt
  • Scham
  • Sexualität, Erotik
  • Entspannung, sich wohl fühlen
  • Wertschätzung, zwischenmenschliche Beziehung
  • Kommunizieren und Kontaktaufnahme
  • sich bewegen können
  • sich kleiden können
  • sich als Mann/Frau fühlen und verhalten

Potentialerkennung

Bewegung

Die Fähigkeit zur eigenen Körperpflege wird mitbestimmt durch (Beweglichkeit von):

  • Kopf/Hals
  • Arme
  • Hände
  • Finger
  • Rumpf
  • Beine
  • Füße
  • Zehen
  • Kreislaufstabilität
  • visuelles Erkennen von Umgebung, Gegenständen und Personen
  • kognitives Erkennen von Umgebung, Gegenständen und Personen
  • psychische Stabilität

Standfestigkeit

  • Schwindelgefühle
  • Gefühl zu fallen
  • Standfestigkeit vor dem Waschbecken
  • Standfestigkeit beim Baden/Duschen
  • Standfestigkeit beim An- und Auskleiden
  • Standfestigkeit vor dem Spiegel

bewegung und sport

Sehvermögen

  • Sehstärke
  • Kurz- Weitsichtigkeit
  • Gesichtsfeldeinschränkungen
  • Einschränkung der visuellen Fähigkkeiten als Nebenwirkung von Medikamenten oder bei Kreislaufschwäche (Schwindel)



Wärmeempfinden

Die Fähigkeit zur Beurteilung der Temperatur von:

  • Waschwasser
  • Armaturen
  • Raumluft

Kognition

Fähigkeit zur kognitive Erfassung (Funktion, Handhabung) von

  • Pflegeutensilien
  • Pflegehilfsmittel

Tastvermögen

  • feinmotorische Fähigkeiten (Greifen kleiner oder glatter Gegenstände)
  • (eingeschränkte) Sensibilität der Fingerkuppen

Bedürfnisse/Vorlieben

Bedürfnisse/Vorlieben bei der Körperpfllege sind:

  • Art der Körperpflege (Duschen, Baden, etc...)
  • Intensität
  • Geschwindigkeit
  • Häufigkeit
  • Zeitpunkt

Utensilien zur Körperpflege

Utensilien, die für die Körperpflege benötigt werden:

  • Handtücher
  • Badetücher
  • Waschlappen
  • Bademantel
  • Rasierutensilien
  • Fön
  • Kamm, Bürste, Lockenwickler
  • Schere, Nagelfeile
  • (elektrische) Zahnbürste
  • Bewohnergewohnheit:
    • Badezusätze
    • Rasierwasser
    • Parfüm
    • Seife (evt. mit Kordel, um sich die Seife um den Hals hängen zu können)
    • Haar-Shampoo
    • Nagellack
    • Schminke, Lippenstift
    • Creme (Gesichtscreme, Tagescreme, etc...)
    • Körperöl

bauliche Ausstattung

Um eine selbständige Körperpflege zu gewährleisten sind folgende bauliche Anforderungen zu stellen:

  • Duschen/Toiletten so dimensionieren, daß sie problemlos auch von RollstuhlfahrerInnen benutzt werden können
  • unter dem Waschtisch auch für RollstuhlfahrerInnen genügend Beinfreiraum lassen (Siphon)
  • Einrichtungsgegenstände (Regale, Bedienungselemente) so anbringen, daß sie auch von RollstuhlfahrerInnen benutzt werden können
  • eine ausreichende Anzahl von Wandschienen und Haltegriffe anbringen, die individuell angepaßt werden können
  • wenn Badewannen vorhanden sind, sind diese mit modernen Wannenliftern auszustatten
  • die Türen zum Bad öffnen sich nach außen, bzw. es gibt eine Schiebetür
  • die Tür zum Bad ist von innen abschließbar und im Notfall von außen entriegelbar (bzw Schild "Besetzt, bitte nicht stören")
  • alle Bäder/Toiletten verfügen über ein Notrufsystem
  • die Beleuchtung ist ausreichend
  • es existieren in ausreichendem Maße rutschfeste und waschbare Badematten
  • die Temperatur im Bad ist auch durch die BewohnerIn regulierbar
  • die Bedienungsvorrichtungen (Schalter, Steckdosen) sind in ca. 85cm Höhe angebracht
  • die Spiegel sind höhenverstellbar/kippbar bzw. auf Körpergröße der Bewohner abgestimmt
  • es wird darauf geachtet, daß die Bäder nicht zum Abstellen von z.B. Wäschesäcken, Müllsäcken, Pflegewagen, Toilettenstühlen benutzt werden !!!
  • es wird darauf geachtet, daß es in den Bädern angenehm riecht (duftet)

Wenn sich mehrere Bewohner ein Bad teilen

  • haben die Bewohner genug Platz, ihre eigenen Pflegeutensilien getrennt von denen der anderen Nutzer im Bad unterzubringen
  • sind die Abstellmöglichkeiten / Fächer ausreichend gekennzeichnet, um Verwechselungen zu vermeiden (z.B. dementiell erkrankte Bewohner))
  • sind die Fächer und Pflegeutensilien namentlich oder symbolisch gekennzeichnet, um Verwechslungen zu vermeiden
  • gibt es Möglichkeiten, diese vor dem Zugriff anderer zu schützen (z.B. durch abschließbare Fächer)
  • kann der Badewannenlifter problemlos entfernt werden, wenn andere Bewohner ihn nicht benötigen (z.B. mobiler Lifter)
  • gibt es Regelungen / Absprachen zwischen den Bewohnern zur Badbenutzung, bzw. werden entsprechende Abmachungen zwischen den Bewohnern angeregt
  • wird darauf geachtet, dass der Blick zum Spiegel frei bleibt und nicht durch Pflegeutensilien verstellt ist
  • können Bewohner eigene Vorstellungen zur Gestaltung der gemeinschaftlich genutzten Bäder einbringen und realisieren
  • wird in besonderem Maße auf die Reinigung des Bades und seine Hygiene geachtet

Übertragungsreaktion

folgende Übertragungsreaktionen zwischen Pflegeperson und Gepflegtem sind möglich:

  • Mutter-Tochter-Verhältnis
  • Mutter-Sohn-Verhältnis
  • Vater-Tochter-Verhältnis
  • Vater-Sohn-Verhältnis

Mitwirken bei ärztlicher Diagnostik und Therapie

  • Rechtzeigie Informationsweitergabe bei Veränderung der Schleimhäute.
  • Regelm. Terminvereinbarung beim Zahnarzt auch für Prothesenträger/-in
  • Beobachten der Haut und Nägel, bei Veränderungen Info an den Arzt

Siehe auch

Literatur

  • Alle Pflegelehrbücher enthalten einen entsprechenden Abschnitt (= Basiswissen).
  • Besselmann Klaus, Sowinski Christine, u. a. (KDA, Hrsg., 1997): Qualitätshandbuch Wohnen im Heim - Wege zu einem selbstbestimmten und selbständigen Leben im Heim - Ein Handbuch zur internen Qualitätsentwicklung in den AEDL-Bereichen. Köln, Kuratorium deutsche Altershilfe.
  • Kuratorium deutsche Altershilfe -KDA (1993): 1.600 Lit.angaben zur Pflegepraxis. Die 13 AEDL-Bereiche. Thema, kda,nr. 86. Von Benner-Wenig S, Busch A u. a. bearbeitet. 1977-1991 aus 10 Zeitschriften.
  • Müller, E. (2001): Leitbilder in der Pflege. Bern: Huber.
  • Sowinski Christine, Falk Juliane, u. a. (1995): Theoriegeleitetes Arbeiten in Ausbildung und Praxis. Ein Baustein zur Qualitätssicherung in der Altenpflege.

Weblinks