SGB IX: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 30. Januar 2014, 20:54 Uhr

Unter dem Leitmotiv "Gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung" hat der Deutsche Bundestag 2001 das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (abgekürzt: SGB I X) beschlossen und damit das Recht für Menschen mit Behinderungen auf eine neue Basis gestellt.

Mit dem Gesetz verfolgte die Bundesregierung, Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft fördern und dem im Grundgesetz verankerten Benachteiligungsverbot Geltung verschaffen. "Behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen sollen zukünftig ihre eigenen Belange so weitgehend wie möglich selbst und eigenverantwortlich bestimmen", erklärte der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Riester.

Schwerpunkte des Gesetzes sind

  • Stärkung der Eigenverantwortlichkeit durch erweiterte Wunsch- und Wahlrechte, Rücksichtnahme auf die persönliche Lebenssituation, die Familie sowie die weltanschaulichen und religiösen Bedürfnisse, schnellerer und unbürokratischer Zugang zu den Leistungen, mit denen behinderungsbedingte Benachteiligungen vermieden, ausgeglichen oder überwunden werden sollen,
  • Gleichbehandlung aller behinderten Menschen bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Einbeziehung der Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe in den Kreis der Rehabilitationsträger.
  • Damit verbunden ist eine bedürftigkeitsunabhängigen Ausgestaltung dieser Leistungen, Verbesserung der Entlohnung für die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen, Verzicht auf die Einkommens- und Vermögensprüfung unterhaltspflichtiger Eltern von erwachsenen behinderten Kindern, wenn sie für die Kosten einer vollstationären Unterbringung einen Beitrag leisten können,
  • Vermeidung von Verlegungen pflegebedürftiger behinderter Menschen in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe,
  • barrierefreie Ausführung der Sozialleistungen sowie
  • das Recht auf Verwendung der Gebärdensprache im Verfahren der Sozialverwaltung und bei der Ausführung aller Sozialleistungen.
  • Außerdem sieht das Gesetz umfangreiche Leistungsverbesserungen insbesondere für behinderte Frauen und Kinder vor.


Einzelne Paragrafen im Detail

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33)

(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

(2) Behinderten Frauen werden gleiche Chancen im Erwerbsleben gesichert, insbesondere durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete, wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote.

(3) Die Leistungen umfassen insbesondere

  1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung,
  2. Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,
  3. 2a.individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung,
  4. berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen,
  5. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,
  6. Gründungszuschuss entsprechend § 93 des Dritten Buches durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
  7. sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

(4) Bei der Auswahl der Leistungen werden Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt; in diesem Fall werden die Kosten nach Absatz 7, Reisekosten nach § 53 sowie Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten nach § 54 übernommen.

(5) Die Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht.

(6) Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere

  1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
  2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
  3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen,
  4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
  5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen,
  6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
  7. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  8. Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung (§ 110).

(7) Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme 1. der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Ausführung einer Leistung eine Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe notwendig ist, 2. der erforderlichen Kosten, die mit der Ausführung einer Leistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel, Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.

(8) Leistungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 6 umfassen auch 1. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung, 2. den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer Einrichtung für behinderte Menschen durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, 3. die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, 4. Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können, 5. Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und 6. Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

Die Leistung nach Satz 1 Nr. 3 wird für die Dauer von bis zu drei Jahren erbracht und in Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 102 Abs. 4 ausgeführt. Der Rehabilitationsträger erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen. Der Anspruch nach § 102 Abs. 4 bleibt unberührt.

Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen (§ 136)

(1) Die Werkstatt für behinderte Menschen ist eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,

· 1. eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten

und

· 2. zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Sie fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten.

(2) Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.

(3) Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen oder Gruppen betreut und gefördert werden, die der Werkstatt angegliedert sind.

siehe auch

Literatur

Weblinks