Shunt

Aus Familienwortschatz
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Ein Shunt ist ein operativ angelegter Kurzschluss zwischen Vene und Arterie (in der Regel am Unterarm). Zum Zwecke der Dialyse bei niereninsuffizienten Personen, da die natürlichen Blutgefäße des Menschen sich nicht für den zur Dialyse erforderten Blutfluss (etwa 250-350 ml Blut pro Minute) eignen.

Anforderungen

Durch die Anlage eines Shunts müssen folgende Ziele erreicht werden:

  • Shuntflussvolumen muss 300 ml/min betragen
  • Durchmesser muss groß sein → leicht zu punktieren
  • Punktionsstrecke muss lang sein → zwei Nadeln
  • Gefäß nicht zu tief unter Haut → weniger Schmerz, besser punktierbar
  • funktionelle Einschränkung der Extremität soll so gering wie möglich sein

Anlage

Der Shunt wird angelegt, indem eine Arterie und eine Vene (meist des Unterarms) in einer kurzen Operation zusammengenäht werden.

  • Die zur Shunt-Anlage üblichen Venen sind: v. cephalica, v. basilica, v. mediana cubiti, v. antebrachii
  • Die zur Shunt-Anlage üblichen Arterien sind: a. radialis, a. ulnaris, a. brachialis
  • Anastomose (Zusammennähen der Blutgefäße)
    • Seit-zu-End: Vene wird durchgetrennt und seitlich an Arterie genäht → funktionelle Erhaltung der Arterie;
    • Seit-zu-Seit: Arterie und Vene werden seitlich aneinander genäht → bei Shuntthrombose Arterie nicht betroffen, kann noch weiter genutzt werden; Einfluss von arteriellem Blut in distale Vene möglich -> Stauung der unteren Extremität
    • End-zu-End: Vene und Arterie werden abgetrennt und die Enden miteinader verbunden → wird kaum noch gemacht, da Verlust der distalen Arterie; zusätzlich: bei Shuntthrombose ist auch die Arterie danach unbrauchbar
  • Interponat
    • wird eingelegt, wenn sich die körpereigenen Gefäße nicht für eine Shunt-Einlage eigenen
    • ist ein Gefäßersatz/Überbrückung zwischen Arterie und proximal gelegener Vene
    • auch bei Stenosen oder Aneurismen in einem bestehenden Shunt kommen Interponate zum Einsatz
    • ist das Interponat schleifenförmig, wird es Loop genannt
    • das Interponat besteht aus Teflon; körpereigene Gefäße sind nicht für eine Transplantation geeignet
  • "Reifen"
    • nach der Shuntanlage steigt das Blutangebot und der Blutfluss in Arterie und Vene
    • der Gefäßdurchmesser erweitert sich, die Gefäßwand wird dicker
    • → der Shunt "reift" und kann nach 1-2 Wochen angestochen werden
  • erste Punktion:
    • erst, wenn Shunt gereift ist (1-2 Wochen)
    • bei Interponat: nach 4 Wochen
    • Punktion durch erfahrene Pflegende

Shunttraining

  • vor und nach Shuntanlage ist Venentraining von Vorteil
  • Ziel: Shunt soll sich "physiologisch" weiten
  • Übung: Handsoftball im Sekundentakt zusammendrücken
  • Druckaufbau in der Vene: ca. 60 mm Hg → mit BD-Manschette oder Stauschlauch erreichbar → Gefäßdilatierung
  • mehrmals täglich für 5-10 min
  • zudem: mehrmals täglich Funktion durch Abhören und Abtasten prüfen
  • => Nebeneffekt: Patient lernt, mit Shunt umzugehen und mit ihm zu leben

Hygiene

  • vor Punktion: Arm gründlich mit Wasser und Seife waschen
  • Punkteur: Hände und Unterarme desinfizieren
  • Shuntdesinfektion
  • Mundschutz tragen!
  • bei Hepatitis- oder HIV-Patient → Kittel und Schutzbrille tragen

Shunt-Pflege

  • Verband nach Punktion ca. 12-24 Stunden belassen
  • Arm normal waschen
  • eincremen (nicht vor der Dialyse, da sonst kein Pflaster mehr hält)
  • Verschmutzung vermeiden → bei Gartenarbeit etc. lange Kleidung tragen
  • zu vermeiden:
    • Blutdruckmessung
    • Punktion für Blutentnahme oder Infusion
    • Heben schwerer Lasten
    • verletzungsgefährliche Tätigkeiten
    • einengende Kleidungsstücke
    • Sonnenbrand (bzw. ausgedehntes Sonnenbaden)
    • grobe Verschmutzung

Punktion

  • Art und Technik sind wichtig
  • Atmosphäre: ruhig und entspannt
  • Fehlpunktion: sollte sofort bemerkt werden, bevor ein Hämatom entsteht
  • Stauung: mit ausreichend Abstand zum Shunt, da Gefässe komprimiert werden und um ein Durchstechen durch die Gefäßwand zu verhindern
  • Punktionswinkel: 30° (Cimino-Fistel) bis 45° (Interponat)
  • Punktionsstelle:
    • mind. 5 cm Abstand zur Anastomose
    • Abstand zwischen den zwei Nadeln so gross wie möglich → Shunt-Zirkulation wird vermindert, Effektivität der Dialyse steigt
    • verschiedene Punktionsarten: Strichleiter-Punktion, Areal-Punktion, Knopflochpunktion
  • Punktionsrichtung: mit dem Blutfluss
  • Lagekontrolle: Pulsieren im Schlauch gleich nach dem Stechen fühlbar
  • Fixierung: ist sehr wichtig, um Herausrutschen aus dem Gefäß zu verhindern → Verblutungsgefahr! Es gibt verschiedene Klebetechniken
  • Bedeutung der Punktion für den Patienten
    • Patient hat immer Angst um seinen Shunt
    • ist sehr sensibel für Personal und Situation
    • bereits oft punktierte Areale sind weniger schmerzhaft (Nerven schon kaputt)
    • Selbstpunktion: Patient spürt Shuntveränderungen früher, Knopflochpunktion möglich (weniger schmerzhaft), Angst vor Punkteur entfällt, Selbstständigkeit und Selbstwertgefühl werden erhöht
    • Patient muss psychisch und physisch dazu in der Lage sein

Diagnostik

  • wichtig, um Zustand und Funktion des Shunts zu prüfen
  • Inspektion
    • Untersuchung vor jeder Punktion
    • Hinweise auf Shunt-Komplikation: Hämatome, fehlendes Shuntgeräusch, Verhärtungen, Entzündungszeichen
  • Palpation
    • spürbar: Shuntblutdruck, Füllungszustand, Bluteinstrom und -abfluss
    • spürbare Komplikationen: venöse Abflussstörung, unzureichendes Shuntvolumen, beginnende Shuntthrombose
  • Auskulation
    • Abhören mit dem Stethoskop
    • hörbar: Strömungsgeräusche (Übertritt des Blutes von der Arterie in die Vene) → Verlauf des Blutstroms beurteilen
    • bei Stenose: vor Stenose harte Pulsation, dahinter nur ein Schwirren
    • bei Shuntverschluss: fehlendes Strömungsgeräusch

Komplikationen

  • Unzureichender Blutfluss
    • sollte nach Reifung ca. 500 ml/min betragen
    • für Dialyse werden 200-300 ml/min gebraucht
    • ist es weniger, ist Dialyse inadäquat
  • Herzinsuffizienz
    • Blut, das durch die Fistel fließt, umgeht Körperkreislauf → höhere Pumpleistung für das Herz
    • Herzminutenvolumen erhöht sich auf 5600 ml/min (normal: 4600 ml/min).
    • dies kann langfristig zu einer Herzinsuffizienz führen
  • Shuntinfektion
    • durch eintretende Keime bei Punktion
    • kann zur Sepsis führen
    • lässt sich mit guter Hygiene verhindern
  • Hämatom
    • häufigste Ursache: zu spät erkannte Fehlpunktion (Durchstich)
    • "Geplatzte Venen" bei Punktion gibt es nicht
    • bei urämischen Patienten mit Gerinnungsstörungen erhöht
    • Massnahmen: Punktion unterbrechen, Hämatom durch kreisrunde Bewegungen ins umliegende Gewebe verteilen (Shunt bleibt punktierbar), kühlen, Heparinsalbenverband
  • Shuntthrombose
    • Urachen: geringer Blutfluss wegen Anastomoseninsuffizienz, Venöse Abflusstörung
    • Folge: Verschluss des Shuntgefäßes
    • Zeichen: fehlende Pulsation und Shuntgeräusche
    • schnelle Shuntrevision zur Thrombektomie (operativ)
    • meistens neue Anastomose erforderlich
  • Shuntaneurisma
    • Ausweitung des Gefässes
    • Wandstruktur ist ausgedünnt, aber intakt
    • Komplikation: Thrombenbildung im Aneurisma
    • Lokalisation: häufig gleich hinter der Anastomose (postanastomotisches Aneurisma)
    • weitere Ursache: Areal-Punktion
  • Shuntstenose
    • Engstellen innerhalb des Blutgefäßes
    • sind oft natürlich, fallen aber erst nach Dilatierung des Shuntgefässes auf
    • befinden sich oft hinter postanastomotischen Aneurismen
    • beginnende Stenosen lassen sich durch geschickte Punktionstechniken erweitern
  • Steal-Syndrom
    • Blutmenge, welche von der Arterie in die Vene fließt, wird der betroffenen Extremität quasi "gestohlen"
    • Folge: Minderdurchblutung
    • Symptome: Kältegefühl, Schmerzen, Taubheitsgefühl, Blauverfärbung, bis zu Nekrose
    • Besserung meist nur durch Verminderung der Anastomose oder Shuntrückverlegung möglich

Quelle

  • Fachpflege Nephrologie und Dialyse