Stufen moralischer Entwicklung nach Kohlberg: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 30. Januar 2014, 19:45 Uhr

Die moralische Entwicklung in Stufen nach Kohlberg


Stufe 1 Fremdbestimmte Moral

Richtig ist: "Breche keine Regeln, wenn Strafe dafür droht; gehorche um des Gehorchens willen, füge anderen keinen körperlichen Schaden zu und beschädige nicht das Eigentum anderer."

Gründe, das Richtige zu tun: Menschen wollen Strafe vermeiden und der überlegenen Macht von Autoritäten entgehen.

= egozentrischer Standpunkt: Menschen berücksichtigen nicht die Interessen anderer oder erkennen nicht, dass sie von den eigenen verschieden sind; Handlungen werden eher nach ihren sichtbaren Folgen beurteilt als nach den damit verbundenen Interessen anderer; der eigene Standpunkt wird mit dem Standpunkt von Autoritätspersonen verwechselt.


was niemand merkt darf ich tun

Stufe 2 Individualismus, Zweckdenken, Austausch

Richtig ist: "Befolge Regeln nur, wenn du damit unmittelbar jemandem nützt; handele gemäß deinen Interessen und Bedürfnissen und billige anderen das gleiche Recht zu; richtig ist, was gerecht ist."

Gründe, das Richtige zu tun: Man möchte die eigenen Interessen und Bedürfnisse befriedigen und lebt dabei in einer Welt in der man auch die Interessen anderer berücksichtigen muss.

= konkret-individualistische Perspektive: Menschen erkennen, dass Interessen im Konflikt liegen können. Recht ist daher relativ (im konkret-individualistischen Sinn).


Stufe 3 Gegenseitige Erwartungen im zwischenmenschlichen Bereich, Beziehungen, Konformität mit anderen

Richtig ist: "Erfülle, was Menschen, die dir nahestehen, von dir erwarten oder was Menschen allgemein von bestimmten Rollen erwarten, die du ihnen gegenüber einnimmst, wie Tochter, Schwester, Freund usw. Es ist wichtig, ein guter Mensch zu sein, gute Absichten zu haben und sich um andere zu kümmern. Es bedeutet auch, gute Beziehungen zu anderen zu unterhalten, die durch gegenseitiges Vertrauen, Treue, Achtung und Dankbarkeit gekennzeichnet sind."

Gründe, das Richtige zu tun: Menschen wollen vor sich selbst und vor anderen ein guter Mensch sein. Sie glauben an die goldene Regel. Sie wollen anderen helfen, wollen Regeln und Autoritäten wahren, die für das Miteinander gut sind.

= Perspektiven des Individuums in Beziehung mit anderen Individuen: Menschen erkennen, dass sie Gefühle, Meinungen und Erwartungen mit anderen teilen und dass diese über die Interessen des einzelnen gehen. Sie berücksichtigen verschiedene Standpunkte, indem sie der konkreten goldenen Regel folgen, sich auf den Standpunkt anderer zu stellen. Allgemein systemübergreifende Perspektiven werden noch nicht berücksichtigt.

Stufe 4 Soziales System und Gewissen

Richtig ist: "Erfülle die Pflichten, die du übernommen hast. Gesetze müssen befolgt werden, es sei denn in besonderen Ausnahmen, wenn sie mit anderen festgelegten sozialen Pflichten in Widerspruch geraten. Richtig ist auch, die Gesellschaft, Gruppen oder Institutionen zu stützen."

Gründe, das Richtige zu tun: Institutionen müssen aufrechterhalten werden; "wenn das jeder machen würde," würde das System zusammenbrechen - das muss verhindert werden. Unser Gewissen fordert, unsere erklärten Pflichten zu erfüllen.

= Unterscheidung des gesellschaftlichen Standpunktes von an Einzelbeziehungen gebundenen Absprachen oder Motiven: Menschen nehmen den Standpunkt der Gesellschaft ein, die Rollen und Regeln festlegt. Sie beurteilen individuelle Beziehungen nach ihrem gesellschaftlichen Stellenwert.


Stufe 5 Sozialvertrag oder sozialer Nutzen und individuelle Rechte

Richtig ist: "Mach dir bewusst, dass Menschen verschiedene Werte und Meinungen vertreten und dass die meisten Werte und Regeln spezifisch für bestimmte Gruppen, also relativ sind. Dennoch sollten diese relativen Regeln gewöhnlich befolgt werden, da sie Gerechtigkeit gewährleisten und weil sie soziale Übereinkünfte darstellen. Einige Werte und Rechte haben eher absoluten Charakter - z.B. Leben und Freiheit - sie müssen in jeder Gesellschaft gelten."

Gründe, das Richtige zu tun: Menschen fühlen sich auf Grund eines Sozialvertrags an das Gesetz gebunden: Gesetze sind zum Wohle aller da und um die Rechte aller zu schützen. Die Menschen fühlen sich an freiwillige Abmachungen gebunden, an Verpflichtungen, die mit Familien-, Freundschafts-, Vertrauens- und Berufsbeziehungen verknüpft sind.

= Der Gesellschaft vorgeordnete Perspektiven: Die Perspektive eines vernünftigen Menschen, der weiß, dass es Werte und Rechte gibt, die sozialen Bindungen und Übereinkünften vorgeordnet sind. Menschen integrieren unterschiedliche Perspektiven durch die formalen Mechanismen der Übereinkunft, des Vertrags, der Vorurteilslosigkeit und der Beachtung der ordnungsgemäßen Reihenfolge. Moralische und gesetzliche Standpunkte werden berücksichtigt; man erkennt, dass diese in Widerspruch geraten können und es eventuell schwierig ist, sie in Einklang zu bringen.


Stufe 6 Allgemein gültige ethische Prinzipien

Richtig ist: "Befolge selbst gewählte ethische Prinzipien. Spezielle Gesetze oder soziale Übereinkünfte besitzen gewöhnlich Gültigkeit, da sie auf solchen Prinzipien beruhen. Wenn Gesetze zu diesen Prinzipien in Widerspruch stehen, halte dich an die Prinzipien. Prinzipien sind allgemeine Vorstellungen von Gerechtigkeit, wie die Auffassung, dass für alle Menschen das gleiche Recht gilt und wir die Würde des Menschen achten müssen."

Gründe, das Richtige zu tun: Vernünftige Menschen glauben an die Gültigkeit allgemeiner moralischer Prinzipien und fühlen sich persönlich verpflichtet.

= Perspektive des moralischen Standpunktes, von dem soziale Vereinbarungen abgeleitet werden. Es ist der Standpunkt jedes vernünftigen Menschen, der weiß, was Moral ist oder sich bewusst ist, dass jeder Mensch seinen (End)Zweck in sich selbst trägt und entsprechend behandelt werden muss.

Literatur

zu den Konsequenzen von Kohlbergs Modell für die Pflegeausbildungen siehe: Reinhard Lay: "Ethik in der Pflege. Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung." Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2004. ISBN 3899931157

siehe auch