Tonsillektomie

Aus Familienwortschatz
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Als Tonsillektomie (TE) bezeichnet man den chirurgischen Eingriff der Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillae palatinae). Es ist eine der häufigsten geplanten Operationen und wird bei häufig rezidivierenden Entzündungen (Tonsillitis) durchgeführt. Eine weitere Indikation ist eine starke Vergrößerung der Mandeln (Hyperplasie), welche die Atmung behindern können, sowie der Tonsillarabszess, der Atmung und insbesondere Schluckstörungen verursachen kann.

Die Indikation für eine Tonsillektomie wird heutzutage relativ eng gestellt, da sie wichtiger Bestandteil des Immunsystems sind, und hierbei vor allem für Kinder wichtige Funktionen übernimmt. Aber auch bei erfolgter Tonsillektomie regeneriert sich das lymphatische Gewebe bei ca 40-50% durch Einwandern von Zellen aus dem umliegenden lymphatischen Bereichen.

Datei:Rachenmandeln.jpg
Tonsillen im Rachen

Pathologie

Indikation

Rezidivierende (wiederkehrende) Entzündungen, Herdcharakter (Streuung in den Organismus) z.B.: Angina tonsillaris, chronische Tonsillitis, exsessive Tonsillenhyperplasie, bei V.a. Fokalerkrankung, Z.n. Peritonsillarabszeß

Klinik

  • geröteter Gaumenbogen
  • auf Druck Eiterentleerung
  • Herdbedingte Erkrankungen: akutes rheumatisches Fieber, Glomerulonephritis, Endocarditis, Haut- und Augenerkrankungen

Diagnostik

Anamnese, Klinisches Bild, Klinische Untersuchung (Nasen-Rachen-Inspektion), Antistreptolysin-Titer (neutralisierter Antikörper der Streptokokken), BSG erhöht

Therapie

Operative Entfernung mittels chirurgischem Besteck oder Laser. Teilresektionen sind möglich.


Operationsverfahren

In Vollnarkose oder örtlicher Betäubung werden die Gaumenmandeln mit einer Fasszange gefasst. Mit einer Lanzette wird die Mundschleimhaut inzidiert; mit einer Schere sowie einem stumpfen Instrument (Raspatorium) wird die Tonsille aus ihrer Umgebung herausgelöst. Zum Abtragen des unteren, an den Gaumenbogen angrenzenden Gefäßstiels wird nach einer Ligatur meist eine Schlinge verwendet. Anschließend erfolgt eine sorgfältige Blutstillung mit einer bipolaren Elektropinzette. Spritzende Blutungen werden unterbunden oder umstochen. Am Ende des Eingriffes zeigen sich zwischen vorderem und hinterem Gaumenbogen ca. 2 cm große Wundflächen, die sich in den folgenden Tagen mit einem weißlichen Wundschorf (Fibrinbelag) bedecken. Dieser stößt sich zwischem dem 4.-6. post OP Tag ab (cave: Nachblutung!), allmählich setzt die narbige Abheilung ein. Nach der Tonsillektomie können die Wundflächen nicht vernäht werden, die Abheilung erfolgt per secundem und es kann leicht zu postoperativen Nachblutungen kommen. Dem Patienten wird empfohlen, nach der Tonsillektomie noch ca. 5 Tage im Krankenhaus unter klinischer Beobachtung zu bleiben.

Bei der sog. Coblation werden die Tonsillen mithilfe eines - durch Hochfrequenz angeregten - Salzwasserstrahls aus ihren "Betten" gelöst (siehe Weblink unten). Dadurch wird die Molekularstruktur des Gewebes "geknackt" und löst sich auf.

Anästhesie-Pflege

Nach oraler Intubation wird ein Boyle-Davis-Spatel eingeführt und eine spezielle Vorrichtung ("Spanischer Reiter") über den Kopf des Patienten eingehängt.


Fixieren des Tubus

  • Spiraltubus mittig über die Unterlippe hin ableiten und fixieren
  • Durch chirurgische Manipulation besteht die Gefahr, dass der Tubus verrutscht, abknickt, oder beschädigt wird --> einen neuen Tubus gleicher Größe und Intubationsbesteck immer griffbereit auf den Narkosewagen legen.

Extubation

Die Patienten sind v.a. durch starke Nachblutungen gefährdet

  • Venöser Zugang bzw. Zugänge müssen sicher liegen
  • ggf. Magensonde legen und vor der Extubation gründlich absaugen
  • Vor Extubation Rachenraum gründlich absaugen
  • Patienten nach Extubation auf die Seite lagern, damit Blut und Sekret besser ablaufen kann.
  • Kindern vor Übergabe in den Aufwachraum, besser noch perioperativ, Schmerzzäpfchen verabreichen (z.B. Paracetamol)


Pflege

Präoperative Pflege

  • Blutentnahme vorbereiten: Gerinnungstest, BB
  • Patient auf Rauch- und Alkoholverbot vor und nach OP hinweisen
  • Nach dem Abendbrot nicht mehr rauchen und essen
  • ab 22h keine Getränke mehr zu sich nehmen lassen


Postoperative Pflege

  • sofort Eiskrawatte, je nach Temp. ca. alle 1/2 Std. erneuern, vor allem in den ersten 24 Std.
  • Allgemeine postoperative Überwachung (Vitalzeichen, Bewußtsein, Blutungen...)
  • Pat. wird nach der OP mit erhöhtem Oberkörper gelagert, damit es zu keiner Aspiration von Blut(-koageln) und dementsprechend zu einer akuten Atemnot kommen kann.

Schmerzlinderung


CAVE: Metamizol kann eine Überempfindlichkeitsreaktion (Anaphylaxie) auslösen oder bei bestehendem Asthma bronchiale, Heuschnupfen und chronischen Atemwegserkrankungen einen akuten Anfall auslösen.

CAVE: Ibuprofen und salizylhaltige Analgetika (z.B. Acetylsalizylsäure) sind kontraindiziert, da sie die Blutungsneigung erhöhen können!

Nausea


Krankenbeobachtung

  • konsequente Krankenbeobachtung ist besonders nach Tonsillektomie unerlässlich (Gefahr der Nachblutung)
  • vermehrtes Schlucken, Erbrechen/Aushusten von Blut, Kollaps sind Zeichen für eine Nachblutung
  • regelmäßige Kontrolle der Vitalwerte (RR, Puls, Atmung)

Komplikationen

Nach 24h sinkt die Gefahr der Nachblutung. Erst zwischen dem 4.-6. Tag kann es wieder zu Blutungen - aufgrund der Fibrinablösung - kommen. Diese können, wenn sie nicht erkannt werden, lebensbedrohlich sein!

CAVE: Besonders gefährlich sind Sickerblutungen!

Ernährung

Die Nahrungsaufname ist anfänglich ebenfalls schmerzhaft. Deswegen sollte die Kost langsam von flüssiger über breiige hin zur Normalkost aufgebaut werden.

  • Scharfe Gewürze
  • heiße Speisen
  • säurehaltige Säfte (Obst, Apfelsaft, O-Saft, und Tomaten!)
  • koffeinhaltige Getränke (Cola, Kaffee)
  • kohlensäurehaltige Getränke aller Art (Mineralwasser, Cola usw.)
  • heiße oder eiskalte Getränke

sollten vermieden werden, da sie erfahrungsgemäß Schmerzen auslösen können.

Sinnvoll:

  • Leitungswasser, Fruchtsaftschorle mit milden Saftsorten (handwarm am Besten)
  • Weißbrot
  • Mischbrot ohne Kruste
  • Speiseeis
  • Eiswürfel zu den Getränken anbieten
  • Kartoffel- oder Grießbrei

Wundbehandlung

Der Wundschmerz dauert in aller Regel bei Erwachsenen länger an als bei Kindern. Er ist in den ersten 24h am heftigsten und kann noch einmal um den 5 p.o. Tag zunehmen, wenn sie die Wundbeläge abstoßen.

Keinesfalls sollte die Wunde berührt oder deren Belag entfernt werden! Dies könnte Schmerzen und Blutungen zur Folge haben.

Wundkontrolle, Wundversorgung

  • tgl. und regelmäßige Inspizierung der Mundhöhle (evtl. mit Taschenlampe)
  • Blut aus Mund und Nase, Blässe und Tachycardie weisen auf eine Nachblutung hin, Kälteanwendung von innen (durch kalte Getränke) und außen (durch Eiskrawatte) senken das Nachblutungsrisiko und wirken schmerzlindernd

Körperpflege

  • Zähneputzen am 1. p.o.Tag nur mit Wasser
  • am 2. Tag Zähne putzen mit Zahnpasta, aber nichts davon schlucken
  • gurgeln, heiße Vollbäder, Haarwäsche in den ersten 2-3 Tagen nicht zulassen
  • Duschen ist in der 1. postoperativen Woche kontraindiziert
  • Für zu Hause: Sonnenbäder und ausgedehnte Vollbäder vermeiden sowie Saunabesuche

Lagerung

Oberkörper erhöht oder Seitenlage, ruckartige Bewegungen (Umlagern) sind zu vermeiden

Mobilisation

  • bei Lokalanästhesie: bei stabilen Kreislaufverhältnissen kann Patient sofort nach OP aufstehen
  • bei Intubationsnarkose: sollte Patient erst nach 4-6 Std. aufstehen
  • In den 5-7 Tagen im Krankenhaus und in der folgenden Woche, in der der Patient in der Regel noch krankgeschrieben ist, sollte der Patient alles vermeiden, was den Blutdruck und damit die Gefahr einer Nachblutung erhöht, z.B. körperliche Anstrengung

Ausscheidung

Siehe auch

Sehr ausführlicher postoperativer Erfahrungsbericht eines Patienten nach einer Tonsillektomie durch Coblation über 11 Tage

Postoperativer Erfahrungsbericht eines Patienten nach einer bilateralen Tonsillektomie durch Coblation

Fußnoten


Weblinks

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Quellen

  • Juchli L. (u.a.): Pflege, 9.Auflage Thieme, Stuttgart 2000
  • Pflege, 10. Auflage Thieme
  • Klinikleitfaden Anästhesie-Pflege, Urban & Fischer, 1. Auflage 1999