Umgang mit Verstorbenen

Aus Familienwortschatz
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Viele Menschen möchten zu Hause in gewohnter Umgebung sterben. Nur für ganz wenige Menschen geht dieser Wunsch in Erfüllung. Viel häufiger kommt es - aufgrund kritischer Situationen - im Vorfeld zur Verlegung Schwerkranker aus der häuslichen Pflege in stationäre Einrichtungen. Der Einzug in eine Pflegeeinrichtung ist oftmals der letzte Umzug im Leben. Insofern sind diese Einrichtungen gefordert, dem Sterben und den Verstorbenen angemessen Raum zu geben.


Die häufigsten Sterbeorte in Deutschland

In einer Stellungsnahme des nationalen Ethikrates in Berlin aus dem Jahre 2006 wurden bezüglich des Versterbens „Wunsch - nicht Wirklichkeit“ folgende Zahlen veröffentlicht:

Jährlich versterben ca. 850.000 Menschen in Deutschland, 90% davon in Krankenhäusern, Hospizen oder Pflegeeinrichtungen; im Krankenhaus 46% (~390.000 Menschen), im stationären Hospiz 1% (~8.000 Menschen), im Alten- und Pflegeheim 43% (~365.000 Menschen). 75% der Heimbewohner wurden direkt aus dem Krankenhaus in ein Alten-oder Pflegeheim entlassen. 30% der Bewohner der Pflegeheime versterben innerhalb der ersten drei Monate nach Ihrem Einzug (Tendenz steigend). Die durchschnittliche Verweildauer im Alten- oder Pflegeheim beträgt mittlerweile weniger als 12 Monate.

Daher hat sich die Sterbekultur aus dem häuslichen in den stationären Bereich verschoben, so dass Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen immer auch mit dieser Thematik konfrontiert werden und sich mit der Gestaltung der Sterbebegleitung befassen müssen. Hilfreich ist es für sie wie auch für Angehörige, wenn sich der Patient bzw. Bewohner schon selbst zu Lebzeiten mit dem Thema befasst hat und eventuell sogar schriftliche Vorgaben für den eigenen Todesfall verfasst hat.

Bestattungen in Deutschland

Die Frage nach der Bestattungskultur in Deutschland lässt sich so beantworten: es gibt in Deutschland hauptsächlich zwei Bestattungsarten: Feuer- oder Erdbestattung. Durch das (teilweise veraltete) Bestattungsgesetz der Länder (jedes Bundesland regelt dieses Gesetz selbst) gilt in Deutschland nach wie vor zumeist der Friedhofszwang. Verstorbene bzw. deren Überreste, wie die Urne mit der Asche, müssen auf einem Friedhof beigesetzt werden.

Mittlerweile haben sich aber aus der Feuerbestattung verschiedene Möglichkeiten entwickelt: In einigen Bundesländern ist daher auch Baumbestattung, Seebestattung, Friedwaldbestattung, Weltallbestattung, Diamantbestattung und Luftbestattung erlaubt. Die meisten „Trends“ kommen aus dem europäischen Umland und finden hier immer mehr Anklang.

Im Süden Deutschlands hat die Feuerbestattung, aus überwiegend religiösen Gründen, kaum eine Bedeutung. Hier werden rund 80-90% der Menschen im Sarg in der Erde bestattet. Im Norden und Osten Deutschlands, allen voran Berlin, werden heute nahezu 80% der Verstorbenen auf anonymen Grabfeldern namenlos beigesetzt, oft auch ohne jegliche Zeremonie. In diesen Teilen Deutschlands hat die Sterbe- und Bestattungskultur am meisten abgenommen.

Der Sargzwang in Deutschland ist meistens der Grund, weshalb Verstorbene muslimischen Glaubens in ihr Heimatland überführt werden, damit sie dort ihren religiösen Vorschriften gemäß bestattet werden können. Inzwischen möchten auch diese Menschen sich lieber hierzulande beisetzen lassen, da sie sich in Deutschland heimisch gefühlt haben und auch ihre Familien hier leben. Auf einem Hamburger Friedhof gibt es ein muslimisches Grabfeld, auf dem man sich, nur in ein Leichentuch gehüllt gen Mekka ausgerichtet, nach muslimischem Glauben beisetzen lassen kann.

Einfluss der Bestattungskultur auf eine Pflegereinrichtung

Pflegekräfte übernehmen häufig „den letzten Dienst am Patienten“, was für einige eine zeitliche und seelische Belastung bedeuten kann, wie auch die Betreuung der Hinterbliebenen. Angehörige können aber auf Wunsch durchaus in einige pflegerischen Handlungen miteinbezogen werden, z.B. beim Waschen und Einkleiden des Verstorbenen. Mittlerweile gibt es in stationären Pflegeeinrichtungen wieder zunehmend Abschieds- bzw.Aufbahrungsräume, die für dieAbschiednahme genutzt werden können. Unsicherheit in Hinblick auf die Wünsche des Verstorbenen erschweren aber die Gestaltung der Aufbahrung (z.B. Auswahl der Bekleidung, Blumenschmuck, religiöse Rituale und Symbole). Einige Bestatter helfen bereits Pflegeeinrichtungen bei der Gestaltung solcher Räume oder von „Gedenktischen“. Der Bestatter übernimmt die weitere Versorgung des Verstorbenen, vor allem seine Herrichtung, die oftmals die Möglichkeiten einer Pflegeeinrichtung übersteigt. Auch die Begleitung von Hinterbliebenen in der ersten Zeit der Trauer wird vom Bestatter weitergeführt.

Ambulanter Bereich

Im ambulanten Bereich ist dies aus verschiedenen Gründen anders: Der Patient verstirbt zu Hause, nicht selten im Beisein der Pflegekraft. Manche Angehörige können nicht dabei nicht anwesend sein und somit wird auch die Trauerarbeit eine ganz andere. Ambulante Einrichtungen gehen ganz unterschiedlich mit einer solchen Situation um: In Berlin wird beim Auffinden eines verstorbenen Patienten oft die Feuerwehr angerufen. Sobald diese vor Ort ist, wird zusätzlich die Polizei informiert. Im Anschluss daran kommt der Arzt, der den Tod bescheinigt. Die Pflegekraft ist nach Eintreffen der Feuerwehr beim nächsten Patienten. Manchmal wird die Pflegekraft in einer solchen Situation von ihrer Arbeit freigestellt. Manche entscheiden sich für einen „Patientenstatus über den Tod hinaus“ und kümmern sich nach „bestem Wissen und Gewissen“ um den Verstorbenen.

Die „Ist-Situation“

  • Das Personal handelt nach bestem Wissen und Gewissen, konkrete Anweisungen fehlen aber oftmals im internen oder externen Qualitätsmanagement der Einrichtungen oder sind unzureichend.
  • Personalmangel im Pflegebereich führt zu unangemessenem Umgang mit dieser speziellen Situation.
  • Obwohl in der Einrichtung damit konfrontiert, haben manche Pflegekräfte kaum persönliche Erfahrung im Umgang mit Verstorbenen.

Der organisatorische Ablauf im stationären Bereich

Eine ausführlichere Beschreibung ist im Artikel Versorgung eines Verstorbenen zu finden.

  • Auffinden des Patienten bzw. Versterben im Beisein der Pflegekraft (§10 BestG „Wer einen Toten auffindet oder beim Eintritt des Todes anwesend ist, hat unverzüglich eine der in § 9 Abs. 1 genannten Personen oder die Polizei zu benachrichtigen...“)[1]
  • Die Leichenschau durch den Arzt dient zur medizinischen Feststellung des Todes und der äußeren Beschaffenheit des Leichnams. Sie wird vom Arzt mit der Todesbescheinigung dokumentiert.
  • Angehörige werden informiert.
  • Vor Eintritt der Totenstarre werden folgende Tätigkeiten durch Pflegepersonal und/oder Angehörige übernommen:
- falls speziell dafür geschaffene Räume vorhanden sind, wird der Verstorbene dorthin gebracht
- Herrichtung des Verstorbenen (Entfernen von Kanülen, Verbandsmaterial etc., Waschen und ggf. Umkleiden)
- Gestaltung des Umfeldes

Bei diesen Verrichtungen ist bei verstorbenen infektiösen Patienten auf entsprechende Schutzmaßnahmen zu achten. Ansonsten gelten die gleichen hygienischen Maßgaben wie bei der Versorgung Lebender.[2]

  • Achtung: Bei muslimischen Verstorbenen ist dies nur durch Angehörige bzw. einen Imam erlaubt! Ebenso ist es auch in vielen jüdischen Gemeinden üblich, dass sich Gemeindemitglieder um die Versorgung des Verstorbenen kümmern, wenn sie im Vorfeld informiert wurden.
  • Zu beachten ist, dass Muslime evtl. eine besondere Art der Trauer pflegen. Traditionell erscheinen in der Einrichtung Frauen aus der Glaubensgemeinschaft des Verstorbenen, um in ritualisierter Weise laut zu jammern und zu klagen.
  • Während der Abschiednahme der Angehörigen kann es zu längeren und auch sehr emotionalen Gesprächen vor Ort kommen.
  • Der Bestatter wird von den Angehörigen beauftragt. Wenn der Leichnam als infektiös gilt, muss der Bestatter darauf hingewiesen werden, um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.

Gesetzliche Bestimmungen

Folgende Gesetze sind u.a. zu beachten: Grundgesetz, Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung, Bestattungsgesetz, Durchführungsverordnung zum Bestattungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung, Krankenhausbetriebsverordnung, Behandlungsvertrag, Infektionsschutzgesetz, Willenserklärung des verstorbenen Patienten, Kulturrecht, Totenfürsorge und Totenschutz.

Thesen zur Sterbe- und Bestattungskultur

  • Die Sterbe- und Bestattungskultur in Deutschland rücken wieder näher zusammen. Dies ist nicht nur sinnvoll, sondern im Hinblick auf beide Kulturen nahezu unumgänglich.
  • Vor Jahren, heute mancherorts immer noch üblich, war z.B. eine mehrtätige Abschiednahme am offenen Sarg mehr als nur eine religiöse Angelegenheit – es war ein Ritual und gehörte zu unserer Kultur.
  • Beide Bereiche können und sollten voneinander lernen und sich gemeinsam dafür einsetzen, wieder Kultur und Räume für die Trauer zu schaffen.
  • Daraus kann eine Entlastung des Pflegepersonals entstehen sowie eine Qualitätssteigerung beider Segmente.

Weblinks

Krankenhaushygiene, s. S. 7 u. 8, Abschnitte 6 u. 7

Anmerkungen

  1. Es gibt für jedes Bundesland ein eingenes Bestattungsgesetz. Siehe auch: w:Bestattungsgesetz.
  2. Ch. Jassoy, A. Schwarzkopf (Hrsg.):Hygiene, Mikrobiologie und Ernährungslehre für Pflegeberufe. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005, S. 254

Der MDK empfiehlt in seiner Prüfungsverordnung, den Umgang mit Verstorbenen sowie die Sterbebegleitung als Richtlinie bzw. Prozessbeschreibung im Qualitätsmanagement festzuhalten.

Siehe auch