Utrechter Modell

Aus Familienwortschatz
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Das Utrechter Modell zur Entwicklung, Testung und Einführung von evidenzbasierten Pflegeinterventionen wurde im Rahmen mehrerer Studien im Forschungsprogramm der Abteilung Pflegewissenschaft an den Universitäten Utrecht (Niederlande) und Gent (Belgien) entwickelt und so angelegt, dass empirische Daten aus quantitativer wie auch aus qualitativer Forschung bei der Entwicklung von Pflegeinterventionen genutzt werden können (Lit.: Grypdonck 2004) . Die Interventionen der dem Modell zugrunde gelegten Studien richten ihren Fokus darauf, Menschen mit chronischen Erkrankungen bei der Gestaltung ihres Alltags effektiv und effizient zu unterstützen. Dieses Modell setzt sich aus sechs Phasen zusammen, die abhängig vom Stand der Informationen zu dem Gegenstand gekürzt oder ausgelassen werden können .

Phasen

Phase 1: Literaturstudie

Phase 1 des Utrechter Modells beginnt mit einer Literaturstudie, um zusammenzufassen, was über den Gegenstand bereits bekannt ist. Bei unzureichender Kenntnis des Problems erfolgt eine qualitative Erhebung mit Fokus auf die Betroffenen. Die darin zu beantwortenden Fragen richten sich auf das Erleben der Situation aus Sicht der Betroffenen:

  • Was bedeutet die Erkrankung für die Person/Familie?
  • Wie beeinflusst sie das alltägliche Leben?
  • Welche Bewältigungsstrategien wurden zum Umgang mit der Situation gewählt/erprobt?
  • Wo ist Hilfe notwendig?
  • Welche Prozesse beeinflussen den Hilfebedarf?


Phase 2: Überprüfung der Praxis

Phase 2 des Utrechter Modells konzentriert sich auf die Überprüfung der Praxis. Ziel ist es, bereits bestehende Interventionen zu identifizieren und zu analysieren. Dabei werden die daran beteiligten Akteure (Betroffene sowie Professionelle) interviewt, um die für die Wirkung der Intervention förderlichen wie auch hinderlichen Faktoren zu identifizieren. Parallel werden die dabei gewonnenen Ergebnisse mit der Literatur abgeglichen. Die Interviews werden halbstrukturiert und leitfadengestützt geführt. Die Daten werden mittels qualitativer Inhaltsanalyse entsprechend der Kategorien des Leitfadens (Mayring 2002) ausgewertet.


Phase 3: Entwicklung des Konzepts der Intervention

Phase 3 des Utrechter Modells sieht die Entwicklung des Konzepts der Intervention basierend auf theoretischen Überlegungen vor. Auch wenn Inhalte der Intervention im Laufe der Studie entwickelt und konkretisiert werden, sollen dennoch Anforderungen an die Intervention formuliert werden, die sich aus dem Forschungsstand ergeben. Ebenso werden Haupt- und Nebenzielgrößen vorab festgelegt. Sie bilden den Rahmen für die Entwicklung der Intervention.

Phase 4: Feldversuch

Phase 4 des Utrechter Modells sieht einen Feldversuch vor. Diese Phase verfügt über einen hohen Aktionsforschungsanteil und verfolgt das Ziel, das Interventionskonzept so lange zu überarbeiten, bis es keine Verbesserungen mehr gibt.


Phase 5: RCT

In Phase 5 des Utrechter Modells erfolgt ein RCT, sofern dies „notwendig und ethisch vertretbar“ ist (Lit.: Grypdonck 2004, S. 40) . Experimentelle Studien dienen der Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention unter idealen Bedingungen, zeigen jedoch Schwäche, wenn die Frage beantwortet werden soll, ob die Intervention unter realen Bedingungen ebenso effektiv ist (Lit.: Faller et al. 1999) .


Phase 6: Einführung

Das Utrechter Modell schließt mit einer Einführungsstudie in Phase 6 ab.

Literatur

  • van Meijel BKG, Gaag M, van der Kahn S, Grypdonck MHF (2004): The development of evidence-based nursing interventions: methodological considerations. Journal of Advanced Nursing 48 (1), 84-92
  • Grypdonck MHF (2004): Eine kritische Bewertung von Forschungsmethoden zur Herstellung von Evidenz in der Pflege. Pflege&Gesellschaft 9 (2), 35-41 (PDF)
  • Mayring P (2002). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz Verlag
  • Faller H, Haaf HG, Kohlmann Th, Löschmann Ch, Maurischat C, Petermann F, Schulz H, Zwingmann Ch (1999): Orientierungshilfen und Empfehlungen für die Anlage, Durchführung und Interpretation von Studien in der Rehabilitationsforschung. In: Verband Deutscher Rentenversicherungsbeiträger (Hg): Förderschwerpunkt „Rehabilitationswissenschaften“. Empfehlungen der Arbeitsgruppen „Generische Methoden“, „Routinedaten“ und „Reha-Ökonomie“. DRV Schriften. Band 16 – Sept. 1999