Verbandwechsel

Aus Familienwortschatz
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Der Begriff Verbandwechsel bezeichnet in der Medizin und professionellen Krankenpflege den Wechsel einer Wundauflage, um den Heilungsprozess der Wunde zu fördern. Die in der Pflege und Medizin übliche Abkürzung für den Wechsel eines vorhandenen Verbands ist V W. Wichtige Aufgaben der Pflegenden dabei sind die Inspektion, Reinigung und Befeuchtung. Es geht als vorrangiges Ziel um die Förderung der autonomen Wundheilung durch den Organismus.

Weitere Begriffe

  • Asepsis bedeutet: Keimfreiheit; aseptisch: Kontaminationen werden vermieden
  • Antisepsis, antiseptisch: Vernichtung, Reduzierung oder Hemmung von Erregern
  • Eine aseptische Wunde ist eine keimfreie Wunde.
  • Eine septische Wunde ist eine durch Bakterien oder Pilze verunreinigte Wunde; dieser Begriff ist heute aber nicht mehr gebräuchlich, da eine Sepsis eine lebensbedrohliche Allgemeinkrankheit bezeichnet; stattdessen spricht man von einer
  • kontaminierten oder infizierten Wunde.
  • Ziel des VW bei aseptischen Wunden ist die Erhaltung der Keimfreiheit durch steriles Arbeiten
  • Ziel des VW bei kontaminierten (septischen) Wunden ist die Vermeidung von Keimverbreitung und die Keimbekämpfung bzw. -reduzierung

Anforderungen an einen modernen Wundverband

Ein Wundverband sollte

  • atraumatisch,
  • antiallergen und
  • keimdicht, aber luftdurchlässig sein;
  • das physiologisches Wundmilieu erhalten,
  • Exsudat binden,
  • thermisch isolieren,
  • keine Fasern oder Fremdstoffe abgeben und
  • wirtschaftlich in Hinblick auf Materialverbrauch und das Kosten-Nutzen-Verhältnis sein.

Ein Verband schützt die Wunde vor:

  • - mechanischen Einflüssen
  • - Keimbesiedlung
  • - Austrocknung
  • - verhindert Streuung von evtl. vorhandenen Keimen in die Umgebung
  • - feuchte Wundverbände fördern das autolytische Debridement und die Zellmobilität und wirken so wundheilungsfördernd

Reihenfolge der Wundenversorgung

Die Reihenfolge der Wundversorgung innerhalb einer Station soll zur Verminderung der Keimverschleppung beitragen:

  1. als Erstes sind aseptische Wunden zu versorgen, dann
  2. die kontaminierten bzw. kolonisierten Wunden, anschließend
  3. die infizierten Wunden, und als Letztes werden
  4. Wunden versorgt, die mit MRSA (ORSA) oder anderen Keime mit "besonderer Resistenz" besiedelt sind.

Prinzipielle Überlegungen zur Durchführung

  • Viele Wunden verursachen Schmerzen und hinterlassen Narben.
  • Wunden im Gesichtsbereich können entstellend wirken.
  • Ein VW ist ein Eingriff in die Persönlichkeitssphäre, Patient soll angstfrei sein und sich sicher fühlen!
  • Vorab erfolgt die Information des Patienten in verständlicher Sprache über den Ablauf.
  • Angst vor Schmerzen nehmen (evtl. Analgetikagabe)
  • Intimsphäre wahren (VW im Behandlungszimmer; Sichtschutz verwenden; Unbeteiligte aus dem Zimmer schicken)
  • Schmerzfreie adäquate Lagerung (gute Sicht, Zugriff)
  • Reaktionen und Gesichtsausdruck des Patienten beobachten (Schmerz, Kollaps?)
  • Ggf. den Patienten ablenken durch Gespräch
  • Einige Patienten wollen nichts von ihrer Wunde hören oder sehen, daher ist ggf. auch ein Sichtschutz für den Patienten angebracht und die Beobachtung/Beurteilung der Wunde nur auf Nachfrage mitzuteilen.
  • Wenn der Patient informiert werden möchte, werden ihm Wundheilungsfortschritte oder -störungen mitgeteilt.
  • Manchmal ist ein Time-Out ("Aus-Zeit", Unterbrechung der Behandlung) sinnvoll, um auf Schmerzen des Patienten Rücksicht zu nehmen.
  • Geeignetes Verbandsmaterial wählen, welches nicht mit der Wunde verklebt und sich atraumatisch entfernen lässt. Verband nicht herunterreißen, sondern evtl. durch Anfeuchten mit geeigneter Lösung lösen.
  • Schutz der umgebenden Haut vor Mazeration bei einer feuchten Wundbehandlung durch das Auftragen von Hautschutzmitteln. Gut geeignet ist z.B. Cavilon von 3M.
  • Luftzug vermeiden (wegen Keimen, Auskühlung der Wunde; ist ausserdem unangenehm für Patienten)
  • Akupunktur gegen den Schmerz vor dem VW kann sinnvoll sein.
  • Bei Verbrennungswunden eignet sich gut der Einsatz von EMLA-Salbe. Die Einwirkzeit sollte dabei unbedingt beachtet werden (mindestens eine halbe Std.)
  • In einigen Fällen (bei sehr starken Verbrennungen 3. und 4. Grades) ist die vorherige Gabe eines Analgetikum oder Anäthesie indiziert.

Sicherheit

  • Gewährleisten einer ungestörten Wundheilung (aseptisches Arbeiten)
  • VW nur nach Plan (siehe Wunddokumentationsprotokoll und Pflegebericht) und wenn nötig (z.B. bei starkem Exudat oder Blutungen, durchfeuchtetem Verband), denn dann ist ein Auftreten von Keimen, die auch die Wundheilung negativ beeinflussen, sehr wahrscheinlich. Hydrokolloidverbände spätestens nach dem 7. Tag entfernen. Wie lange Spezialverbände auf der Wunde verbleiben, kann man auch in den Herstellerangaben des jeweiligen Prokuktes nachlesen.
  • Wundkontrolle auf Entzündungszeichen (dolor rubor calor tumor odor funktio laesa)
  • Händedesinfektion vor der Materialvorbereitung
  • Der Verbandswagen darf nicht mit ins Patientenzimmer genommen werden, da sonst die Gefahr einer Keimverschleppung von einem zum anderen Zimmer bestehen würde. Für jeden Pat. sollte somit vor dem Zimmer ein abwischbares Tablett mit den nötigen Verbandmaterialien gerichtet werden.
  • Reihenfolge der Verbände streng einhalten: Erst aseptische Wunden, dann kontaminierte Wunden, dann kolonisierte Wunden, dann infizierte Wunden und zum Schluß MRSA-besiedelte Wunden!
  • Steriles Arbeiten, bei infizierten Wunden aseptisches Vorgehen, ist notwendig! Sterile Instrumente nie mit unsterilen Handschuhen anfassen!

Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit

  • aseptisches Arbeiten
  • das Aufwirbeln von Staub ( enthält Keime!) vermeiden
  • nicht vorher Betten machen oder Reinigungskräfte im Zimmer arbeiten lassen
  • Türen und Fenster schließen
  • nicht in Richtung der Wunde sprechen, niesen, husten
  • keine prophylaktischen Antibiotikasprays benutzen (Resistenzgefahr)
  • Antibiotika gehören selbst bei infizierten Wunden nicht in die Wunde; liegt eine systemische Erkrankung vor, können Antibiotika nach entsprechender Anordnung verabreicht werden (oral oder, wenn nicht anders möglich, parenteral). Für infizierte Wunden eignet sich eine Wundspülung mit Octenisept, die Verwendung von Silber (streng nach Herstelleranweisung!), Polihexanidkompressen oder Alginat getränkt mit Octenisept. Die Infektion sollte spätestens nach 4-6 Wochen konsolidiert sein - falls die Infektion nach dieser Zeit persistiert (Wundabstrich weiterhin positiv), muss das Procedere überdacht werden (z.B. mit Octenisept spülen und anschließendes Nachspülen mit Ringerlösung macht wenig Sinn); oder man bemerkt, dass die Behandlung mit Silber Erfolg hat und führt diese Behandlung weiter, obwohl keine pathogenen Keime mehr vorhanden sind; das kann zur Stagnation des Heilungsverlaufs oder zu Resistenzen führen. Außerdem ist es zu teuer, moderne Wundversorgung hat wirtschaftlich zu sein.
  • korrekte Entsorgung der Materialen, Desinfektion der gebrauchten Gegenstände und Arbeitsflächen; Kanülen in entsprechende Abwurfbehälter
  • Dokumentation

Wirtschaftlichkeit

  • Aufwand und Material sollten gering gehalten werden
  • septische Wunden bedürfen mehr Zeit (berücksichtigen bei der Arbeitsplanung)


Durchführung

  • zügiges und konzentriertes Arbeiten muss gewährleistet sein (im Vorfeld mögliche Störungsquellen ausschalten, z.B. mobiles Telefon an anderen Mitarbeiter abgeben; Bescheid geben, dass man vorübergehend nicht auf die Klingel gehen kann, etc.)

Allgemeines

  • Der erste postoperative Verband sollte so lange als möglich belassen werden (3 Tage), um das Fibrin-Netz nicht zu verletzen.
  • Feuchte Verbände haben längerdauernde Wirkungen
  • Applikation von Antiseptika in Form Spülungen
  • Beachte: Rivanol®, Eosin® und Kaliumpermanganat färben die Wunde, daher nicht mehr verwenden, da sich die Wunde so nicht mehr beurteilen läßt. Es gibt effektivere und bessere Spülungen.

Informationssammlung

  • Zeitpunkt und Art des vorherigen VW (Dokumentation)
  • Wundzustand (Wundart), Lokalisation, Ausmaß, Geruch
  • evtl. benötigte Zusatzmaterialien (Gaze, Salbe)
  • Schmerzmedikation

Material

Datei:Pinzetten.JPG
Wichtigstes Werkzeug beim aseptischen Verbandwechsel: die Pinzette
  • Kleinwagen packen (sterile und unsterile Seiten beachten!)
  • unsterile / sterile Handschuhe
  • unsterile / sterile Kompressen
  • evtl. Schutzkittel, Gesichtsmaske
  • Verbandmaterial (elastisch/unelastisch)
  • Medikamente (Schmerzmittel, Gaze, Salben)
  • Pflaster, Schere, sterile Pinzette
  • Desinfektionsspray
  • Abwurf

zusätzlich bei Wundspülung

  • Nierenschale,
  • 20ml Spritze,
  • Knopfkanüle
  • Octinisept
  • Gummiunterlage

Vorbereitung des Zimmers

  • VW frühestens eine halbe Stunde nach Zimmerreinigung oder Waschen (Keimwirbel wird vermieden)
  • Fenster schliessen
  • für gute Beleuchtung sorgen

Vorbereitung des Patienten

  • VW nicht unmittelbar vor oder während der Mahlzeiten
  • Patient informieren (Möglichkeit zur Äußerung geben)
  • evtl. Schmerzmedikamentengabe (dann Eintritt der Wirkung abwarten)
  • für Sichtschutz sorgen
  • den Patienten in eine geeignete Lage bringen


Procedere: aseptische Wunde

Datei:VerbandW Zeichnung1.gif
die unterste Kompresse wird mit der Pinzette entfernt
Datei:VerbandW Zeichnung2.gif
Desinfektion von innen nach aussen
  • chirurgische Händedesinfektion (desinfizieren, waschen, desinfizieren - Einwirkzeiten beachten!)
  • lösen des Verbandes mit unsterilen Handschuhen
  • mit steriler Pinzette die unterste Kompresse (Gaze) lösen
  • Wunde und Kompresse anschauen (Veränderungen nach VW dokumentieren)
  • Abwurf der unsterilen Handschuhe und des "alten" Verbandes
  • evtl. Wundreinigung:
    • Reinigung von innen nach außen
    • nur einmal mit der gleichen sterilen Kompresse über die gleiche Stelle
    • Eine Wunde nicht auskühlen lassen(auf mindestens zimmerwarme Wundspülung achten!) Ein Grad Unterschied - bedeutet 12 Stunden kein Zellwachstum!
  • "Non-Touch-Technik" (die Wunde und das direkt aufzubringende Verbandmaterial wird nicht berührt, möglichst sterile Handschuhe und Pinzetten verwenden)
  • Wundabdeckung mit steriler Kompresse (evtl. + Gaze) auflegen
  • Fixierung der Wundabdeckung (nicht umrollen)
  • Bei starker Behaarung ist vor Aufbringen eines Fiexierpflasters eine Rasur vorzunehmen, ansonsten kommt es bei der nächsten Pflasterentfernung zu Schmerzen und Mikroverletzungen

Procedere: kontaminierte/kolonisierte (septische) Wunde

Desinfektion von aussen nach innen
  • Material sortieren: Patient -> Unsteril -> Steril
  • Schutzkleidung anziehen
  • Händedesinfektion
  • Entfernung des "alten" Verbandes mit unsterilen Handschuhen
  • letzte Wundauflage mit steriler Pinzette entfernen
  • Inspektion der Auflage und der Wunde
  • unsterile Hanschuhe ausziehen und Händedesinfektion
  • Desinfektion der Wunde (Desinfektionsmittel ist Arztangabe)
  • Wundreinigung von außen nach innen
  • nur einmal mit der gleichen sterilen Kompresse über die gleiche Stelle wischen
  • evtl. Wundspülung:
    • Nierenschale bereitstellen
    • Knopfkanüle in die Wunde einführen
    • angewärmte Spülung in die Wunde einlaufen lassen; kurz verweilen, dann auslaufen lassen; trocken tupfen
    • feuchten Verband wählen (bessere wundheilende Wirkung), je nach Arztanordnung
Datei:VerbandW Zeichnung4.gif
Anbringen des neuen Verbandes
  • je nach zu erwartender Exsudatmenge mehrere Kompressen auflegen, fixieren


Nachbereitung

  • Patient in bequeme Lage bringen
  • aufräumen, wiederverwendbare Materialien desinfizieren und ggf. sterilisieren; Einwegmaterial fachgerecht verwerfen
  • Arbeitsfläche(n) und Verbandwagen desinfizieren
  • hygienische Händedesinfektion
  • Dokumentation (Heilungsverlauf -> Schmerzen)
    • Vergleich von Ist- und Soll-Zustand (Evaluation)

spezielle Verbände

Rechtschreibung

Wird ein (Wund-) Verband gewechselt, spricht man vom Verbandwechsel (ohne "s") oder dem Verbandswechsel. Verbandswechsel kann bedeuten, dass man z. B. in einen anderen Berufsverband wechselt. Es kann aber auch das Gleiche wie Verbandwechsel heißen.

Das Wort Verband(s)wechsel steht selbst zwar nicht im gedruckten Duden, aber alle im Duden aufgeführten zusammengesetze Wörter mit dem Wortteil "Verband-" in der Bedeutungsvariante des Verbands als medizinisches Material dürfen - je nach Laune - mit oder ohne s geschrieben werden: Verband(s)kasten, Verband(s)material, Verband(s)päckchen, Verband(s)platz, Verband(s)stoff, Verband(s)watte, Verband(s)zeug, Verband(s)zimmer. Und in der online-Version steht nun (Feb. 2008) auch der Verbandswechsel drin. (Dank nach Mannheim, dem Sitz der Redaktion!)

Dagegen lässt der Duden keine Wahl bei den Wörtern mit dem Wortteil "Verband-", bei denen dieser Wortteil die Bedeutung eines Zusammenschlusses hat, zu dem sich mehrere Personen verbunden haben. Hier gehört das Fugen-S laut Duden selbstverständlich dazu: Verbandsleiter, Verbandsvorsitzende, Vebandsvorstand.

Literatur

  • Ingo Blank: Wundversorgung und Verbandwechsel. Kohlhammer, Stuttgart, 2007. ISBN 3170162195

Weblinks

siehe auch

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