Wahlrecht

Aus Familienwortschatz
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Unter Wahlrechtsausschluss versteht man den Ausschluss bestimmter Personen vom aktiven und passiven Wahlrecht, obwohl diese an sich (vom Alter, der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz her gesehen) wahlberechtigt wären.

Wahlrecht in Deutschland

Im deutschen Wahlrecht finden sich hierzu 3 Ausschlussgründe. In allen Bestimmungen (Wahlgesetze des Bundes und der Länder incl. Kommunalwahlgesetze) finden sich die ersten beiden Ausschlussgründe:

  • wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt und
  • derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten (also Sterilisation und Postkontrolle) nicht erfasst.

In den meisten Wahlgesetzen ist weiterhin folgender Ausschlussgrund genannt:

  • wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 StGB in Verbindung mit § 20 StGB (Strafgesetzbuch) in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.

Ausschluss durch Richterspruch

Siehe hierzu in der Wikipedia den Beitrag Wahlrechtsausschluss.

Ausschlussgrund Betreuerbestellung

Der Ausschlussgrund Betreuerbestellung betrifft nur Personen, bei denen eine endgültige, jedoch keine vorläufige Betreuung mit dem Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“ angeordnet ist. Nicht angeordnet sein müssen die Post- und Telefonkontrolle nach § 1896 Abs. 4 BGB sowie der Aufgabenkreis Sterilisation nach § 1905 BGB.

Vor dem Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes am 01.01.1992 hatten Personen, die unter Vormundschaft oder Gebrechlichkeitspflegschaft standen, kein Wahlrecht. Dieser diskriminierende Zustand sollte durch das Betreuungsgesetz aufgehoben werden. Grundsätzlich sollte es gar kein Wahlverbot geben, aber im Rechtsausschuss des Bundestags wandten die Verfassungsrechtler ein, damit würde die Ernsthaftigkeit des Wahlrechtes gefährdet. Man einigte sich auf folgende Formel:

Betreuung (und Einwilligungsvorbehalt) berühren grundsätzlich das Wahlrecht nicht. Ist aber für einen Menschen eine Betreuung ausdrücklich „für alle Angelegenheiten“ angeordnet, entfällt das Wahlrecht. Da Menschen, denen für alle Angelegenheiten ein Betreuer bestellt wird, nach diesen Vorstellungen ohnehin wahrscheinlich vollkommen desorientiert, hilflos und ohnehin nicht in der Lage seien, an einer Wahlhandlung teilzunehmen, wurde dies allgemein akzeptiert. In einem solchen Fall kann das Betreuungsgericht dem Wählerverzeichnis eine Mitteilung nach § 309 FamFG machen.

„Für alle Angelegenheiten“ bedeutet hierbei, dass diese Formel in der Betreuungsanordnung stehen muss; eine faktische Betreuung für alle Angelegenheiten, also die üblichen Standardaufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, beinhalten kein Wahlverbot. Das BayObLG hat es in einem Beschluss vom 22. Oktober 1996 (3Z BR 178/96, FamRZ 1997, 388 = NJW-RR 1997, 834 = Rpfleger 1997, 162) als unzulässig bezeichnet, bei einer Betreuung, die mehrere Aufgabenkreise umfasst – selbst wenn es die drei o.g. „klassischen“ Aufgabenkreise sind – deklaratorisch festzustellen, dass damit eine Betreuung für die Besorgung aller Angelegenheiten eingerichtet sei (vgl. BayObLG, BtPrax 1997, S. 72f.). In der Betreuungsanordnung muss somit explizit und ausdrücklich erwähnt sein, dass eine Betreuung „für alle Angelegenheiten“ eingerichtet wird.

Die Übergangsbestimmungen (Artikel 9 § 7 BtG) für die sog. Altfälle, also die Menschen, die am 31.Dezember 1991 unter Vormundschaft/Pflegschaft standen, die am 01.01.1992 automatisch in Betreuungen übergingen, sahen allerdings vor, dass automatisch allerdings nur das Wahlverbot der zuvor unter Gebrechlichkeitspflegschaft stehenden Menschen aus dem Wahlregister gestrichen wurde (ca. 180.000 Personen), nicht das der bisher unter Vormundschaft (ca. 65.000 Personen).

Bei den Letztgenannten, die aufgrund der Übergangsbestimmungen einer Betreuer „für alle Angelegenheiten“ bekamen, sollte erst im Rahmen der Überprüfungsfrist für die Altfälle ggf. der Umfang der Betreuung eingeschränkt und damit das Wahlverbot aus dem Wählerregister gestrichen werden. Die Überprüfungsfrist betrug 5 Jahre (also bis zum 31.12.1996) für Menschen, die länger als 10 Jahren unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft vor dem 01.01.1982 angeordnet worden war) und 10 Jahre (also bis zum 31.12.2001) für Menschen, die weniger als 10 Jahre unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft nach dem 01.01.1982 angeordnet worden war). Inzwischen sind alle Übergangsfristen abgelaufen, sodass nur noch solche Personen, bei denen nach dem 1.1.2992 ausdrücklich die Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet wurde, kein Wahlrecht haben.

Rechtsprechung

BayObLG, Beschluss vom 12. 3. 1997 - 3 Z BR 47/97, FamRZ 1998, 452 = NJW-RR 1997, 967 = BayObLGR 1997, 45 (Ls) = BtE 1997, 95 (Ls) = NJW 1997, 2662 (Ls) = NJWE-FER 1997, 228 (Ls): Voraussetzungen für die Anordnung einer Totalbetreuung

  1. Keine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf die Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen, wenn dieser in der Lage ist, einen Teilbereich seines Lebens zu bewältigen.
  2. Erfährt der Betroffene die notwendige, nicht mit Freiheitsentziehung verbundene "Führung" durch das Heimpersonal, liegt darin eine "andere Hilfe" i. S. des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, die eine Betreuung insoweit erübrigt.
  3. Es ist unzulässig, bei Betreuungsbedürftigen, die aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung ihr Wahlrecht nicht ausüben können, der Gefahr von Wahlmanipulationen durch die Anordnung einer Totalbetreuung zu begegnen, ohne dass eine solche Maßnahme nach den allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist.

VG Saarlouis, Beschluss vom 26.06.2009, 11 L 527/09, NVwZ-RR 2009, 892:

  1. Die in § 13 LWG bzw. § 22 BWO genannten Rechtsbehelfe führen dann nicht zu einem Ausschluss verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, wenn es um eine künftige, nicht unmittelbar bevorstehende Wahl geht.
  2. Vom aktiven Wahlrecht ist ein Betroffener nur dann gem. § 9 Nr. 2 LWG bzw. § 13 Nr. 2 BWG ausgeschlossen, wenn ihm zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn es sich aus dem Tenor des die Betreuung anordnenden Beschlusses des Vormundschaftsgerichts unmissverständlich ergibt.
  3. An einen solchen Beschluss sind die Wahlorgane und das Verwaltungsgericht gebunden.
  4. Eine Mitteilung nach § 69 l Abs. 1 FGG ist zu unterlassen, wenn es an einer unmissverständlichen Anordnung der Betreuung hinsichtlich aller Angelegenheiten fehlt. Eine gleichwohl ergangene Mitteilung bindet weder die Wahlorgane noch das Verwaltungsgericht.

Aus dem Inhalt der Entscheidung: Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde der Antragstellerin für die Bereiche Vermögensangelegenheiten, Sozialleistungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge eine Betreuerin bestellt. Hiernach ist gerade keine Betreuung zur "Besorgung aller ihrer Angelegenheiten" angeordnet, sondern nur eine Betreuung in Teilbereichen.

Weitere Rechtsprechung:

  • BVerfG, Beschluss vom 23.06.1999, 1 BvL 28/97, FamRZ 1999, 1419 = NJW-RR 1999, 1593
  • BayObLG vom 27.04.1995, 3 Z BR 25/95 = FamRZ 1995, 1085
  • BayObLG vom 22.10.1996, 3 Z BR 178/96, BtPrax 1997, 72 = FamRZ 1997, 388 = NJW-RR 1997, 834 = Rpfleger 1997, 162
  • LG Zweibrücken vom 20.07.1999, 4 T 167/99, BtPrax 1999, 244
  • VerwG Neustadt vom 10.06.1999, 3 L 1535/99.NW, FamRZ 2000, 1049

Ausschlussgrund strafrechtliche Unterbringung

Der dritte Ausschlussgrund betrifft strafrechtliche (forensische) Unterbringungen, also Personen im sogenannten Maßregelvollzug, die aufgrund ihrer fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit (Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB) für begangene Straftaten nicht bestraft werden können und die gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind.

Nicht betroffenen sind Personen, die gem. § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Ebenfalls nicht betroffen sind Personen, die im Wege einstweiliger Anordnung (§ 126a StPO) vorübergehend untergebracht sind. Sonstige freiheitsentziehende Unterbringungen (sog. zivilrechtliche nach § 1906 BGB oder öffentlich-rechtliche nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Bundesländer) führen in keinem Falle zu einem Wahlrechtsausschluss.

Rechtsgrundlagen für Wahlausschlüsse


  • § 14 Gemeindeordnung Baden-Württemberg**
  • Art. 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz Bayern
  • § 9 Kommunalwahlgesetz Brandenburg
  • § 31 Hessische Gemeindeordnung**
  • § 8 Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern**
  • § 8 Kommunalwahlgesetz Nordrhein-Westfalen**
  • § 2 Kommunalwahlgesetz Rheinland-Pfalz
  • § 14 Kommunalwahlgesetz Saarland
  • § 16 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung**
  • § 21 Abs. 2 Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt**
  • § 4 Gemeinde- und Kreiswahlgesetz Schleswig-Holstein**
  • § 2 Thüringer Kommunalwahlgesetz

(soweit mit ** gekennzeichnet, ist der Ausschlussgrund der Unterbringung nach § 63 StGB nicht genannt).

Auch die kirchenrechtlichen Wahlbestimmungen (für Kirchenvorstände, Presbyterien usw.) enthalten i.d.R. die gleichen Wahlrechtsausschlüsse in Bezug auf die Betreuung (z.B. § 4 Abs. 3 des Kirchenwahlgesetzes der ev. Kirche Berlin-Brandenburg).

Literatur

Weblinks



Infos zum Haftungsausschluss

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel „Wahlrechtsausschluss“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 9. Juni 2006 (Permanentlink) und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.