Burnout Syndrom in der Intensivpflege

Aus Familienwortschatz
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Für das Burnout Syndrom in der Intensivpflege gibt es zahlreiche förderliche Faktoren. Da eine Veränderung mit hohen Kosten im Gesundheitswesen einhergehen würde, ist nicht damit zu rechnen, dass sich eine für die Pflegenden spürbare Verbesserung einstellen wird.

Hintergrund/Relevanz

Die Entwicklung in der Medizin schreitet voran, insbesondere technische Neuerungen halten Einzug auch in den pflegerischen Alltag (Atkinson, 2002, 46). Auch wenn die Technisierung viele Vorteile bietet, müssen Pflegende sich stetig mit diesen Neuerungen auseinandersetzen, was mit einem Zeitaufwand verbunden ist. Darüber hinaus wachsen die Kosten im Gesundheitswesen und die Personaldecke in vielen Pflegeeinrichtungen wird immer dünner. Weniger Pflegende werden somit mit immer komplexeren Aufgaben konfrontiert und der alltägliche Druck steigt. Des Weiteren ist die Pflege eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit, welche die Pflegenden phsychisch, physisch und medizinisch fordert. Es ist anzunehmen, dass Pflegende dies als Stress empfinden und Stress wird mit dem Burnout Syndrom in Verbindung gebracht. Insbesondere Intensivstationen werden mit ihrer komplexen Technik, der ständigen Konfrontation mit schwerstkranken Patienten, mit Tod, Leid und Trauer als sehr stressbehaftete Arbeitsumgebungen gesehen.

Burnout Syndrom allgemein

Schon bei der Schreibweise des Burnout Syndroms gibt es Unstimmigkeiten; teilweise reicht die Bezeichnung Burnout, manchmal wird Burnout Syndrom benutzt und es gibt noch eine Vielzahl von Möglichkeiten durch das Hinzufügen von einem oder zwei Bindestrichen. Auch inhaltlich ist das Burnout Syndrom nicht leicht zu fassen. Beschrieben wurde es erstmals 1974 durch Herbert J. Freudenberger im „Journal of Social Issues“. Später wurde der Begriff weiterentwickelt durch C. Maslach , die gemeinsam mit S. Jackson 1981 durch das „Maslach Burnout Inventory“ das meist benutzte Diagnoseinstrument hervorbrachte. Allen Erklärungen gemein ist die Feststellung, dass es sich um einen durch Stress verursachten Zustand handelt, der eine starke Erschöpfung auslöst. Der englische Begriff burnout bedeutet ausbrennen, to burn out: herunterbrennen, ausbrennen, to burn oneself out: sich völlig verausgaben, (kaputtmachen) und to be burnt out: (völlig) ausgebrannt sein. Zahlreiche Veröffentlichungen beschreiben als Auslöser äußere Bedingungen, also Stress, wodurch jeder betroffen sein könne (Embriaco, 2007). Andere gehen davon aus, dass es sich vorwiegend um Menschen handelt, die im Vorfeld besonders engagiert waren und sich nun vollkommen ausgebrannt fühlen. R. Larsen beschreibt in „Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege“ 2004 folgenden Ablauf:

  • Anfangs übersteigertes Engagement,
  • desillusionierter Rückzug aus der Arbeit,
  • Depression, Aggression und Schuldzuweisung,
  • Abbau kognitiver Leistungsfähigkeit,
  • Abnahme der Motivation,
  • Verzweiflung und Depression
    • (nach Larsen, 2004, S. 709)


Burnout Syndrom in der Intensivpflege

Zumeist wird dieser Zustand für Menschen beschrieben, die beruflich stark durch soziale, medizinische oder pflegende Handlungen belastet sind (Embriaco, 2007, Larsen, 2004). Das Burnout Syndrom wird, wie bereits geschildert, in Zusammenhang gebracht mit Stress, aber auch mit dem Geschlecht, dem Alter, der Zufriedenheit im Job, den Arbeitbedingungen und der Situation in der Familie (Raggio, 2007).

Das Syndrom bezieht sich auf einen Zustand, der durch langanhaltende Belastung entstanden ist. „Jeder im Pflegeberuf Tätige ist ein potentieller Kandidat für das Burn-out-Syndrom, da bei der unermüdlicher Versorgung anderer die eigenen Bedürfnisse oft vernachlässigt werden.“ (Lloyd-Jones, 2002, 220). Gerade auf Intensivstationen ist eine stark stressbetonte Arbeitsumgebung zu finden (Poncet, 2006). Begründet wird dies mit der besonders komplexen Technologie, den täglichen Herausforderungen, die durch die Pflege schwerstkranker Patienten entsteht sowie die hohe Verantwortlichkeit, die mit dieser Arbeit einhergeht. Des Weiteren besteht ein ständiger Wechsel der Patienten, es werden bestimmte Erwartungen an die Pflegenden herangetragen (Rollenverständnis), und vor allem sind sie ständig mit Tod, Schmerz und Trauer konfrontiert (Hurst, 2005).

Das Burnout Syndrom wird in Zusammenhang gebracht mit einer Abnahme des Wohlbefindens unter allen Mitgliedern im Pflegeteam, einer abnehmenden Qualität der Pflege und Kosten, die durch einen hohen Wechsel der Pflegekräfte und der Abwesenheit erkrankter Pflegenden entstehen (Poncet, 2007, Embriaco, 2007)).

Symptome des Burnout Syndroms

Es besteht kein einheitliches Bild in den Symptomen, Čubrillo-Turek beschreibt sie wie folgt: Müdigkeit, negative Emotionen, Erschöpfung, Depression, Zynismus, Unfähigkeit, sich zu konzentrieren, Ängste, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, manchmal ansteigender Gebrauch von Alkohol, Tabak oder Drogen (Čubrillo-Turek, 2006). Poncet geht davon aus, dass die Symptome unspezifisch sind und nennt Müdigkeit, Kopfschmerzen, Essprobleme, Schlaflosigkeit, emotionale Instabilität, Unnachgiebigkeit in Verhältnis zu anderen Menschen (Poncet, 2007). In der gleichen Arbeit wird hervorgehoben, dass im Unterschied zu Depressionen, die annährend alle Bereiche des Lebens betreffen, die Symptome des Burnout Syndroms nur mit der Arbeitswelt zusammen hängen. In der Konsequenz jedoch führen diese Symptome in einen Zustand, welcher die gesamte Persönlichkeit verändert; Raggio beschreibt sie als Reduktion des Selbstwertgefühles, einer Gefährdung der professionellen Identität und die Ausprägung eines passiven und pessimistischen „Laissez-faire“- Stiles oder dem Gegenteil, einem zu autokratischen Führungsstil (Raggio, 2007).

Prävalenz und Inzidenz

Die Prävalenz gibt an, wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Erkrankung leiden. Die Inzidenz gibt an, wie viel Fälle in einem definierten Zeitraum – in der Regel ein Jahr - erkranken. Das Statistische Bundesamt hält für die Prävalenz bzw. Inzidenz des Burnout Syndroms keine Zahlen vor. Es existieren Zahlen zu „Unwohlsein und Ermüdung“. Unter einem Burnout Syndrom Leidende sind dort nicht extra aufgeführt, dementsprechend sind die Zahlen um eine Prävalenz bzw. Inzidenz aufzuzeigen zu unspezifisch und beziehen sich zudem nur auf Diagnosedaten der Krankenhäuser. Eine Anfrage beim Statistischen Bundesamt ergab des Weiteren, dass Statistiken, die eine Verbindung zwischen Berufsgruppe und Erkrankung aufzeigen, nicht vorliegen.

Ponchet berichtet über ein Drittel der Pflegenden auf Intensivstationen, welches an einem schwerwiegenden Burnout Syndrom leidet (Poncht 2007). Embriaco berichtet ebenfalls über ein Drittel der Pflegenden und über die Hälfte der befragten Intensivmediziner, die unter einem schwerwiegenden Burnout Syndrom leiden (Embriaco, 2007). Wie beschrieben, liegt kein einheitliches Krankheitsbild vor. Erhebungen erfolgen in der Regel über das Maslach Burnout Inventory. Embriaco führt auf, unter welchen Umständen mit dem Maslach Burnout Inventory Daten erhoben wurden; so wird z.B. aufgezeigt, ob die Befragung direkt nach einer Nachtschicht durchgeführt wurde, ob ein Konflikt mit einer/m anderen Pflegenden/ einem Arzt/einer Ärztin besteht. Hieraus lässt sich schließen, dass das Maslach Burnout Inventory – wie jedes andere Befragungsinstrument – subjektiv geprägt ist und von den Umständen der Durchführung abhängig ist. Folglich ist der Schluss zu ziehen, dass sogenannte harte Zahlen (Zahlen, die einer genauen Prüfung standhalten) beim Burnout Syndrom nicht zu erhalten sind.

Maslach Burnout Inventory

Verschiedene Fassungen

Das Instrument, welches häufig zur Datenerhebung eingesetzt wird ist das Maslach Burnout Inventory, welches 1981 von C. Maslach und S. Jackson erstellt wurde. 1986 kam es zu einer Überarbeitung des Manuals, die wiederum 1996 überarbeitet wurde. In der letzen Bearbeitung kam es zu einer Spezifizierung und somit zu drei leicht unterschiedlichen Manuals, die sich an

  • Krankenpflegepersonal (MBI-HSS: Human Services Survey),
  • an Menschen aus dem pädagogischen Bereich (MBI-ES: Educators Survey) und,
  • an Berufstätige aller Art (MBI-GS: General Survey) wendet (nach Burisch, 2006,5).

3 Dimensionen

Es werden 22 Fragen gestellt, die in 3 Dimensionen unterteilt sind. Der erste Teil (9 Fragen) misst den Grad der emotionalen Erschöpfung (EE: Emotional Exhaustion), der zweite (5 Fragen) die Entpersönlichung (DP: Depersonalization; damit ist gemeint, dass man Patienten nicht mehr als Person wahrnimmt) und der dritte (8 Fragen) die persönliche Leistungsfähigkeit (PA: Personal Accomplishment).

Auf jede der Fragen vergeben die Befragten 0 bis 6 Punkte, von 0 (=niemals) bis 6 (=jeden Tag). Bewertet wird, wie häufig im Laufe der vergangenen Woche bestimmte Zustände, die die emotionale Situation wiederspiegelen, aufgetreten sind. Folglich kann bei der emotionalen Erschöpfung ein Wert von 0 bis 54, der Entpersönlichung von 0 bis 30 und bei der persönlichen Leistungsfähigkeit ein Werte von 0 bis 48 entstehen.

Die beiden erstgenannten Dimensionen ergeben je höher sie ausfallen ein für das Burnout Syndrom sprechendes Bild. Letztgenanntes, die persönliche Leistungsfähigkeit, spricht für das Burnout Syndrom, je niedriger der Werte ausfällt. Die Werte werden nicht zusammengeführt; es gibt also ein Resultat, welches aus drei Zahlen besteht. Es gibt keinen Wert, der im Sinne eines cut-off eine Grenze zwischen gesund und erkrankt aufzeigt, ledigleich zwischen niedrig, moderat oder hoch.

Sensibilität, Spezifität, Reliabilität und Validität des MBI

Die Sensibilität eines Testes gibt an, wieviele der von dem Test als gesund Erkannten auch tatsächlich gesund sind. Die Spezifität eines Tests gibt an, wieviele als krank Erkannte auch tatächlich erkrankt sind. Über das Maslach Burnout Inventory liegen solche Daten nicht vor. Auch über die Reliabilität (das Maß, zu welchem Ergebnisse unter gleichen Bedingungen reproduzierbar sind) und die Validität (das Maß, zu welchem ein Resultat wahr ist und frei von Verzerrungen) sind wenig Daten zugänglich. Maslach und Jackson geben eingangs ihres Manuals Daten hierzu an, die nahelegen, dass es sich bei dem Maslach Burnout Inventory um ein valides und reliables Instrument handelt. (Zu den Begrifflichkeiten Sensibilität, Spezifität, Reliabilität und Valididät vergleiche bei cochrane.org)

Das Burnout Syndrom begünstigende Faktoren

Die Faktoren, die in der Intensivpflege das Burnout Syndrom begünstigen, sind in der Literatur vielfältig. Meltzer nennt als Faktor die Pflege, die als vergeblich oder den Zustand des Patienten als nicht verbessernd angesehen wird. Dies führe zu emotionaler Erschöpfung, welche als burnoutauslösend gesehen wird (Meltzer, 2004).

Zumeist werden organisatorische Faktoren angegeben wie z.B. das Arbeitspensum, bzw. die Arbeitsbelastung, das Betriebsklima (Embriaco, 2007) und die Anzahl der freien Tage und deren Vergabepraxis (Poncet, 2006).

Des Weiteren werden Faktoren genannt, denen eine Beziehung zugrunde liegt:

  • Konflikte mit Patienten,
  • die Beziehung zu anderen Pflegenden, insbesondere zu Vorgesetzten,
  • die Beziehung zu Ärzten (Poncet, 2006).

Gutierrez benennt 2005 diese noch genauer:

    • Aggressive Behandlungsmethoden
    • Unangemessener oder ungeeigneter Umgang mit Ressourcen des Gesundheitswesens,
    • Ärzte, die dem Patienten oder den Angehörigen inkompetente Angaben machen,
    • Nichtachtung der Patientenwünsche durch Ärzte,
    • unvereinbare Ziele zwischen Ärzten auf der einen und den Angehörigen auf der andere Seite,
    • unerreichbare Ziele von Seiten der Angehörigen


Faktoren, die medizinische und pflegerische Aspekte haben:

  • Konfrontation mit Faktoren, die das Lebensende beeinflussen (Poncet, 2006)
  • komplexe Technologie,
  • Tägliche Herausforderung, Schwerstkranke zu pflegen,
  • stetige Konfrontation mit Schmerzen, Leid und Tod (Hurst, 2005)
  • Bühler nennt die Persönlichkeit von Pflegenden als Faktor. Menschen, die zunächst eine sehr hohe Motivation gezeigt haben, neigten leichter zu einem Burnout Syndrom (Bühler, 2004).
  • Bakker berichtet von einer „Ansteckung“ zwischen Pflegenden auf Intensivstationen. Wo durch ungünstige Arbeitsbedingungen bereits eine hohe Anzahl an unter einem Burnout Syndrom Leidenden vorhanden sei, würden durch den verbalen Austausch der Beschwerden die Anzahl noch ansteigen. Ein Pflegender kommuniziert das Syndrom von einem zum anderen (Bakker, 2005).
  • Schließlich scheint es noch von Bedeutung zu sein, welchem Geschlecht man angehört, da es verschiedene Ausprägungen der Reaktionen gibt (Raggio, 2007).

Literatur

Atkinson, Belinda (2002): Pflege des Intensivpatienten. In : Millar, Brian, Burnard, Philip (Hrsg) : Intensivpflege – High-touch und High-tech, Psychosoziale, ethische und pflegeorganisatorische Aspekte. Bern: Huber.

Bakker, Arnaold B, Le Blanc, Pascale M, Schaufli, Wilmar B (2005): Burnout contagion among intensive care nurses. Journal of Advanced nursing 51 (3), 276-287.

Bühler, K-E, Land, T (2004); Burnout and personality in extreme nursing: an empirical study. Arch Neurol Psychiatr 2004;155:35-42.

Burisch, M. (2006): Das Burnout Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung, 3., überarbeitete Auflage, Heidelberg: Springer.

Čubrillo-Turek, M, Urek R, Turek S (2006): Burnout Syndrome – Assesment of a stressful Job among Inetnsive Care Staff. Coll. Antropol. 30 (2006) 1: 131-135.

Embriaco N, Papazian L, Kentish-Barnes N, Pochard F, Azoulay E (2007): Burnout syndrom among critical care healthcare workers. Curr Opin Crit Care 13: 482-488.

Gutierrez, Karen M (2005): Critical Care Nurses' Reception of and Responses to Moral Distress. Dimens Crit Care Nurs. 2005;24;(5):229-241.

Hurst S, Kopelin-Baucum S (2005): A Pilot Study Relating to Hardiness in ICU Nurses. Dimens Crit Care Nurs. 2005;24: 97.100.

Larsen R. (2004): Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege, 6. Auflage,Heidelberg, Springer. (Pflegelehrbuch)

Lloyd-Jones, Netta (2002) : Stress und Burn-out-Syndrom in der Intensivpflege. In : Millar, Brian, Burnard, Philip (Hrsg) : Intensivpflege – High-touch und High-tech, Psychosoziale, ethische und pflegeorganisatorische Aspekte. Bern: Huber.

Meltzer, L S, Huckabay L M (2004): Critical Care Nurses' Perception of Futile Care and its Effect on Burnout. American Journal of Critical Care. 2004;13:202-208.

Poncet M C, Toullic P, Papaziani L, Kentish-Barnes N, Timset J-F, Pochard F, Chevret S, Schlemmer B, Azoulay E (2007) Burnout Syndrome in Critical Care Nursing Staff. Am J Respir Crit Care Med Vol . 175.pp 698-704.

Raggio B, Malacarne P (2007): Burnout in Intensive Care Unit. Minerva Anestesiol 2007;73:195-200.

Weblinks