Jean Henri Dunant

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Jean Henri Dunant

Jean Henri Dunant (Henry Dunant oder Henri Dunant) (* 8. Mai 1828 in Genf; † 30. Oktober 1910 in Heiden), ein Schweizer Geschäftsmann und Humanist, war der Gründer des Roten Kreuzes. Ihm wurde 1901 zusammen mit Frédéric Passy der erste Friedensnobelpreis verliehen.


Geburt und Elternhaus

Jean Henri Dunant wurde am 8. Mai 1828 in Genf als erster Sohn des Kaufmanns Jean-Jacques Dunant und dessen Frau Antoinette (geb. Colladon) geboren. Seine Eltern waren sehr sozial eingestellt und erzogen ihren Sohn im Sinne der Nächstenliebe. Bei einer Reise mit seinem Vater nach Toulon musste er dort die Qualen von Galeerenhäftlingen mit ansehen, was ihn zutiefst berührte. Dunants Mutter sorgte für Arme und Kranke, ihr Sohn begleitete sie dabei. Später veranstaltet er mit Freunden Abende für Bedürftige und unterstützte 1855 die Gründung des Weltbundes des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM). An seinem Geburtstag, dem 8. Mai, feiert das Rote Kreuz jährlich ihm zu Ehren den Weltrotkreuztag.

Beruf

1849 beendete er vorzeitig seine Schulausbildung am Calvin-Kolleg und beginnt eine Banklehre in Genf. Seine Geschäfte führten ihn ins französisch besetzte Algerien, wo er vorhatte, eine Schweizer Kolonie aufzubauen. Er erhielt eine Landkonzession und gründete dort zusammen mit einem Freund eine Kolonialgesellschaft, 1858 eine Mühlengesellschaft. ie zuständigen französischen Kolonialbehörden verhielten sich aber nicht kooperativ und Dunant wollte daher den französischen Kaiser Napoléon III. selbst sprechen, der gerade bei seinem Heer in der Lombardei war. Dort kämpfte Frankreich auf Seiten Italiens gegen die Österreicher (die Italien zu großen Teilen besetzt hielten).

Das Rote Kreuz

Schlacht von Solferino

In Italien kam er 1859 kurz nach der Auseinandersetzung auf das Schlachtfeld von Solferino. Dort lagen 38.000 Verwundete, Sterbende und Tote, ohne dass ihnen jemand Hilfe leistete. Dunant organisierte spontan mit der örtlichen Zivilbevölkerung (Frauen, Mädchen, Kinder, Priester, englische Touristen, ein Belgier, ein Schwede sowie ein Deutscher) die notdürftige Versorgung unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit der Soldaten unter der berühmt gewordenen Losung "Tutti fratelli" (ital. "Alle sind Brüder"). Es gelang Dunant, von den Franzosen gefangene österreichische Ärzte freigestellt zu bekommen. Er richtete Behelfskrankenhäuser ein und ließ auf seine Kosten Verbandsmaterial und Hilfsgüter herbeischaffen. Trotz der Hilfe starben noch viele Verwundete, weil nicht genügend Kräfte verfügbar waren.


Die Idee entsteht

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse kehrte er nach Genf zurück, schrieb und veröffentlichte auf eigene Kosten sein Buch "Un Souvenir de Solferino" ("Eine Erinnerung an Solferino"). Darin propagierte er die Einrichtung eines internationalen Netzwerkes freiwilliger Hilfsorganisationen. Der Genfer Jurist Gustave Moynier und der schweizerische General Guillaume Henri Dufour waren schnell überzeugt von seiner Idee und unterstützen ihn maßgeblich. Gemeinsam mit den Ärzten Dr. Louis Appia und Dr. Théodore Maunoir gründeten sie das Fünfer-Komitee, aus dem das heutige Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) entstand. Unermüdlich reiste Dunant in Europa von Regierung zu Regierung. Im Oktober 1863 kam tatsächlich eine erste Genfer Konferenz zustande: sechzehn Länder verfassten ein Dokument, das die Grundlage für den internationalen Ausschuss des Roten Kreuzes und der ersten Genfer Konferenz wurde. 1864 wurde diese erste Genfer Konvention von zwölf Ländern unterzeichnet. Hier einigte man sich auch auf das gemeinsame Symbol: das leicht und weithin erkennbare Rote Kreuz im weißen Feld, die Umkehrung der Schweizer Fahne.

Weiteres Engagement

Im Jahre 1867 trat Dunant nach seinem wirtschaftlichen Zusammenbruch als Sekretär des "Internationalen Komitees vom Roten Kreuz" zurück und siedelte nach Paris über, wo er in ärmlichen Verhältnissen lebte. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/1871 gründete Dunant eine "Allgemeine Fürsorgegesellschaft" und kurz darauf eine "Allgemeine Allianz für Ordnung und Zivilisation". Dunant forderte Abrüstungmaßnahmen und die Einrichtung eines internationalen Gerichtshofes zur Vermittlung internationaler Konflikte. Ferner regte er die Gründung einer Weltbibliothek an – eine Idee, die etwa 100 Jahres später von der UNESCO wieder aufgegriffen wurde.



Dunant gerät in Vergessenheit

Mit dem Engagegement für seine Ideen vernachlässigte er seine persönlichen Angelegenheiten, verschuldete sich weiter und fiel in Armut. Aufgrund seiner Schulden wurde er von der Umgebung gemieden und auch von der aufstrebenden Rotkreuz-Organisation nahezu vergessen. Er führt ein einsames Leben in materiellem Elend, zwischen 1874 und 1886 unter anderem in Stuttgart, Rom, Korfu, Basel und Karlsruhe. Ab 1887 erhielt er, nun in London lebend, von seinen Angehörigen eine monatliche finanzielle Unterstützung. In der Schweizer Gemeinde Heiden verbrachte er ab 1887 seinen Lebensabend (ab 1892 im dortigen Krankenhaus). Er verfasste dort auf Drängen eines Freundes seine Lebenserinnerungen.

Spätes Erinnern

Nach einem Bericht in der deutschen illustrierten Zeitschrift Über Land und Meer vom September 1895 über den mittlerweile in Vergessenheit geratenen, zum Teil sogar totgeglaubten Dunant erhielt dieser eine jährliche Rente von der Witwe des russischen Zaren. Alte Freunde gründeten in Stuttgart einen Fonds, eine weitere Geldspende wird für den Neudruck der "Erinnerung an Solferino" verwendet. Dunant wird endlich als Gründer des Roten Kreuzes und Initiator der Genfer Konvention anerkannt und erhält verschiedene Ehrungen.

Nobelpreis

Als der erste Nobelpreis verliehen wurde, war Dunant als Kandidat umstritten. Man war geteilter Meinung über die Wirkung des Roten Kreuzes und der Genfer Konventionen auf den Krieg: Machten sie nicht den Krieg eher attraktiv, weil sie ihm ein menschliches Antlitz verleihen? Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss: Jean Henri Dunant erhielt 1901 den ersten Friedensnobelpreis für die Gründung des Roten Kreuzes und die Initiierung der Genfer Konvention gemeinsam mit Frédéric Passy, einem französischen Pazifisten (Gründer der ersten Friedensliga in Paris 1867, mit Dunant in der "Allianz für Ordnung und Zivilisation" tätig). Seinen Teil des Preisgeldes, 104.000 Schweizer Franken, tastete Dunant Zeit seines Lebens nicht an und bestimmte es in seinem Testament zur Begleichung seiner Schulden nach seinem Tod.


Tod

Grab von Henri Dunant

Henri Dunant starb am 30. Oktober 1910 in Heiden. Er liegt auf dem Friedhof Sihlfeld in der Stadt Zürich begraben.


Werke

  • Notice sur la Régence de Tunis. Genf 1858
  • L’Empire de Charlemagne rétabli ou Le Saint-Empire romain reconstitué par sa Majesté L’Empereur Napoléon III. Genf 1859
  • Mémorandum au sujet de la société financière et industrielle des Moulins de Mons-Djemila en Algérie. Paris, undatiert (ca. 1859)
  • Un Souvenir de Solférino. Genf 1862
  • L'Esclavage chez les musulmans et aux États-Unis d'Amérique. Genf 1863
  • La charité sur les champs de bataille. Genf 1864
  • Les prisonniers de guerre. Paris 1867
  • Bibliothèque internationale universelle. Paris 1867
  • An die Presse. In: Die Waffen nieder!. Wien 1896 (Nr. 9, S. 327–331)
  • Kleines Arsenal gegen den Militarismus. In: Die Waffen nieder!. Wien 1897 (Nr. 5, S. 161–166; Nr. 6, S. 208–210; Nr. 8–9, S. 310–314)
  • Kleines Arsenal gegen den Krieg. In: Die Waffen nieder!. Wien 1897 (Nr. 10, S. 366–370)

Literatur

  • Hans Amann: Henri Dunant: Das Appenzellerland als seine zweite Heimat. Reihe: Das Land Appenzell. Heft 23. Appenzeller Verlag, Herisau 2008, ISBN 978-3-85882-118-8
  • Angela Bennett: The Geneva Convention: The Hidden Origins of the Red Cross. Sutton Publishing, Gloucestershire 2005, ISBN 0-75-094147-2
  • Pierre Boissier: History of the International Committee of the Red Cross. Volume I: From Solferino to Tsushima. Henry Dunant Institute, Genf 1985, ISBN 2-88-044012-2
  • Felix Christ: Henry Dunant. Leben und Glauben des Rotkreuzgründers. Friedrich Wittig Verlag, Hamburg 1981, ISBN 3-80-484191-0
  • Marc Descombes: Henry Dunant: Finanzmann – Phantast – Gründer des Roten Kreuzes. Schweizer Verlagshaus, Zürich 1988, ISBN 3-72-636554-0
  • André Durand: The first Nobel Prize (1901) Henry Dunant, Gustave Moynier and the International Committee of the Red Cross as * candidates. In: International Review of the Red Cross. 842/2001. IKRK, S. 275–285, ISSN 1560-7755
  • Eveline Hasler: Der Zeitreisende. Die Visionen des Henry Dunant. Verlag Nagel & Kimche AG, Zürich 1994, ISBN 3-31-200199-4 (gebundene Ausgabe); Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003, ISBN 3-42-313073-3 (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Willy Heudtlass, Walter Gruber: J. Henry Dunant. Gründer des Roten Kreuzes, Urheber der Genfer Konvention. Eine Biographie in Dokumenten und Bildern. 4. Auflage. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1985, ISBN 3-17-008670-7
  • Franco Giampiccoli, Elena Ascheri-Dechering (Übers.): Henry Dunant: Der Gründer des Roten Kreuzes. Aussaat, Neukirchen-Vluyn 2009, ISBN 3-76-155722-1
  • Martin Gumpert: Dunant. Der Roman des Roten Kreuzes. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1987, ISBN 3-59-625261-X Caroline Werner * Legère: Der Ruf von Castiglione. Henri Dunant, ein Leben im Dienste der Menschlichkeit. Achte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1978 Moorehead: Dunant's dream: War, Switzerland and the history of the Red Cross. HarperCollins, London 1998, ISBN 0-00-255141-1 (gebundene Ausgabe); HarperCollins, London 1999, ISBN 0-00-638883-3 (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Raimonda Ottaviani, Duccio Vanni, M. Grazia Baccolo, Elizabeth Guerin, Paolo Vanni: Rewriting the biography of Henry Dunant, the Founder of the International Red Cross. In: Vesalius - Acta Internationalia Historiae Medicinae. 11(1)/2005. International Society for the History of Medicine, S. 21–25