Literaturarbeit:Kinder besuchen einen Familienangehörigen auf einer Erwachsenenintensivstation

Aus Familienwortschatz
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Literaturarbeit: "Kinder besuchen einen Familienangehörigen auf einer Erwachsenenintensivstation" von Irmela Gnass, 2003

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Einleitung

Der Beweggrund mich im Rahmen meiner Literaturarbeit mit den Aspekten des Besuches von Kindern auf einer Erwachsenen-Intensivstation (IS) zu beschäftigen, entstand durch persönliche Erfahrung im Berufsalltag. Immer wieder gab es kontroverse Diskussionen wenn ein Kind in Begleitung eines Erwachsenen den Zugang zur IS erbat. Obwohl eine festgelegte Besuchsregel besteht, Kindern unter 14 Jahren keinen Zutritt zu gewähren, haben Kollegen nach genauer Betrachtung der Situation manchmal jüngere Kinder eingelassen. Argumentation wie die hygienische und psychologische Gefahren denen das Kind ausgesetzt werden könnte, die eigentlich die Restriktion begründeten, sind in Einzelfällen außer Acht gelassen worden.

„Many nurses do choose to bend or change the rules about patient visiting in their units. This likely indicates their discomfort with the official policies that seems too restrictive. “ (Lit.: Lewnadowski, 1994)


Was die Gründe für dieses Unbehagen sind und nach welchen Kriterien die Entscheidungen für oder gegen ein Besuchsrecht getroffen wurden, lag eher in der individuellen Entscheidung der beteiligten Pflegekraft.

„Whatever the official policy, the participants appeared to `bend the rules´ or adapt them to suit the individual patient or situation.” (Lit.: Clarke, 2000)


Dieses Statement lässt die Vermutung zu, dass der Zugang von Kindern auf der einen Seite vom im Dienst befindlichen Personal abhängt. Auf der anderen Seite stellt es die Frage welches die Gefahren sind denen ein Kind ausgesetzt wird.




Methodisches Vorgehen

Literaturrecherche

Um das Thema aus pflegerischer Perspektive zu betrachten und den aktuellen Diskussionsstand zu erhalten, beschränkte ich mich auf die Datenbanken Carelit®, Cinahl® und Medline®.

Zunächst erfolgte die Suche anhand von deutschen Begriffen:

  • Kind; Kinder
  • Eltern
  • Besuchsrecht
  • Besuchszeit
  • Intensivstation

Diese Begriffe einzeln eingegeben ergaben eine sehr hohe Trefferquote. Die Nutzung der Bool´schen Parameter erbrachte keine Treffer.

Die Suche mit englischen Wörtern wie:

  • Children
  • Children Visiting
  • Visiting
  • Parents
  • Intensivcare Unit (ICU)

ergab unterschiedliche Ergebnisse für die einzelnen Datenbanken auf die ich im Einzelnen eingehe.

CareLit® (CD-ROM Version 7.1/2002)
Das Ergebnis nach Eingabe der einzelnen Begriffe war mit 1231 Treffern versehen. Zusammenführung mit den Bool´schen Parametern ergab keine Treffer.

CINAHL® (CD-Rom Version 1982-2002, September)

Mit der gleichen Vorgehensweise wie bei Carelit® erhielt ich eine Artikelauswahl von 100, die von unterschiedlicher Relevanz waren. Nach Sichtung der Abstrakts verblieben 9 Artikel.

Medline®
Nach Eingabe der gleichen Schlagwörter wie bei Cinahl® kam ich auf das gleiche Ergebnis.

Andere Quellen:

Die zuerst zu Grunde liegenden 9 Artikeln verwiesen durch ihre Referenzlisten auf 4 weitere Artikel die ich nach Sichtung der Abtracts eben- falls aufnahm. Um mehr Hintergrundinformationen, besonders über den Stand des Themas in Deutschland, zu bekommen habe ich im Internet bezüglich der Besuchregelungen recherchiert und Kontakt zu Professor Dr. Hannich (Universtät Greifswald) und Professor Dr. Daschner (Universität Freiburg) aufgenommen. Die Bücher “Intensivpflege“, “High touch/High tech“ (Millar et al, 2002), “Familienbezogene Pflege“ (Gehring et al, 2001) und Fachbücher zur Intensivpflegeausbildung sind ebenfalls gesichtet worden.


Literaturauswahl

Da es nicht viele Studien zu dem Thema gibt habe ich auch die Artikel ausgewählt die sich mit dem Thema “Kinder besuchen einen Familienangehörigen auf einer Erwachsenen-Intensivstation“ beschäftigen. Die gefundene Literatur ist fast ausschließlich aus dem anglo-amerikanischen Raum. 10 der gesichteten Artikel fassen ältere Studien rund ums Thema zusammen. Um nicht eine erneute Sichtung dieser Studien durchzuführen habe ich die zunächst willkürlich gesetzte Zeitspanne von 1992-2002 nicht erweitert. In diesem Zeitraum gab es drei Studien die ganz unterschiedliche Aspekte thematisieren.

Von 1993 Nicholson et al gibt es eine quasi-experimentelle Studie aus Amerika an der 20 Familien teilnahmen. In 10 Familien erhielten Kinder eine pflegerische Intervention vor und während des Besuches, bei 10 weiteren Familien waren Kinder vom Besuch ausgeschlossen.

Eine Studie die 1999 in England durchgeführt wurde (Clarke, 2000) ermittelt in 12 qualitativen Interviews mit Pflegenden, deren Erfahrungen und Wahrnehmungen im Umgang mit Kindern als Besucher auf einer IS.

Eine deutsche Literaturstudie (Metzing, Osarek) von 2000 beschäftigt sich mit Besuchregelungsmodellen, die in der englischsprachigen Literatur beschrieben werden. Diese Studie habe ich aufgenommen da sie Studien zur Besuchsregelung aktuell und ausgiebig zusammenfasst.

Aus dem Buch “Familienbezogene Pflege“ (Gehring et al, 2001) wird das Kapitel “Familien auf Intensivstationen“ (Kean) mit aufgenommen, da es das Thema aus familienorientierte Sicht betrachtet.


Fragestellung

Die gefundene Literatur zum Thema “Kinder besuchen ein Familienangehörigen auf einer Erwachsenen-Intensivstation“ habe ich unter folgenden Fragen analysiert:

  • Wie wirken sich bestehende ICU Besuchsregelungen für Kinder aus?
  • Welche hygienischen Aspekte werden für die Restriktion von Kindern auf einer IS beschrieben?
  • Welche psychologischen Aspekte werden beschrieben wenn Kinder einen Familiennagehörigen auf IS besuchen?
  • Welche Rolle haben die Pflegenden?


Literaturanalyse

Besuchsregelung

Wie wirken sich bestehende ICU Besuchsregelungen für Kinder aus?

In Deutschland herrscht ein sehr unterschiedliches Bild von Besuchregelungsmodellen. Besuchregelungen entstanden in einer Zeit in der man noch wenig über die Auswirkungen von Besuchern auf einer Intensivstation gewusst hat.

„Visitation was restricted because little was understood about the impact on the patient or the family, including children.” (Lit.: Cullen, Titler, Drahozal, 1999)


In der umfangreichen Literaturstudie von Metzing und Osarek (2000), die unterschiedliche Besuchregelungsmodelle in englischsprachigen Veröffentlichungen von 1984-1998 auf Intensivstationen untersuchte, ergaben sich drei von einander trennbare Modelle:

  1. Das Restriktionsmodell
  2. Das Vertragsmodell
  3. Offenes Besuchsmodell

Das Restriktionsmodell

1. Das Restriktionsmodell ist besonders im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Kindern auf IS erwähnt. Geht es bei dem Restriktionsmodell eigentlich um die zeitliche Begrenzung die Erwachsene erfahren, wenn sie einen Familienangehörigen besuchen, erfahren Kinder einen kompletten Ausschluss, meistens unter Berücksichtigung einer Altergrenze. In Deutschland haben einige IS das Restriktionsmodell, auch hier erfahren Kinder einen Ausschluss bis hin zum 14. Lebensjahr. In großen Kliniken gibt es vereinzelt Regelungen die dem Besuch eine ärztliche Untersuchung bzw. ein Gespräch mit der Stationsleitung vorschalten (Internetrecherche). Hauptargumente für die Restriktion von Kindern sind, sie vor Infektionen und einem psychischem Traumen zu bewahren (Titler, 1993; Johnson, 1994; Biley, 1995; Plowright, 1996).

Metzing und Osarek (2000) diskutieren neben der Infektionsgefahr auch, das hinter dem Restriktionsmodell die die positive Intention liegt den Patienten physiologisch und psychologisch zu schützen. Studien die innerhalb von Restriktionsmodellen durchgeführt wurden, konnten weder negative physiologische noch negative psychologische Auswirkungen des Besuches auf Patienten nachweisen. Patienten die nach ihren Bedürfnissen gefragt wurden nannten vielfältige und höchst unterschiedliche Bedürfnisse. Die Bedürfnisse in Bezug auf Besuch von Kindern werden nicht detailliert erfasst (auch Johnstone, 1994). Somit halten die Autorinnen (ebd.) fest, dass, das Restriktionsmodell dieser Vielfalt an Bedürfnissen nicht gerecht werden kann.


Das Vertragsmodell

2. Das Vertragsmodell bietet die Möglichkeit des Aushandelns, wobei die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt würden und somit auch die des Kindes. Anführte Befürchtungen der Pflegende um die Auswirkungen des Besuches auf den Patienten können im Rahmen dieses Modells bei der Verhandlung genauer in Betracht gezogen werden. Für das Vertragsmodell spricht das der Patient an Autonomie gewinnt, in diesem Fall über den Besuch und somit aktiv in die Entscheidung von Kinderbesuch einbezogen ist.


Offenes Besuchsmodell

3. Dem offenen Besuchsmodell liegt die Entscheidungsfreiheit zu Grunde. Entscheidungen werden primär durch den Patienten und dessen Angehörige getroffen. Die offene Besuchsregelung wird gerne dem Restriktionsmodell gegenübergestellt. Somit darf keines der Kriterien die zur Restriktion führen bei diesem Modell eine Auswirkung haben. Eine Restriktion besteht allerdings noch vielfach in diesem Modell, wo aus Mangel an Platz die Anzahl der Besucher pro Patient beschränkt wird. Kinder sind hier aber nicht mehr ausgeschlossen.

Die Frage nach der besten Besuchsregelung kann nach Meinung der Autorinnen (ebd.) nicht beantwortet werden, ohne das zu Grunde liegende Pflegeverständnis zu thematisieren und einzubeziehen.

„Ein Pflegeverständnis, das Patienten isoliert von ihren Angehörigen betrachtet, kann weder den Bedürfnissen von Patienten noch denen von Angehörigen gerecht werden. „ (Lit.: Metzing, Osarek, 2000)


Diese Veränderung im Pflegeverständnis greift auch Kean (2001) auf und fasst zusammen, dass „auffallend wenig pflegewissenschaftliche Literatur zum Thema Kinder und Jugendliche im Kontext von lebensbedrohlich erkrankten Angehörigen auf Intensivstationen existiert.“ Die Forschung sei mehrheitlich auf den Erwachsenen ausgerichtet und die Familie wird noch nicht als Einheit in der Pflegeforschung wahrgenommen.


Hygienische Aspekte

Welche hygienischen Aspekte werden für die Restriktion von Kindern auf einer IS beschrieben?

Ein häufig angeführtes Argument für die Restriktion von Kindern ist ein erhöhtes Infektionsrisiko, dem sie beim Besuch auf einer IS ausgesetzt sind. Eine von Biley et al (1993) durchführte Studie in England, befragte sie 122 Intensivstationen zu Ihren Besuchsregelungen. 107 nahmen an der Studie teil. 66 gaben eine offene Besuchsregelung an. 46 (70%) IS haben Kinder beim Besuch eingeschränkt. 9 IS nannten, neben anderen, das Risiko der Infektion als Grund. In ihrer Diskussion schlussfolgert Biley (1993), dass Kinder als Besucher auf IS nicht empfänglicher für Infektionen seien als Erwachsene. Auch wenn das Immunsystem nicht vor dem 6. bzw.7. Lebensjahr ausgereift ist, besteht bereits ein immunologischer Schutz im Alter von 6-9 Monaten. Die Besuchrestriktion von Kindern aus diesem Grund kann ihrer Meinung nach somit nur mit Vorsicht ausgesprochen werden.

Mc Ivor (1998) also acknowledges that it may be appropriate to restrict visiting for infants aged 9 months or younger because of a lack of humeral immunity.

Es gibt keine Studien die untersucht haben, wie hoch die Infektionsgefahr für Kind und Patient beim Besuch auf einer Erwachsenen-Intensivstation aussieht. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf Studien aus der Pädiatrie, die untersuchten ob die bakterielle Infektionsrate ansteigt wenn Kinder ihre Geschwister auf Neugeborenen Intensivstation besuchen. Hierbei wird immer auf die Einhaltung hygienischer Verhaltensregeln beim Besuch hingewiesen, die für Erwachsene und genauso für Kinder gültig sind. Cullen et al (1999) fanden bei Durchsicht dieser Studien heraus, dass keine Erhöhung bakterieller Infektionen stattgefunden hat und schließt Kinder jünger als 9 Monate mit ein.

“Some institutes recommend using a health screening form and health screening guideline when facilitating child visitation in the critical care unit.” (Lit.: Cullen et al, 1999)


Sie (ebd.) äußern sich nicht darüber was in der Gesundheitsuntersuchung erfasst werden soll und auch nicht was in den Richtlinien zu der Gesundheitsuntersuchung steht. Es wird des weiteren nicht erwähnt wer diese Untersuchung durchführen soll und in welchem Rahmen.

Johnson (1994) erwähnte, dass in einigen amerikanischen Krankenhäusern eine Einschätzung der Kinderkrankheiten durch das Pflegepersonal auf der Intensivstation erfolgt. Er empfiehlt .….”ask a pediatric nurse practitioner to teach a course on assessement of pediatric communicable disease symptoms. So the ICU nurses are comfortable with their own judgements.”




Psychologische Aspekte

Welche psychologischen Aspekte werden beschrieben wenn Kinder einen Familienangehörigen auf IS besuchen?

Über die psychologischen Auswirkungen auf Kinder während einer lebensbedrohlichen Erkrankung von Erwachsenen ist wenig bekannt. Kinder sind in der pflegewissenschaftlichen Literatur unterrepräsentiert. So kann auch kaum etwas über die Bedürfnisse von Kindern im Zusammenhang mit dem Besuch auf einer IS gesagt werden.


In ihrem Artikel von 1992 über die Bedürfnisse von Kindern während einer lebensbedrohlichen Erkrankung ihrer Geschwister oder Eltern, erstellte Lewandowski, nach Durchsicht mehrerer Studien aus der pädiatrischen Pflege, eine Tabelle mit möglichen Faktoren zusammen, die, die Reaktion von Kindern und Erwachsenen in dieser Situation beeinflussen könnten.

  • Beziehung des Erkrankten zum Kind
  • Entwicklungsstand des Kindes
  • Chronische oder akute Natur der Erkrankung oder Verletzung
  • Wahrnehmung oder Verstehen der Erkrankung oder Verletzung
  • Anzahl und Typus anderer stressrelevanten Erfahrungen
  • Verfügbare situative Unterstützung

Da eine enge emotionale Bindung, zwischen Kindern und Eltern existiert hebt Lewandowski (1992) hervor, dass es schwierig bis unmöglich ist Kinder vor Stimmungsveränderungen in der Familie fernzuhalten. Das Verhalten, die Gefühle und Reaktionen von Kindern müssen im Kontext der Familie betrachtet werden.

Children are integral parts of the family unit and are not exempt from the stress of a critical illness of a family member. (Lit.: Cullen et al, 1999)


Krankheit eines Familienmitgliedes kann die anderen Mitglieder und das Funktionieren des Familiensystems beeinträchtigen (Nicholson et al, 1993). Kinder müssen in solchen Situationen nicht nur die Abwesenheit eines Familienmitgliedes und deren Erkrankung, sondern auch die Veränderung der restlichen Familie bewältigen. Erhalten Kinder in einer Krisensituation keine Unterstützung, bleiben sie mit Gefühlen der Einsamkeit und Isolation zurück, obwohl sie gerade jetzt Unterstützung und Sicherheit brauchen. Monroe und Kraus (1996) sagen „Kinder brauchen Information, Rückversicherungen, eine Möglichkeit ihre Gefühle zum Ausdruck zubringen und Erwachsene dem sie ihre Gefühle anvertrauen können.“ Kinder die ohne weitere Erklärung alleine gelassen werden, suchen selbständig nach Erklärungen für die Geschehnisse. Und es wird angenommen der phantasierte Zusammenhang schlimmer sein können als die schwierige Realität (Lewandowski, 1992).

Pierce (1998) beschreibt die Auswirkungen des Besuches eines Familienangehörigen auf IS als Möglichkeit für das Kind die Realität zu erfahren anstatt darüber zu phantasiert.

By visiting the critically ill parent, the child shares in the reality of the family situation and begins to understand why routines are different and why family members are behaving differently (Lit.: Johnson, 1994)

.

Desweitern beschreibt Johnson (1994), dass einige Familienmitglieder es für richtig erachten Kinder auf IS mit zunehmen. Wobei die Beziehung, die ein Kind zum Patienten hat auch von zentraler Bedeutung war. Diese Familienmitglieder empfanden, dass sie eher als die Pflegenden einschätzen können ob das Kind in Lage ist die Krisensituation zu versteht oder nicht. Johnson (1994), Lewandowski (1994), Johnstone (1994) und Cutler et al (1999) folgerten, dass die letzte Entscheidung ob ein Kind zum Besuch zugelassen werden sollte in der Verantwortung der Familienmitglieder liegen sollte.

Lewandowski (1992) stellte jedoch auch fest, dass erwachsene Familienmitglieder zum Teil selbst die Ereignisse einer Krisensituation nicht verstehen und mit dieser zusätzlichen Entscheidung überfordert wären. Auch Clarke (2000) kommt in ihrer Literaturstudie zu der Schlussfolgerung, dass die betreuenden Familienmitglieder auf Grund eigener emotionaler Belastung die Bedürfnisse von Kindern nicht wahrnehmen. Weil sie in dieser Situation aber “gute Eltern“ seinen wollen erleiden sie weiteren Stress, dem sie nicht gewachsen sind. Monroe und Kraus (1996) schlagen vor, dass die betreuenden Familienmitglieder nicht das Gefühl haben sollten diese Unterstützung alleine zu leisten. Pflegende oder andere Gesundheitsberufe könnten, als unterstützende Verbündete, eine Verbesserung für sie und Kinder herbeiführen.

However, it is not suggested that the professional takes the place of parents, but rather helps them to make communication effective. (Clarke 2000)

Die mangelnde Kommunikation, zwischen Kindern und den betreuenden Erwachsenen während einer lebensbedrohlichen Erkrankung, wurde auch von allen anderen Autoren als wichtiger Aspekt angesprochen. Häufig war die Kommunikation unzureichend weil nichtstationäre erwachsene Familienmitglieder (NEFM) das Kind vor Erfahrungen schützen wollten. Dies ist der gleiche Grund warum sie die Kinder nicht mit zum Besuch nahmen. Wie bereits beschrieben ist es aber nicht möglich Kinder von den Veränderung die mit der Erkrankung einhergehen fernzuhalten. Johnstone (1994) äußerte in diesem Zusammenhang, dass Kinder die von allen unerfreulichen Erfahrungen ferngehalten werden eine Verzögerung oder Minderung ihrer emotionalen Entwicklung erleiden könnten.

Die Frage, ob der Besuch positive oder negative Auswirkungen auf Kinder und die NEFM hat, untersuchte Nicholson et al (1994) in einer quasi experimentellen Studie in den USA. Der Fokus dieser Studie lag in der Erfassung von Verhaltens- und Gefühlsreaktionen von Kindern und den NEFM. 20 Familien nahmen an der Studie teil. Jede Familie hatte ein Kind, ein NEFM und einen lebensbedrohlich erkranktes Familienmitglied auf IS. In der Kontrollgruppe (10 Familien) waren die Kinder vom Besuch komplett ausgeschlossen. In der Experimentalgruppe (10 Familien), die Kinder zum Besuch zugelassen hat, erhielten die Kinder eine begleitende pflegerische Intervention. (Anhang 1) Eingeschätzt wurden bei den Kindern Ängste, Verhaltens- und Gefühls-veränderungen. Bei den begleitenden NEFM wurde neben den Ängsten auch die Stimmungslage eingeschätzt. Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Vermutung zu, dass der pflegerisch begleitete Kinderbesuch auf einer Erwachsenen Intensivstation einen positiven Gewinn für Kinder hat. Denn Kinder denen geholfen wurde die Situation einzuschätzen und über die lebensbedrohliche Erkrankung des erwachsenen Familienmitglieds durch geplante systematische Intervention zu lernen, zeigten weiniger Gefühls- und Verhaltensveränderungen als jene die vom Besuch ausgeschlossen waren. Der in älteren Studien nachgewiesene positive Gewinn der Intervention auch für NEFM könnte im Rahmen dieser kleinen Stichprobe nicht bestätigt werden. Die Größe der Stichprobe beschränkt auch die Verallgemeinerung der Ergebnisse, zeigt aber Aspekte die in weiteren Studien untersucht werden sollten. Mit Fokus auf das zu schützende Familienmitglied Kind äußerte Nicholson (1994) abschließend:

“There is a need for health care professional to assess child adjustment to the illness of a loved one to intervene effectively. “

Rolle der Pflegenden

Welche Rolle haben die Pflegenden?

Die vermuteten Gefahren für Kinder beim Besuch einer Intensivstation sind meistens durch persönliche Erfahrung der Pflegenden begründet und weniger durch wissenschaftliche Literatur (Biley, 1993). Um Besuchregelungsmodelle zu ändern und Kinder als Besucher zu zulassen, müssten Pflegende Fähigkeiten haben um Kinder in der Situation des Besuches unterstützen zu können. Befragte Pflegende äußern Sorgen und Ängste etwas Falsches zusagen, die Situation dadurch zu verschlimmern und eventuell verbleibende emotionale Schäden zu verursachen (Monroe und Kraus, 1996). Wie ihre persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen mit Kindern als Besucher auf einer IS sind, hat Clarke (1999) in einer phänomenologischen Studie untersucht. In einem District General Hospital in England führte sie 12 Interviews mit ausgebildeten Krankenschwestern, deren Berufserfahrung zwischen 9 Monaten und 19 Jahren lag. Die Ergebnisse teilte sie in 4 Kategorien:

  1. Regeln verändern
  2. Harmonie bilden
  3. Beschützen und abschirmen
  4. Bewältigung und Zusammenarbeit


Regeln verändern

Trotz einer offenen Besuchregelung, die Kinder mit einschließt, wurde dazu häufig eine inkonsequente Haltung geäußert. Pflegende haben sich nicht an die offiziellen Verfahren oder Richtlinien gehaltnen sondern eher individuell entschieden.


Harmonie bilden

Durch Übereinstimmung und Kooperation mit den Eltern war es für Pflegende einfacher und weniger aufreibend Kinder unterstützend zu begleiten. Besuchserlaubnis oder -verbot war somit von der Fähigkeit der Pflegenden abhängig, ob sie eine Übereinstimung mit dem NEFM oder dem Kind herstellen konnte.


Beschützen und abschirmen

Die Pflegenden berichten, dass es den NEFM ein wichtiges Anliegen war Kinder vor dem Anblick und den Geräuschen der Intensivstationsumgebung zu schützen. Pflegende ihrerseits wollten den Patienten vor Geräuschen, Ermüdung und Infektion schützen und haben von daher den Besuch nicht empfohlen. Wenn NEFM eine Entscheidung über den Besuch vom Kind treffen wollten und die Pflegenden um Rat baten, gaben sie die an erster Stelle die Infektionsgefahr an. Ein weiterer Grund, der nicht weiter erläutert wird, wirft die Vermutung auf, dass Pflegende eine eventuelle zusätzliche emotionale Belastung für sich selbst zu verhindern suchten.


Bewältigung und Übereinstimmung

Die letzte Kategorie fasst die Pflegenden zusammen die auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen und Fähigkeiten und derer vom Kind und dem begleitendem Familienmitglied, es schafften die emotionale Situation eines Kinderbesuches gemeinsam zu bewältigen.

Das Ergebnis dieser kleinen Befragung zeigt deutlich die sehr unterschiedliche Handhabung in der Praxis. Obwohl hier ein offenes Besuchsmodell zu Grunde lag waren Kinder durch die unterschiedliche Vorgehensweisen der Pflegenden vom Besuch ausgeschlossen. Auch ein unterschiedlich akkurates Beraten seitens der Pflegenden nahm Einfluss auf die Entscheidungsfindung der NEFM. Die Autorin(ebd.) hält es von daher für sehr wichtig das Pflegende einheitliche und akkurate Informationen haben und die Fähigkeit besitzen diese an NEFM und das Kind weiterzugeben.


Zusammenfassung

Die vorliegende Literaturarbeit enthält Artikel und Studien der letzten 10 Jahre die fast ausschließlich aus dem anglo-amerikanischen Raum stammen um das Thema “Kinder besuchen einen Familienangehörigen auf einer Erwachsenen Intensivstation“ unter 4 Fragestellungen zu bearbeiten. Kinder werden in der deutschen Pflegewissenschaft kaum erfasst. Die vorherrschenden Besuchsregelungsmodelle zeigen, dass die Restriktionen vielfältig begründet werden und Kinder unterschiedlich berücksichtigt sind. Auf Grund von Unwissenheit und Unsicherheit entscheidet das Pflegepersonal häufig gegen den Besuch von Kindern auf einer IS. Auch die Informationen an die begleitenden Familienmitglieder sind dadurch geprägt Ein von Pflegenden genannter Aspekt ist die Infektionsgefahr für Kinder und Patienten, die anhand der Literatur nicht bewiesen werden kann. Hält das Kind hygienische Verhaltensregeln ein besteht keine erhöhte Infektionsgefahr durch den Patienten. Um Pflegenden bei der Einschätzung von Kinder- und Infektionskrankheiten zu helfen, empfehlen einige Kliniken die Nutzung eines Assessments. Dieses könnte in Zusammenarbeit mit den Pflegenden aus der Pädiatrie entwickelt werden, denn durch Ausbildung und Praxis haben beide unterschiedliche sich ergänzende Expertisen. Aber selbst wenn der hygienische Aspekt keine beschränkenden Auswirkungen für den Besuch mehr darstellt, verbleiben weiterhin die fraglichen psychologischen Folgen für das Kind. Die Betrachtung psychologischer Aspekte bzw. Gefahren für Kinder beim Besuch einer IS können nicht isoliert erfolgen, da die Situation einer lebensbedrohlichen Erkrankung eines Familienmitglieds ein komplexes Ereignis ist, welches schon als solches seine Auswirkungen auf das Kind hat. Es kann davon ausgegangen werden das Kinder Ängste und Sorgen haben mit denen sie nicht alleine gelassen werden sollten. Die begleitenden, nichtstationären Familienmitglieder befinden sich ebenfalls in einer Ausnahmesituation in der sie um Unterstützung und Informationen von Pflegenden dankbar sind. Ob der Besuch eines erkrankten Familienmitglieds hilfreich für die Bewältigungsarbeit eines Kindes ist, kann auf Grund der Ergebnisse aus kleineren Studien angenommen werden, wenn Pflegende….“direkt bei der Begleitung des Besuches oder indirekt durch Unterstützungsarbeit die den sorgenden Familienmitgliedern hilft dem Kind die Situation zu vermitteln“(Clarke, 1999). Von den hier zitierten Autoren wird eine alters- und entwicklungsstandgerechte Begleitung des Kindes gefordert. Außerdem, sollte das Pflegepersonal akkurate Informationen als Unterstützungshilfe an die nichtstationären Familienmitglieder geben können.


Stellungnahme

Im Rahmen dieser Literaturarbeit ist mir deutlich geworden wie ausgiebig das Thema bereits im anglo-amerikanischem Raum diskutiert wird. Die Entwicklung in der Pflegewissenschaft und -praxis in Deutschland, hin zur familienorientierten Pflege bezieht Kinder deutlicher in die Diskussion ein. In den Besuchsregelungsmodellen hierzulande ist dieses Pflegeverständnis nur selten wieder zu finden. Bevor aber eine Veränderung der Besuchsregelungen für Kinder stattfinden kann, ist es notwendig, die vorherrschenden Überzeugungen und Praktiken von Pflegenden zu hinterfragen (Clarke, 2000). Es besteht Bedarf an Aufklärung und Schulung für Pflegende um Kindern in dieser Situation gerecht zu werden. Im Rahmen der Schulungen sind die Auswirkungen einer lebensbedrohlichen Erkrankung, “alters- und entwicklungsstandgerechte“ Pflegeinterventionen und kommunikative Fähigkeiten an Pflegende zu vermitteln. Dies macht spezielle Weiterbildungen und die Erfassung des Themas im Curriculum der intensivpflegerischen Fachweiterbildung notwendig. Den hygienischen Aspekt greifen einigen Klinken dadurch auf, in dem sie das Kind vor dem Besuch durch einen Arzt untersuchen lassen. So stellt sich die Frage in welchen Aufgaben- und Verantwortungsbereich die Einschätzung von Kinder- und Infektionskrankheiten fällt. In Amerika und England sind Pflegetätigkeiten medizinisch orientiert und klar definiert, wodurch die Einschätzung von Kinder- und Infektionskrankheiten mittels Assessment in deren Aufgabenbereich fällt. In Deutschland wird diese Tätigkeit von Medizinern wahrgenommen. Wenn also ein Assessment zum Einsatz käme bedarf es im Vorfeld einer interdisziplinären Diskussion und der klaren Zuteilung von Verantwortungen. Weil Pflegende die Hauptakteure in der Begleitung des Kindes sind, scheint mir die Erhebung des Assessments durch sie sinnvoll, um dem Kind eine weitere Belastung durch eine ärztliche Untersuchung zu ersparen.

Die Begleitung von Kindern beim Besuch eines Familienmitgliedes auf der Erwachsen-Intensivstation ist eine pflegerische Herausforderung, der sich Pflegende stellen sollten, denn…..“die Fähigkeit Dinge zu verstehen mag bei Kindern besser ausgeprägt sein als ihr Vermögen sich über die Dinge zu äußern (Monroe und Kraus, 1996).

Anhang

Faciliated Child Visitation Intervention

  1. The investigator made arrangements with the NHAFMs to schedule a time for the child to visit.
  2. The NHAFM agreed to accompany the child during the visits.
  3. The investigator ensured that the patient`s condition was stale: ( In case of unit emergencies or the patient`s condition being unstable as defined by the nursing staff, the visit was rescheduled.)
  4. The child and NHAFM were instructed to wash their hand and follow other unit guidelines for infection control before entering the unit. Health screening criteria for the child and NHAFM ware completed before the visit.
  5. Immediately before the visit, the following was done:
    • The investigator talked with the NHAFM alone for background information about the child, for example: What does the child know? What has the child been told about the illness of the patient? What as the child seen? Have there been any notable behaviour changes since the hospitalization of the patient?
    • The investigator talked with the child in the presence of the NHAFM. The following questions were asked: Who is in the hospital that you are here to see today? What is wrong with him or her? How do you feel about what happened? Have you ever known anyone in the hospital before? Have you ever visited a hospital before? For children 5 to 10 years of age the investigator used simple terms and pictures to explain why their family member was in the hospital, what will happen during the visit, and what to expect to see and hear. The investigator answered the child`s questions.
  6. During the visit, the investigator accompanied the child and NHAFM to help with awkward moments of communication,, and answer any questions, provide support, and assess if the visit was too overwhelming for child, NHAFM for critically ill patient.
  7. After the visit, the investigator talked with the child and NHAFM about what occurred. The following questions were asked to the child: Tell me about your visit? What did your fell? Do you have any questions?
  8. The investigator encouraged the NHAFM to maintain normalcy for the child by keeping similar routines, responsibilities, habits, and rituals, and being truthful and hones to ease his or her responses to the hospitalization of the critically ill patient.


Literatur

  • Biley, Francis C., Millar, B. J.; Wilson; A. M: Issues in intensive care visiting. Intensive and Critical Care Nursing 1993, 9:75-81
  • Clarke, Clare M.; Harrison, D: The needs of children visiting on adult intensive care units: a review of the literature and recommendations for practice. Journal of Advanced Nursing 2001; 34(1):61-8
  • Clarke, Clare M.: Children visiting family and friends on adult intensive care units: the nurses' perspective. Journal of Advanced Nursing 2000; 31(2):330-8
  • Cullen, Laura; Titler, Marita; Drahozal, Ronda: Protocols for practice: applying research at the bedside. Family and pet visitation in the critical care unit. Critical Care Nurse 1999 Jun; 19(3):84-7
  • Johnson, Dawn L: Preparing children for visiting parents in the adult ICU. Dimensions of Critical Care Nursing 1994; 13(3):152-4, 157-65
  • Johnstone, Michael; Children visiting members of their family receiving treatment in ICUs: A literature review. Intensive & Critical Care Nursing 1994; 10(4):289-92
  • Lewandowski, Linda A: Needs of children during the critical illness of a parent or sibling. Critical Care Nursing 1992; 4(4):573-584
  • Lewandowski, Linda A.: Nursing grand rounds... the power to shape memories: critical care nurses and family visiting. Journal of Cardiovascular Nursing 1994; 9(1):54-60
  • Metzing, S./Osaek, J.: Besuchsregelungen auf Intensivstationen. Pflege 2000; 13: 242-252
  • Monroe, Barbara; Kraus, Frances: Children and loss. British Journal of Hospital Medicine 1996; 56(6):260-264
  • Nicholson, Anita C.; Titler, M.; Montgomery, L.A.; Kleiber, C. et al: Effects of child visitation in adult critical care units: a pilot study. Heart & Lung: Journal of Critical Care 1993; 22(1):36-45
  • Pierce, Becky: Pediatrics. Children visiting in the adult ICU: a facilitated approach. Critical Care Nurse 1998; 18(2):85-90
  • Plowright, Catherine I.: Revisiting visiting in intensive therapy units. Intensive and Critical Care Nursing 1996; (12):231-238
  • PONS (2001). Großwörterbuch für Experten und Universität Englisch-Deutsch; Deutsch-Englisch. 1. Aufl. Ernst Klett Verlag. Stuttgart
  • Sesnik, W. (2000). Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. 5. Aufl.R. Oldenbourg Verlag. München; Wien; Oldenbourg
  • Tilter, Marita G.: Changing visiting practice in critical care units. Medsurg Nursing 1995; 4(1):65-68