Psychopathologischer Befund

Aus Familienwortschatz
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Der psychopathologische Befund ist für die Psychiatrie das, was für die innere Medizin der körperliche Untersuchungsbefund ist. Dabei werden die einzelnen psychischen Funktionen des Patienten evaluiert und beurteilt. Üblicher Weise wird der psychopathologische Befund in 11 nachfolgende teile unterteilt:


Allgemeiner Eindruck

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Verwahrlosung in Kleidung und Körperpflege
  • Bizarrheit in Kleidung und Erscheinung
  • Erschwerte Kontaktaufnahme


Bewusstseinsstörungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

Quantitative Bewusstseinsstörungen

  • Benommenheit (verlangsamtes Denken, reduzierte Auffassungsgabe)
  • Somnolenz (Patient ist schläfrig/benommen, herabgesetzte Konzentration/Auffassungsgabe)
  • Sopor (tiefer Schlaf wobei der Patient nur auf Schmerzreize hin reagiert)
  • Koma ( tiefe Bewusstlosigkeit, Patient nicht zu wecken, Reflexe nicht auslösbar)

Qualitative Bewusstseinsstörungen

  • Bewusstseinseintrübung (Verwirrtheit des Denkens und des Handelns)
  • Bewusstseinseinengung (Fokussierung des Patienten auf bestimmte Erlebnisse, Patient handelt wie im Traum)
  • Bewusstseinsverschiebung/Bewußtseinserweiterung (Wahrnehmung in seiner Intensität gesteigert)

Orientierungsstörungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist

  • zeitlich Orientierungsstörung
  • örtliche Orientierungsstörung
  • situative Orientierungsstörung
  • Orientierungsstörung zur eigenen Person


Aufmerksamkeitsstörung

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Auffassungsstörungen
  • Konzentrationsstörungen


Gedächtnisstörungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Merkfähigkeitsstörungen
  • Hypoamnesie (Altgedächtnis)
  • Amnesie
  • Erinnerungslücken werden gefüllt
  • Erinnerungsverfälschung


Formale Denkstörung

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Denkverlangsamung
  • Denkhemmung
  • umständliches Denken
  • eingeengtes Denken
  • Perseverationen (ständiges Wiederholen v. Gedanken, Fragen, Befürchtungen)
  • Grübeln
  • Gedankendrängen
  • Ideenflucht
  • Vorbeireden
  • Sperrung d. Denkens/Gedankenabriß
  • Zerfahrenheit
  • Neologismen
  • Verbigeration (ständiges, stereotypes, rhythmisches Wiederholen von isolierten Wörter oder Wortbruchstücken)

Inhaltliche Denkstörung ( Wahninhalte)

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

Formen des Wahns

  • Wahnstimmung (Oft Beginn von Wahn, Patient erlebt, dass etwas nicht stimmt, kann aber nicht genau sagen was.)
  • Wahnwahrnehmung(Fehlinterpretation einer an sich richtigen Wahrnehmung)
  • Wahnerinnerung (wahnhaft verfälschte Erinnerungen)
  • Wahneinfall (unvermitteltes, gedankliches Auftreten wahnhafter Vorstellungen / Überzeugungen)
  • systematisierter Wahn (Wahnsymptome werden logisch oder scheinbar logisch verbunden, führt zu einem Wahngebäude)
  • Wahndynamik (gefühslmäßige Ladung mit der der Patient den Wahn belegt)

Wahninhalte

  • Beziehungswahn (alle Äußerungen beziehen sich speziell auf Patienten, z.B. aus dem Fernsehen)
  • Beeinträchtungswahn /Verfolgungswahn (Andere wollen Patienten beleidigen, verletzten, verfolgen)
  • Eifersuchtswahn (oft bei Männern, oft in Verbindung mit Alkoholabhängigkeit)
  • Größenwahn
  • Nichtigkeitswahn / Nihilistischer Wahn
  • Hypochondrischer Wahn
  • Verarmungswahn
  • Liebeswahn (oft bei Frauen)
  • Doppelgängerwahn
  • Symbiontischer Wahn ( auch "Folie a deux" genannt)
  • Dermatozoenwahn
  • Wahnentwicklung bei Schwerhörigen

Sinnestäuschungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist

  • Halluzinationen (akustische, optisches, Geruch/Geschmack, taktile)
  • Illusionen (richtige Sinnesreize werden verkannt)
  • Pseudohalluzinationen (Patient erkennt den Trugcharakter der Halluzination)
  • Pareidolien (z.B. Gesichter in Raufasertapete erkennen)

Ich – Störungen

  • Depersonalisierung (Körper- oder Körperteile werden als verändert oder nicht zugehörig erlebt. Eigene Handeln als mechanisch empfunden.)
  • Derealisation (Umwelt wird als verändert empfunden und als fremd erlebt, entfremdet)
  • Fremdbeeinflussung (Fühlen, Denken, Streben, Handeln und Wollen wird von "außen" gemacht, gesteuert oder als von Anderen gelenkt erlebt)
  • Gedankenentzug (Patient meint seine Gedanken würden von außen abgezogen oder weggenommen werden)
  • Gedankenausbreitung (Patienten erleben, dass Gedanken ihnen nicht mehr alleine gehören. Andere können Gedanken lesen, ohne dass der Patient was dagegen tun kann)
  • Gedankeneingebung (Gedanken oder Vorstellungen des Patienten erscheinen von außen beeinflusst, gelenkt, gesteuert, eingegeben oder aufgedrängt)

Befürchtungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist

  • Sorgen
  • Phobien
  • Zwangshandlung
  • Zwangsimpulse
  • Zwangsdenken


Affektstörungen

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Affektqualität
  • Affektmodulation


Pathologische Affektqualitäten

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Depressive Verstimmung
  • Gefühl der Gefühllosigkeit
  • Hoffnungslosigkeit
  • Misstrauen
  • Hypochondrie
  • Euphorie
  • Dysphorie
  • Gereiztheit
  • Aggressivität
  • Innerliche Unruhe
  • Klagsamkeit
  • Insuffiziensgefühl
  • Schuldgefühle


Störungen der Affektmodulation

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist

  • Affektstarrheit
  • Affektlabilität
  • Affektinkontinenz
  • Affektverharrung


Störungen des Antriebs

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist:

  • Antriebsarmut
  • Antriebshemmung
  • Antriebssteigerung
  • Motorische Unruhe


Störung der Einstellung

Hier wird ermittelt ob der Patient folgende Problematik aufweist

  • Mangel an Krankheitsgefühl
  • Mangel an Krankheitseinsicht
  • Sozialer Rückzug
  • Suizidalität


Allgemeines

Neben diesem Befund werden auch immer folgende Zusatzbefunde erstellt:

  • Laboruntersuchungen
  • EEG
  • CT
  • MRT
  • Neurologische Untersuchungen
  • Internistische Untersuchungen

Die Patienten werden auch immer durch bestimmte Fragenkataloge auf Demenz untersucht um diese Diagnose auszuschließen.

Der psychopathologische Befund wird in regelmäßigen abständen erneut durchgeführt!!!!!!


Der psychopathologische Befund wird erstellt durch:

  • Freier Bericht (offene Fragen)
  • Spezielle Amnamese


Außerdem wird auch immer überprüft ob folgende Probleme aufgetaucht sind:

  • Geburtskomplikationen
  • Probleme in der Familie
  • Probleme in der Beziehung


Beispielfragen

Folgende Fragen könnten bei einem psychopathologischen Befund gestellt werden:

Orientierung (Zeit, Ort, Situation, Person)
Welches Datum haben wir heute? In welcher Stadt sind wir? Warum sind Sie hier? Wie ist Ihr Name?
Konzentration, Auffassung und Gedächtnis
Fällt es Ihnen schwer, diesem Gespräch zu folgen? (Indirekter Hinweis. Antwortet der Patient zeitnah passend auf Ihre Fragen.
Haben Sie Schwierigkeiten, sich etwas kurzfristig zu merken (Einkaufen, Namen, etc.)? (Aufgabe: merken sie sich folgende drei Begriffe: z.B. Auto, Fahrrad, Hamburg)
Können Sie sich beim Lesen oder Fernsehen noch konzentrieren? (Aufgabe: ziehen Sie jeweils 7 von 100 ab)
Angst und Panik
Haben Sie in bestimmten Situationen starke Ängste (z.b. in engen Räumen, in Kaufhäusern oder auf öffentlichen Plätzen)? Versuchen Sie, solche Situationen zu vermeiden?
Haben Sie manchmal plötzlich massive Ängste und Panikattacken, mit dem Gefühl, sterben zu müssen
Formale Denkstörungen
Wie geht es im Augenblick mit dem Denken? Müssen Sie über bestimmte Dinge immer wieder nachdenken, grübeln, kreisen die Gedanken im Kopf? (Viele Denkstörungen lassen sich im normalen Gespräch durch den Arzt feststellen: verlangsamtes Denken, beschleunigtes Denken, inkohärentes Denken, etc...)
Wahnsymptome/Halluzinationen/Ich-Störungen
Haben Sie in letzter Zeit das Gefühl gehabt, dass sich die ganze Welt seltsam verändert, das sich alles plötzlich um Sie dreht und irgendetwas Besonderes oder schlimmes passieren wird? (= Wahnstimmung)
Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Menschen Sie auf der Straße anschauen, obwohl sie Sie nicht kennen? Geben diese Ihnen Zeichen? (= Beziehungsideen)
Haben Sie das Gefühl, verfolgt oder beobachtet zu werden? Wenn ja, welche Gründe hat das (z.b.: sind Sie etwas Besonderes?) (=Verfolgungswahn)
Hören Sie gelegentlich seltsame Geräusche oder Stimmen, obwohl niemand in der Nähe ist? ( = Akustische Halluzinationen)
Meinen Sie, andere können Ihre Gedanken lesen, Ihre Gedanken entziehen oder Sie in Ihren Handlungen steuern und beeinflussen (= Ich-Störungen)?
Affektive Symptome
Wie geht es Ihnen von der Stimmung her?
Gab es Phasen in Ihrem Leben, in denen Sie mindestens über 2 Wochen niedergeschlagen waren, keinen Antrieb und keinen Appetit hatten, Ihren Interessen und der Arbeit nicht mehr nachgehen konnten?
Können Sie sich derzeit noch freuen oder können sie gar nichts mehr empfinden? Können Sie sich vorstellen, dass alles wieder gut wird? Machen Sie sich Gedanken, etwas falsch gemacht zu haben?
Geht es Ihnen morgens schlechter oder bemerken sie keine Veränderungen über Tag? (Tagesrhythmik ist bei typischen Depressionen häufig)
Werden Sie in letzter Zeit schnell wütend, aufbrausend und gereizt?
Gab es starkes Stimmungsschwanken, so dass es auch Phasen gibt, in denen es Ihnen viel zu gut ging, sie nicht mehr schlafen mussten, sie viel zu viel Geld ausgegeben haben und in denen Sie sich für jemanden ganz Besonderes hielten? (= Hinweise für manische Stimmungslagen)
Suizidalität
Denken sie derzeit daran, dass es besser wäre, nicht mehr zu leben? Haben sie aktiv daran gedacht, sich das Leben zu nehmen? Haben Sie Dinge dafür geplant oder vorbereitet?
Krankheitsgefühl/Krankheitseinsicht
Fühlen Sie sich im Augenblick krank?
Glauben sie, dass Sie eine psychische Erkrankung haben bzw. Ihre Probleme etwas mit einer psychischen Erkrankung zu tun haben könnten?
Psychosoziale Situation
Wie sind derzeit Ihre Kontakte zu anderen Menschen? Haben Sie eine Wohnung? Haben Sie eine Arbeit? Gibt es aktuell belastende Probleme (schwere Erkrankungen, Schicksalsschläge, Partnerschaftsprobleme, finanzielle Probleme?)
Andere mögliche Fragen
Haben Sie sich schon einmal Verletzungen selbst zugefügt? (z.B. bei Borderline-Persönlichkeit)
Sind sie leicht reizbar? Geraten sie dauernd mit dem Gesetz und anderen Mitmenschen in Konflikt? (z.B. dissoziale Persönlichkeitseigenschaften)
Haben Sie schon mal unter Essstörungen gelitten (stark Gewicht abgenommen, ständig erbrochen, starkes Übergewicht, Essattacken)
Sucht
Wie viel Alkohol trinken Sie täglich oder in der Woche? Trinken Sie regelmäßig? Haben sie zeitweise schon morgens Alkohol zu sich nehmen müssen, weil Unruhe oder ein Zittern aufgetreten ist?
Nehmen Sie Drogen ein?
Nehmen Sie regelmäßig Beruhigungsmedikamente?

siehe auch