Schematischer Ablauf der Grounded Theory am Beispiel der Studie "Vertrautheit" von Corry Bosch

Aus Familienwortschatz
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Die Studie "Vertrautheit" von Corry Bosch (Lit.: Bosch 1996)

bietet einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise der Grounded Theory. 


Persönliche Erfahrung, Praxiserfahrung, Literatur

  • Praktikumsberichte von Studierenden mit Inhalten wie "Ich will Dementierenden die Wirklichkeit zurückgeben" - "Er ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit" - "Herr X spricht viel von früher. In Gesprächen versuche ich, ihn in die Realität zurückzubringen"
  • Aufgrund dieser Praktikumsberichte kommt es zur Diskussion mit den Studierenden, in denen unterschiedliche Sichtweisen deutlich werden, z.B. "Wenn Menschen Fussel vom Boden aufsammeln, die dort gar nicht vorhanden sind, sollte man sie in ihrer Realität lassen". Eine andere Sichtweise ist: "Nein, man sollte sie in die Realität zurückholen, und ihnen erklären, dass sie etwas aufheben, was gar nicht da ist"
  • Bosch werden unterschiedliche Reaktionsmuster der Dementierenden deutlich:
    1. Falsche Reaktionen (Antworten) auf Fragen, z.B. "Haben Sie Lust spazieren zu gehen -> Wir haben früher so tolle Reitwettbewerbe gemacht"
    2. Fixierung auf ein Thema, z.B. "Aufnahmegespräch; Bewohner spricht nur von Medikamenteneinnahme, dadurch kann keine klare Gespräcchsstruktur aufgebaut werden"
    3. Abweichen vom Thema, z.B. "Bewohner ist sehr auf seine verstorbene Frau fixiert, und fängt in jedem Gespräch wieder an von ihr zu sprechen".

Die beiden Begriffe "Wirklichkeit" und "Realität" stehen nun im Raum. Bosch hält praxisbezogene Diskussionen unter Studenten fest. Hierbei wird deutlich, dass der Begriff Wirklichkeit aufgrund unterschiedlicher Definitionen und der Vielfalt vorhandener Erfahrungen unterschiedlich erlebt wird.


Globale Zielsetzung

Corry Bosch möchte einen Einblick in das Erleben der Wirklichkeit dementierender alter Menschen erleben.

Zur Beantwortung der Zielsetzung entscheidet Bosch sich für den qualitativen Forschungsansatz aufgrund zweier Aspekte:

  1. paradigmatischer Aspekt: Der Forscher betrachtet die Wirklichkeit nicht als eindeutige objektive Größe, sondern als eine mehrfache Wirklichkeit, die von Menschen unterschiedlich definiert, konstruiert, gelebt und erlebt wird. (Lit.: Bosch, S.8-9)
  1. pragmatischer Aspekt (Lit.: Bosch, S.9-10)
    1. Thema der Untersuchung ist ausschlaggebend
      • um sich einen Einblick in die Art von Phänomenen (Wirklichkeitserleben) zu verschaffen ist die qualitative Forschungsmethode ratsam
      • es gibt noch nicht genügend Wisssen über dieses Gebiet. Für Grundlagenforschung auf einem Gebiet, über das es noch nicht genügend Wissen gibt, bietet sich ein qualitativer Forschungsanatz (Indikation) an.
      • qualitative Forschung ist sehr gut geeignet um Handlungsweisen zu veranschaulichen und die Bedeutung, die Menschen ihrem Handeln beimessen, zu betrachten
    2. Fähigkeiten des Forschers
      • wo liegen die Stärken und Schwächen des Forschers?
      • "Hat der Forscher Beobachtungs-, Partizipations-, Interview-, Kommunikations-, Empathie- und Analysefähigkeiten?".
      • Ausserdem ist nach Kreativität und Flexibilität zu fragen.


Bosch entscheidet sich für die Grounded Theory, weil (Lit.: Bosch, S.12)

  • man hiermit das Wesen der empirischen Welt weitestgehend respektiert und dem Forschungsobjekt gerecht wird. Das heisst, dass man die Aspekte des Wirklichkeitserlebens so beleuchtet, wie sie von den dementierenden alten Menschen selbst erfahren werden.
  • der sozio-kulturelle Kontext mit einbezogen werden kann.
  • es wenig Forschungsliteratur über die Lebenswelt dementierender alter Menschen gab
  • Corry Bosch frühere positive Erfahrungen mit der Grounded Theory machte.


Richtungsweisende Fragen und Konzepte

Aus den gesammelten Daten der Diskussion (mit den Studierenden) und Literatur (Praktikumsberichte) stellt Corry Bosch erste richtungsweisende Konzepte heraus (offenes Kodieren). Diese sind:

  • Wirklichkeitsdefinition
  • Verhaltensalternativen -> Wie könnte man sich alternativ verhalten
  • Verhaltenskonsequenzen -> Was richtet das Verhalten aus

Die Gedanken hinter diesen Konzepten konnten als Untersuchungsfragen formuliert werden:

  • Was bedeutet Wirklichkeit für dementierende Menschen
  • Wie definieren Pflegende und Pflegekundige diese Wirklichkeit
  • Gibt es Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen diesen beiden Wirklichkeitsdefinitionen?
  • Wo liegen die möglichen Auswirkungen auf die pflegerischen Dienstleistungen?


Methodische Überlegungen für erste Forschungsschritte

Unteruchungspopulation

Bosch richtet sich hier nach Literatur von Grypdonck und Verdult (Lit.: Grypdonck und Verdult, 1992) , welche das "Modell für die erlebensgerichtete Hilfe für dementierende alte Menschen" in drei Erlebensphasen beschreibt:

  1. bedrohtes Ich: Menschen können noch mehr oder weniger zusammenhängend kommunizieren
  2. verirrtes Ich: Kommunikation ist zunehmend gestört (vgl. falsche Reaktionen)
  3. versunkenes Ich: Menschen sind nicht mehr in der Lage zu kommunizieren

Da in den ersten beiden Phasen Kommunikation möglich ist, wählt Bosch diese Menschen für ihre Untersuchung aus. Menschen, die sich in der dritten Phase befinden werden ausgeschlossen.


Datenerhebung

Die Entscheidung für eine bestimmte Technik ist immer abhängig von der Zielsetzung und der Untersuchungspopulation. Bosch entscheidet sich erstmal für die teilnehmende Beobachtung, da der Mensch die wichtigste Informationsquelle ist und da häufig Fragen von dementierenden Menschen nicht mehr beantwortet werden können (somit ist ein Fragebogen oder ein Interview unnütz).

Da Bosch dementierende alte Menschen untersuchen will, entscheidet sie sich für eine Gerontopsychiatrie.


Datensammlung über teilnehmende Beobachtung hinaus:

  • informelle Interviews mit Pflegenden, Angehörigen, Seelsorgern, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern
  • Berichte von Interviews mit Studenten des Fachs Pflegekunde (Praktikumsberichte)
  • Literatur
  • persönliche Erfahrungen

In späteren Phasen, auf Grund der sich entwickelnden Konzepte, wurden Daten anhand kurzer gezielter Interviews mit Pflegenden und Pflegekundigen unterschiedlicher gerontopsychiatrischer Einrichtungen gesammelt.


Vorbereitung und Feldzugang

Wenn man weiß, wie und bei wem Daten gesammelt werden sollen, muß man untersuchen, wie man sich Zugang zum Forschungsfeld verschafft.

Über einen Gatekeeper höheren Niveaus (Verwaltung, Direktion) verschaffte Bosch sich Zugang zu zwei gerontopsychiatrischen Einrichtungen


Einführung der Untersuchung

  • Offenlegung der Zielsetzung
  • Art der Datenerhebung
  • die Rolle des Untersuchenden
  • Zeitaspekt
  • Anonymität

Bosch hat diese Punkte in den Einrichtung vorgenommen:

  • bei der Leitung
  • bei den Abteilungsleitungen
  • bei den Mitarbeitern
  • beim Familienrat (nicht bei den Ordensschwestern)


Hierbei war die wichtigste Frage der Einrichtungen: "wieviel Aufwand entsteht für das Pflegepersonal?"

Vorsichtig war Bosch bei der Antwort auf Fragen zur Dauer der Untersuchung, da man bei einer Grounded Theory durch die Prozesshaftigkeit und theoretical sensitivity keine genauen Angaben hierüber machen kann. Die Dauer ergibt sich durch den Forschungsprozess.

Sammeln offener Daten

Bei der Grounded Theory beginnnt mit dem Sammeln offener Daten die Erkundungsphase. Alles, was innerhalb des Feldes auffält, muss so wahrheitsgetreu wie möglich per Notiz festgehalten werden (Möglicherweise auch Dinge, die gar nicht zu der Untersuchungsproblematik passen) ("unverkampftes Vorgehen").

Es ist wichtig, diese Notizen (offene Daten) von der ersten Kontaktaufnahme an zu schreiben, da zu diesem Zeitpunkt noch Dinge auffallen, die später nicht mehr auffallen, da sie selbstverständlich werden.


Notizen

  1. Beobachtungsnotizen: dienen dem Festhalten von Situationen, z.B.: Eine Frau betritt den Raum und fragt "Kann ich hier durch? Ich muss nach hause!"
  2. theoretische Notizen: geben einen ersten Anhaltspunkt für weitere Beobachtungen, z.B.: Absprachen und Pflegeplanung bestimmen den Bewegungsspielraum im Rahmen der Arbeit. Frage: wie gehen Pflegende und Bewohner damit um?
  3. methodische Notizen: reflektieren den Forschungsprozess, z.B.: "Was meine Rolle als Forscherin betrifft war ich zunächst verunsichert. Die Unsicherheit hat mein Verhalten beeinflusst. Ich reagiere nicht mehr "normal" auf Fragen und Antworten der Bewohner Ich werde darauf achten, wie die Pflegenden auf Fragen der Bewohner reagieren." (Lit.: Bosch, S.39)


Alle Notizen müssen sorgfältig aufbewahrt werden, da sie im Laufe der Untersuchung immer eine wichtige Rolle spielen.


Kodieren offener Daten

Offenes Kodieren beginnt nach ein bis zwei Beobachtungstagen bzw. nach ein bis zwei Interviews und stellt den ersten Schritt der Datenanalyse dar. Alles was an den Beocbachtungsnotizen auffällt, wird mit Codes versehen:

  • invivo Code (direkt aus den Notizen, vgl. Zitat)
  • abstrakte Codes (vom Forscher generierte Codes)

Hierbei müssen die Codes sehr nah an den Notizen (Daten) sein. Auf Seite 39 beschreibt Bosch, dass sie den häufig verwendeten Code "beschließen" verwerfen musste, da dieser für sie an Bedeutung verloren hatte, und sie seine Bedeutung nicht mehr in den Daten (Beobachtungsnotizen) wiederfinden konnte. Dies ist typisch für das offene Kodieren, da hier Codes und Konzepte noch veränderbar sind. Offenes Kodieren ist wichtig, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, welche Konzepte wichtig sind. Es ist somit auch der erste Schritt zur Konzeptualisierung.

Die Daten werden miteinander verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden.

Beim offenen Kodieren werden die enstehenden Ideen als theoretische Notizen (Satz, Seite, Frage, Hypothese) festgehalten. Hierdurch können Probleme und Prozesse offengelegt werden, welche als Richtschnur dienen können.

Beobachtungsnotizen werden in kurze Szenen gegliedert und durchnummeriert (zwecks Übersicht).

Corry Bosch hat sofort, oder im direkten Anschluss an Pflegehandlungen (teilnehmende Beobachtung) Notizen erstellt.

Memos

Memos sind Eindrücke, Auffälligkeiten, Fragen o.ä., die der Forscher an die Untersuchung im Allgemeinen (sich selbst, Daten, Probanden, Forschungsprozess etc.) hat.


Entscheidung für ein oder mehrere Konzepte

Die Schematisierung von Codes und Konzepten hilft dabei, sich einen Einblick in Muster und Zusammenhänge, Übereinstimmungen und Unterschiede zu verschaffen.

Bosch ist dies durch die Erstellung eines Arbeitsschemata, welches pflegendebezogene und bewohnerbezogene Codes in Beziehung setzt, gelungen (Lit.: Bosch, S.43) .

Beispiele:

  • Bewohner haben Kummer -> Pflegende verabreichen Medikamente
  • Bewohner bitten um Hilfe -> Pflegende schenken keine Beachtung


evtl. Veränderung und/oder Eingrenzung der Zielsetzung

Ein offener Untersuchungsansatz mit einer globalen Zielsetzung wird im Laufe der Untersuchung konkretisiert. Boschs Ausgangszielsetzung war es, einen Einblick in das Wirklichkeitserleben dementierender alter Menschen zu erhalten. Im Laufe ihrer Untersuchung reduzierte sie ihre Zielsetzung auf das Wirklichkeitserleben dementierender alter Frauen bezogen auf ihr Zuhause (Lit.: Bosch, S.54) . Eine solche korregierte Zielsetzung wird häufig nicht abschließend formuliert.


axiales Kodieren

Nach der Konkretisierung der Zielsetzung steht der richtungsweisende Code "Zuhause" im Fokus ihrer Beobachtung. Im Bezug auf das Zuhause findet Bosch für die Bewohner folgende axiale Codes (Lit.: Bosch, S.59)

  • sich auf der Pflegestation nicht zu Hause fühlen
  • die Pflegestation als das eigene zu Hause empfinden
  • das Pflegeheim als zeitlich begrenzten Aufenthalt erleben
  • Wissen, dass man nicht zu Hause, sondern in einem Pflegeheim ist
  • das eigene zu Hause und das Pflegeheim werden durcheinander geworfen

Arbeitshypothese

Bosch kommt zu der Schlussfolgerung, dass dementierende Frauen eine Sehnsucht nach "zu Hause" haben (Lit.: Bosch, S.75) . Die sich daraus ergebenden Verhaltensweisen können nach Bosch als natürlich angesehen werden, wenn sie in den Kontext ihrer sozialen Biografie eingebettet werden können.

Bosch stellt die Hypothese auf: Wenn die soziale Biografie das Wirklichkeitserleben beeinflusst, dann stehen im Wirklichkeitserleben dementierender Männer anderer Aspekte im Mittelpunkt als bei Frauen.

Bosch analysierte ihre bisherigen Daten erneut in Bezug auf ihre Arbeitshypothese. Sie kommt zu dem Fazit, dass sie unzureichende Daten über Männer besitzt (n=5) um eine Antwort auf ihre Hypothese zu finden (Lit.: Bosch, S.75) .


theoretisches Sampling

Beim theoretischen Sampling werden zur Bestätigung und Unterstützung bestehender Ideen und Konzepte Daten theoretisch (hypothesengeleitet) gesammelt, kodiert und analysiert (Lit.: Bosch, S.46) .


Kontrastieren

Zur Überprüfung der Gültigkeit und zum weiteren Ausbau der theoretischen Erkenntnisse sucht man im Feld nach kontrastierenden Gruppen, um Merkmale zu vergleichen.

Da Bosch unzureichende Daten bezüglich dem Wirklichkeitserleben dementierender Männer hatte (siehe [[#Arbeitshypothese|]]), sammelt sie zur Bestätigung ihrer Arbeitshypothese weitere Daten bei dementierenden Männern. Hierfür suchte gezielt nach gerontopsychiatrischen Pflegestationen mit hohem Männeranteil. Sie fand schließlich eine Station mit 12 Männern (und 26 Frauen).


Im Sinne der Grounded Theory wird immer wieder neu festgelegt, bei wem wo und wie Daten gesammelt werden. Da die Richtung, in welche Boschs Untersuchung sich entwickelte, deutlicher wurde, und teilnehmende Beobachtung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, entscheidet sich Bosch für offene unstrukturierte Interviews mit den Pflegenden und Pflegekundigen (n=11). Um ergänzende Informationen zu erhalten, führte sie anschließend noch teilnehmende Beobachtungen durch (Lit.: Bosch, S.76) . Die Beobachtungen fanden zu unterschiedlichen Zeiten (morgens, mittags, abends, nachts) statt, um mögliche Unterschiede zu entdecken (Lit.: Bosch, S.81) .

Bosch entwickelt ein neues Arbeitsschema in Bezug auf das Wirklichkeitserleben dementierender Männer:

  1. Arbeit:
    • über die Arbeit reden
    • zur Arbeit wollen
    • Station ist Arbeitsplatz
  2. Vereinsleben:
    • Station ist Verein
    • zum Verein wollen
  3. Situation zu Hause (kommt nicht häufig - nur im Zusammenhang mit Arbeit - vor)


selektives Kodieren

Das selektive Kodieren wird zur Findung der Kernkategorie durchgeführt.

Bosch verglich die Arbeitsschemata von Männern und Frauen und entdeckt zwei Richtungen im Hinblick auf die Kernkategorie (Lit.: Bosch, S.89)

Die soziale Biografie hat großen Einfluss auf

  • das Wirklichkeitserleben und die entsprechenden Verhaltensweisen
  • das Gefühl der "Vertrautheit"


Sie kommt zu dem Schluss:

  • Frauen, deren soziale Biografie durch den Haushalt und die Familie geprägt ist, wollen nach Hause
  • Männer, deren soziale Biografie durch die Arbeit geprägt ist, wollen zur Arbeit.

Bosch überlegte, ob dies geschlechtsspezifische oder biografische Unterschiede sind suchte diesbezüglich Daten dementierender Frauen, deren Biografie - ähnlich den Männern - nicht durch Haushalt und Famiele geprägt ist (Frauen, die außerhalb des Hauses arbeiten).

Sie entscheidet sich dazu, Ordensfrauen zu untersuchen, da diese eine andere Biografie aufweisen als die Kategorie "Hausfrau".


erneutes Kontrastieren

Gemäß der Prozesshaftigkeit der Grounded Theory führt Bosch eine weitere Kontrastierung durch, indem sie auf drei Stationen Daten bei Ordensfrauen sammelt.

Bosch findet heraus, dass:

  • Ordensfrauen eine höhe "örtliche" Vertrautheit haben, da das Klosterleben häufige Exerzitienfahrten oder Klosterwechsel (häufige Aufenthalte in fremden Klostern) sowie das Wechseln der Mitschwestern mit sich bringt. Corry Bosch wird beispielsweise von dementierenden Ordensschwestern als Mitschwester angesehen.
  • Vertrautheit gestört wird, wenn der Stationsalltag nich dem (strengen) Tagesablauf des Klosterlebens entspricht, bzw. sich ändert ("Wir waren noch nicht in der Messe! Wo wird die Messe gelesen?")


Datensättigung

Bosch sieht den Punkt der Datensättigung als relativ an, da durch neue Vergleichsgruppen und auch immer neue Informationen hinzukommen (Lit.: Bosch, S.79) . Daher sollte der Forschungsprozess an einem bestimmten Zeitpunkt künstlich unterbrochen werden (Lit.: Bosch, S.111) .

Kernkategorie

Die Hauptkategorien (Ergebnis des axialen Kodierens) der Untersuchung werden über den Prozess des selektiven Kodierens zu einer Kernkategorie integriert (Lit.: Bosch, S.111) .

Aus dem Vergleich der Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Biografie von Hausfrauen, Männern und Ordensfrauen entwickelte Bosch die Kernkategorie "Vertrautheit" mit 3 Unterkategorien (Lit.: Bosch, S.111-12) .

  • Vertrautheit
    • sich nach Vertrautheit sehnen
    • Vertrautheit erfahren
    • Vertrautheit schaffen

Bei der Auswahl der Kernkategorie und der Formulierung der theoretischen Erkenntnisse ist vom Forscher eine Auswahl zu treffen, welche theoretischen Möglichkeiten, die aus den Daten abzuleiten sind, integriert werden sollen (Stichwort: Prioritäten setzen). Wenn die Kernkategorie festgesetzt ist, beginnt in der Methode der Grounded Theory die Integrationsphase (auch Formulierungsphase genannt) (Lit.: Bosch, S.112) .

Grounded Theory

Die Kernkategorie wird im Bezug auf den untersuchten Kontext beschrieben.

  • welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein?
  • in welchem Setting besitzt sie Gültigkeit?
  • welche hemmende und fördernde Faktoren gibt es?

Die Ergebnisse (die Theorie) als solche lassen sich nicht in einem Satz zusammenfassen.

Beispiel für eine Aussage ihrer Theorie: Die Sehnsucht nach Vertrautheit kann so groß werden, dass man sich nach dem Tod sehnt (Lit.: Bosch, S.122) . So lässt sich zB erklären, warum dementierende Menschen sich nach dem Tod sehnen (erklärende Theorie).

Literatur

  • Corry Bosch (1996): "Vertrautheit - Studie zur Lebenswelt dementierender Menschen", Ullstein Medical, ISBN 3861266466
  • Mieke Grypdonck und R. Verdult (1992): "Belevingsgerichte hulpverlening aan demente bejaarden", in: Verpleegkundigen en gemeenschapszorg. 48, 1992, 1, 26-32

siehe auch