Finanzamt
Vertretung des Betreuten in steuerrechtlicher Hinsicht
Der Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge (und ggf. auch mit dem Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden) vertritt den Betreuten auch in steuerrechtlichen Fragen (§ 34 AO). So in der Rechtsprechung z.B. BayObLG FamRZ 1965, 341; LG München I, Az. 22 0 21281/95; OLG München OLGR 2006,192 = BtPrax 2005, 199 (LS) = FamRZ 2006, 62 (Ls.) = Rpfleger 2006, 14; BFH NV 2006, 897.
Er hat also im Namen des Betreuten Steuererklärungen abzugeben, Nichtveranlagungsbescheinigungen zu beantragen und Zinsfreistellungserklärungen bei Banken und Sparkassen zu erteilen.
Soweit der Betreuer nicht sicher ist, ob der Betreute zu früheren Zeiten Steuern hinterzogen hat, sollte er sich unverzüglich zur Vermeidung eigener Steuerstrafbarkeit Kontakt mit dem Finanzamt aufnehmen. Bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschangaben oder Unterlassen der Steuererklärung ist der Betreuer selbst für die Steuerschuld verantwortlich (§ 69 AO).
In Frage kommen grundsätzlich alle Steuerarten, in der Praxis betrifft die Tätigkeit meist:
- Einkommensteuer /Lohnsteuer
- Erbschaft-/Schenkungsteuer
- Grundsteuer/Grunderwerbsteuer
Rechtsprechung:
Finanzgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11.02.2002, 2 S 11/00; BtPrax 2003, 230 = FamRZ 2003, 1511 = EFG 2002, 156:
Steuerbescheide an einen hinsichtlich der Vermögenssorge unter Pflegschaft stehenden/Betreuten können wirksam nur an den Pfleger/Betreuer bekannt gegeben werden.
BFH, Beschluss vom 10.05.2007 - VIII B 125/06; FamRZ 2007, 1650:
- . Die Bestellung eines Betreuers hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten, mit der Folge des Zustandekommens einer Doppelzuständigkeit.
- Im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers sind Zustellungen an diesen vorzunehmen. Auch einfache Bekanntgaben haben an den Betreuer zu erfolgen.
Steuerrechtliche Seite der ehrenamtlichen Betreuung
Zur Steuerpflicht der Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer siehe unter:
Steuerrechtliche Seite der Berufsbetreuung
Der Bundesfinanzhof hat durch 2 Urteile vom 15.6.2010 (Az. VIII R 10/09 und VIII R 14/09) entschieden, dass Berufsbetreuer doch nicht als Gewerbetreibende, sondern als Freiberufler (§ 18 EStG) einzustufen sind. Frühere entgegenstehende Urteile sind somit obsolet. Der BFH hat ausdrücklich seine Rechtsauffassung geändert.
BFH, Urteile vom 15. Juni 2010, VIII R 14/09 und VIII R 10/09:
Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger erzielen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit.
Hiernach haben Berufsbetreuer folgende Steuern zu errichten:
- Einkommenssteuer (incl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)
- Umsatzsteuer (es sei denn, sie wählen als Kleinunternehmer die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG, dies geht nur bei einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro)
Literatur
- Deinert/Römer: Betreuung und Steuerrecht (Teil 1); BtPrax 2010, 212
- Deinert/Römer: Betreuung und Steuerrecht (Teil 2); BtPrax 6/2010
- Lipp/Sauer: Steueramnestiegesetz und Betreuung; BtPrax 2004, 83 (PDF)
- Lütgens: Anmerkung zur Entscheidung des BFH über die Gewerbesteuerpflicht für Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger; BtPrax 2010, 219
- Stahl/Carle: Die steuerliche Rechtsstellung des Betreuers eines steuerunehrlichen Betreuten und steuerstrafrechtliche Folgen; DStR 2000, 1245
- Wefers: Bekanntgabe des Steuerbescheids an Vertreter und Rechtsbehelfsbefugnis; ErbR 2008, 346