Grund- und Behandlungspflege

Aus Familienwortschatz
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Die beiden korresponierenden Begriffe Grundpflege (auch: "allgemeine Pflege") und Behandlungspflege (auch "spezielle Pflege") wurden 1967 von dem Krankenhausökonomen Siegfried Eichhorn in seinem Lehrbuch der Krankenhausbetriebslehre verwendet bzw. aufgegriffen. Die Ursprünge dieser Begriffe liegen möglicherweise in der Verwendung zu Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, als das Deutsche Krankenhausinstitut in Düsseldorf den Bericht einer angelsächsischen Studie zur Arbeit von Krankenschwestern auf Krankenhausstationen ins Deutsche übersetzen ließ (DKI 1954: Schwesternarbeit auf der Station). Die Übersetzungsgruppe um die Ärztin Margarete Steinbrück bestand im weiteren aus einem Theologen und S. Eichhorn. Pflegekräfte waren in dieser Übersetzungsgruppe nicht vertreten.

Verwendung

Im englischen Original werden die patientInnennahen Tätigkeiten mit "basic nursing" und "technical nursing" umschrieben. Ins Deutsche wurden sie sehr oberflächlich und ohne literaturgestützte Diskussion in "Grundpflege" und "Behandlungspflege" übersetzt.

Eichhorns Darlegungen über die damals entwickelte und bis heute übliche Auffassung von Grundpflege und Behandlungspflege ist u. a. sehr aufschlussreich für Verständnis und Wertschätzung pflegerischer Arbeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Steht allerdings im Widerspruch zum heutigen beruflichen Selbstverständnis von Pflege (s. u.).

Diese Zerlegung pflegerischer Verantwortungsbereiche in anspruchslose zeitraubende "Grundpflege" einerseits und weisungsabhängige anspruchsvolle "Behandlungspflege" (was wird da behandelt?) spiegelt sich in den SGB XI und V wider. Es erübrigt sich deshalb zwar noch lange nicht, auf dieser begrifflichen und gesetzlichen Basis von "Professionalisierung der Pflege" sprechen zu wollen. Aber es macht es nicht einfacher.

Das Begriffspaar Grundpflege/Behandlungspflege wird immer noch als das strukturgebende Moment zur Einordnung oder Unterteilung pflegerischer Tätigkeiten herangezogen und bildete überdies den Wertmaßstab für den Einsatz wenig qualifizierter Pflegekräfte einerseits und dreijährig ausgebildeter Pflegekräfte andererseits, ohne dass dabei die Auswirkungen so verstandener Managementgrundsätze auf die Empfängerinnen und Empfänger solcher Pflege sowie die Konsequenzen für die Pflegenden selbst hinreichend mitbedacht werden.

Die Strukturierung in Grund- und Behandlungspflege als Aufgaben- und Verantwortungsbereiche hält einer kritischen Überprüfung nicht stand und ist aus pflegewissenschaftlicher Sicht falsch. (Belege? - Müller (2001))

Grundpflege

Grundpflege bedeutet in Eichhorns Auslegung eine Versorgung im Sinne von "Gepflegt-Werden" der PatientInnen und wird als Grundanforderung unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung angesehen, die sowohl vom Tätigkeitsumfang als auch vom Zeitaufwand für alle PatientInnen gleich ist. Ihnen räumt Eichhorn auch ein, bei Personalengpässen und Arbeitsgipfeln weggelassen zu werden zugunsten einer reibungslos ablaufenden Therapie bzw. Behandlungspflege.

Unter Grundpflege subsumiert Eichhorn alle körperbezogenen Tätigkeiten wie

Die eher schematisierende Betrachtungsweise von Grundpflege legt seinem Gedankengang weiter folgend den logischen Schluss nahe, dass diese schneller und leichter zu erlernen seien.

Für die Pflegepraxis bedeutet dies faktisch eine Abwertung der Grundpflege, die sich in ihrer Zuweisung zumeist an unerfahrene Pflegende oder ungelernte Aushilfen widerspiegelt.

Behandlungspflege

Als zweite Kategorie taucht bei Eichhorn die Behandlungspflege auf.

Der Behandlungspflege ordnet Eichhorn alle Tätigkeiten zu, die sich als medizinisch-diagnostische und -therapeutische Hilfestellung der Pflege einseitig an die Medizin umschreiben lassen, wie z.B.:

Ihnen unterstellt Eichhorn breit angelegtes medizinisches Wissen. Er übersieht jedoch die Tatsache, daß es sich hierbei eher um fraktioniertes ärztliches Halbwissen handelt, das für diesen Tätigkeitsbereich lediglich Grundkenntnisse bereithält, die die Zuarbeit für medizinische Belange sichern sollen, aber nicht als Basis für eigenständig zu treffende Entscheidungen der Pflegenden gedacht sind.

Folgerichtig sind Behandlungspflege-Tätigkeiten ärztlicher Weisungsbefugnis untergeordnet, erhalten aber dennoch mit ihrem überwiegend technischen Charakter eine Einstufung als qualifiziertere Tätigkeiten. Denn - so schlussfolgert Eichhorn - sie stellen an Pflegende höhere intellektuelle und manuelle Anforderungen als Grundpflege-Tätigkeiten. Die Überbewertung des behandlungspflegerischen Tätigkeitsspektrums resultiert offensichtlich daraus, dass es sich zum Teil um Tätigkeiten handelt, die ursprünglich von Ärzten selber durchgeführt wurden (z.B. Blutentnahmen, i.v.-Injektionen etc.), später aus verschiedenen Gründen an Pflegende abgegeben wurden - und dies zumeist auf Kosten des eigentlichen pflegerischen Aufgabenspektrums, wie es unter dem Grundpflege-Begriff zusammengefaßt wird. Behandlungspflegerische Maßnahmen dürfen sie nur an ausgebildete Pflege-Fachkräfte delegieren. Als Fachkräfte gelten 3-jährig ausgebildete Krankenpfleger/innen, Kinderkrankenpfleger/innen und Altenpfleger/innen.

Literatur

  • Müller, Elke (2001): Leitbilder in der Pflege. Eine Untersuchung individueller Pflegeauffassungen als Beitrag zu ihrer Präszisierung; Robert Bosch Stiftung (HG): Reihe Pflegewissenschaft; Hans Huber Bern (hier insbesondere Kap. 3: Begrenzung von Pflege durch ihre berufsfremd vorgenommene Einteilung, S. 95 - 135)
  • Eichhorn, S. (1967): Krankenhausbetriebslehre – Theorie und Praxis des Krankenhausbetriebes. Bd. 1. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN
  • Klie, T. (1998): Pflegewissenschaftlich überholt, sozialrechtlich brisant: Die Abgrenzung von Grund- und Behandlungspflege. In: Pflege & Krankenhausrecht 1, S. 13–17.
  • Bartholomeyczik, S. (1997): Professionalisierung der Pflege – zwischen Abhängigkeit und Omnipotenz. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis 29 (1), S. 5–13.

Weblinks

  • Begriffserklärungen geroweb.de
  • Pflegedienst Online Das neue Internetportal für Pflegedienste und Pflegebedürftige mit großem Pflegelexikon mit interessanten Einträgen zur Grund- und Behandlungspflege, Pflegebedürftigkeit, Pflegeversicherung, u.v.m.

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