Gutachten

Aus Familienwortschatz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Definition

Ein Gutachten enthält eine allgemein vertrauenswürdige Beurteilung eines Sachverhalts im Hinblick auf eine Fragestellung oder ein vorgegebenes Ziel. In der Form tritt ein Gutachten als verbindliche (z.B. bezeugte oder unterschriebene) mündliche oder schriftliche Aussage eines Sachverständigen oder Gutachters auf. Die allgemeine Vertrauenswürdigkeit wird durch Akkreditierung des Gutachters durch ein vertrauenswürdiges Verfahren der Zertifizierung mit der für die Fragestellung oder das Ziel erforderlichen Allgemeingültigkeit erreicht.

Gutachterliche Tätigkeiten sind ein Zeichen von Professionalität einer Berufsgruppe.

Gründe für die Erstellung von Gutachten in der Pflege:

  • im Rahmen der Pflegeversicherung (MDK, Streitigkeiten)
  • im Rahmen des Zertifizierungsprozesses
  • bei Straf-/Zivilprozessen
  • bei infrastrukturellen Fragen, z. B. mehr Altenheimplätze in einer Stadt
  • bei Streitfragen über Patientenbetreuung, z. B. was wird noch wahrgenommen bei Wach-Koma-Patienten und was nicht, usw.
  • im Rahmen von Ausbildungsfragen
  • uvm.

Voraussetzungen, um als Gutachter tätig zu werden

Wer kann als Pflegesachverständiger oder Pflegegutachter arbeiten?

Dies ist im Pflegeversicherungstext geregelt. § 18 Abs. 7 SGB XI ist die Grundlage für die Qualifikation von Pflegesachverständigen als Gutachter:

„Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes werden durch Ärzte in enger Zusammenarbeit mit Pflegefachkräften und anderen geeigneten Fachkräften wahrgenommen. Die Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern ist in der Regel durch besonders geschulte Gutachter mit einer Qualifikation als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder als Kinderärztin oder Kinderarzt vorzunehmen. Der Medizinische Dienst ist befugt, den Pflegefachkräften oder sonstigen geeigneten Fachkräften, die nicht dem Medizinischen Dienst angehören, die für deren jeweilige Beteiligung erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.“

Abgesehen davon gibt es bisher keinerlei weitere gesetzlichen Regelungen zur Qualifikation oder den Fähigkeiten, die Pflegegutachter oder -sachverständige mitbringen sollten!

Die zentrale Frage der Qualifikation von Pflegegutachtern oder Sachverständigen ist deshalb – wer wird als Pflegefachperson oder andere geeignete Fachkraft anerkannt und kann gerichtlich verwendbare Gutachten erstellen? Obwohl bundesweit zahlreiche Gutachter mit pflegefachlichem Hintergrund tätig sind, gibt es immer noch Diskussionen, ob Ärzte nicht qualifiziertere Gutachter als Pflegefachkräfte sind. In der Begutachtungspraxis werden sowohl Pflegefachkräfte als auch Ärzte eingesetzt, viele von ihnen verfügen über zusätzliche Weiterbildungen (z.B. zum unabhängigen Gutachter oder Sachverständigen).

Erstellen eines Gutachtens im Rahmen des SGB XI

Grundsätzlich ist der Gutachter völlig frei, mit welchen Mitteln er arbeitet und wie er zu seinem Ergebnis kommt.

  • Grundlage ist in erster Linie das Gesetz
  • hilfreich sind die Richtlinien des MDK (sind aber nicht verpflichtend)
  • weicht man von den Richtlinien ab ‡ Begründung notwendig und welche zusätzlichen Mittel man verwendet hat

Wichtige Punkte, die abgeklärt werden müssen

  1. Welche Fragen sollen mit diesem Gutachten beantwortet werden?
  2. Wann werden die Akten gelesen? Vorher oder nach der Begutachtung?
    • vorher: beeinflusst, aber man weiß, worauf man gezielt achten muss
    • nachher: man wird nicht beeinflusst und ist relativ unbedarft, jedoch weiß man auch nicht, worauf genauer zu achten ist
  3. Darf das Gutachten auch dem Begutachteten zugesandt werden?
    • Diese Frage muss von Anfang an geklärt werden, damit nicht nur der Richter/Rechtsanwalt etc. ein Exemplar bekommt, sondern auch die betroffene Person eine Kopie erhält
  4. Beim Begutachten ist die Zeit begrenzt, deshalb muss man gut vorbereitet sein (durch Aktenstudium, zusätzlich Messinstrumente, Vorgehensweise, usw.)

Vorgehen bei Erstellung eines Gutachtens

  • Aktenstudium:
  1. Zeitabfolge der Stellungnahmen und vorliegende Gutachten beachten;
  2. zusätzliche Unterlagen erforderlich, die noch benötigt werden, z. B. Pflegedokumentationen?
  3. Fragestellung des Auftraggebers immer im „Hinterkopf“ behalten
  4. eigene Fragen entwickeln
  5. nachsehen, ob ausreichend Experten hinzugezogen wurden
  6. Studium des dazu notwendigen Gesetzestextes (SGB V, XI, BSHG = Bundessozialhilfegesetz; Reichsversicherungsverordnung etc.)
  7. Eingehen auf die Gutachten der Vorgänger sog. Würdigung (am Besten beim Aktenstudium mit Hilfe einer Tabelle)
  8. Bei persönlicher Begutachtung zur betreffenden Person gehen um häusliches Umfeld kennen zu lernen
    • telefonisch ankündigen und Termin vereinbaren
    • Abklären, ob jemand von den Angehörigen, Nachbarn etc. dabei sein möchte
    • Termin schriftlich bestätigen
  9. Gute Vorbereitung
    • z. B. Assessmentinstrumente, die man zusätzlich verwenden möchte, Materialien (Handschuhe usw.), die für körperliche Untersuchung verwendet werden...
    • Dauer des Besuches mit ca. 2 Stunden einplanen
    • Wichtig: Personalausweis, Aufforderung des Gerichts mitnehmen
  10. Befragung der pflegebedürftigen Person
  11. Befragung der pflegenden Personen
  12. evtl. körperliche Untersuchung
  13. Einblick in Tagebuch oder Dokumentation vor Ort
  14. Aufzeichnungen noch mal mental überprüfen und fragen, ob irgendwas noch nicht wahrgenommen wurde; welcher Sachverhalt noch nicht genauer beleuchtet wurde
  15. Erstellung des Gutachtens

Verschriftlichen von Gutachten im Rahmen des SGB XI

  1. Zusammenfassung voranstellen vor allem auf das Hauptproblem beziehen und dies fokussieren (was, wer, mit wem, über was, Ergebnis)
  2. Einführung, was wurde wie gemacht und genutzt
  3. Kritische Würdigung der Akten
  4. Situationsbeschreibung, die vorgefunden wurde (sehr ausführlich beschreiben), z. B.
    • Wohnhaus
      • welche Klingel,
      • Lift,
      • Treppe,
      • Rücksprechanlage,
      • Wegbeschreibung,
      • wer öffnet die Tür,
      • wem gegenüber hat man sich ausgewiesen;
      • Beschreibung der Wohnung, Hindernisse, Möglichkeiten
  5. Ausführliche Darstellung der Problematik unter Einbeziehung der Instrumente
  6. Entwicklung des prioritären Focus
    • Was ist das Hauptproblem?
    • prospektiv: was passiert, wenn keine Hilfe stattfindet, usw.
  7. Synopse erstellen
    • Tabelle, in der alle bisherigen Gutachten nebeneinander verzeichnet werden
      • Probleme/Fähigkeiten darstellen
  8. Kontrolle, ob alle gestellten Fragen beantwortet wurden
  9. Schlussfolgerung/Empfehlungen
  10. Rechnung stellen

Ein Gutachten muss nach Begutachtung zeitnah (innerhalb von 4 Wochen) erstellt werden!!!




Instrumente für die Begutachtung

Für die Erfassung des häuslichen Pflegebedarfs eignet sich besonders

  • die HPS Skala
    • ist valide
    • ist reliabel
    • wird verwendet, wenn auch die Hauptpflegeperson eingeschätzt werden soll
    • man bekommt ein runderes Bild der ganzen Pflegesituation


  • Zorgkompass (Pflegekompass)
    • Instrument für die Interviewerhebung
    • bei Patienten mit Demenz
    • für Angehörige
    • drei Hauptkategorien:
      • Grund für Pflegeperson zu pflegen
      • hat Angehöriger das Wissen/Handling zu pflegen
      • sorgt Pflegender für sich selbst, schafft die Pflegeperson für sich Entlastung aus der Pflegesituation?


Literatur

  • Ein Pflegebedürftiger - drei Gutachten, Reisach, B.; 2002 Schlütersche, ISBN 3-87706-691-7


Links