Krisenintervention

Aus Familienwortschatz
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Als Krisenintervention (von griech. krisis = trennen, lat. interventio = dazwischenkommen, eingreifen, vermitteln) werden alle Maßnahmen bezeichnet, die zur Erfassung, Begleitung und Bewältigung kritischer Situationen notwendig sind. Es geht in erster Linie um aktive Unterstützung während einer Krise, um eine eventuell gefährliche Situation zu entschärfen und das Risiko von Spätfolgen zu mindern.

Bei einer Krisenintervention werden die Ressourcen und bisherige Coping-Strategien des betroffenen Menschen erfasst, um sie in der krisenhaften Situation miteinzubeziehen und so wieder eine gewisse Normalität herzustellen.

Krisenhafte Situationen

Eine krisenhafte Situation ist immer dann gegeben, wenn ein Beteiligter sie als solche empfindet. Das kann eine Auseinandersetzung in der Partnerbeziehung, Familie oder am Arbeitsplatz sein, der Verlust eines geliebten Menschen, Verlust des Arbeitsplatzes, Gewalterlebnisse, ein Unfallgeschehen oder eine schwere Erkrankung.

Für Beteiligte an Unfall- und Gewaltgeschehen (z.B. Amoklauf) und Naturkatastrophen liegen Konzepte wie das CISM vor, die inzwischen auch auf die professionellen Helfer ausgeweitet wurden, da festgestellt wurde, dass auch sie posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln können.

Aufgaben der Pflege

Intervention in einer Krise umfasst für die Pflege im wesenlichen folgende Schwerpunkte:

  • begleiten
  • unterstützen
  • anleiten
  • beraten

Um eine Beziehung zum Betroffenen aufzubauen, welche Gespräche über seine Situation, sein Erleben und dessen Bedeutung für ihn möglich machen, sollte die Pflegende Wertschätzung, Akzeptanz und Respekt gegenüber dem Menschen mitbringen. Diese Begleitung findet verbal, häufig jedoch auch rein nonverbal statt, z.B. durch ruhiges aufmerksames Zuhören oder das blosse Dasein und Aushalten. In der Beratungsaufgabe arbeitet die Pflegende mit verschiedenen interdisziplinären Fachstellen zusammen. Sie vermittelt zum Beispiel Gespräche mit einem Seelsorger oder Psychologen oder berät Familienangehörige im Umgang mit dem Betroffenen.

Konkret:

  • eine therapeutische Beziehung aufbauen durch Echtheit und positive Wertschätzung
  • den Patienten ermutigen, seine Gefühle zuzulassen und auszudrücken
  • die Gefühle des Patienten anerkennen, sie nicht beschönigen oder abwerten
  • für den Patienten verfügbar sein, Gespräche mit ihm führen, ihm dabei genau zuhören
  • den Menschen nicht ändern wollen
  • Menschen in Panikzuständen nicht alleine lassen, ruhige sichere Haltung einnehmen
  • in einfachen, kurzen Sätzen sprechen
  • für eine nicht bedrohliche Umgebung/Atmosphäre sorgen
  • Reizwirkungen vermeiden

Menschen in Krisensituationen brauchen vor allem Aufmerksamkeit, Offenheit und Verständnis für das, was sie bewegt. Patienten wünschen sich vor allem Zuwendung und Fürsorglichkeit. Die Pflegenden sollen Zeit für Gespräche haben, für Kontakte, für auf unaufgefordertes Hineinschauen ins Zimmer.


Persönliche Voraussetzungen

Bei einem guten Gespräch geht es darum, einfach mit allen seinen Sinnen anwesend, bei der Sache, beim Gespräch zu sein.

Persönliche Voraussetzungen für eine gelungene Kommunikation:

  • Annahme der eigenen Persönlichkeit
  • Wahrnehmung und Sensibilität
  • Richtige Körpersprache
  • Einfühlsame Stimmlage
  • Echt-Sein
  • Grenzen ziehen
  • Geduld


Bausteine für ein gutes Gespräch

Kontaktaufnahme

„Mit der Tür ins Haus fallen“ wird das Gegenüber überrumpeln und ihm nicht die nötige Zeit geben, sich in der Gesprächssituation zu finden und für beide sich gegenseitig aufeinander einzustellen. Deshalb ist es wichtig, ein Gespräch mit einer einladenden Geste oder einem freundlichen Satz ("Türöffner") zu beginnen. Nicht umsonst wird auch im Alltag zuerst „Small Talk“ gemacht, bevor man auf das eigentliche Anliegen zu sprechen kommt, in manchen Kulturen ausgeprägter als in anderen.

Haltung gegenüber dem Gesprächspartner

Wertschätzung, Respekt und Akzeptanz sind drei wesentliche Grundhaltungen in jedem Gespräch. Es ist allerdings nicht immer einfach, sich diesen Werten immer bewusst zu sein und danach zu handeln. Wie schnell bildet man sich ein Vorurteil, drückt einem Menschen einen Stempel auf, tut sich schwer, den Gegenüber so zu akzeptieren wie er ist. Mit all seinen Stärken und Schwächen. Nicht nur im direkten Gespräch mit einem Patienten soll diese Haltung Grundsatz sein. Auch in Teamgesprächen über den Patienten, egal wie „mühsam“ oder „schwierig“ man jemanden erlebt.

Blickkontakt

Ein offener, ehrlicher Augenkontakt macht deutlich, dass man mit alle seinen Sinnen beim Gesprächspartner ist, ihn wahr-, und annimmt in seiner ganzen Persönlichkeit.

Authentisches Verhalten

Authentisches Verhalten, auch kongruente Kommunikation genannt, bedeutet eine hohe Übereinstimmung im verbalen und nonverbalen Ausdruck. Nicht das Gesagte entscheidet über die Wirkung, sondern wie es gesagt wird. Aussagen sollten bevorzugt in der "Ich"-Form getroffen werden, da dadurch signalisiert wird, dass man zu seinen Aussagen, seinen Gefühlen und Emotionen steht und sie nicht verallgemeinert.

Empathie

Die Sachlage des Gegenüber aus dessen, nicht der eigenen Sicht sehen und verstehen, ist Vorraussetzung für ein gutes Gespräch. Kongruenz, Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung sind die vier Säulen auf denen eine gelungene Kommunikation basiert.

Nähe und Distanz

Es erfordert Fingespitzengefühl, in einer krisenhaften Situation die angemessene Balance zwische Nähe und Distanz zu finden. Räumliche Nähe zum Betroffenen sollte geschaffen werden, ohne dass dieser sich bedrängt oder sogar bedroht fühlt. Berührungen sollten zunächst zurückhaltend und sparsam eingesetzt werden.

Zeit und Raum

Ein gutes Gespräch braucht Zeit. Es ist sinnvoll, schon von vornherein mit dem Gesprächspartner einen Zeitrahmen abzusprechen, damit nicht eine Person am Ende des Gespräches das Gefühl hat, „nicht genügend Zeit für die Aussprache gehabt zu haben“. Wesentlich für ein gutes Gespräch sind auch räumliche Vorraussetzungen, wie eine entspannte und störungsfreie Atmosphäre in einem geschlossenen Raum mit bequemen Sitzgelegenheiten.

Positiver Umgang mit negativen Reaktionen

Einwände und Ablehnung sollen im Sinne einer guten Gesprächskultur nicht gegen einen selbst persönlich gerichtet erlebt werden, sondern vielmehr als Chance und Herausforderung, etwas Neues zu sehen. Wer nur starr hinter seinen eigenen Glaubensbildern, Vorstellungen und Ideen hinterherläuft, der wird keinen Zugang zu Unentdecktem und Neuem finden.

Schweigen lernen

In jeder Kommunikation kommt dem „Aushalten“ von Schweigen und Stille eine grosse Bedeutung zu. Pausen in der Gesprächsführung sind oft notwendige Standortbestimmungen, Möglichkeiten, sich zu sammeln oder wieder den berühmten roten Faden und damit „zur Sache“ zu finden. Schweigen und Stille wird leider zu Unrecht noch immer als Versagen oder peinliche Situation erlebt.

Aktives Zuhören

Oft ist es viel leichter, über sich selbst zu reden, seine Sorgen und Probleme offen auf den Tisch zu legen, als den Partner im Mittelpunkt des Gesprächsgeschehens zu akzeptieren: Zuhören können, auch wenn Patentrezepte und Antworten schon auf den Lippen brennen; Wertschätzung entgegenzubringen und einfühlsames Verstehen, statt voreiliger Schlussfolgerungen. Aktives Zuhören bedeutet für den Gesprächspartner, seine Geschichte in Ruhe und Gelassenheit zu Ende zu bringen. Für einen selbst hingegen bedeutet es „nur“, den sachlichen Inhalt seiner Aussagen zu wiederholen, um sicher zu gehen, alles auch wirklich richtig verstanden zu haben und wahrgenommene Gefühle in Worte zu kleiden. Aktives Zuhören stützt sich auf die Fähigkeit, herauszuhören, was der Gesprächspartner sagen möchte und wie er es meint.

  • „Was vernehmen ich an Worten und Sätzen?“
  • „Was meint mein Gesprächspartner?“
  • „Warum meint er das?“

Es ist in jedem Gespräch auch wichtig, sich darüber klar zu werden worüber nicht gesprochen wird bzw. nicht gesprochen werden kann.

siehe auch

Krise


Quellen

  • S.Käppeli: Pflegekonzepte. Band 1, Verlag Hans Huber, Bern
  • Specht-Tomann Tropper: Hilfreiche Gespräche und heilsame Berührungen im Pflegealltag. Springer Verlag
  • J. Ihle: Pflegerische Krisenintervention. Forschungsergebnisse - Unterrichtskonzept - Bearbeitung von Fallbeispielen. Facultas, 2008