Nürnberger Ärzteprozess

Aus Familienwortschatz
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Der Nürnberger Ärzteprozess fand vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 vor dem Ersten Amerikanischen Militärgerichtshof in Nürnberg statt.

Er ist der erste von zwölf Nachfolgeprozessen des Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des faschistischen Deutschlands, der bereits vor dem Internationalen Militärgerichtshof (IMT) in Nürnberg verhandelt wurde. Angeklagt waren 20 Ärzte sowie drei Nicht-Ärzte als Organisatoren von Medizinverbrechen.

Anklagepunkte sind: Menschenversuche, die Tötung von Häftlingen für die Anlage einer Skelettsammlung und so genannte Euthanasieverbrechen wurden verhandelt.

Die Richter

Richter waren als Präsident Walter B. Beals, Oberster Richter des Supreme Court des Staates Washington; Harold L. Sebring, Richter des Supreme Court des Staates Florida; Johnson T. Crawford, ehemaliger Richter des District Court des Staates Oklahoma; Victor C. Swearingen, Assistent beim General-Staatsanwalt der USA (als Ersatzrichter)

Die verurteilten Angeklagten

Das Urteil gegen 16 der 23 Angeklagten wurde am 20. August 1947 gesprochen:
  1. Hermann Becker-Freyseng, Stabsarzt der Luftwaffe (Wehrmacht) – 20 Jahre – Am 31. Januar 1951 durch den amerikanischen Hochkomissar John Jay McCloy in 10 Jahre Haft umgewandelt
  2. Wilhelm Beiglböck, beratender Arzt der Luftwaffe – 15 Jahre – Am 31. Januar 1951 durch den amerikanischen Hochkomissar John Jay McCloy zu 10 Jahren Haft umgewandelt und am 15. Dezember 1951 frühzeitig entlassen
  3. SS-Oberführer Viktor Brack, kein Arzt, Oberdienstleiter in der „Kanzlei des Führers“ – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  4. SS-Gruppenführer (Waffen-SS) Karl Brandt, Begleitarzt Hitlers und Reichskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, Beauftragter Hitlers für die Aktion T4 – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  5. SS-Standartenführer Rudolf Brandt, kein Arzt, Persönlicher Referent des Reichsführers-SS, Leiter des Minister-Büros im Reichsinnenministerium – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  6. SS-Sturmbannführer (Waffen-SS) Fritz Fischer, Assistenzarzt in der so genannten Heilanstalt Hohenlychen – Lebenslänglich – Am 31. Januar 1951 durch den amerikanischen Hochkomissar John Jay McCloy in 10 Jahre Haft umgewandelt, am 1. April 1954 vorzeitig entlassen.
  7. Karl Gebhardt, Chefarzt der Heilanstalt Hohenlychen, Oberster Kliniker beim Reichsarzt SS und Polizei, Leibarzt Heinrich Himmlers, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  8. Generalleutnant (Waffen-SS) Karl Genzken, Chef des Sanitätsamts der Waffen-SS – Lebenslänglich – Am 31. Januar 1951 in 20 Jahre Haft umgewandelt
  9. Siegfried Handloser, Chef des Wehrmachts-Sanitätswesens und Heeres-Sanitäts-Inspekteur, Generaloberstabsarzt – Lebenslänglich – am 31. Januar 1951 in 20 Jahre Haft umgewandelt
  10. SS-Hauptsturmführer Waldemar Hoven, Lagerarzt im Konzentrationslager Buchenwald – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  11. SS-Oberführer Joachim Mrugowsky, Chef des Hygiene-Institutes der Waffen-SS, Oberster Hygieniker – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet
  12. Herta Oberheuser, Ärztin im Konzentrationslager Ravensbrück, Assistentin von K. Gebhardt – 20 Jahre – am 31. Januar 1951 in 10 Jahre Haft umgewandelt
  13. SS-Obersturmführer Helmut Poppendick, Leitender Arzt im SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, Chef des persönlichen Büros im Stabe des Reichsarztes SS und Polizei – 10 Jahre – am 31. Januar 1951 durch den amerikanischen Hochkomissar John Jay McCloy entlassen
  14. Gerhard Rose, Generalarzt der Luftwaffe; Stellvertretender Präsident des Robert-Koch-Institutes für Tropenmedizin – Lebenslänglich – am 31. Januar 1951 in 15 Jahre Haft umgewandelt
  15. Oskar Schröder, Chef des Sanitätswesens, Generaloberstabsarzt – Lebenslänglich – am 31. Januar 1951 in 15 Jahre Haft umgewandelt
  16. SS-Standartenführer Wolfram Sievers, kein Arzt, General-Sekretär der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V. (Forschungs- und Lehrgemeinschaft der SS), Direktor des Institutes für wehrwissenschaftliche Zweckforschung, – Todesstrafe – am 2. Juni 1948 hingerichtet

Ergebnisse

Die Auswahl der Angeklagten sollte führende Vertreter der "staatlichen medizinischen Dienste" des Dritten Reiches zur Verhandlung bringen, um das Wirken des verbrecherischen Systems und eben nicht nur verbrecherische Einzelpersonen zeigen zu können.

Von den 23 Angeklagten wurden sieben zum Tode verurteilt, fünf zu lebenslangen Haftstrafen und vier zu Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren. Sieben Angeklagte wurden freigesprochen.

Zahlreiche Urteile der Nürnberger Prozesse wurden ab 1950 im Strafmaß erheblich abgemildert. Der Straferlass beruhte nicht auf einer Neueinschätzung der Schuld der Verurteilten, sondern auf einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen.

Einige Täter konnten bis in die 70er Jahre unerkannt weiter den Beruf ausüben. Einige Täter waren vor dem Prozess verstorben, hatten Suizid begangen oder waren bereits in den Dachauer Prozessen verurteilt worden. Der Verbleib mancher Täter war unbekannt und Beweismaterial 1947 noch nicht verfügbar.

1996 veranstaltete die IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) eine internationale Tagung zum 50. Jahrestag des Ärzteprozesses und beschloss auf der Basis der Ergebnisse dieses Kongresses den "Nürnberger Kodex (1997)".

Literatur

  • Angelika Ebbinghaus, Klaus Dörner, Karsten Linne (Hrsg. und andere), Der Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- und Verteidigungsmaterial, K.G. Saur-Verlag 1999. Deutsche Ausgabe. Hrsg. im Auftrag der Stiftung Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. Mikrofiche-Edition. München: K.G. Saur Verlag, 1999, 381 Fiches mit Erschließungsband. ISBN 3-598-32020-5 (Erstveröffentlichung der vollständigen Akten)
  • Ernst Klee: Was sie taten – was sie wurden; Fischer Verl. 1986
  • Alexander Mitscherlich; Fred Mielke: Wissenschaft ohne Menschlichkeit: Medizinische und eugenische Irrwege unter Diktatur, Bürokratie und Krieg. 1. Aufl., Heidelberg: Schneider 1949 (heute als Taschenbuch gut verfügbar)
  • Alexander Mitscherlich; Fred Mielke: Medizin ohne Menschlichkeit: Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses, 1. Aufl., Heidelberg: Fischer 1960. ISBN 3596220033
  • Angelika Ebbinghaus, Klaus Dörner (Hrsg.): Vernichten und heilen. Der Nürnberger Ärzteprozeß und die Folgen. Aufbau, Berlin, 2001. ISBN 3351025149. Rezensionen bei perlentaucher.de Fritz Bauer Institut - Rezension zur Dokumentensammlung
  • Jürgen Peter: Der Nürnberger Ärzteprozeß im Spiegel seiner Aufarbeitung anhand der drei Dokumentensammlungen von Alexander Mitscherlich und Fred Mielke. Münster 1994, 2. Aufl. 1998
  • Hans-Joachim Lang: Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren. Hamburg 2004.

Weblinks


vgl. Wikipedia: "Nürnberger Ärzteprozess"





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