Schweigepflicht

Aus Familienwortschatz
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Wer andere professionell pflegt, unterliegt der Schweigepflicht. Die Schweigepflicht beruht auf strafrechtlichen, arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Rechtsnormen. Aber schon aus dem Berufsethos folgt das Gebot einer besonderen Verschwiegenheit und der Wahrung der Würde, des Selbstbestimmungsrechts und der Privatsphäre desjenigen, der dem professionell Pflegenden von Berufs wegen anvertraut ist bzw. der sich vertrauensvoll an sie/ihn gewandt hat.

Schweigepflicht bedeutet, dass professionell Pflegende grundsätzlich gegenüber Dritten zur Verschwiegenheit über die ihnen in Ausübung des Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet sind[1]. Dazu gehören neben persönlichen Daten wie Name, Religionszugehörigkeit, Krankheitsgeschichte oder Vermögensverhältnisse auch in der Berufsausübung bekanntgewordene sonstige private oder berufliche Verhältnisse der Klientin/des Patienten bzw. des alten Menschen. Die Schweigepflicht geht über die bloße Pflicht zu schweigen hinaus, indem sie gebietet, schon die Erhebung und Speicherung von Daten auf das Notwendige zu beschränken und schriftlich oder elektronisch gespeicherte Daten so aufzubewahren, dass sich Unbefugte keinen Zugang verschaffen können. Die Schweigepflicht dient dem Schutz des Patienten / Pflegeempfängers und aller seiner Privat- und Geheimnissphäre.

Berufsethos und Berufsordnung

Es gehört zur Professionalität einer/eines Pflegenden, dass sie/er die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres/seines beruflichen Tätigseins wenigstens in den Grundzügen kennt. Dazu gehören auch die Rechtsnormen, aus denen sich ein Schweigegebot ergibt.

Die Pflegebeziehung ist gekennzeichnet von einem strukturellen Machtgefälle. Der Pflegeempfänger ist auf die fremde Hilfe angewiesen. Er kann sich in der Regel die Person, die ihn im professionellen Rahmen pflegt, nicht aussuchen. Die Pflegesituation bringt es zwangsläufig mit sich, dass dem Pflegenden besonders viele Informationen über die Intim- und Privatsphäre des Pflegeempfängers bekannt werden. Aus dieser berufstypischen Konstellation folgt eine besondere Verantwortung der Pflegeperson, der sie nur gerecht werden kann, wenn sie eine besondere Vertraulichkeit wahrt.

Eine Pflegeperson, welche die Grundkonstellation ihres Berufes reflektiert hat, sollte schon aus der daraus folgenden Bewusstheit das Schweigegebot befolgen, ohne dass sie die geschriebenen Rechtsnormen zur Schweigepflicht im Einzelnen kennt.

Berufsordnungen: In der Rahmen-Berufsordnung für professionell Pflegende des Deutschen Pflegerat e.V. vom 18. Mai 2004, die für Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger und ihre weiblichen Berufskolleginnen gelten soll, ist die Schweigepflicht in § 3 Nr. 1 geregelt. Verstöße gegen die Berufsordnung können von den jeweiligen Gesundheitsbehörden eines Landes bis zum Entzug der Berufsausübungserlaubnis geahndet werden.

Im Bundesland Bremen gibt es eigens eine gesetzliche Berufsordnung.

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Arbeitsrecht

Wer professionelle Pflege als Arbeitnehmer ausübt, unterliegt auch kraft seines Arbeitsvertrags der Schweigepflicht. Dies wird in vielen Arbeitsverträgen ausdrücklich erwähnt oder ergibt sich aus der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder auf Arbeitsvertragsrichtlinien, die ihrerseits die Schweigepflicht regeln (z.B. § 3 Abs. 1 TVöD, § 9 BAT-KF, § 5 Abs. 1 AVR Caritas). Doch auch dann, wenn es keine ausdrückichen Regelungen zur Schweigepflicht gibt, folgt die Schweigepflicht als vertragliche Nebenpflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

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Praktische Probleme

Die Schweigepflicht steht im Spannungsverhältnis mit Dokumentations- und Auskunftspflichten, aber auch mit dem Bedürfnis eines Pflegenden, über die Belastungen seines Berufsalltags mit anderen zu sprechen.

Dokumentationspflicht

Eine professionelle Pflege erfordert, bestimmte Begebenheiten zu dokumentieren und die sonst an der Pflege Beteiligten darüber zu unterrichten. Der Pflegeprozess muss deshalb dokumentiert werden und die Dokumentation allen am therapeutischen Prozess Beteiligten zugänglich sein (Vgl. § 3 Nr. 4 Rahmen-Berufsordnung). Auch haftungsrechtliche Fragen erfordern eine Dokumentation. Insoweit ist die Weitergabe und Speicherung von Informationen und Daten gerechtfertigt und verstößt nicht gegen die Schweigepflicht. Die Schweigepflicht erfordert aber wirksame Vorkehrungen, dass dokumentierte Informationen nur solchen Personen zugänglich gemacht werden, die am Pflegeprozess unmittelbar beteiligt sind. Das kann bedeuten, dass schon die Weitergabe der Information an eine Kollegin einer anderen Station, die sonst mit dem Pflegeempfänger nichts zu tun hat, verboten ist.

Auskunftspflicht gegenüber anderen am Behandlungs- und Betreuungsprozess beteiligten Berufsgruppen

Allen anderen am Behandlungs- und Betreuungsprozess beteiligten Berufsgruppen müssen die notwendigen Informationen zugänglich gemacht werden (§ 3 Nr. 3 Rahmen-Berufsordnung), zum Bespiel dem behandelnden Arzt oder einem Sozialleistungsträger. Auch hier ist in den Grenzen des Notwendigen die Weitergabe von Informationen gerechtfertigt. Im Übrigen unterliegen die genannten Berufsgruppen auch ihrerseits der Schweigepflicht.

Auskunftserteilung gegenüber den Angehörigen des Pflegeempfängers

Die Auskunftserteilung gegenüber den Angehörigen und anderen Bezugspersonen des Pflegeempfängers setzt dessen Einverständnis voraus. Zur Schaffung von Rechtssicherheit empfiehlt es sich, die auskunftsberechtigten Personen schon im Heim- oder Pflegevertrag zu bestimmen und um entsprechende Schweigepflichtsentbindungen zu bitten. Hier können auch eventuelle Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen von Bedeutung sein. Im Übrigen ist das Einverständnis im Einzelfall einzuholen. Soweit das nicht möglich ist, etwa weil der Pflegeempfänger dazu nicht in der Lage ist, kann unter Umständen auf das mutmaßliche Einverständnis abgestellt werden. Soweit nicht Gegenteiliges bekannt ist, kann in der Regel gemutmaßt werden, dass der Pflegeempfänger damit einverstanden ist, dass seinen nahen Angehörigen (Ehepartner, Eltern, Kinder) Auskünfte erteilt werden.

Die Auskunftserteilung kann auch durch einen Notstand (§ 34 StGB) gerechtfertigt sein, etwa bei einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Pflegeempfängers.

Nach dem Tod

Die Schweigepflicht gilt prinzipiell auch nach dem Tod des Patienten. Dadurch können sich aber rechtliche Fragen ergeben, wie es dann z. B. damit bei der Durchsetzung von Erb-, Versicherungs- oder Schadensansprüchen aussieht. Ferner können eigene Belange des Handelnden, z. B. im Extremfall beim Vorwurf eines tödlichen Behandlungsfehlers, betroffen sein. Wann ist eine Pflegende zum Bruch der (postmortalen) Schweigepflicht legitimiert oder gar verpflichtet?

Siehe auch

Literatur

  • Volker Großkopf: Beschäftigte gegen alltägliche Brüche der Schweigepflicht absichern. (Interview mit Rechtsanwalt Prof. Dr. V. Großkopf.) In: Die Schwester/Der Pfleger 05/2008 (z. B. zur Frage: Frau Maier ruft an und fragt, ob ihr Mann schon aus dem OP auf die Station verlegt wurde? Was mache ich als Pflegende? Führt immer der Arzt die Patienten-Aufklärungs-Gespräche? Hat der Patient grundsätzlich den Anspruch, seine vollständige Arzt- oder Pflegeakte einzusehen?)
  • A. Roebel, M. Wenk, M. Parzeller: Postmortale ärztliche Schweigepflicht. In der Zeitschrift Rechtsmedizin, Springer Berlin, ISSN 0937-9819 (Print), 1434-5196 (Online), 19:1:37-52 (Februar 2009, DOI 10.1007/s00194-008-0576-x).

Web-Links



Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Rechtsthemen!

  1. siehe § 3 Nr. 1 der Rahmen-Berufsordnung für professionell Pflegende des Deutschen Pflegerat e.V. vom 18. Mai 2004