Arbeitszeugnis

Aus Familienwortschatz
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Ein Arbeitszeugnis soll heute klar und verständlich formuliert sein und keine versteckten Falltüren enthalten. Generell soll es von Wohlwollen getragen sein. Zu seinem Aufbau gibt es einige Erfordernisse, die beachtet werden sollten, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Dann ist der Arbeitgeber in einer bestimmten Bandbreite frei, wie er sich ausdrückt. Ein "qualifiziertes Arbeitszeugnis" wird meistens nach einer Kündigung zum Ende eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt. Es gib aber auch Zwischenzeugnisse, die aus anderen Gründen erstellt werden (Wechsel bei den Chefs, der Abteilung, auf Antrag u.a.). Ein Zeugnis ohne Bewertung der Leistungen durch den Arbeitgeber wird besser Arbeitsnachweis genannt.

Relikt 19. Jahrhundert

Bei den Arbeitszeugnissen sind wir noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Die Arbeitgeber schreiben Arbeitszeugnisse mit den Formulierungen des Zeugniscodes wie es schon Zeugnisaussteller im 19. Jahrhundert getan haben. Im Museum der Arbeit in Hamburg sind Zeugnisse archiviert, die Formulierungen enthalten, die auch heute noch üblich sind:

Er hat immer zu unserer Zufriedenheit gearbeitet. (= durchschnittliche, befriedigende Leistungen).

Die Gesamtbeurteilung mit den üblichen Zufriedenheitsfloskeln lassen nur dann Rückschlüsse auf die Qualifikation und Leistung zu, wenn dieser Code bekannt ist. Die Beurteilung der Leistung nach dem Zeugniscode ist eine Bewertung nach Schulnoten, von sehr gut bis mangelhaft. Es handelt sich um Formulierungen, die sich zwar an den Schulnoten orientieren aber sehr viel positiver klingen als sie gemeint sind. Da schlechte Noten in Arbeitszeugnissen äußerst selten sind und die Bewertungen in der Regel zwischen befriedigend und sehr gut schwanken, haben die Zeugnisse eine ungenaue Aussagekraft. Schulnoten eignen sich nicht, eine Arbeitsleistung differenziert und angemessen darzustellen.

Beispiele für den Zeugniscode

Sehr gut = stets zu unserer vollsten Zufriedenheit oder: hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in besonderer Weise entsprochen

Gut = stets zu unserer vollen Zufriedenheit oder: mit seinen Leistungen waren wir vollauf zufrieden

Befriedigend = zu unserer vollen Zufriedenheit oder: hat unseren Erwartungen voll entsprochen

Ausreichend = zu unserer Zufriedenheit oder: hat unseren Erwartungen entsprochen

Mangelhaft = hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden oder: hat im großen und ganzen unsere Erwartungen erfüllt


Zeitgemäß formulieren

Die Zeiten haben sich geändert. Für die Arbeitgeber und Zeugnisaussteller heute stellt sich die Frage: Wie schreibt man mit geringstem Aufwand ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das die rechtlichen Vorgaben erfüllt, der Leistung des Mitarbeiters gerecht wird und dem Zeugnisleser in einer klaren, präzisen Sprache Informationen liefert über Qualifikation, Arbeitsleistung und Arbeitsverhalten? Das Zeugnis sollte Informationen darüber enthalten, wie der Mitarbeiter seine Stärken mit welchen Ergebnissen und Erfolgen zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt hat.

Zeitgemäße Arbeitszeugnisse sind das Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs. Die Anforderungen werden den tatsächlichen Fähigkeiten und Leistungen gegenüber gestellt. Von einem Bankkassierer verlangt man kein ausgeprägtes Verkaufstalent wie bei einem Kundenberater. Und bei einer Blumenbinderin muss das Zahlenverständnis nicht so ausgeprägt sein wie bei einem Revisor. Unterschiedliche Jobs erfordern unterschiedliche Fähigkeiten.

Wie sollten Arbeitszeugnisse sein? Ein Unternehmen sollte sich auf die Stärken des Mitarbeiters konzentrieren und darauf, wie er sie zum Nutzen der Firma einsetzen konnte. Die Schwächen interessieren uns hier nicht. Entscheidend sind die positiven Arbeitsergebnisse, die man konkret im Zeugnis darstellen sollte. [1]


Leistung beurteilen

Das Fachwissen, die geistigen, kreativen und sozialen Fähigkeiten und die Lern- und Veränderungsbereitschaft gehören beim Arbeitszeugnis zur „Leistung“. Zur eigentlichen Arbeitsleistung zählt man:

- die Arbeitsweise (selbständig, effizient, sorgfältig) - den Arbeitseinsatz (engagiert, begeistert, zielorientiert) - die Arbeitsergebnisse (Ziele erreicht, Nutzen, Erfolg)

Bei Führungskräften gehört zur Arbeitsleistung auch die Führungsleistung. Die Führungsleistung hat etwas zu tun mit den Führungsfähigkeiten (Managementfähigkeiten = planen, organisieren, Ziele setzen, kontrollieren) und dem tatsächlichen Führungsverhalten: Ist die Führungskraft zusammen mit dem Team erfolgreich?

Die „Führungsleistung“ wird heute etwas anders definiert als vor zwanzig Jahren. Führungskräfte müssen Impulse geben, Veränderungen einleiten, die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit unterstützen und sie in ihrer Entwicklung fördern. Sie müssen Konflikte fair lösen und die Probleme in Teamarbeit bewältigen. Führungskräfte gehören selbst zum Team, sie sind ein Teil der Gruppe. Sie müssen deshalb fähig sein, zu koordinieren, ausgleichend zu wirken und menschliche Nähe und Vertrauen herzustellen. Dazu gehört Empathie, offen zu sein für Kritik und eigene Fehler einzugestehen. Die Gesamtbeurteilung sollte eine Antwort auf die Frage sein: Worin besteht der Beitrag zum Unternehmenserfolg?


Stärken und Arbeitsergebnisse

Firmen und Organisationen wollen bei der Suche nach qualifiziertem Personal wissen, ob der künftige Mitarbeiter bereits erfolgreich gearbeitet hat und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme helfen kann. Bei der Bewerberauswahl brauchen sie Antworten auf die Fragen:

- Welche Stärken / Fähigkeiten konnte der Mitarbeiter nutzbringend einsetzen? - Welche Ergebnisse / Erfolge hat er mit seiner Arbeit erzielt? - Was war sein Beitrag zum Ganzen?

Beispiele

- Sie hat dafür gesorgt, dass unsere Qualitätsstandards aktualisiert und eingehalten werden.

- Er findet leicht Kontakt, ist offen in seiner Kommunikation, arbeitet kooperativ mit anderen zusammen und kommt zu guten Lösungen.

- Sie ist eine Altenpflegerin, die mit Herz und Verstand ihre Arbeit macht und viel Anerkennung bekommt von Patienten, Vorgesetzten und Kollegen.

- Er hat mit seiner Arbeit dazu beigetragen, dass sich die Qualität der Pflege ständig verbessert hat und die Patienten sich bei uns wohl fühlen.)

- Er hat mit seinem Engagement einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg unserer Einrichtung geleistet.

- Sie hat mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, dass sich die Qualität der Pflege ständig verbessert hat und die Patienten sich bei uns wohl fühlen.


Rechtliche Aspekte

Gesetzlicher Anspruch und Fälligkeit (§ 109 Gewerbeordnung)

Das Arbeitszeugnis ist am letzten Tag der Beschäftigung fällig. Ein Arbeitnehmer kann schon beim Zugang der Kündigung oder bei Eigenkündigung ein vorläufiges Zeugnis verlangen. Wird ein Aufhebungsvertrag geschlossen, entsteht der Anspruch bei Vertragsabschluss, bei befristeten Arbeitsverträgen vor Ablauf der Befristung, mit Beginn der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer muss das Zeugnis ausdrücklich verlangen. Er hat die Wahl:

•Einfaches Zeugnis = Bescheinigung über Art und Dauer der Beschäftigung
•Qualifiziertes Zeugnis = Hier wird zusätzlich die Leistung und das Arbeitverhalten beurteilt.


Formulierungsfreiheit

Der Zeugnisaussteller ist frei bei der Wortwahl. Ein Arbeitgeber ist auch frei in seiner Entscheidung, ob er den so genannten Zeugniscode (= hat stets zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet“ und die entspr. Abstufungen) verwendet oder eine nicht codierte Formulierung, wie etwa: „Er erzielt sehr gute Ergebnisse.“ Das Bundesarbeitsgericht hat aus „Gründen der Rechtssicherheit“ die Formulierungen des Zeugniscodes akzeptiert, obwohl sie wohlwollender klingen als sie gemeint sind (BAG 23.9.92 - 5 AZR 573/91). Jedoch muss sich ein Arbeitgeber dann evtl. bei der rechtlichen Nachprüfung fragen lassen, womit er sein deutlich ablesbares Werturteil begründet.

Die Formulierungsfreiheit kann durchaus auch bedeuten, dass sich ein Arbeitgeber Vorschläge für das Zeugnis von seinem bisherigen Mitarbeiter vorformulieren lässt. Und bei Einigkeit darüber, kann dieses Zeugnis auch ein Gegenstand der Vereinbarung über die Vertragsaufhebung werden. Das heißt ein Mitarbeiter muss also nicht auf die Formulierungskunst seines Arbeitgebers warten, sondern kann mit einem Vorschlag proaktiv werden.


Zeugnis muss unmissverständlich formuliert sein

„Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein“, heißt es unmissverständlich im § 109, Absatz 2 der Gewerbeordnung vom 1.1.2003. Doppelbödige Zeugnisformulierungen sind ersatzlos zu streichen, denn das Zeugnis darf nicht mit Merkmalen (Geheimzeichen) oder mit geheimen bzw. verschlüsselten Kennzeichen oder Formulierungen versehen werden, bei denen vielfach Lob in Wahrheit Kritik bedeutet und welche den Zweck haben, den Arbeitnehmer in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu charakterisieren. Deshalb sind Formulierungen wie

  • Wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein Vorbild = in jeder Hinsicht eine Niete oder
  • Er hat zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen = Alkohol im Dienst

unzulässig


Beurteilung der Leistung

Die Beurteilung der Leistung ist immer subjektiv und kann deshalb auch falsch sein, weil Menschen sich irren können. Wie steht es mit dem rechtlichen Aspekt dieses Problems? Ein Arbeitnehmer schuldet vertraglich eine Leistung mittlerer Art und Güte (§ 243, Absatz 1 BGB), also eine „befriedigende Leistung“. Will ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine bessere Bewertung erstreiten, so das Bundesarbeitsgericht, hat er „Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich eine bessere Beurteilung ergeben soll.“ Hierzu können frühere Zwischenzeugnisse oder dienstliche Beurteilungen hilfreich sein. Beurteilt der Arbeitgeber die Leistungen unterdurchschnittlich, also schlechter als „befriedigend“, ist umgekehrt er in so einem Verfahren beweispflichtig.

Siehe auch

Literatur

  • Anne Backer: Arbeitszeugnisse. Entschlüsseln und mitgestalten. 5. Auflage. Haufe, Planegg bei München 2008, ISBN 978-3-448-09313-1
  • Peter Häusermann: Arbeitszeugnisse – wahr, klar und fair. Tipps und Anregungen für verantwortungsbewusste Arbeitgeber. 6. Auflage. Spektramedia, Zürich 2008, ISBN 978-3-908244-08-0

Weblinks