Bewerberauswahl

Aus Familienwortschatz
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Das wichtigste Instrument der Personalauswahl ist nach wie vor das Vorstellungsgespräch, wo die Fragen geklärt werden: Wer ist für die Aufgabe geeignet, und wer passt zum Unternehmen?

Das dazu erforderliche Gespräch heißt auchs der Sicht der Interessenten oft Bewerbungsgespräch oder Bewerbergespräch. Daran schließt sich meistens formal die Entscheidung ja/nein oder "Abwarten auf andere Bewerbungen" der Leitungskraft an. In Wirklichkeit fällt die Entscheidung sehr oft bereits im Verlauf des Einstellungsgesprächs.

Dazu ist es erforderlich, dass die Anforderungen möglichst präzise formuliert werden: Ausbildung, Erfahrung, Kenntnisse und Stärken, die der neue Mitarbeiter zum Nutzen des Unternehmens einsetzen kann. Im Einstellungsgespräch wird man ausloten, ob der Bewerber das Gefühl vermittelt, ein Gewinn für das Unternehmen und das konkrete Team zu sein und dabei helfen kann, die Aufgaben und Probleme zu lösen und neue Impulse zu geben. Es wäre ein grober Fehler, bei der Beurteilung der Eignung nicht auf die Gefühle zu achten.

Beurteilung der Eignung: Soll-Ist-Vergleich

Bei der Beurteilung der Eignung kommt es darauf an herauszufinden, ob der Bewerber die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten (Stärken) besitzt, um seine künftige Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Ob der Bewerber tatsächlich später erfolgreich arbeiten wird, wissen wir nicht. Der Management-Berater Peter Drucker schreibt in seinen Büchern, dass es im Management auf die Resultate ankomme, auf den Output und natürlich auch darauf, wie das Unternehmen die Stärken des Mitarbeiters genutzt hat.

- Welche Stärken / Fähigkeiten konnte der Mitarbeiter bisher nutzbringend einsetzen?

- Welche Ergebnisse / Erfolge hat er mit seiner Arbeit erzielt?

- Was war sein Beitrag zum Ganzen?

Das Unternehmen will herausfinden, in welchem Maße der Bewerber den Anforderungen (Soll) genügt, in der Vergangenheit erfolgreich gearbeitet hat und dies in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit auch wieder tun wird.

Was Praktiker von der Hirn- und Emotionsforschung lernen können

Der Psychologe (Psychologie) Gerd Gigerenzer hat am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung viele Jahre über Intuition geforscht und seine Ergebnisse in dem Buch Bauchentscheidungen in einer verständlichen Sprache veröffentlicht. Er schreibt, dass ein Großteil unseres geistigen Lebens sich unbewusst vollziehe und auf Prozessen beruhe, die nichts mit Logik zu tun haben. Er spricht von Bauchgefühlen, Intuitionen und der Intelligenz des Unbewussten: Ohne zu denken wissen wir, welche Regel in welcher Situation vermutlich funktioniert. Intelligenz kann man sich als eine bewusste Tätigkeit vorstellen, die von den Gesetzen der Logik bestimmt wird. Benjamin Franklin soll seinem Neffen, der sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden konnte, die Pro- und - Contra - Methode empfohlen haben, bei der das Für und Wider abzuwägen und zu gewichten ist. Ausgerechnet bei einer Entscheidung, bei der es nur auf Intuition ankommt. Die Franklin-Methode, bei der das Ziel ist, den höchsten Wert und den größten Nutzen zu ermitteln, sei nicht immer der beste Weg, meint Gigerenzer.

Wir wissen mehr als wir zu sagen wissen. Beispiel Sprachgefühl: Muttersprachler sind in der Lage spontan zu sagen, ob ein Satz grammatisch korrekt und idiomatisch richtig ist, aber nur wenige können erklären, warum das so ist.


Faustregeln für die Bewerberauswahl

Regel 1: Es zählt nur, was einer kann

Beschreiben Sie, was der Bewerber können muss und welche Stärken bei der Aufgabe nützlich sind. Stellenbeschreibungen können dabei hilfreich sein; sie erfordern aber einen hohen Aufwand, um sie auf dem aktuellen Stand zu halten. Sprechen Sie auf jeden Fall vor der Stellenbesetzung mit dem Vorgesetzten und den künftigen Kollegen über Aufgaben und Anforderungen. Wenn Sie das wissen, können Sie die weiteren Schritte festlegen: Suchmethode, Vorauswahl, Einstellungsinterview.

Regel 2: Suchen Sie keine maximale Lösung

Treiben Sie nicht zu viel Aufwand, laden Sie nicht zu viele Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch ein (5 – 8), gehen Sie ökonomisch vor. Je präziser die Anforderungen beschrieben sind, desto besser können Sie die Vorauswahl treffen und das Interview vorbereiten. Vermeiden Sie maximale Lösungen.

Regel 3: Der erste Eindruck ist wichtig, aber nicht immer entscheidend

Die äußerliche Erscheinung, das Auftreten, der Gang, der Händedruck hinterlassen einen Eindruck, der sich im Kopf festsetzt, den ein Interviewer bewertet, ganz unwillkürlich. Doch Vorsicht! Die gute Selbstdarstellung ist nicht verwerflich, reicht aber als Qualifikation für viele Aufgaben nicht aus. Und gelegentlich gibt es darunter auch Blender, die Sie bestimmt nicht einstellen möchten. Verlassen Sie sich auf Ihr Bauchgefühl.

Der erste Eindruck beim Vorstellungsgespräch prägt sich ein und setzt sich im Kopf fest, wie der erste Arbeitstag in einer neuen Firma. Wie bewegt sich der Bewerber (Körperausdruck), wie schaut er einen an, hat er einen offenen Blick, lächelt er bei der Begrüßung, wie ist sein Händedruck, wie ist seine äußere Erscheinung (gepflegt, schlampig, nachlässig), hat er Ausstrahlung?

Der erste Eindruck ist ein Spontanurteil, das auf Intuition beruht. Doch Vorsicht! Intuition kann auch zu einem Fehlurteil führen. Auslöser können Sympathie sein, gleiche Wellenlänge, Charaktereigenschaften, Vorurteile, Aussehen, Charme, selbstbewusstes Auftreten, Körpersprache.

Nach fünf Minuten hat man einen ersten Eindruck. Man hat den Bewerber im Geiste schon eingestellt oder abgelehnt. Doch das muss eine Arbeitshypothese bleiben. Bei einem positiven ersten Urteil, sollte man Argumente sammeln, die dagegen sprechen und bei negativem Eindruck umgekehrt verfahren. Nach dem Interview weiß man, ob sich der erste Eindruck verfestigt hat oder nicht.

Regel 4: Sprechen Sie im Interview die Gefühle an

Warum Gefühle ansprechen? Sie erfahren mehr über den Menschen, den Sie einstellen wollen. Fragen Sie ihn, wie es sich anfühlt, wenn man mit einer Idee scheitert oder ein Projekt erfolgreich zu Ende führt? Aus Fehlern lernt man mehr als aus Erfolgen. Fragen Sie die Bewerber, wie sie aus dem Loch, in das sie gefallen sind, wieder herausgekommen sind, was sie aus den Fehlern gelernt haben, wie sie einen Kunden zurück gewonnen haben oder wie es ihnen als Chef gelungen ist, die Widerstände der Mitarbeiter gegen die Neuorganisation zu überwinden.

Regel 5: Auf die Mimik achten

Gesichter können über einen Menschen oft mehr verraten als alles, was er sagt. Während der Verstand mit den Worten beschäftigt ist, befasst sich das Unterbewusstsein mit Stirn, Mund, Augenwinkeln und ihren aufschlussreichen Bewegungen.

Der amerikanische Psychologe Paul Ekman beschäftigt sich seit mehr als dreißig Jahren mit diesem Thema (Gefühle lesen, 2007). Etwa dreitausend von zehntausend Gesichtsausdrücken (viele sagen nichts aus, wie zum Beispiel Grimassen) verraten viel über den inneren Zustand eines Menschen hinter der Fassade, wie Freude, Angst, Ekel oder Lüge.

Regel 6: Beteiligen Sie künftige Kollegen an der Auswahl

Es gibt kaum jemand in einem Unternehmen, der ganz für sich alleine arbeitet. Es kommt auch darauf an, dass die Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe funktioniert. Passt der neue Mitarbeiter in die Gruppe? Organisieren Sie eine zwanglose Kaffeerunde mit dem Bewerber und den Kollegen, ohne Chef. Ihre Mitarbeiter werden ihnen dann schon sagen, was sie von diesem Bewerber halten.

Regel 7: Entscheidung

Ist Intuition, das Bauchgefühl, ein guter Ratgeber bei der Entscheidung, wer eingestellt wird? Sind wir nicht vielmehr Opfer unserer Vorurteile, der Wunschvorstellungen, der Werte und dem Glauben an das Gute im Menschen? Nicht jede Bauchentscheidung muss richtig sein, das wissen wir intuitiv und aus Erfahrung. Verstand und Logik sind nicht unfehlbar, aber Gefühl und Intuition auch nicht.

Viele Praktiker, die Personal einstellen, wissen, dass man ein Gespür dafür haben muss, wer der richtige Bewerber ist. Die Entscheidung, wer eingestellt wird, kann schon deswegen keine rationale sein, weil es sich um eine Prognose handelt und es deshalb keine Gewissheit gibt. Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn wir es mit einem Bewerber zu tun haben, der bereits in ähnlicher Funktion erfolgreich gearbeitet hat. Aber sicher können wir nicht sein, weil es zu viele unbekannte Faktoren gibt. Tests helfen wenig. Wer eine hohe Intelligenz besitzt, kann von seiner Begabung und Neigung Manager, Bischof oder Hochschullehrer werden. Besitzt dieser Bewerber eine kriminelle Energie, könnte er auch Mafia-Boss oder Terrorist werden.

Sollen wir uns bei der Personalauswahl ganz von der Ratio verabschieden und der Logik ade sagen? Nein. Wir sollten das Auswahlverfahren optimieren, aber nicht die Entscheidung. Das Einstellungsinterview sollte gut vorbereitet werden und strukturiert sein. Die Fragen und Aufgaben, die gestellt werden, sollten von den Anforderungskriterien abgeleitet sein. Die letzte Instanz bei der Einstellungsentscheidung sollte allerdings der Bauch sein.

Gehen Sie vor wie bei der Partnerwahl: Keine Kompromisse. Alle an der Auswahl Beteiligten müssen ohne Vorbehalt für die Einstellung votieren. Wenn es Bedenken gibt, die nicht ausgeräumt werden können (evtl. durch ein zweites Gespräch), wird der Bewerber nicht eingestellt. Selbst wenn alle Fakten und Argumente für den Bewerber sprechen und ihnen ihr Bauchgefühl sagt „Nein“, sollten sie der Intuition folgen, auch wenn sie das Gefühl nicht begründen können.

Regel 8: Überprüfung der Entscheidung

Spätestens vor Ablauf der Probezeit muss der Vorgesetzte die Frage klären, ob der Mitarbeiter für die Aufgabe geeignet ist. Er stellt die eigene Beurteilung auf den Prüfstein: War die Entscheidung richtig? Selbst wenn er die damalige Entscheidung richtig war, kann es Gründe geben, das Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen, zum Beispiel wenn die Integration in die Arbeitsgruppe nicht gelungen ist, die Akzeptanz bei Kunden, Kollegen und Vorgesetzten zu gering ist, oder es stellt sich nach fünf Monaten heraus, dass die fachliche Kompetenz nicht ausreicht und der Mitarbeiter der Aufgabe nicht gewachsen ist.

Beim Beurteilungsgespräch könnte sich aber auch herausstellen, dass die Einarbeitung unzulänglich war und nicht dem Mitarbeiter anzulasten ist. In einem solchen Fall sollte das Unternehmen sich nicht trennen, sondern versuchen, dem Mitarbeiter die Chance zu geben, die Defizite auszugleichen. Vertraglich könnte man das Problem so lösen dass man zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt und vor Ablauf der Frist erneut ein Beurteilungsgespräch führt.

Literatur

  • Ekman, Paul: Gefühle lesen – Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren, Heidelberg 2007
  • Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen, München 2007
  • List, Karl-Heinz: Praxisbuch Personalmanagement in der Pflege, Berlin 2010
  • Rizzolatti, Giacomo / Sinigaglia, Corrado: Empathie und Spiegelneurone, Frankfurt 2008