Biopsychosoziales Modell

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Biopsychosoziales Modell

Einleitung

Das biopsychosoziale Modell ist ein wissenschaftliches Konzept, das die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gesundheit und Krankheit unter Berücksichtigung biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren erklärt. Es hebt sich deutlich vom traditionellen biomedizinischen Modell ab, das vor allem körperliche Ursachen für Krankheiten betrachtet. Im Alltag und insbesondere in der Medizin hat das biopsychosoziale Modell in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen, weil es die Komplexität menschlicher Gesundheit und individueller Lebenssituationen besser abbildet.

Herkunft und Entwicklung

Das Modell wurde 1976/77 von dem amerikanischen Internisten und Psychiater George L. Engel eingeführt. Engel kritisierte das bis dahin vorherrschende, rein naturwissenschaftliche Verständnis von Krankheit und forderte die Einbeziehung psychischer und sozialer Faktoren in die medizinische Diagnostik und Behandlung[1][2]. Durch die Integration verschiedener Wissenschaftsdisziplinen entstand ein ganzheitlicher Ansatz, der auch in Prävention und Rehabilitation Anwendung findet.

Alltagssprachliche Bedeutung

Im alltäglichen Sprachgebrauch bedeutet das biopsychosoziale Modell, dass sowohl körperliche (biologische), psychische (seelische) als auch soziale Einflüsse – etwa Familie, Freunde, Arbeit oder gesellschaftlicher Status – bei gesundheitlichen Problemen berücksichtigt werden sollen. Wenn zum Beispiel jemand unter chronischen Schmerzen leidet, werden nach diesem Modell nicht nur mögliche körperliche Ursachen betrachtet, sondern auch Stress, emotionale Belastung und soziale Unterstützung als mögliche Einflussfaktoren einbezogen[3].

Fachliche Bedeutung und Anwendung

Das biopsychosoziale Modell hat sich als zentrales Leitbild in Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Pflege etabliert. Es geht davon aus, dass Gesundheit und Krankheit nicht eindimensional verstanden werden können. Entsprechend werden in Diagnostik und Therapie biologische (z. B. genetische Dispositionen, Infektionen), psychische (z. B. kognitive Einstellungen, Emotionen, Coping-Strategien) und soziale Faktoren (z. B. gesellschaftliche Normen, familiäre Unterstützung, sozioökonomischer Status) systematisch erfasst und gemeinsam betrachtet[4].

In der Praxis heißt das, dass ein Mensch mit einer bestimmten Erkrankung individuell und ganzheitlich behandelt wird. Ein Beispiel ist die Behandlung von Depressionen, bei der neben einer möglichen medikamentösen Therapie auch psychotherapeutische und sozial unterstützende Maßnahmen kombiniert werden.

Das biopsychosoziale Modell ist zudem maßgeblich für die ICF – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in der die Wechselwirkungen von Gesundheitsproblemen, Umweltfaktoren und persönlichen Lebenslagen abgebildet sind.

Verschiedene Sichtweisen: Wissenschaftlich & kritisch

Wissenschaftliche Sicht

Das Modell wird in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen verwendet, beispielsweise in der Psychoimmunologie, Neurobiologie, Verhaltensmedizin und Gesundheitspsychologie. Es gilt als theoretische Grundlage der sogenannten „Simultandiagnostik“ und „Simultantherapie“, bei denen mehrere Dimensionen eines Krankheitsbildes parallel diagnostiziert und behandelt werden[4].

Kritische Perspektiven

Obwohl das biopsychosoziale Modell international anerkannt ist, gibt es Kritik an der Umsetzung in die Praxis. Teilweise wird moniert, dass soziale Faktoren in gängigen medizinischen Versorgungsstrukturen häufig zu wenig berücksichtigt werden. Zudem wird diskutiert, wie umfassend und mit welchem Aufwand alle Dimensionen adäquat erhoben werden können[3].

Relevanz in verschiedenen Lebensbereichen

- In der Psychotherapie und Psychosomatischen Medizin unterstützt das Modell die Entwicklung individueller Therapiepläne. - In der Pflege trägt das Modell zu einer ganzheitlichen Betreuung bei. - In der Sozialarbeit bietet es Ansatzpunkte für multiprofessionelle Zusammenarbeit. - Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma oder Schmerzstörung fördert der Ansatz nachhaltige Gesundheitsförderung, da nicht nur Symptome, sondern auch Lebensumstände und psychische Belastungen miteinbezogen werden.

Bezug zu anderen Themen im Wiki

Das biopsychosoziale Modell hat enge Verbindungen zu Themen wie Gesundheit, Krankheit, Pflegeprozess, Stress, Burnout, Resilienz und Soziale Unterstützung. Es stellt einen wesentlichen Bestandteil moderner Pflegemodelle dar und ist für das Case Management von Bedeutung.

Quellen


Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Gesundheitsthemen!


Quellen: [1] Biopsychosoziales Modell https://flexikon.doccheck.com/de/Biopsychosoziales_Modell [2] Bio-Psycho-Soziales Krankheitsmodell https://www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/med/profs/medpsych/schwerpunkte-lehre/bps/ [3] Biopsychosoziales Modell | socialnet Lexikon https://www.socialnet.de/lexikon/Biopsychosoziales-Modell [4] Was ist das biopsychosoziale Modell? https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/mediathek/videos/kompetenz-gesundheit/was-ist-das-biopsychosoziale-modell [5] Biopsychosoziale Medizin https://de.wikipedia.org/wiki/Biopsychosoziale_Medizin [6] BIOPSYCHOSOCIAL MODEL explained simply (medical ... https://www.youtube.com/watch?v=2f0dTUSmkVM [7] Biopsychosocial model https://en.wikipedia.org/wiki/Biopsychosocial_model [8] Das Bio-psycho-soziale Modell: Gesundheit & Krankheit ... https://www.fimohealth.com/gesundheitsblog/das-bio-psycho-soziale-modell [9] Das biopsychosoziale Modell von Krankheit und Gesundheit https://www.springermedizin.de/emedpedia/detail/die-urologie/das-biopsychosoziale-modell-von-krankheit-und-gesundheit?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-41168-7_21 [10] BAR e.V.: Das bio-psycho-soziale Modell https://www.bar-frankfurt.de/themen/icf/grundlagen-der-icf/das-bio-psycho-soziale-modell.html