Brille

Aus Familienwortschatz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Brille

Eine Brille ist eine vor den Augen getragene Konstruktion, die in den überwiegenden Fällen als optisches Hilfsmittel Fehlsichtigkeiten und Stellungsfehler der Augen korrigiert (Korrektionsbrille). Zudem wird sie zu therapeutischen, diagnostischen und experimentellen Zwecken sowie zum Schutz vor äußeren Einwirkungen, Verletzungen oder Überreizung verwendet. Auch als modisches Accessoire ist sie von Bedeutung.

Eine Brille besteht zum einen aus den so genannten Brillengläsern, die entweder als geschliffene Linsen eine brechende Wirkung besitzen und als Sehhilfe dienen, oder aus gegossenen Scheiben oder Gläsern unterschiedlichen Materials, die verschiedene Zwecke erfüllen können. Des weiteren verfügt sie zur Stabilisierung und Fixierung der Brillengläser über eine Fassung, die aus unterschiedlichen Materialien, Größen und Formen bestehen kann, sowie aus einer Haltevorrichtung (Ohrbügel, Griff oder Hinter-Kopf-Halteband).

Die heutige Brillenherstellung erfolgt auf der Grundlage von Normen und Richtlinien, wobei das Endprodukt aus in der Regel industriell vorgefertigten Komponenten meist durch Augenoptiker, die neben den Augenärzten für die Bestimmung der Glasstärken verantwortlich sind, zusammengestellt und an den Kunden ausgeliefert wird. In Deutschland benötigen etwa 64 % der Personen über 16 Jahre und etwa 15 % der Kinder eine Korrektionsbrille. Sehhilfen sind im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufgeführt.Die Kosten für deren Anfertigung werden jedoch nur mit erheblichen Einschränkungen übernommen.

Geschichte

Eine erste Erwähnung von vergrößernden Sehhilfen, die als einfache Meniskenlinsen beschrieben wurden, gab es in ägyptischen Hieroglyphen im 6. Jahrhundert vor Christus. Laut Chrysippos soll bereits Archimedes († 212 v. Chr.) die Brechungsgesetze von Linsen untersucht und einen am Kopf befestigten Kristall zur Sehkorrektur getragen haben. Seine Entdeckung fand in der Antike aber offenbar keine praktische Nachahmung. Kaiser Nero soll zwar die Gladiatorenkämpfe durch Gläser betrachtet haben, diese waren jedoch ohne brechende Wirkung. Sie dienten nur dazu, seine Augen vor der Sonneneinstrahlung zu schützen.[4] Seneca der Jüngere schrieb im 1. Jahrhundert nach Christus: „Kleine und undeutliche Buchstaben erscheinen schärfer und größer, wenn man sie durch eine mit Wasser gefüllte Kugel betrachtet.“

Neue Ansätze lieferte das Buch Schatz der Optik des arabischen Mathematikers, Astronomen und Optikers Alhazen († ca. 1040), nachdem es um 1240 ins Lateinische übersetzt und in Klosterbibliotheken verfügbar wurde. Alhazen beschrieb die vergrößernde Wirkung eines Glaskugelsegments, des späteren „Lesesteins“, ohne jedoch seine Erkenntnis praktisch zu nutzen. Die Untersuchungen des Arabers, die handwerklichen Fertigkeiten schreibender Mönche und der rapide anwachsende Gebrauch der Schrift im städtischen Bereich kamen zusammen. Wohl in einem Kloster wurde der erste Lesestein aus Bergkristall geschliffen. Um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Leseglas und Brille. Neben dem Schatz der Optik zeigte eine Bemerkung aus Die goldene Schmiede des mittelhochdeutsche Dichters Konrad von Würzburg (* 1220/1230 in Würzburg, † 1287 in Basel) eine mögliche Entwicklungsrichtung: „Er [der Kristall] hat in sich die große und gewaltige Art, […] sofern ihn jemand dünn schliffe und auf die Schrift halten wollte, der sähe durch ihn die kleinen Buchstaben größer scheinen.“

Erfindung der Brille

Die als Sehhilfe für beide Augen auf die Nase gesetzte Lesebrille wurde Ende des 13. Jahrhunderts in der Toskana erfunden. Der Dominikaner Giordano da Rivalto erwähnt die erst wenige Jahre zurückliegende Erfindung in einem Predigtmanuskript aus dem Jahr 1305.Der Große Rat von Venedig befasste sich 1300, 1301 und 1319 mit lapides ad legendum (Lesesteinen) sowie vitreos ab oculis ad legendum (Lesegläsern). Wichtige Vorarbeiten leistete Roger Bacon, der in seinem Werk Opus maius wesentliche Erkenntnisse zur physikalischen Optik lieferte und glaubte, Kugelsegmente seien vorzügliche Hilfsmittel für Schwachsichtige. Salvino degli Armati galt lange als Erfinder der Brille, bis 1920 bekannt wurde, dass er selbst eine Erfindung ist. Letztlich ist bis heute nicht geklärt, wer die Brille erfunden hat.Die ersten Brillen, die in Europa vor 1300 aufkamen, hatten noch keine Bügel und besaßen konvex geschliffene Linsen, die sie nur für weit- oder alterssichtige Menschen geeignet machten. „In den mittelalterlichen Schmuckwerkstätten wurden bei der Herstellung von Schreinen, Vortragskreuzen und Reliquiaren häufig plankonvex geschliffene Edelsteine verwendet. Diese dienten nicht nur zum Schmuck, sondern fungierten als vergrößernde Schaugläser, wenn sie vor besonders kleinteilige Reliquien gesetzt wurden“.Deren Vergrößerungseffekt wurde – zunächst allerdings nicht zum Lesen – schon lange ausgenutzt. Der Übergang zum Vergrößern von Schrift gilt als sehr naheliegend.

Die älteste Darstellung einer Brille findet sich auf den Fresken des italienischen Malers Tommaso da Modena im Kapitelsaal von San Niccolo in Treviso. Sie sind um das Jahr 1352 entstanden. Mit viel Sinn für das Gegenständliche und für physiognomische Besonderheiten hat Tomaso da Modena auf vierzig Fresken die Hauptvertreter des Dominikanerordens dargestellt. Bei dem Porträt des Kardinals von Rouen wird ein Einglas gezeigt, das der Dargestellte dicht an sein Auge geführt hat. Er liest damit in einem Buch, das er aufgeschlagen in seinen Händen hält. Auf dem Portrait des Kardinals Hugo von Provence ist eine Nietbrille dargestellt, die diesem fest auf der Nase sitzt. Auch er wird als Lesender gezeigt.

Der sogenannte „Brillenapostel“ des Altars der Stadtkirche von Bad Wildungen, der 1403 von Conrad von Soest gemalt wurde, stellt die früheste Darstellung einer Brille nördlich der Alpen dar. Der Brillenapostel ist zu einem Symbol der evangelischen Kirchengemeinde Bad Wildungens geworden und findet sich heute in ihrem Siegel wieder.