Desinfektionsmittel

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Desinfektionsmittel

Desinfektionsmittel sind chemische Substanzen zur Flächen- oder Hautdesinfektion.

Anforderungen an Desinfektionsmittel

Mikrobiologische Wirksamkeit

  • breites Wirkungsspektrum
  • kurze Einwirkzeit
  • irreversible Wirkung
  • zuverlässige Wirkung, auch bei Belastung


Anwendungseigenschaften

  • Materialverträglichkeit
  • Reinigungskraft
  • Hartwasserstabilität
  • Sicherheit
  • Dosierbarkeit
  • Akzeptanz
  • Wirtschaftlichkeit


Toxikologie

  • Haut- bzw. Schleimhautverträglichkeiten
  • niedrige akute orale Toxizität
  • niedrige dermale Toxizität
  • niedrige Inhalationstoxizität

Wirkstoffe

Phenole: Phenol (Carbolsäure) wurde bereits 1867 von Lister zur Antiseptik benutzt. Heute haben nur noch seine Derivate Bedeutung für die Desinfektion. Bei diesen handelt es sich meist um substituiertes Phenol, Kresol (Methylphenol) und Xylenol (Dimethylphenol). Thymol ist ein o-lsopropyl-m-cresol; Chlorthymol ist zusätzlich chloriert. P-Chlor-m-cresol, p-Chlor-m-xylenol und o-Phenyl-phenol sind Beispiele für bekannte Phenolderivate. Die Substitution von H-Atomen führt zur Steigerung des antimikrobiellen Effekts. Die Halogenierung von H-Atomen ist die häufigste Form der Substitution. Am antibakteriell wirksamsten ist jene in Parastellung zur Hydroxylgruppe. Die Einführung aliphatischer oder aromatischer Gruppen in den Kern halogenierter Phenole verstärkt die Wirkung weiter, wobei unverzweigte Ketten gegenüber verzweigten einen stärkeren Effekt haben. Die wirksamste Kombination von Alkyl- und Halogensubstitution besteht in der ortho-Alkyl-para-Halogen-Konstellation. Zusätzlich nimmt die Wirkung mit dem Gewicht der Alkylkette zu. Zusatz von anionischen Detergentien kann die Wasserlöslichkeit steigern (Kresolseife = „Lysol“). Im sauren Bereich sind Phenole aktiver als im alkalischen. Organische Substanzen wie Serum, Milch, Öle und Seifen reduzieren die Wirkung. Das antimikrobielle Wirkungsspektrum umschließt Pilze und Bakterien, wobei Mykobakterien erst durch höhere Konzentration erfaßt werden. Phenole entfalten keine bakteriosporozide Wirkung.

Ein typisches Anwendungsgebiet der Phenole ist die Flächendesinfektion.

Die bisher für die Händedesinfektion erhältlichen einkernigen Phenolpräparate müssen heute als zu wenig wirksam angesehen werden. Parachlorometaxylenol wird allerdings noch immer in den USA in desinfizierenden Seifen, selbst für die chirurgische Händedesinfektion eingesetzt, obwohl die Wirkung der Alkohole nicht annähernd erreicht wird. Als Zusatz zu alkoholischen Präparaten können sie jedoch die Wirkung steigern. Für die Instrumentendesinfektion stehen mit den Aldehyden heute aktivere Wirkstoffe zur Verfügung. Abgesehen von Ausnahmefällen wird die Wäschedesinfektion schon aus verfahrenstechnischen Gründen besser thermisch oder chemo-thermisch als mit Kresolen durchgeführt. Phenole sind toxisch; sie können auch perkutan resorbiert werden. Bei großflächiger Anwendung ist ihre Aufnahme über den Atemtrakt zu berücksichtigen. Auf keinen Fall sollen sie an und in der Umgebung von Früh- und Neugeborenen angewandt werden, da sie mit Fällen von Hyperbilirubinämie in Zusammenhang gebracht worden sind. Diphenylderivate oder Bisphenole spielen heute als Desinfektionsmittel eine untergeordnete Rolle. Dies trifft auch für das Diphenylalkyl „Hexachlorophen“ zu, das in den 60er Jahren häufig für die Händedesinfektion sowie die Haut- und Schleimhautantiseptik verwendet wurde. Einer Anwendung stehen seine Neurotoxizität bei eingeschränkter Desinfektionswirkung entgegen. Triclosan wird immer noch in Detergentien zur Händedesinfektion ausgelobt. Sowohl für die hygienische als auch für die chirurgische Händedesinfektion sind diese Seifen zuwenig wirksam. Allerdings können manche davon für eine „desinfizierende Händewaschung“ (früher „Händedekontamination“) verwendet werden, wenn sie - entsprechend den neuen europäi-schen Prüfnormen (CEN) geprüft - besser als Seife ohne antimikrobiellen Zusatz wirken. Bisphenole weisen eine vorwiegend bakteriostatische Wirkung auf und werden manchmal noch zur Mottenbekämpfung eingesetzt.

Alkohole: Bei den Alkoholen nimmt die mikrobiozide Wirkung, die man auf Proteindenaturierung zurückführt, mit der Kettenlänge zu. Daneben gilt: n-primäre Alkohole sind wirksamer als isoprimäre und diese wirksamer als sekundäre und tertiäre. Eine Rangordnung nach steigender Wirksamkeit ist also: Methanol < Ethanol < iso-Propanol < n-Propanol. Die Wirkung der letzteren drei für die Desinfektion verwendeten Alkohole ist vergleichbar bei folgenden Konzentrationen (Volumenprozent): Ethanol 77% - iso-Propanol 60% -n-Propanol 42%. Um Irrtümer zu vermeiden, sollten Konzentrationen von Alkoholen, die zur Desinfektion verwendet werden, immer in Volumenprozent angegeben werden. Bei Ethanol entsprechen einander folgende Konzentrationsangaben (Masseprozent/Volumenprozent): 60/67,5; 62/70; 70/76,5; 73/80; 80/85; 85/90; 90/93; 92/95. In jedem Verhältnis mit Wasser mischbar sind neben Methanol und Ethanol noch die Alkohole der Propylreihe. Ohne Anwesenheit von etwas Wasser sind Alkohole schlechter wirksam. Für die Desinfektion trockener Objekte sollen sie also nicht konzentriert verwendet werden. Bei Verdünnung mit Wasser werden sie ab einem gewissen kritischen Mischungsverhältnis sehr schnell unwirksam. So unterbricht das Spülen einer mit Alkohol benetzten Hand sofort die Keimtötung. Anwesenheit von organischem Material beeinträchtigt die Wirkung dagegen nur wenig. Das mikrobiozide Wirkungsspektrum erstreckt sich auf Bakterien, Pilze und teilweise auf Viren. Alkohole sind ohne Effekt gegen Bakteriensporen, können solche sogar enthalten und müssen deshalb für Verwendung zur chirurgischen Händedesinfektion und zur Hautantiseptik sporenfrei gemacht werden. Wegen der fehlenden Sporozidie dürfen sterile Instrumente nicht in Alkohol aufbewahrt werden! Alkohole gehören zu den am schnellsten wirkenden Desinfektionsmitteln. Das Desinfektionsgut muß aber während der gesamten Einwirkungszeit (einige Minuten) naß gehalten werden, was wegen ihrer schnellen Verdunstung speziell beachtet werden muß.

Die typischen Anwendungsgebiete von Alkoholen sind die Händedesinfektion und die Hautantiseptik. Weniger gut eignen sie sich zur Flächendesinfektion, bei der immer auch die Brand- und Explosionsgefahr zu beachten ist;

Ethanol und Propanol sind keine allergisierenden Desinfektionsmittel, was angesichts ihres Haupteinsatzgebietes wichtig ist. Ohne rückfettende und hautpflegende Zusätze führen sie jedoch zu Irritationen und Trockenheit der Haut. Man verwende daher nicht die reinen Alkohole, sondern geeignete Präparationen, die kosmetische Substanzen zur Wasserrückhaltung und Rückfettung enthalten.

Aldehyde: Wegen seines breiten mikrobioziden Wirkungsspektrums und der Möglichkeit, es gasförmig anzuwenden, hat Formaldehyd schon früh Anwendung in der Desinfektion gefunden. Heute werden daneben auch andere Aldehyde wie z. B. Glutaraldehyd, Bernsteinsäuredialdehyd oder Glyoxal, verwendet.

Aldehyde sind besonders zur Instrumenten- und Flächendesinfektion geeignet, weil sie zuverlässig und materialschonend wirken. Geruch, langsamer Wirkungseintritt und toxische Risiken können jedoch den Einsatz limitierende Faktoren darstellen.

Formaldehyd ist bei Zimmertemperatur ein stechend riechendes, farbloses Gas. Formalin (auch Formol) ist eine 35-40 %ige Lösung von Formaldehyd in Wasser. Bei längerem Stehen und bei Lichteinwirkung bilden sich in der Lösung die beiden Polymeren des Formaldehyds, Paraformaldehyd und Trioxan. Um die Entstehung und Präzipitation dieser schwerlöslichen Stoffe zu vermeiden, wird Formalin in dunklen Flaschen aufbewahrt und mit Stabilisatoren, meist Methanol, versetzt. Die antimikrobielle Wirksamkeit von Formaldehyd beruht auf Alkylierungsprozessen an Zellprotein und Nukleinsäuren. Sie ist gut gegenüber Bakterien und den meisten Viren, weniger gut gegen Pilze. Gegenüber dem Hepatitis-B-Virus und gegen Bakteriensporen wirkt Formaldehyd nur bedingt (hohe Konzentrationen, lange Einwirkungszeit, erhöhte Temperatur). Gasförmig findet Formaldehyd Verwendung zur Desinfektion von Geräten und Utensilien (z. B. Beatmungs und Narkosezubehör, Matratzen) sowie zur Raumdesinfektion. Diese Anwendungsform ist anfällig gegen Einflüsse, die seine Wirkung beeinträchtigen, und damit unsicher. Für die Raumdesinfektion, die manchmal im Rahmen der Schlußdesinfektion nach Aufenthalt von hochkontagiösen Patienten (z. B. Lassafieber, Milzbrand) durchgeführt wird, verdampft man - am besten in zeitgesteuerten Automaten - Formalin bis zu einer Konzentration von 15 g pro m3 (~ 5 g Formaldehyd pro m3). Die Einwirkungszeit beträgt mindestens 6 h. Danach neutralisiert man das Gas durch Verdampfen von Salmiakgeist (Ammoniak) teilweise, wobei sich Hexamethylentetramin bildet, das sich als pulverförmiges Präzipitat niederschlägt. Die relative Luftfeuchte muß um 80- 90 %, die Raumtemperatur bei 18 °C liegen. Danach wird der Raum gelüftet, alle Oberflächen werden einer Scheuerdesinfektion unterzogen. Formaldehyd ist - im allgemeinen in Kombination mit höheren Aldehyden und Quats - Bestandteil von Präparaten für die Flächen- und Instrumentendesinfektion.

Für letztere ist vor allem die unverändert gute Wirkung in Anwesenheit von Blut vorteilhaft. Einzelne Wäschestücke können durch Einlegen in Formaldehydlösung während 5 h (3,0%) oder 12 h (1,5 %) desinfiziert werden. Formaldehydabspaltende Substanzen wie Paraformaldehyd, Hexamethylentetramin und Hexaminiumsalze sind wegen ihrer unsicheren Wirkung für Desinfektionszwecke unbrauchbar.

Formaldehyd wird ferner zur Konservierung von Immunseren und Kosmetika sowie zur Virus- und Toxininaktivierung bei der Impfstoffherstellung in Endkonzentrationen von 0,05-0,5% eingesetzt.

Formaldehyd ist ein starkes Allergen und sollte deshalb > 0,3% nicht an der Haut angewandt werden.

Der MAK-Wert liegt bei 0,6 mg/m3 (= 1 ml/m3 = 0,5 ppm), der MRK-Wert bei 0,12 mg/m3. In den vergangenen Jahren wurden kanzerogene Eigenschaften aus Tierversuchen mit hohen Formaldehyd-Konzentrationen in der Atemluft bekannt, was Warnungen vor seinem Gebrauch - auch als Desinfektionsmittel - nach sich zog. Bis heute sind aber keine Daten bekannt, die eine kanzerogene Wirkung bei Men-schen belegen, die erträglichen (Reizgas!) Konzentrationen exponiert waren.

Betont werden muß, daß Formaldehyd wegen seiner außergewöhnlichen Eigenschaften (keine Inaktivierung durch Protein, universelles Wirkungsspektrum) zumindest in infektiologischen Risikosituationen nach wie vor ein unverzichtbarer Desinfektionswirkstoff ist.

Glutaral (Glutaraldehyd) wirkt besser sporozid als Formaldehyd und wird deshalb in der In-strumentendesinfektion eingesetzt. Bei alkali-schem pH (7,5-8,5) ist seine Aktivität am höchsten, seine Stabilität aber schlechter (Zerfall innerhalb von 2 Wochen). Die „Sterilisation“ von thermolabilen Geräten (z. B. Endoskopen) durch Einlegen in eine Glutaraldehydlösung ist ein unsicheres Verfahren, weil nicht alle Innenflächen sicher erreicht werden und beim anschließenden Spülen mit sterilem Wasser das Gerät rekontaminiert werden kann. Glutaral wird auch zur Flächendesinfektion eingesetzt, was allerdings häufig zur Geruchsbelästigung führt. Für Bernsteinsäuredialdehyd - zumindest in Kombination mit Formaldehyd und Tensiden - wurde zusätzlich eine viruzide Wirkung gegen HBV nachgewiesen. Damit ist dieses Präparat für die Instrumentendesinfektion prädestiniert. Glyoxal wird in Desinfektionsmitteln nur als wirkungsverstärkender Zusatz verwendet.

Oberflächenaktive Verbindungen: Oberflächenaktive Stoffe (Tenside) bewirken durch Anreicherung an den Grenzflächen zwischen zwei Medien eine Senkung der Grenzflächenspannung. Manche dieser Netzmittel besitzen auch antimikrobielle Wirkung, so daß sie als „desinfizierende Waschmittel“ verwendet werden können. Tenside lassen sich nach ihrem Aufbau in 4 Gruppen einteilen: · anionische, · kationische, · amphotere, · nicht-ionogene Tenside.

Antimikrobiell wirksam sind vor allem die katio-nenaktiven und amphoteren Substanzen.

Tab 4-4 Zuteilung der Tenside Anionische Tenside (z. Zt. Mikrobistatisch und virozid)

- Carboxylseifen R - COO¯

- Sulfate von Fettsäuren, R-SO3¯

 Polyglycolether und Alkylolamiden, Sulfonate		

Kationische Tenside (mikrobizid) R4 - quaternäre Verbindungen R1 – N R3

							R2

- Aliphatische Amine und Diamine RX Ny RN - Guanide R1 – NH – C – NH – R2 NH – R2 - Diguanidine

Amphotere Tenside (mikrobizid)

- Alkylgycin

- Alkylbetaine und Sulfobetaine

Nicht ionogene Tenside (nichtmikrobizid)

- substituierende Polyalkohole

- Glycoletherderivate, z. B. substituierte Poly-alkohle

Kationenaktive Substanzen Quaternäre Verbindungen ("Quats"): Diese Verbindungen sind durch eine positiv geladene, hydrophile Gruppe gekennzeichnet, die als Ammonium-, Sulfonium-, Phosphonium-, lodonium- oder Arsonium-Gruppe vorhanden sein kann. Die wichtigsten sind die quaternären Ammoniumverbindungen wie z. B. Benzalkoniumchlorid, Cetylpyridiniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid. Die antimikrobielle Wirkung dieser Substanzen tritt schon in sehr niedrigen Konzentrationen auf. Sie ist zunächst wachstumshemmend (mikrobiostatisch), bei längerer Einwirkungszeit oder höheren Konzentrationen mikrobiozid. Die meisten grampositiven Bakterien werden schon durch Konzent-rationen von 50-100 mg/l, gramnegative erst durch solche von mindestens 200 mg/l oder wie manche Stämme von Pseudomonas- oder Enterobacteriaceae-Spezies von noch viel höheren Konzentrationen abgetötet. Bei diesen kann es sogar vorkommen, daß sie sich in der Gebrauchsverdünnung vermehren. Das antimikrobielle Wirkungsspektrum von Quats ist im Vergleich zu anderen Substanzen eng. Wie bereits erwähnt, entfalten sie eine gute Aktivität gegen grampositive, eine schlechtere gegen gramnegative und - selbst in Konzentrationen von 5-7% - keine Wirkung gegenüber Mykobakterien und Bakteriensporen. Auch für die Abtötung von Pilzen werden hohe Konzentrationen, (2-5%) benötigt.

Die Desinfektionswirkung von quaternären Ammoniumverbindungen wird durch Anwesenheit von Eiweiß und anionischen Seifen stark beeinträchtigt. Auch hartes Wasser und Eisenionen führen zu Wirkungseinbußen. Alle diese Faktoren lassen Desinfektionsmittel, die als einzigen Wirkstoff nur quaternäre Ammoniumverbindungen enthalten, als zu unsicher für die Anwendung im Krankenhaus erscheinen. Ihr Zusatz zu anderen Wirkstoffen kann jedoch Wirkungssteigerung und -verlängerung (Nachwirkung) bewirken.

Aliphatische Amine und Diamine, wie z. B. Alkylamin-Benzoat, sind langkettige Amine von Fettsäuren mit 12-16 C-Atomen. Sie finden Verwendung als wirkungsverstärkender Zusatz zu Desinfektionsmitteln und als Algizide. Von den Guanidinen und Digilanidinen findet in der Medizin das Diguanidin Chlorhexidin, meist als Digluconat, Anwendung. Diese Substanz ist in niedrigen Konzentrationen bakteriostatisch, in 500 bis 2000fach höherer Konzentration bakteriozid wirksam. Wie bei den Quats kann diese große Differenz zwischen minimaler bakteriostatischer und minimaler bakteriozider Konzentration zu Fehlergebnissen bei Desinfektionsmittelprüfungen führen. Die Testkeime werden nämlich durch den an ihrer Oberfläche adsorbierten Wirkstoff zwar an der Vermehrung gehemmt, so daß sie inaktiviert erscheinen, sind es aber nicht wirklich. Gegenüber Mykobakterien und Pilzen besteht geringe, gegen Bakteriensporen bei Zimmertemperatur keine Aktivität. Kochen von Lösungen (z. B. Augentropfen) mit 0,01 % Chlorhexidin führt jedoch angeblich zu Sterilität. Anwendungsgebiete für Chlorhexidin sind neben seiner Verwendung als Konservierungsmittel in pharmazeutischen Zubereitungen die Händedesinfektion und die Antiseptik (s. Kap. 4.4). Alkoholische Präparationen können zu ihrer guten, durch den Alkohol bedingten Sofortwirkung mittels Chlorhexidinzusatz eine deutliche Nachwirkung erhalten. Solche Präparationen werden für die chirurgische Händedesinfektion verwendet.

Amphotere Substanzen Amphotenside vereinigen elektropositive und -negative Gruppen in einem Molekül. Je nach dem pH-Wert der Lösung verhalten sie sich als (negativ geladene) anionische (bei pH 8) oder (positiv geladene) kationische Tenside (bei pH < 4). Dazwischen sind sie elektrochemisch ausgeglichen. Die bekanntesten Desinfektionsmittel auf dieser Basis sind die Präparate der Tego-Reihe. Sie weisen den quaternären Ammoniumbasen vergleichbare Eigenschaften auf, sind jedoch im Gegensatz zu diesen wirksam gegen Mykobakterien und weniger leicht durch Eiweiß zu inaktivieren. Angeblich kommt es durch sie auch nicht zur Selektion resistenter Stämme. Wegen ihrer guten Hautverträglichkeit wären sie als waschende Händedesinfektionsmittel prädestiniert, sind aber für die Anforderungen im medizinischen Bereich zu wenig wirksam. In der Lebensmittel- und Ge-tränkeindustrie werden sie vielfach eingesetzt. Es existieren auch Flächendesinfektionsmittel auf Basis amphoterer Substanzen.

Halogene: Die Halogene Fluor (F), Chlor (C), Brom (Br) und Iod (I) sind mikrobiozid hoch wirksam. In der Medizin werden nur Cl und I zu Desinfektionszwecken verwendet.

Chlor Chlor (Cl2) ist ein gelbgrünes, stechend riechendes, toxisches Gas. Es ist schwerer als Luft. Die Lösung in Wasser wird als Chlorwasser bezeichnet.

Dabei bilden sich reversibel unterchlorige Säure (HO Cl) und Chlorwasserstoff. (HCl). Die unterchlorige Säure zerfällt in Chlorwasserstoff und naszierenden Sauerstoff. Die durch letzteren hervorgerufenen Oxidationsvorgänge bedingen neben mikrobioziden Effekten auch das Ausbleichen von Farbstoffen.

Für die mikrobiozide Wirkung, die unter geeigneten Bedingungen das gesamte Spektrum der Viren und Mikroorganismen einschließt, werden mehrere Mechanismen verantwortlich gemacht: Freisetzung von naszierendem Sauerstoff, Verbindung des Chlors mit Imino- und Aminogruppen von im Zytoplasma enthaltenen Stoffen zu toxischen Chloraminen, Bildung von unterchloriger Säure, die ihrerseits oxidierend und chlorierend wirkt. In wäßriger Lösung ist hauptsächlich unterchlorige Säure für die mikrobiozide Wirkung verantwortlich. Im schwach sauren Bereich tritt der Desinfektionseffekt wesentlich rascher ein als im alkali-schen. Temperaturerhöhung führt wie bei den meisten Desinfektionsmitteln zu einer Steige-rung der Desinfektionswirkung. Organische Substanzen beeinträchtigen die Wirkung von Chlor erheblich („Chlorzehrung“), Sulfide, Thiosulfat und Eisensalze können sie völlig aufheben. Chlor wird für die Desinfektion gasförmig als Cl2 oder als Chlordioxid (ClO2) aber auch in Form von chlorabspaltenden Verbindungen angewandt. Die wichtigsten dieser Verbindungen sind Salze der unterchlorigen Säure (Hypochlorite) und Chloramine. Aus anwendungstechnischen Gründen werden Chlor- und Chlordioxidgas nur zur Wasserdesinfektion verwendet. Wegen der Chlorzehrung können für Chlorgas keine fixen Dosierungsangaben gemacht werden, sondern es muß von der nach Verbrauch durch organische Substanz zurückbleibenden Konzentration des „Restchlors“ (verfügbaren freien Chlors) ausgegangen werden, die meist in mg/l (ppm) angegeben wird. Für Trinkwasser soll sich diese Konzentration nach halbstündiger Einwirkung um 0,3, für Schwimmbadwasser um 0,3-0,5 und für Abwässer um 10-30 mg/l bewegen. Das anstelle von Chlorgas vielfach verwendete Chlordioxidgas wirkt stärker bakteriozid, ist in seiner Wirkung stabiler gegen Veränderungen des pH-Wertes und führt bei Anwesenheit von Phenolen im Trinkwasser, im Gegensatz zu Chlorgas, nicht zur Bildung von Haloformen und Chloraminen sowie kaum zu geschmacklich und geruchlich unangenehmen Chlorphenolen.

Chlorabspaltende Substanzen werden außer zur Wasserdesinfektion im kleinen Maßstab auch zur Desinfektion von Wäsche und , Flächen, vor allem im Sanitär- und Küchenbereich, Händen, Ausscheidungen sowie Früchten verwendet.

Zur Desinfektion von Fütterungsutensilien für Säuglinge sind sie nicht zu empfehlen, weil mit physikalischen Verfahren wie Auskochen, Bedampfen oder Autoklavieren sicherere Desin-fektionsverfahren für Babyfläschchen und Schnuller zur Verfügung stehen. Hypochlorite führen zu einem rascheren Eintritt des Desinfektionseffekts als Chloramine, zerfallen aber auch schneller. Nichtstabilisierte Hypochlorit-Lösungen müssen deshalb sofort nach Zubereitung verwendet werden! Am häufigsten wird Natriumhypochlorit (Na-OCl), das in Handelspräparaten mit Stabilisatoren angeboten wird, verwendet. Der billige Chlorkalk, eine Mischung aus Calciumhypochlorit, -chlorid und -hydroxid, wurde meist in Krisenzeiten zur Trinkwasser- und Scheuerdesinfektion gebraucht. Chloramine können als anorganische oder organische Substanzen vorliegen. Sie spalten Chlor langsam ab, wodurch die Wirkung zwar protrahiert eintritt, aber länger anhält. Zu nennen ist vor allem das als „Chloramin T“ vielfältig eingesetzte Tosylchloramidnatrium. Andere Chlorabspalter sind z. B. Di- und Dichlorisocyanursäure. Sie werden ebenfalls zur Wasserdesinfektion verwendet.

Iod Ebenso wie Chlor wird Iod (I) seit langem zu Desinfektionszwecken benutzt.

Iod bildet schwarzviolette, glänzende Blättchen und sublimiert bei Erwärmung zu violetten Dämpfen. Seine schlechte Wasserlöslichkeit (Iodwasser) wird durch Zusatz von Kaliumiodid erhöht (z. B. Lugolsche Lösung). Gut löst es sich jedoch in Benzol, Chloroform, Ether und Ethanol. Die alkoholische Lösung von Iod und Kaliumiodid wird als Iodtinktur bezeichnet.

Die mikrobiozide Wirkung aller iodhaltigen Präparationen hängt von der Freisetzung elementaren Iods ab, die vom pH-Wert und von der Konzentration des jeweiligen Desinfektionsmittels bestimmt wird. Das Wirkungsspektrum ist breit und erstreckt sich bei langen Einwirkungszeiten (Stunden) auch auf Bakteriensporen. Die Wirkung wird durch Anwesenheit organischer Substanzen stark eingeschränkt, was sich vor allem bei niedrigen Konzentrationen, also nicht bei Verwendung von Iodtinktur, auswirkt. Der Zusatz von Kaliumiodid bewirkt ebenfalls eine erhebliche Reduktion des mikrobioziden Effekts durch Bildung von Periodiden oder Triiodiden. Die Färbung des Desinfektionsgutes durch iodhaltige Desinfektionsmittel beschränkt die Anwendung auf die Hautantiseptik. Seine allergisierende Wirkung hat zur Suche nach „Iodersatzmitteln“ geführt. Iod wird in mindestens 3 Kategorien von Zubereitungen angewandt: als Lösung von anorganischem, elementarem Iod, z. B. in wäßriger oder alkoholischer Lösung mit Kaliumiodid, als Iod in Verbindung mit oberflächenaktiven Sub-stanzen, z. B. Poloxamer-Iod-Komplex, oder als Iod in Komplexbindung mit nicht - oberflächenaktiven Stoffen wie Polyvinylpyrrolidon (PVP). Die anorganischen Zubereitungen wie Lugolsche Lösung verursachen bisweilen Haut- und Schleimhautirritation sowie Allergien und sollten deshalb, außer im Notfall, nicht häufig oder für längere Zeit (z. B. unter einem Verband) an Haut, Schleimhaut oder an Wunden verbleiben. Die ebenfalls zu solchen Zubereitungen zählende Iodtinktur kann schon wegen des hohen Alkoholgehaltes nicht auf Schleimhaut oder Wunden gebracht werden. Manche oberflächenaktive Substanzen, aber auch solche ohne Tensidcharakter, bilden mit Iod Komplexe, aus denen elementares Iod langsam freigesetzt wird. Diese Komplexierung führt dazu, daß derartige Präparationen kaum mehr anfärben (die Farbe läßt sich zumindest leicht wieder abwaschen) und wesentlich besser verträglich sind. Die weiteste Verbreitung unter diesen Iodophoren hat PVP-Iod gefunden, das außer zur Händedesinfektion und für antiseptische Indikationen (s. Kap. 4.4) auch zur Flächen-, Instrumenten- und Wäschedesinfektion empfohlen wurde. Es stehen aber wirksamere Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Reduzierung der Wirkung durch organische Substanz muß als Nachteil gewertet werden.

Metalle und Metallsalze: Die Metalle Cadmium, Silber, Kupfer und Quecksilber entfalten in wäßrigem Milieu eine mikrobiozide Wirkung, die in der angegebenen Reihenfolge von Cadmium zu Quecksilber abnimmt. Messing, eine Legierung von Kupfer und Zink, weist diese Eigenschaft mit einer Aktivität zwischen der von Silber und Kupfer ebenfalls auf; Platin, Gold und Aluminium besitzen sie aber nicht. Der mikrobiozide Effekt heißt Oligodynamie. Er kommt in wäßrigem Milieu durch kleinste Mengen von Metallionen zustande. Leider wird dieser Effekt von vielen schwer kontrollierbaren Faktoren beeinflußt. In der Praxis machte man vom oligodynamischen Effekt Gebrauch bei Anwendung von dünnen Silberfolien auf großen Wundflächen, bei der Spülung von Hohlorganen mit kolloidalen Silberlösungen und bei der Trinkwasserdesinfektion. Auf Türklinken, Haltevorrichtungen und Beschlägen aus Messing oder Kupfer überleben deshalb vor allem gramnegative Bakterien nicht.

Metallsalze (Silber- und manche Zinnsalze) wirken mikrobiozid, Quecksilber- und Kupfer-salze vorwiegend mikrobiostatisch.

Silbersalze sind, außer bei unsachgemäßer Anwendung (siehe Argyrose), nicht toxisch, können aber in hoher Konzentration zu Verätzungen führen. Sie werden außer zur Wasserdesinfektion heute nur noch in geringem Ausmaß zur Antiseptik verwendet (s. Kap. 4.4).

Quecksilber und seine anorganischen Verbindungen sind stark toxisch, seine organischen Verbindungen weniger giftig und besser hautverträglich. Ihre Verwendung als Desinfekti-onsmittel muß heute als obsolet betrachtet werden, weil die Wirkung fast immer mikrobiostatisch und somit eine sichere Abtötung nicht gegeben ist. In der Desinfektion spielen organische Zinnverbindungen eine gewisse Rolle. Wenn man sie mit rasch wirkenden Stoffen kombiniert, soll man einen guten Desinfektionseffekt mit langanhaltender Nachwirkung erzielen können. Sie finden z. B. als Tributylzinnbenzoat in Präpara-ten für die Flächen- und Wäschedesinfektion Anwendung, wobei aber gewisse toxikologische Risiken nicht ausgeschlossen sind.

Oxidanzien: Neben den Halogenen existieren einige Stoffe, deren mikrobiozide Wirkung ebenfalls auf Oxidationsvorgänge zurückzuführen ist. Es handelt sich dabei um sauerstoffreiche und leicht Sauerstoff freisetzende Verbin-dungen wie Ozon, anorganische und organische Peroxide sowie Persäuren.

Ozon Das für den Respirationstrakt giftige Gas ist noch in Verdünnungen von 10-6 an seinem charakteristischen Geruch bemerkbar. In Was-ser und bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit zerfällt es rasch.

In wäßrigem Milieu umfaßt das Wirkungsspekt-rum sämtliche Formen von Mikroorganismen bei Konzentrationen von maximal 5 mg/l. Trockene Ozon-Luft-Gemische haben hingegen keinen mikrobioziden Effekt. Wie die Halogene wird auch Ozon durch zahlreiche organische und anorganische Verbindungen verbraucht („Ozonzehrung“). Unter Lichteinwirkung zerfällt es rascher als im Dunkeln. Bei niederen Tem-peraturen ist sein mikrobiozider Effekt besser als bei höheren.

Ozon wird ausschließlich für die Wasserdesinfektion (Trinkwasser, Schwimmbadwasser) eingesetzt. Für die Luftdesinfektion ist es un-geeignet.

Anorganische und organische Peroxide Wasserstoffperoxid (H2O2) ist das am häufigsten verwendete Peroxid. Für medizinische und pharmazeutische Zwecke ist eine 30 %ige Lösung im Handel, die licht- und wärmegeschützt sowie frei von Alkalien und Schwermetallsalzen gehalten werden muß. Wegen der starken Zehrung durch organisches Material und der schlagartigen Inaktivierung durch Peroxidasen, die reichlich in Gewebe vorhanden sind, ist die mikrobiozide Wirkung nur schwach und unzuverlässig. Für die Händedesinfektion stehen mit den niederen Alkoholen besser wirksame Substanzen zur Verfügung, jedoch resultiert aus einer Kombination beider Wirkstoffe eine Wirkungsverbesserung.

Persäuren Persäuren sind oxidierte organische Säuren mit einem zusätzlich in die Carboxylgruppe eingefügten Sauerstoffatom:

Formel 4-2: O ║ R-C-O-OH

Unter normalem Atmosphärendruck und bei Zimmertemperatur sind sie fest oder flüssig. Praktisch alle sind in Anwendungskonzentration chemisch instabil, was ihre Handhabung in der Praxis erschwert. Für die Desinfektion haben Perameisen-, Perpropion-, Perphthal- und vor allem Peressigsäure eine gewisse Bedeutung erlangt, wobei toxische Risiken und die korrosive Wir-kung den Indikationsbereich limitieren. Sie wirken in Konzentrationen von > 2% ätzend und korrodieren Metalle bereits in Anwen-dungsverdünnungen. Konzentrierte Peressig-säure ist brennbar und explosiv. Sie soll im Kühlschrank gelagert werden. Die Gebrauchslösung zerfällt rasch und muß daher täglich frisch zubereitet werden. Die mikrobiozide Wirkung dieser Oxidationsmittel ist bei guter Vorreinigung des Desinfektionsobjektes ausgezeichnet, das Wirkungsspektrum sehr breit. Selbst Pilze und Bakteriensporen werden schon in Konzentrationen von 0,5% innerhalb weniger Minuten inaktiviert. Dies trifft auch für Viren einschließlich des Hepatitis-B-Virus zu. Vegetative Bakterienzellen werden schon durch 0,05-0,005 %ige Lösungen abgetötet. Mit Ausnahme von Blut beeinträchtigt die Anwesenheit von organischem Material die Desinfektionswirkung dieser Persäuren ebenso wenig wie pH-Verschiebungen oder tiefe Temperaturen. Problematisch ist das neurotoxische, mutagene und kokarzinogene Potential dieser Stoffgruppe. Anwendungsgebiete für die Desinfektion mit Persäuren beschränken sich daher auf Flächen- und Instrumentendesinfektion, wobei Hautkontakt und Inhalation der Dämpfe zu vermeiden sind.

Säuren und Laugen: Diese Stoffe sind keine Desinfektionsmittel im eigentlichen Sinn. Starke Säuren wie konzentrierte Schwefelsäure und Laugen wie Natron- oder Kalilauge zerstören zwar Mikroorganismen, schädigen aber auch meist das Desinfektionsgut. Laugen wie Natron- oder Kalilauge inaktivieren Picornaviren ebenso wie Kalkmilch, die zur Desinfektion von Ausscheidungen (Stuhl, Harn, Sputum) eingesetzt werden kann. Kalkmilch wird hergestellt, indem Ätzkalk (gebrannter Kalk, CaO) mit 4 Teilen Wasser vermengt wird. Sie ist stark ätzend (Schutzbrillen!). Zur Desinfektion wird Stuhl zu gleichen Teilen und Harn im Verhältnis von 2 : 1 mit Kalkmilch vermengt, die mindestens 6 h einwirken muß. Kalkmilch ist unwirksam gegen Tuberkuloseerreger. Organische Säuren wie Milch- und Citronensäure können in speziellen maschinellen Verfahren nach guter Vorreinigung und bei erhöhter Temperatur zur Reinigung und Desinfektion von Dialysegeräten, aber auch von Mundduschen verwendet und wirkungsverstärkend anderen Desinfektionsmitteln zugesetzt werden. Mit anderen organischen Säuren wie Ascorbin-, Sorbin-, Essigsäure u. a. dienen sie auch als Konservierungsmittel.

Wirkungsweise

  • es kommt zu Veränderungen von Eiweißen der Mikroorganismen (Denaturierung)
  • Lipidmembranen können geschädigt werden
  • einige Mittel verursachen eine Schädigung der Nukleinsäuren von Mikroorganismen
  • nicht nur die Art entscheidet über die Wirksamkeit sondern auch die enthaltenen Hilfsstoffe (oberflächenaktive Stoffe = Tenside)
    • diese Stoffe ermöglichen erst, daß das Desinfektionsmittel an seinen Wirkort Mikroorganismus gelangt




Siehe auch