Historische Meilensteine in der Theorieentwicklung

Aus Familienwortschatz
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Meilensteine in der Theorieentwicklung:

Vor 1955: Von Florence Nightingale zur Pflegeforschung

  • Gründung der Zeitschrift „Nursing Research“
    • Berichte über pflegerelevante wissenschaftliche Forschung; Förderung der wissenschaftlichen Produktivität
  • Nightingales Einfluss auf die Pflegeforschung richtete sich in erster Linie auf die Grundausbildung
  • Ausbildung hauptsächlich in Studiengängen
    • Interesse auch an anderen Wegen zur Ausbildung
  • wenig Pflegetheoretisches in dieser Phase
  • Gründung der Zeitschrift förderte das Hinterfragen der Praktiker



1955 – 1960: Die Geburt der Pflegetheorie am Teachers College der Columbia University

  • ab jetzt wurde Pflege zum 1. Mal theoretisch formuliert
  • Fragen über das Wesen von Pflege, ihren Auftrag, ihre Ziele und ihre Rolle motivierte Pflegelehrerinnen Antworten zu suchen und diese in ein stimmiges Ganzes zu bringen
  • College bot hauptsächlich Lehr- und Managementstudiengänge an
  • kein Hauptfach, aber wohl reges Diskussionsthema
  • Wichtige Vertreterinnen dieser Ausbildung:
  • Absolventinnen hatten viel Praxiserfahrungen und waren kompetent in Curricula und Ausbildungsfragen
  • dieses College prägte theoretisches Denken der gesamten Pflege und v.a. auch die psychiatrische Pflege
  • Henderson/Harmer
    • Veröffentlichung eines Lehrbuchs über Grundlagen und Praxis von Pflege
  • ICN Aufruf: Pflege und deren Auftrag zu formulieren (1958)
  • Henderson/Peplau:
    • Pflege hat einen spzeifischen, einzigartigen Auftrag und dieser weist eine bestimmte Ordnung und Organisation auf, die auch vermittelt werden kann
  • Abdellah: Pflege hat mit Menschen zu tun, weniger mit Technik
  • Johnson: Analyse des Wesens von Wissenschaft in der Pflege
    • Pflegewissen beruht auf Pflegediagnosen und unterscheidet sich klar von medizinischen Diagnosen
  • Einrichtung von Stipendienprogrammen für Pflegeforschung, um wissenschaftliche Laufbahn zu ermöglichen


1961 – 1965: Theorie als einheitliches Ziel der Pflege

  • Pflegetheorie richtete Ende der 50er Jahre den Blick wieder auf das Individuum, mit seiner Vielfalt an Bedürfnissen und Funktionen
  • reduktionistischer Pflegeansatz
  • Peplau: Einrichtung einer Beziehung zwischen Pflegekraft und Klient
    • interpersonelle Beziehung
  • Pflege als Prozess betrachten, nicht als Ziel; mehr als Interaktion und weniger als Zustand; mehr als Beziehung zwischen Menschen, weniger als Interaktion zwischen Pfleger und Klient
  • Yale School of Nursing (viele Lehrkräfte vom Teachers College)
  • großer Einfluss auf Pflegetheorie: ANA Positionspapier
    • definiert Pflege als Fürsorge, Heilung und Koordination und Theorieentwicklung als wichtigstes Ziel des Pflegeberufs
  • Staat unterstützte durch Promotionsmöglichkeiten in einem anderen klassischen Fachgebiet
  • Gründung der Zeitschrift „Nursing Science“
    • Medium als Gedankenaustausch über Theorie, Stellung der Pflege in der Wissenschaft usw.


1966 – 1970: Theorieentwicklung, eine realistische Aufgabe für Wissenschaftler

  • ANA erklärt Theorieentwicklung als Priorität
  • staatl. Unterstützung jetzt vorhanden
  • 3 tägiges Symposium der Case Western Reserve University
  • Yale Absolventinnen (Philosophinnen) bestärken Pflege in der Theoriearbeit; theoretische Entwicklung muss für Pflegepraxis zugänglich sein
  • Wichtig in dieser Phase:
    • Typ der Theorien und weniger Kern und Inhalt der Theorien
    • Metatheorienentwicklung

-*Betonung liegt auf Formulierung, Definition und Erklärung von Komponenten der Theorie und auf den Prozessen, die der Theorieanalyse und –kritik eigen sind

Aussagen dieser Phase:

  • Pflege ist theoretisch fassbar
  • Pflege kann eigenständige Theorien entwickeln
  • die Praxis ist ein reiches Feld für Theorien
  • Praxistheorie sollte das Ziel der Theorieentwicklung der Pflege sein
  • das höchste Theorieziel von Pflegekräften sollte vorschreibende Theorie sein aber auch die Entwicklung von beschreibenden und erklärenden Theorien ist akzeptabel



1971 – 1975: Theoriesyntax

  • Ziel: die Etablierung der einzigartigen Wissensbasis von Pflege; Diskussion über die Bestandteile von Theorie und die Identifikation von Theoriesyntax
  • Pflegestudiengänge mussten für ihren Lehrplan einen konzeptuellen Rahmen auswählen, entwickeln und umsetzen
  • Steigerung der Aufmerksamkeit der akademischen Pflege durch die Anwendung von Theorie zur Curriculumentwicklung
    • Spaltung der Theorieentwicklung: a, für die Praxis und b, für die Ausbildung
  • große Mengen an Veröffentlichungen über Theoriesyntax


Problem dieser Zeit:

  • begrenzte Zahl an wissenschaftlichen Pflegezeitschriften
  • finanzielle Schwierigkeiten
  • Förderung der Veröffentlichung empirischer Forschungsergebnisse
    • hinderlich für Theorie


1976 – 1980: Eine Zeit des Nachdenkens

  • Einladungen von Pflegetheoretikern zu Tagungen, Diskussionen, Streitgesprächen
  • 1978: Bildung des Nursing Theory Think Tank
    • Anwendung bereits existierender und Entwicklung neuer Theorien

-*Gründung der Zeitschrift „Advances in Nursing Science“

  • Schwerpunkt: Theorie und –entwicklung
  • Medium für theorieinteressierte Pflegekräfte


Hauptfrage dieser Zeit:

  • ist es von Vorteil nur eine einzige Theorie als wahr zu halten oder nur ein einziges Paradigma zu übernehmen?
  • Pflegekräfte bemühten sich um eine bestimmte Richtung der Theorieentwicklung
  • Betrachtung und Diskussion von der Verbindung zwischen Theorie und Forschung
  • Theorie und Philosophie wurde genauer betrachtet und in der Weiterentwicklung von Pflegewissen geklärt
  • Identifizierung von Bereichskonzepte (für die nächste Periode)



1981 – 1985: Die Wiederbelebung von Pflegetheorien

Entstehung der theoretischen Grundbegriffe der Domäne

  • weniger hinterfragen der Theorien
  • weniger Debatten über Pluralismus
  • Akzeptanz der Bedeutung von Theorie für die Pflege
  • Erkennen der Notwendigkeit Pflegetheorie zu entwickeln
  • Akademische Studiengänge nahmen Pflegetheorien in ihre Curricula auf und betrachteten diese als Herzstück des Studiums
  • Mangel an Auseinandersetzung über die Anwendung von praxisbezogener vs. grundlegender Theorie und entliehener Theorie vs. Pflegetheorie
  • bestehende Theorien werden als Mittel betrachtet, spezifisches Pflegewissen zu entwickeln
  • Akzeptanz von Theorie als Werkzeug, das aus wichtigen Praxisproblemen hervorgeht und in Praxis und Forschung angewendet werden kann.
  • größere Klarheit der Beziehung zwischen Theorie und Forschung als zwischen Theorie und Praxis
  • großer Verwirrung in Bezug auf Semantik ‡ Begrifflichkeiten waren noch nicht ganz geklärt
  • identifizieren von typischen Pflegekonzepten und deren Weiterentwicklung

Theoriebefürworterinnen

    • generelle Anwendung einer Pflegeperspektive oder die spezifische Verwendung von Pflegetheorien
  • Einsetzen für Pflegetheorie und Demonstration der Anwendung in Forschungsprojekten oder einen begrenzten Bereich der Praxis
  • (Veröffentlichungen in: Advance in Nursing, American Journal of Nursing, Journal of Nursing Administration, Journal of Advanced Nursing)
  • Theorieverknüpferinnen
    • beschrieben und analysierten wie Pflegetheorie Pflegepraxis, Ausbildung, Forschung und Verwaltung beeinflusst hatte
  • Vertreter: Fitzpatrick, Whall und Fawcett


Hauptfragen dieser Ära:

  • was haben wir von der Theorie gelernt?
  • wie können wir Theorie anwenden?



1986 – 1990: Von der Metatheorie zur Entwicklung von theoretischen Begriffen=

  • Charakterzug 1: epistemologische Debatten
  • Charakterzug 2: ontologische Analysen
  • Charakterzug 3: vermehrte Begriffsentwicklung von alternativen Ansätzen der Wissensentwicklung, z. B. Phänomenologie, kritische Theorie, feministische oder empirische Methodologien
  • Analysen trugen maßgeblich zu einem kontextbezogeneren Verständnisansatz eines jeden theoretischen Begriffs bei
    1. Förderung der Aufmerksamkeit und Bewusstsein von Notwendigkeit, Rahmen zu benutzen, Pflegephänomene konzeptuell zu beschreiben
    2. Analysen sind praxisorientierter, integrativ, erste Versuche für Entwicklung von domänespezifischen Theorien
  • Anstieg der Veröffentlichungen über Begriffsentwicklung
  • je größer die Zahl der Prozessdebatten, desto wirkungsvoller für die Theorieentwicklung


1991 – 1995: Theorien mittlerer Reichweite und situationsspezifische Theorien

Theorien mittlerer Reichweite

  • beziehen sich auf bestimmte Pflegephänomene, die Pflegepraxis widerspiegeln, aus ihr entstehen und sich mit klinischen Prozessen befassen (Meleis, 1987)
  • liefern einen konzeptuellen Schwerpunkt und ein geistiges Bild, das die Werte des Fachgebiets spiegelt, liefern jedoch keine Vorschriften oder spezielle Richtlinien für die Praxis (Chinn, 1994)
  • Vertreter: Youngster, Mishel, Funk Tornquist, Patusky usw.


Situationsspezifische Theorien:

  • sind klinisch spezifischer
  • spiegeln einen bestimmten Kontext wider
  • können auch Handlungsanweisungen enthalten
  • weniger abstrakt als Theorien mittlerer Reichweite ‡ abstrakter als praxisbezogene Pflegerahmen, die für eine bestimmte Situation gelten
  • können aus der Synthese und Integration von Forschungsergebnissen und klinischen Fallbeispielen einer bestimmten Situation oder Population entstehen, als Versuch, zum Verständnis einer bestimmten Situation einer Gruppe von Klienten, einen Rahmen oder eine Handlungsanweisung zu liefern.
  • sind keine Theorien, die entwickelt wurden, um ein Set von zusammenhängenden Fragen über Situationen von beschränkter Reichweite und Tiefe zu beantworten
  • z. B. Arbeiten über Immigration, Verhaltens- und Reaktionsmuster von Immigranten, historische und soziokulturelle Kontexte
  • Vertreter: Meleis, Isenberg, Koerner, Lacey, Stern



siehe auch