Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis

Bei den Arbeitszeugnissen sind wir noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Die Arbeitgeber schreiben Arbeitszeugnisse wie vor hundert Jahren. Im Museum der Arbeit in Hamburg sind Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert archiviert, die Formulierungen enthalten, die auch heute noch üblich sind: „Er hat zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet.“


Zeugniscode: Leistung nach Schulnoten bewerten

Die Gesamtbeurteilung mit den üblichen Zufriedenheitsfloskeln lassen keine realistischen Rückschlüsse auf Qualifikation und Leistung zu. Die Beurteilung der Leistung nach dem Zeugniscode ist eine Bewertung nach Schulnoten, von sehr gut bis mangelhaft. Da schlechte Noten in Arbeitszeugnissen äußerst selten sind und die Bewertungen in der Regel zwischen befriedigend und sehr gut schwanken, haben die Zeugnisse nur eine geringe Aussagekraft. Die Zeugnisse gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Schulnoten eignen sich nicht, Arbeitsleistung und Arbeitsverhalten differenziert und angemessen darzustellen. Sie sind nichts sagend, weil sie keine Aussagen über die tatsächliche Leistung, die Stärken und die positiven Arbeitsergebnisse enthalten. Tüchtige Mitarbeiter kommen schlecht dabei weg, weil Zeugnisleser nicht erkennen können, ob es sich tatsächlich um ein gutes Zeugnis handelt. Wer mit Bewerberauswahl zu tun hat, weiß, dass Arbeitszeugnisse bei der Auswahl heute so gut wie keine Rolle spielen.

Das Bundesarbeitsgericht hat schon immer den Zeugnisausstellern die Formulierungsfreiheit zugestanden. Arbeitgeber sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Formulierung des Zeugniscodes verwenden oder das Zeugnis in einer offenen und verständlichen Sprache schreiben. Diese Freiheit sollten die Arbeitgeber endlich nutzen. Wir brauchen keine Schulnoten.


Qualifikation und Leistung beurteilen

Die Beurteilung der Leistung ist immer subjektiv und kann deshalb auch falsch sein, weil Menschen sich irren können. Wie steht es mit dem rechtlichen Aspekt dieses Problems? Ein Arbeitnehmer schuldet vertraglich eine Leistung mittlerer Art und Güte (§ 243, Absatz 1 BGB), also eine befriedigende Leistung. Will ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine bessere Bewertung erstreiten, so das Bundesarbeitsgericht, hat er Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich eine bessere Beurteilung ergeben soll. Beurteilt der Arbeitgeber die Leistungen unterdurchschnittlich, also schlechter als befriedigend, ist er beweispflichtig. Bei einer Leistungsbeurteilung, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, ist dem Arbeitnehmer mindestens eine durchschnittliche Leistung (befriedigend) zu bescheinigen, wenn die Arbeitsleistung nicht mit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung beanstandet worden ist.


Zeitgemäße Arbeitszeugnisse schreiben

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage: Wie schreibt man mit geringstem Aufwand ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das die rechtlichen Vorgaben erfüllt, der Leistung des Mitarbeiters gerecht wird und dem Zeugnisleser in einer klaren, präzisen Sprache Informationen liefert über Qualifikation, Arbeitsleistung und Arbeitsverhalten? Das Zeugnis sollte Informationen darüber enthalten, wie der Mitarbeiter seine Stärken mit welchen Ergebnissen und Erfolgen zum Nutzen des Unternehmens eingesetzt hat.


Soll-Ist-Vergleich

Zeitgemäße Arbeitszeugnisse sind das Ergebnis eines Soll-Ist-Vergleichs. Die Anforderungen werden den tatsächlichen Fähigkeiten und Leistungen gegenüber gestellt. Von einem Altenpfleger verlangt man kein ausgeprägtes Verkaufstalent und bei einer Krankenschwester muss das Zahlenverständnis nicht so ausgeprägt sein wie bei einem Controller. Unterschiedliche Jobs erfordern unterschiedliche Fähigkeiten.

Wie sollten Arbeitszeugnisse sein? Ein Unternehmen sollte sich auf die Stärken des Mitarbeiters konzentrieren und darauf, wie er sie zum Nutzen der Organisation einsetzen konnte. Die Schwächen interessieren uns hier nicht. Entscheidend sind die positiven Arbeitsergebnisse, die man konkret im Zeugnis darstellen sollte.

Das Fachwissen, die geistigen, kreativen und sozialen Fähigkeiten und die Lern- und Veränderungsbereitschaft gehören beim Arbeitszeugnis zur Leistung. Zur eigentlichen Arbeitsleistung zählt man:

  • die Arbeitsweise (selbständig, effizient, sorgfältig)
  • den Arbeitseinsatz (engagiert, begeistert, zielorientiert)
  • die Arbeitsergebnisse (Ziele erreicht, Nutzen, Erfolg)

Bei Führungskräften gehört zur Arbeitsleistung auch die Führungsleistung. Die Führungsleistung hat etwas zu tun mit den Führungsfähigkeiten (Managementfähigkeiten = planen, organisieren, Ziele setzen, kontrollieren) und dem tatsächlichen Führungsverhalten: Ist die Führungskraft zusammen mit dem Team erfolgreich?

Die Führungsleistung wird heute etwas anders definiert als vor zwanzig Jahren. Führungskräfte müssen Impulse geben, Veränderungen einleiten, die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit unterstützen und sie in ihrer Entwicklung fördern. Sie müssen Konflikte fair lösen und die Probleme in Teamarbeit bewältigen. Führungskräfte gehören selbst zum Team, sie sind ein Teil der Gruppe. Sie müssen deshalb fähig sein, zu koordinieren, ausgleichend zu wirken und menschliche Nähe und Vertrauen herzustellen. Dazu gehört Empathie, offen zu sein für Kritik und eigene Fehler einzugestehen. Die Gesamtbeurteilung sollte eine Antwort auf die Frage sein: Worin besteht der Beitrag zum Unternehmenserfolg?


Stärken und Arbeitsergebnisse

Unternehmen wollen bei der Suche nach qualifiziertem Personal wissen, ob die künftigen Mitarbeiter bereits erfolgreich gearbeitet haben und ob sie ihnen bei Bewältigung ihrer Aufgaben und bei der Lösung ihrer Probleme helfen können. Bei der Bewerberauswahl brauchen sie Antworten auf die Fragen:

  • Welche Stärken / Fähigkeiten konnte der Mitarbeiter nutzbringend einsetzen?
  • Welche Ergebnisse / Erfolge hat er mit seiner Arbeit erzielt?
  • Was war sein Beitrag zum Ganzen?


Beispiele:

  • Er hat dafür gesorgt, dass unsere Qualitätsstandards aktualisiert und eingehalten werden.
  • Sie hat ihren Arbeitsplatz effizient organisiert und neue Aufgaben übernommen.
  • In der Projektgruppe „Bezugspflege“ hat sie engagiert mitgearbeitet, Vorschläge gemacht und damit wesentlich zum Gelingen beigetragen.
  • Sie hat ein neues Pflegekonzept eingeführt, die Kosten gesenkt und die Dokumentation verbessert.
  • Sie ist eine Altenpflegerin, die mit Herz und Verstand ihre Arbeit macht und viel Anerkennung bekommt von Patienten, Vorgesetzten und Kollegen.
  • Er hat mit ihrem Engagement einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg unserer Einrichtung geleistet.
  • Sie hat mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, dass sich die Qualität der Pflege ständig verbessert hat und die Patienten sich bei uns wohl fühlen.)


Nutzen

Mitarbeiter haben Anspruch auf ein Zeugnis, das ihren Leistungen gerecht wird. Tüchtige Mitarbeiter erwarten zu recht gute, aussagekräftige Zeugnisse, damit sie bei Bewerbungen die Nase vorn haben. Für künftige Arbeitgeber bedeutet dies: Sie können auf die Information im Zeugnis vertrauen.


Mehr Informationen: Beschreibung des Verfahrens, Seminar, Buch: [1]

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