Personalentscheidungen und Bauchgefühl

Aus Familienwortschatz
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Neurologen, Hirnforscher und Psychologen erforschen die neuronalen Vorgänge, die sich bei Entscheidungen vollziehen. Der amerikanische Neurologe Antonio Damasio ist davon überzeugt, dass jede Entscheidung einen „emotionalen Anstoß“ brauche, weil aus purem Verstand heraus ein Mensch nicht handeln könne. Er ersetzt den Satz des französischen Philosophen Decartes´ „Ich denke, also bin ich“ so: Ich fühle, also bin ich.

Fehleinschätzungen beim Personal sind teuer, schaffen Konflikte und können verheerende Folgen für das Arbeitsklima haben. Es wäre ein Fehler, bei Personalentscheidungen nicht auf den Bauch zu hören, wie zum Beispiel:

  • Wer wird eingestellt?
  • Wer wird Führungskraft?
  • Wer befördert?
  • Wer bekommt eine Gehaltserhöhung oder eine Prämie?


Was ist Intuition?

Für die Führungskräfte in den Unternehmen und Organisationen heute lautet die Frage: Wie kann man das Wissen der Hirnforschung für Personalentscheidungen nutzen?

Der Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel (Zum Entscheiden geboren, 2008) unterscheidet drei Formen des Wissens. Neben dem sprachlichen und bildlichen Wissen nennt er das „intuitive Wissen“ oder das „stumme Wissen“, das sprachlich nicht verfügbar, aber deshalb nicht irrational sei, sondern mit einer eigenen Logik. Das intuitive Wissen, so Pöppel, funktioniere um so besser, „je reicher die Arbeitsplattform unseres Geistes ist, die mit Wissen aus frühesten Zeiten ausgestattet wird.“

Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth wurde in einem Interview (Gehirn&Geist 11/2007) nach dem intuitiven Wissen gefragt:

Ein hilfreicher Ansatz, das wurde auch empirisch nachgewiesen, besagt: Wäge zunächst ausgiebig rational ab und lass die Sache dann einige Zeit ruhen. Fühlt sich die gewählte Option immer noch gut an, tu es! Die Wahl, die wir am Ende treffen, ist immer emotional – es gibt ja eigentlich gar keine rationale Entscheidungen, nur rationale Erwägungen.

Gerd Gigerenzer hat am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung viele Jahre über Intuition geforscht und seine Ergebnisse in dem Buch „Bauchentscheidungen“ in einer verständlichen Sprache veröffentlicht. Er schreibt, dass ein Großteil unseres geistigen Lebens sich unbewusst vollziehe und auf Prozessen beruhe, die nichts mit Logik zu tun haben. Er spricht von Bauchgefühlen, Intuitionen und der „Intelligenz des Unbewussten: Ohne zu denken wissen wir, welche Regel in welcher Situation vermutlich funktioniert.“

Intelligenz kann man sich als eine bewusste Tätigkeit vorstellen, die von den Gesetzen der Logik bestimmt wird. Benjamin Franklin soll seinem Neffen, der sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden konnte, die Pro-und-Kontra- Methode empfohlen haben, bei der das Für und Wider abzuwägen und zu gewichten ist. Ausgerechnet bei einer Entscheidung, bei der es nur auf Intuition ankommt. Die Franklin-Methode, bei der das Ziel ist, den höchsten Wert und den größten Nutzen zu ermitteln, sei nicht immer der beste Weg, meint Gigerenzer.

Wir wissen mehr als wir zu sagen wissen. Beispiel Sprachgefühl: Muttersprachler sind in der Lage spontan zu sagen, ob ein Satz grammatisch korrekt und idiomatisch richtig ist, aber nur wenige können erklären, warum das so ist.


Intuition beruht auf Erfahrungswissen

Entscheidungen müssen rational sein. Davon sind auch heute viele Kinder der Aufklärung überzeugt, allen voran Wissenschaftler. Sie glauben an die mathematische Logik. Gerd Gigerenzer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (25.8.07) meint dazu: „Man weiß, was zu tun ist, ohne die Gründe dafür zu kennen. Ihnen liegen aber nicht nur Erfahrung, sondern auch einfache Faustregeln zugrunde, etwa Wähle, was du kennst, imitiere den Erfolgreichen, vertraue einem einzigen Grund und ignoriere alle anderen“.

Dass Logik ein nützliches Werkzeug ist, bestreitet Gigerenzer nicht. Aber es sei eben nur eines unter vielen nützlichen Werkzeugen. Einen Gegensatz zwischen Vernunft und Bauchentscheidung gebe es nicht, „Logik und Intuition sind zwei Werkzeuge aus der gleichen Kiste.“ Und wenn es um Liebe gehe, handelten alle Menschen intuitiv.

Kommen wir mit unseren Bauchgefühle zu besseren Entscheidungen? Das erscheint uns auf den ersten Blick naiv. Die Wirtschaftswissenschaften haben den homo ökonomicus erfunden und die Unternehmen arbeiten nach dem ökonomischen Prinzip, mit geringstem Aufwand den größtmöglichen Nutzen erzielen.

Wie andere Ansätze der Sozialwissenschaften versucht die Wissenschaft von der Intuition menschliches Verhalten zu erklären und vorherzusagen. Gigerenzer räumt ein, dass seine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Intuition in der Welt der Wissenschaft umstritten sind. Was er in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ vorlegt, bezeichnet er als „Werkzeugkasten mit Werkzeugen für ein ganzes Spektrum von menschlichen Problemen.“ Für ein Unternehmen, wo Führungskräfte Personalentscheidungen zu treffen haben, ist das Modell des Psychologen Gerd Gigerenzer nachvollziehbar und kann nach meiner Einschätzung auch angewendet werden.

Literatur

  • Bauer, Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst – Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, Hamburg 2006
  • Damasio, Antonio: Der Spinoza-Effekt, Berlin 2007
  • Damasio, Antonio: Decartes Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, München 1998
  • Ekman, Paul: Gefühle lesen, München 2007
  • Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, München 2007
  • Gladwell, Malcom: Blink – Die Macht des Moments, München 2008
  • Kast, Bas: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft, Frankfurt 2007
  • Klein, Gary: Natürliche Entscheidungsprozesse, Paderborn 2003
  • List, Karl-Heinz: Praxisbuch Personalmanagement in der Pflege, Berlin 2010
  • Pöppel, Ernst: Zum Entscheiden geboren, München 2008
  • Traufetter, Gerald: Intuition – Die Weisheit der Gefühle, Reinbek 2007