Qualität der Berufsausübung

Aus Familienwortschatz
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Betrachtungen zur Qualität der Berufsausübung

Die Pflegezeitschrift „HEILBERUFE“ publiziert in Heft 3.2006, Seite 71 unter dem Thema „Zwischenruf aus der Wirtschaft – Die Kluft zwischen Theorie und Praxis“ den Bericht eines Angehörigen über die vorgefundenen Zustände in einer deutschen Universitätsklinik:

„ Da durfte ich miterleben, wie

  • die Bettnachbarin, eine insulinpflichtige 80-jährige Diabetikerin, wegen eines Fehlers beim Aufnahmeprozedere tagelang kein Insulin bekam, bis dann die Blutzuckerwerte so schlecht waren, dass schnell abgeholfen werden musste,
  • auch bei meiner Frau die Diabetesmedikamente fehlten … und nach dem Hinweis des Oberarztes bei der Visite:“ Sie bekommen Cortison zum Abschwellen“ diesbezüglich nichts weiter geschah,
  • meine Frau nach Aufnahme und OP drei Tage nichts zu trinken bekam, bis ihr auf eigene Nachfrage Infusionen verabreicht wurden,
  • in der offenen Tür über Patienten getratscht wurde
  • der Bettnachbarin nach einer Bandscheibenoperation das Essen so hingestellt wurde, dass sie es weder sehen noch erreichen konnte,
  • die Bettnachbarin mit Thrombosestrümpfen ohne Schuhe auf die Bettkante gesetzt wurde, die Pflegekraft wegging, die alte Dame runterknallte (Platzwunde an der Stirn, kaputte Brille),
  • die Stationsleiterin die alte Bettnachbarin bei gedrückter Anwesenheitstaste waschen kam und auf Klingeln für eine ganze Weile verschwand, wobei sie ihre Patienten nackt und nass liegen ließ
  • die frühere Bettnachbarin, eine nicht deutsch sprechende Griechin mit Aneurysma im Kopf, fünf Tage keinen Stuhl hatte, ohne dass das irgendwen zu interessieren schien.“


Mögliche Gründe

In unseren Kliniken in Deutschland haben sich Strukturen und Ressourcen drastisch verändert: Es herrscht Personalmangel, der durch Entprofessionalisierung, Kostendruck und Überbürokratisierung noch verschlimmert wird. „Die Pflege“ wurde zunehmend aus dem Klinikmanagement entfernt. Man ist der Meinung, dass die Verantwortung für den Patienten nicht teilbar sei und daher nur der Arzt eine Verantwortung für den Behandlungsprozess trage. Das ist rechtlich gesehen korrekt. Aber: In unseren Kliniken gibt es den Behandlungsprozess und den Pflegeprozess. Beide sind durch Maßnahmen der Qualitätssicherung gestützt und müssen in sinnvoller Weise koordiniert werden. Vom Pflegeprozess verstehen Mediziner allerdings nichts, denn das Fach Krankenpflege kommt im Medizinstudium nicht vor.

In der Regel übernehmen die pflegerischen Stationsleitungen die gesamte Organisation des Stationsablaufs und der Dokumentation, das führt sie weg vom Krankenbett. Mit der Ausnahme von Universitätskliniken ist es weithin üblich, und auch sinnvoll, dass der Pflegedienst Blutentnahmen, Injektionen und Infusionen durchführt. Dafür gab es aber nicht eine Planstelle in der Pflege mehr, aber Mediziner konnten so eingespart werden. Die wenig verbliebenen Ärzte brauchen diese Hilfe. Wenn der Chefarzt auch für die Pflege verantwortlich ist, dann ist es nicht verwunderlich, dass er meint alle Freiheiten zu haben um die Pflege für alle Eventualitäten zu benutzen. So sind allerdings Teamwork und Lean Management nicht gemeint und auch nicht durchführbar.

Die Folgen: Unterbesetzung, Qualitätsmängel und Zeitmangel.

Die Auswirkungen: Pflegefehler und zunehmende Unzufriedenheit der Mitarbeiter: Frustrierte Mitarbeiter sind immer schlecht für die Patienten und das Arbeitsergebnis und sollten als Handlungsbedarf verstanden werden. Die Ressourcen allein bestimmen die Qualität der Pflege allerdings nicht. Entscheidend sind auch Kooperation und Kommunikation. Defizite in diesen Bereichen führen zu Fehlentscheidungen, die auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Die Motivation ist entscheidend. Geht es doch um das Können, Wollen und Dürfen – genau dort liegen die Defizite! Das muss anders werden: Das Umdenken ist der Weg und die Qualität das Ziel! Pflege kann gerade durch eine hohe Qualität der Berufsausübung überzeugen!

Qualität nach Williams: “Qualität ist der Grad des erreichten Erfolges der Pflege, der mit verantwortlichem Gebrauch von Mitteln und Leistungen erreicht wird“


Die Qualität der Berufsausübung wird von drei Seiten betrachtet:

  1. Die Qualität der methodischen Handlungen
    • Wirksamkeit ( Produkt aus Arbeit und Zeit)
    • Sachverstand ( besondere fachliche Kenntnis, Know-how )
    • Indikationsstellung (Grund, Bedarf)
    • Eignung (Berufseignung, gemeinsames Handeln, Teamwork)
    • Sicherheit ( Qualitätssichernde Arbeitsorganisation)
    • Sorgfalt ( Umsicht, nicht schaden)
    • Mitteleinsatz ( Gebot der Zweckmäßigkeit)
  2. Die Qualität der inneren Einstellungen und Haltungen
    • Respektvolle Behandlung der Patienten und Mitarbeiter (Umgangformen)
    • Informationsbereitschaft / Informationsfähigkeit
    • Aufbau von Vertrauen
    • Kooperationsbereitschaft und Fähigkeit dazu
    • Verantwortungsbereitschaft und Verantwortungsfähigkeit
    • Kommunikationsbereitschaft und Fähigkeit
  3. Die Qualität der Berufsausübung im Hinblick auf:
    • Kontinuität
    • Verfügbarkeit
    • Zweckmäßigkeit


Anwendbares, auf den Patienten bezogenes Fachwissen ist in der Pflege die Grundlage für sachgerechtes Handeln. Es bedarf einer guten Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der ständigen Übung. Mit Sicherheit ist es falsch irrelevantes medizinisches Überwissen höher zu stellen als situationsgerechtes Handeln am Krankenbett. Wer dies tut, wird seine Patienten verlieren – letztendlich ist der Patient unser Arbeitgeber, nicht die Verwaltung. Krankenpflege ist, gerade innerhalb der Kundenorientierung, immer zuerst eine Dienstleistung für den Patienten, wie die ärztliche Arbeit auch, das ist unsere Gemeinsamkeit!

Menschen erkennt man am besten daran, ob sie mit den Aufgaben, die ihnen anvertraut sind, verantwortungsvoll umgehen oder nicht. Das trifft besonders für die Zusammenarbeit innerhalb der Sicherstellung einer hohen Qualität der Berufsausübung in allen Berufsgruppen zu. Diese Verpflichtung haben wir alle gegenüber unserer Patienten.