Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

Aus Familienwortschatz
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Der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (abgekürzt: TVöD) ist seit dem 1. Oktober 2005 in Kraft und hat den früheren Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) abgelöst. Der TVöD gilt in den Betrieben des öffentlichen Dienstes. Da viele Pflegeeinrichtungen von der öffentlichen Hand betrieben werden, hat der TVöD für den Pfegebereich eine hervorragende Bedeutung. Darüber hinaus entfaltet der TVöD aber auch eine indirekte Wirkung auf tarifvertragliche oder die entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen anderer Pflegearbeitgeber, die sich am TVöD orientieren oder anlehnen. Allerdings ist in der letzten Zeit eine Tendenz erkennbar, von der Orientierung an den TVöD abzurücken.

Seine Bestandteile

Der TVöD ist in Wirklichkeit ein ganzes Paket von Verträgen. Die vielen Einzelteile haben den "Vorteil", dass Änderungen nicht Verhandlungen über den gesamten Vertrag erforderlich machen. Seine einzelnen Regelungen heißen:

  • TVöD Bund-VKA vom 13. September 2005
  • TVöD BT-K vom 13. September 2005
  • TVöD Besonderer Teil Verwaltung Bund-VKA vom 13. September 2005
  • TVÜ Bund vom 13. September 2005
  • TVÜ Bund-Anlage 1
  • TVÜ Bund-Anlage 2
  • TVÜ Bund-Anlage 3
  • TVÜ Bund-Anlage 4
  • TVÜ VKA vom 13. September 2005
  • TVÜ VKA-Anlage 1-Zuordnung-Bestand-VKA
  • TVÜ VKA-Anlage 2-Strukturausgleich
  • TVÜ VKA-Anlage 3-Zuordnung
  • TVÜ VKA-Anlage 4-KrAnwendungstabelle-West
  • TVÜ VKA-Anlage 5-KrAnwendungstabelle-Ost


Wesentliche "Neuerungen"

Der TVöD legt die Höhe der Arbeitsentgelte der Arbeiter und der Angestellten fest und überwindet damit die traditionelle Unterscheidung zwischen Lohn und Gehalt. Er soll mehr Übersichtlichkeit bringen, als der "Tarifdschungel" des in Jahrzehnten immer weiter spezialisierten BAT, den viele Praktiker wegen seiner Komplexität nicht mehr juristisch korrekt umsetzen konnten. Der TVöD schafft neue Möglichkeiten, die Bezahlung der Leistung und der Erfahrung anzupassen und erlaubt eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Modernisierung hat auch das Ziel, die Arbeitgeber wieder zu einheitlichen arbeitsvertraglichen Leistungen zu bringen, statt den Konkurrenzkampf auf Kosten der Mitarbeitenden zu führen.

Die bisherigen Gehaltsbestandteile Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulage werden zu einer einzigen Summe zusammengefaßt.

Statt wie bisher nach Lebensalter und Familienstand richtet sich die Bezahlung nun ausschließlich nach der Betriebszugehörigkeit. Nach der bisherigen BAT-Regelung konnte eine 40 Jahre alte, neu eingestellte Pflegekraft mit zwei Kindern deutlich mehr Gehalt erzielen als eine 25 Jahre alte Pflegekraft ohne Kinder, aber mit 5 Jahren Berufserfahrung.

Neu ist ein eigenständiger Tarifvertrag für Auszubildende, der erstmals auch Altenpflegeschüler einschließt.


Bezahlung in der Pflege

15 Entgeltgruppen umfasst die neue Tabelle. Die Entgeltordnung soll bis Ende Jahres 2007 fertig sein. Die Eingruppierung richtet sich künftig danach, welche Tätigkeit tatsächlich und wie lange ausgeübt wird. Wartezeiten und Bewährungsaufstiege gibt es nicht mehr. Leistung kann sich evtl. lohnen (Dafür wären jedoch zusätzl. Vereinbarungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern die Voraussetzung). Erschwerniszuschläge und Jahressonderzahlungen bleiben erhalten. Nur ein Teilbereich der neuen Entgeltgruppen ist für die Pflege wichtig.

Das Grundentgelt nach den Entgeltgruppen KR (entspricht den früheren: KR-Vergütungsgruppen. Vorsicht neue Ziffern; z. B. Kr VI alt entspricht jetzt EG KR 9) Je nach Dienstalter gibt es Erhöhungen in 3 bzw. 4 Entwicklungsstufen. Das bedeutet, dass die Gehaltsentwicklung dann nach 7 bzw. 10 Jahren ihr Maximum erreicht hat. Der jeweilige Familienstand hat keine Bedeutung mehr. Bis 2007 werden die bishherigen Eingruppierungen umgerechnet in die neuen Stufen. Dabei gilt auf jeden Fall die Wahrung des bereits erreichten Lohnniveaus.


Jeder Arbeitgeber ist vepflichtet seinen Beschäftigten die Lohnabrechnung zu erläutern. Personal- bzw. Betriebsräte können dabei behilflichh sein.

Der Lohn in der Pflege setzt sich zusammen aus folgenden Bestandteilen:

  • Grundentgelt
  • Zeitzuschläge
  • Erschwerniszuschläge
  • Jahressonderzahlung

Grundentgelte

Beispiele für Grundentgelte und ihre Entwicklungsstufen:

  • Entgeltgruppe KR 7a - Das ergibt für eine ausgebildete Pflegeperson am Berufsanfang 1850 Euro, etwa nach 10 Jahren 2430 (max 2 533 Euro)
  • Entgeltgruppe KR 9a - Für eine Stationsleitung am Anfang dieser Tätigkeit 2607,28 Euro , und maximal nach 10 Jahren 2861,64 Euro. (In dieser Funktion ist keine weitere Steigerung bis zum Eintritt in die Rente vorgesehen)
(Stand 2005; Arbeitszeit Stand 2006: 38,5 bzw. 39 WAZ)

Stand 2009 komba gewerkschaft

Zeitzuschläge

Zusätzlich zum Entgelt für die Arbeitsleistung sieht der TVöD für Voll- und Teilzeitbeschäftigte auch Zeitzuschläge vor. Sie betragen von dem auf eine Stunde entfallenden Anteil des Monatsentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe Stufe 3 bei:

  • Überstunden:
    • 30 Prozent in den Entgeltgruppen 1 bis 9,
    • 15 Prozent in den Entgeltgruppen 10 bis 15.
  • Nachtarbeit: 20 Prozent.
  • Wochenende:
    • Arbeit an Samstagen zwischen 13 und 21 Uhr (außer Wechselschicht- und Schichtarbeit): 20 Prozent.
    • Sonntagsarbeit: 25 Prozent.
  • Feiertagsarbeit:
    • 135 Prozent ohne Freizeitausgleich,
    • 35 Prozent mit Freizeitausgleich.
    • Arbeit am 24. und 31. Dezember jeweils ab 6 Uhr: 35 Prozent
(Stand 2005)

Jahressonderzahlung

Von 2007 an werden Urlaubs- und Weihnachtsgeld zur "Jahressonderzahlung" vereint. Sie liegt zwischen 60 und 90 Prozent des von Juli bis September durchschnittlich gezahlten Lohns.

So sieht die Neuregelung bei Urlaubs- und Sonderzuwendung aus:

Urlaubs- und Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) werden neu geregelt. Im Jahr 2005 blieb es wie bisher. Im Jahr 2006 werden die bisherigen Ansprüche (Urlaubs- und Sonderzuwendung) zusammengefasst und im November 2006 zur Auszahlung gebracht. Vom Jahr 2007 an wird eine dynamische Sonderzahlung im November jeden Jahres gezahlt, deren Höhe sich wie folgt ergibt:

90 Prozent für die Entgeltgruppen 1 bis 8,
80 Prozent für die Entgeltgruppen 9 bis 12,
60 Prozent für die Entgeltgruppen 13 bis 15.

Bemessungsgrundlage für die Prozentsätze ist das durchschnittliche Entgelt der Monate Juli bis September des entsprechenden Jahres.

Umstrittene Bestandteile

Heftig umstritten sind zwei Öffnungsklauseln:

  • Die Arbeitgeber haben die Möglichkeit, die Vereinbarung zur Arbeitszeit vorzeitig zu kündigen, um längere Arbeitszeiten zu vereinbaren.
  • Speziell für den Bereich Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wurde ein bis Ende 2009 befristeter Tarifvertrag "Zukunftssicherung" abgeschlossen, der den Arbeitgebern ermöglicht, die Jahresgehälter um bis zu 10% zu senken, falls eine Einrichtung durch die DRGs in wirtschaftliche Not gerät.

Beide Klauseln waren jedoch notwendige Kompromisse, weil die Arbeitgeber in einer frühen Phase der Verhandlungen bereits verlangt hatten, daß in Krankenhäusern die Arbeitszeiten verlängert und gleichzeitig die Gehälter verringert werden sollen.

An die Anwendung des TV Zukunftssicherung sind jedoch Bedingungen geknüpft:

  • Die Einrichtung muß ihre Notlage belegen.
  • Andere Möglichkeiten zur Kostensenkung sind nicht vorhanden.

Die konkrete Ausgestaltung der Gehaltsabsenkung wird mit der Gewerkschaft verhandelt. Dabei sind maximal 6% als glatte Gehaltskürzung möglich, darüber hinaus gehende Beträge sind quasi eine "Anleihe" und müssen spätestens 2015 zurückgezahlt werden.

Literatur

  • Hans Böhme: Der TVöD vom 13. September 2005 - ein Überblick und ein Vergleich mit dem Entwurf. In: Pflege- und Krankenhausrecht: Ausgabe 04/2005, S. xx-yy. Verlag Bibliomed.

Kontroversen

Während die Gewerkschaften eindeutig für die Umsetzung des neuen Tarifrechts sind, ist das Bild auf der Seite der Arbeitgeber sehr uneinheitliich. Die Bundesländer haben sich während der Verhandlungen aus der Tarifgemeinschaft verabschiedet. Die Kirchen sehen es ohnehin als einen christlichen Grundwert an, keine Tarifverträge zu schließen, sie verabschieden sich aber auch zunehmend von der lange üblichen Praxis, sich bei der Behandlung ihrer Mitarbeiter an die Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes anzulehnen. Verschiedene Gliederungen in der Diakonie befassen sich schlicht gar nicht mit dem TVöD. Ähnliches gilt für den Caritasverband. Private, nicht kirchliche Konzernkliniken und als GmbH geführte Kliniken haben oft Haustarifverträge mit niedrigerem Lohnniveau. Besonders krasse Unterbezahlungen sind für die Neuen Bundesländer typisch - besonders in Niedriglohnland Thüringen.

Das Ziel der Arbeitgeber könnte dabei sein, die Leistungen für die Arbeitnehmer weiter einzuschränken und noch mehr Flexibilität zu fordern. Divide et impera - Teile und herrsche. In vielen Einrichtungen der Pflege sind die Personalvertretungen für solche Verhandlungen kaum gerüstet und die Belegschaft wenig kämpferisch eingestellt. Es ist eine Abwärtsspirale zu befürchten.

Der Marburger Bund kritisiert insbesondere die niedrigeren Anfangsgehälter gegenüber dem BAT. Diese treffen allerdings auch vergleichbare Pflegekräfte.

siehe auch:

Arbeitsrecht, Gewerkschaft, Arbeitgeberverband, Tarifrecht, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ( = Ver. Di ), andere Berufsverbände, Streiks 2005 im Gesundheitswesen


Literatur

  • Wolf-Dieter Sponer/Franz Steinherr u. a.: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Gesamtausgabe - Kommentar. Verlag R. v. Decker, 1. Auflage, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin 2005, ISBN 3-7685-4844-9.
  • Alfred Breier/Anette Dassau/Karl-Heinz Kiefer/Helmut Lang/Bernhard Langenbrinck u. a.: TVöD. Kommentar zum Tarif- und Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst. Rehm-Verlag, 1. Auflage, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin 2005, ISBN 3-8073-2169-1.
  • Anette Dassau/Bernhard Langenbrinck: TVöD. Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht. Rehm-Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN 3-8073-2310-4.


Weblinks