Einstweilige Anordnung

Aus Familienwortschatz
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Allgemeines

Durch eine einstweilige Anordnung des Betreuungsgerichtes kann

  • ein Vorläufiger Betreuer (für maximal 6 Monate) bestellt (§§ 300, 301, 302 FamFG),
  • ein vorläufiger Einwilligungsvorbehalt für den gleichen Zeitraum angeordnet (§ 300 Abs.1 FamFG);
  • ein Betreuer im Eilfall entlassen (§ 300 Abs. 2 FamFG) oder
  • eine vorläufige Unterbringung (für max. 6 Wochen) genehmigt werden (§§ 331, 332, 333, 334 FamFG).

Verlängerungen sind jeweils noch einmal für den gleichen Zeitraum möglich, wenn zwischenzeitlich ein Sachverständiger vom Gericht angehört wurde.

Mit Ausnahme des Falles der Betreuerentlassung muss ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand des Betroffenen vorliegen.

Materielle Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung zur Betreuerbestellung ist, dass dringende

Gründe für die Annahme der Betreuungsbedürftigkeit bestehen (§ 300 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Das heißt, dass aufgrund einer vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage die spätere Bestellung eines Betreuers überwiegend wahrscheinlich ist.

Im Beschwerdeverfahren kann das Landgericht durch einstweilige Anordnung die Vollziehung des erstinstanzlichen Beschlusses aussetzen (§ 64 Abs. 3 FamFG).

Formelle Voraussetzungen

  1. das Vorliegen eines ärztlichen Zeugnisses (§ 300 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), das - entgegen dem Wortlaut der Bestimmung - nicht lediglich über den „Zustand”, sondern insbesondere über die Betreuungsgründe Auskunft geben muss;
  2. die Bestellung eines Verfahrenspflegers (§ 300 Abs. 1 Nr. 3 FamFG) und
  3. die persönliche Anhörung des Betroffenen (§ 300 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).

Nicht zwingend ist, dass der Richter sich von dem Betroffenen einen unmittelbaren Eindruck verschafft. Es kann von einer persönlichen Anhörung daher auch absehen, wenn es für das Gericht aus anderen Gründen „offensichtlich” ist, daß der Betroffene seinen Willen nicht kundtun kann (§ 34 Abs. 2 FamFG).

Einstweilige Anordnungen ergehen stets mit sofortiger Wirksamkeit (§ 49 FamFG).

Gefahr im Verzug

Ist Gefahr im Verzug, das heißt, es droht ein Schaden für den Fall, dass nicht sofort gehandelt wird, kann die einstweilige Anordnung nach § 301 FamFG noch vor Anhörung des Betroffenen und Bestellung eines Verfahrenspflegers ergehen (eilige einstweilige Anordnung). Diese Handlungen müssen dann aber nachgeholt werden.

Bei dieser eiligen einstweiligen Anordnung muss das Gericht außerdem die Bestimmungen des § 1897 Abs. 4 und 5 BGB für die Auswahl des Betreuers nicht zu beachten, kann also einen Vorschlag des Betroffenen ohne weiteres übergehen.

Dringende Heilbehandlung

Würde selbst die Bestellung eines Betreuers durch eilige einstweilige Anordnung zu lange dauern (beispielsweise weil ein ins Koma gefallener Patient unbedingt noch am selben Tag operiert werden muss), kann das Betreuungsgericht als Notbetreuer nach §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1846 BGB selbst an Stelle des noch nicht bestellten Betreuers handeln. Besondere Verfahrensvorschriften braucht es dann nicht zu beachten. So weit es das Eilbedürfnis überhaupt zuläßt, muss das Gericht nur - in welcher Form auch immer - rechtliches Gehör gewähren.

Rechtsprechung

BayObLG, Beschluss vom 02.06.2004,3Z BR 065/04, FamRZ 2004, 1814 - Vorläufiger Einwilligungsvorbehalt trotz General- und Vorsorgevollmacht:

  1. Erledigt sich die Anordnung eines vorläufigen Einwilligungsvorbehalts, kann dessen Rechtmäßigkeit bei der wegen § 69h FGG weiterhin erforderlichen Prüfung nur bejaht werden, wenn auch die Bestellung eines vorläufigen Betreuers rechtmäßig war.
  2. Zum Schutz des Betroffenen kann trotz Vorliegens einer General- und Vorsorgevollmacht ein vorläufiger Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, wenn die Wirksamkeit der Vollmacht wegen Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen unklar ist und die konkrete Gefahr besteht, dass ohne Einwilligungsvorbehalt vermögensrechtliche Transaktionen zum Nachteil des Betroffenen vorgenommen werden.

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 21.12.2006, 13 T 1059/06, FamRZ 2007, 1269 = BtPrax 2007, 255 (Ls):

Der durch einstweilige Anordnung mit sofortiger Wirksamkeit bestellte Berufsbetreuer hat einen Vergütungsanspruch bereits von dem Zeitpunkt an, zu dem er nachweislich vom Vormundschaftsrichter über die Bestellung telefonisch informiert wurde, bevor die Entscheidung zum Zwecke der Bekanntgabe der Geschäftsstelle des Gerichtes übergeben wurde.

LG Darmstadt, Beschluss vom 14.02.2008, 5 T 668/07; BtMan 2008, 103 (Ls):

Der Vergütungsanspruch eines Berufsbetreuers beginnt mit der wirksamen Anordnung der Betreuung. Dies kann bei sofortiger Wirksamkeit bereits vor der Kenntnis des Betreuers gegeben sein, wenn die Betreuung mit Übergabe an die Geschäftsstelle des Vormundschaftsgerichtes wirksam wurde (§ 69 a III FGG).

OLG München, Beschluss vom 24.09.2008, 33 Wx 179/08; FamRZ 2009, 250 = FGPrax 2008, 248 = NJW-RR 2009, 221:

Ein Betreuer kann auch vorab mündlich z.B. in einem Telefongespräch mit dem zuständigen Richter, bestellt werden. Für den Beginn der Betreuung ist dieses Datum auch dann maßgebend, wenn der schriftlich niedergelegte Beschluss erst zu einem späteren Zeitpunkt der Geschäftsstelle zur Bekanntmachung übergeben wird.

OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 02.04.2009, 20 W 104/09, FGPrax 2009, 161:

Wenn ein Eilrichter einen vorläufigen Betreuer ohne vorherige Anhörung des Betroffenen bestellt hat, muss selbst dann die Nachholung der Anhörung vom Eilrichter veranlasst werden, wenn der Betroffene später in eine andere Klinik verlegt wird, die weder in seinem Bezirk noch im Zuständigkeitsbereich des Gerichtes des gewöhnlichen Aufenthaltes liegt.

Zeitschriftenbeiträge

  • Götsche: Einstweilige Anordnungen nach dem FamFG, ZFE 2009, 124
  • Hoffmann: Freiheitsentziehende Unterbringung und Maßnahmen auf Grundlage einer einstweiligen Maßregel des Betreuungsrechtes; R&P 2010, 24
  • Kretz: Einstweilige Anordnungen in Betreuungs- und zivilrechtl. Unterbringungssachen nach dem FamFG; BtPrax 2009, 160
  • Ruhl: Einstweilige Anordnungen im Betreuungs- und Unterbringungsrecht; FuR 1994, 254
  • Schürmann: Die einstweilige Anordnung nach dem FamFG; FamRB 2009, 24
  • Vorwerk: Einstweilige Anordnung, Beschluss, Rechtsmittel und Rechtsmittelbelehrung nach dem FGG-RG, FPR 2009, 8
  • Zimmermann: Das neue Verfahren in Betreuungssachen; FamRZ 1991, 270
  • ders.: Zur Kostentragung bei einer vorläufigen Betreuung ohne spätere Überleitung in eine allg. Betreuung; Rpfleger 1999, 535