Expertenstandard Kontinenzförderung

Aus Familienwortschatz
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Der Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege[1] befasst sich mit der Harninkontinenz bei erwachsenen Patienten und Bewohnern und richtet sich an Pflegefachkräfte in Einrichtungen der ambulanten Pflege, der Altenhilfe und der stationären Gesundheitsversorgung[2].

Herausgeber des Expertenstandards ist das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), das sich die Entwicklung, Konsentierung und Implementierung evidenzbasierter Expertenstandards zum Ziel gesetzt hat. Der Expertenstandard Kontinenzförderung wurde im April 2007 veröffentlicht.

Der Expertenstandard behandelt vor allem

  • die Erkennung und Analyse des Problems,
  • Erhebungsmethoden,
  • die Einschätzung unterschiedlicher Kontinenzprofile und verschiedene
  • Interventionsmöglichkeiten[3].

Ziel des Standards ist die Erhaltung der Kontinenz eines Patienten. Nur wenn dieses Ziel nicht erreichbar ist, sollte auf einer sechsfach abgestuften Skala jeweils das für die Person nächstbessere Niveau erreicht werden:

6. Kontinenz
5. unabhängig erreichte Kontinenz (Maßnahmen werden selbst durchgeführt)
4. abhängig erreichte Kontinenz (Maßnahmen werden mit Hilfsmitteln durchgeführt)
3. unabhängig kompensierte Inkontinenz (keine Unterstützung im Umgang mit Hilfsmitteln notwendig)
2. abhängig kompensierte Inkontinenz (Unterstützung im Umgang mit Hilfsmitteln)
1. nicht kompensierte Inkontinenz

Die Ziele und Teilschritte des Standards

Expertenstandard Kontinenzförderung

Struktur Prozess Ergebnis
S1 – Die Pflegekraft verfügt über aktuelles Wissen zur Identifikation von Risikofaktoren sowie zu Symptomen der Harninkontinenz.




P1 – Die Pflegekraft nimmt im Rahmen der pflegerischen Anamnese eine initiale Einschätzung zu Risikofaktoren und Symptomen einer Harninkontinenz vor.

- wiederholt die Einschätzung bei Veränderung der Pflegesituation und in individuell festzulegenden Zeitabständen.

E1 - Eine aktuelle Einschätzung zur individuellen Kontinenzsituation des Patienten/Bewohners liegt vor.





S2 - Die Einrichtung verfügt über eine interprofessionell geltende Verfahrensregelung zur differenzierten Einschätzung von Harninkontinenzrisiken und -symptomen.

Die Pflegefachkraft

S2b - ist zur Durchführung bzw. Koordination der differenzierten Einschätzung befähigt und autorisiert.


P2 – Die Pflegekraft führt bei Vorliegen von Kontinenzproblemen eine differenzierte Einschätzung u. a. auf der Grundlage eines zielgruppenspezifischen Miktionsprotokolls durch bzw. koordiniert erforderliche diagnostische Maßnahmen.







E2 - Eine differenzierte Einschätzung von Risikofaktoren und Symptomen der Harninkontinenz und ein individuelles Kontinenzprofil liegen vor.








S3 –Die Pflegekraft verfügt über Beratungskompetenz zur Prävention, Beseitigung und Reduktion von Harninkontinenz.


P3 – Die Pflegekraft informiert den Patienten/Bewohner und seine Angehörigen über das Ergebnis der pflegerischen Einschätzung und bietet in Absprache mit den beteiligten Berufsgruppen eine ausführliche Beratung zur Kontinenzerhaltung oder -förderung an. E3 - Der Patient/Bewohner und seine Angehörigen kennen geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Inkontinenz und zur Kontinenzförderung.
S4 – Die Pflegekraft kennt wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Inkontinenz und zur Kontinenzförderung.

- ist zur Durchführung der Kontinenz erhaltenden und fördernden pflegerischen Maßnahmen befähigt und koordiniert die multidisziplinäre Behandlung

P4 – Die Pflegekraft erarbeitet unter Einbeziehung der beteiligten Berufsgruppen mit dem Patienten/Bewohner und seinen Angehörigen individuelle Zielvereinbarungen zum Erhalt oder zur Förderung der Kontinenz.




E4 - Ein Maßnahmenplan zum Erhalt oder Erreichen des vereinbarten Kontinenzprofils liegt vor.





S5 – Die Einrichtung fördert eine Kontinenz fördernde Umgebung, geschlechtsspezifische Ausscheidungshilfen und Hilfsmittel zur Kompensation von Inkontinenz.

- eine personelle Ausstattung, die eine zeitnahe, kontinuierliche Umsetzung der geplanten Maßnahmen ermöglicht.


P5 - Die Pflegefachkraft sorgt für eine kontinuierliche Umsetzung des Maßnahmenplans unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Patienten/Bewohners und kommt insbesondere der Bitte um Hilfe bei der Ausscheidung unverzüglich nach.





E5 - Interventionen, Hilfsmittel und Umgebung sind dem individuellen Unterstützungsbedarf des Patienten/Bewohners bei der Ausscheidung angepasst.

Der Patient/Bewohner und seine Angehörigen wirken im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Umsetzung der Maßnahmen mit.

S6 – Die Pflegekraft verfügt über die Kompetenz, die Effektivität der Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Kontinenz zu beurteilen.


P6 – Die Pfelgekraft überprüft in individuell festzulegenden Abständen den Erfolg der Maßnahmen und entscheidet gemeinsam mit dem Patienten/Bewohner, seinen Angehörigen und den beteiligten Berufsgruppen über die Fortführung. E6 - Das vereinbarte Kontinenzprofil bleibt erhalten oder ist erreicht.





Definitionen

Harnkontinenz ist das Gegenteil von Harninkontinenz, also ein Pflege- oder Therapieziel beim Verlust der Fähigkeit, den Harnabgang zu kontrollieren.


Harnkontinenz:

- ist die Fähigkeit, willkürlich und zur passenden Zeit an einem geeigneten Ort, die Blase zu entleeren. Und diesen Ort wieder zu verlassen.
- beinhaltet die Fähigkeit, Bedürfnisse zu kommunizieren, um Hilfestellungen zu erhalten, wenn Einschränkungen beim selbständigen Toilettengang bestehen.


Harninkontinenz:

- ist jeglicher unwillkürlicher Harnverlust
- bezeichnet die Unfähigkeit, dieBlasenentleerung willkürlich zu kontrollieren
- es kommt zum ungewollten Urinabgang

gesundheitspolitische Relevanz

Die Harninkontinenz stellt neben dem medizinischen auch ein psychosoziales und finanzielles Problem dar. Diesen Aspekten wird in Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit gewichtet, was Auswirkungen auf den Umgangmit der Harninkontinenz von Seiten der Betroffenen und der professionellen Akteure im Gesundheitswesen hat.

1. pschosoziale Auslöser

Die psychische Verfassung eines Menschen hat einen wesentlichen Einfluss auf das Ausscheidungsverhalten:

- jeder plötzliche Umgebungswandel (z.B. Krankenhausaufenthalt)
- unfreiwillige oder unvorbereitete Aufnahme ins Pflegeheim (z.B. Auszug aus eigener Wohnung)
- Aufmerksamkeit und Zuwendung werden unbewusst "erzwungen" (d.h. eine Verstärkung der Inkontinenz wird vom Betroffenen im Sinne eines Krankheitsgewinns erlebt)
- Neid auf den Mitbewohner im Pflegezimmer (-> erhält mehr Pflege und dadurch mehr Zuwendung)
- Zurückhaltung, falsche Bescheidenheit oder Angst verhindern, dass der Betroffene rechtzeitig die Klingel betätigt

2. psychosoziale Auswirkungen:

- Betroffene, unabhängig vom Alter und der Lebenssituation, sind häufig beschämt über die Harninkontinenz und tabuisieren das Thema
- Sie erfahren gegenüber der eigenen Person einen Verlust an Selbstvertrauen und Selbstachtung.
- Sie haben Angst vor Stigmatisierung (Diskriminierung) und können sich niedergeschlagen und isoliert fühlen.
- Betroffene empfinden eine mangelnde Lebensqualität und Gefühle von Schuld und Kontrollverlust, vor allem dann, wenn sich z.B. andere Personen um ihre Ausscheidungen kümmern müssen.
- Inkontinente Menschen entwickeln eigene Strategien im Umgang mit der Beeinträchtigung der Kontinenz.
- Sie verschweigen die Inkontinenz gegenüber anderen Personen und ordnen ihre Probleme einem natürlichen und unumgänglichen Prozess (dem Alter) zu oder sie entwickeln über „Versuch und Irrtum“ individuelle Verhaltensmodi (z.B. Tragen von Vorlagen, Einschränken der Flüssigkeitsaufnahme oder Vermeiden von sozialen Kontakten).
- Nur die wenigsten Betroffenen suchen professionelle Hilfe auf.
- Viele warten sogar mit der Suche nach Unterstützung, bis der Leidensdruck sie zu stark im täglichen Leben beeinflusst.
- Die Betroffenen scheuen sich, die Harninkontinenz gegenüber Ärzten oder Pflegenden aus Angst vor negativen Reaktionen und vor invasiven Eingriffen anzusprechen.



Fußnoten

  1. Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege, Entwicklung - Konsentierung - Implementierung (April 2007) Hrsg.: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), ISBN: 3-00-017143-6, 181 Seiten, Preis: 21,50 € (inkl. MwSt. und Versand) Bezugsadresse: DNQP Fachhochschule Osnabrück, Postfach 19 40, 49009 Osnabrück, Fax (0541) 9 69 - 29 71, e-mail [email protected]
  2. siehe die Präambel des Expertenstandards [[1]]
  3. Präambel, siehe Fußnote 2

siehe auch

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