Hebammenausbildung

Aus Familienwortschatz
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Thema: Hebammenausbildung

Hintergrund

Hebammen in Deutschland sind dazu befähigt komplikationslose Schwangerschaften, Geburten, Wochenbettverläufe und die Stillzeit eigenständig zu betreuen und zu überwachen. Um diese Aufgaben kompetent und professionell bewältigen zu können ist eine gut fundierte Ausbildung unabdingbar(Pehlke-Milde et al. 2005). Eine inhaltliche Neubewertung der gesellschaftlichen Funktion des Gesundheitswesens beeinflusst die Entwicklung der Gesundheitsberufe. Die gesundheitliche Versorgung orientiert sich zunehmend am Konzept der Gesundheitsförderung und Prävention. Für das Hebammenwesen resultieren hieraus neue und erweiterte Anforderungen.

Gesetzliche Grundlage: Aufgrund des Artikel 74 Abs. 1 Nr. 19 des Grundgesetzes gibt es ein bundeseinheitliches Berufsgesetz (Hebammengesetz) von 1985, sowie die Hebammenausbildungs- und Prüfungsverordnung (HebAPrV) aus dem Jahre 1987 (zuletzt geändert 1993).

Aus dieser Gesetzgebung wird deutlich, dass die Hebammenausbildung hierzulande einen Sonderstatus einnimmt. So ist sie einerseits ausgeschlossen von dem international beachteten Berufsbildungsgesetz (Pehlke-Milde et al. 2005) und andererseits lässt sie sich auch nicht auf akademischer Ebene anordnen.

Im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung der Ausbildungen wurden zusätzlich die EU – Richtlinien (Richtlinie 2005/36/EU) erlassen. Diese sollen innerhalb der Europäischen Union als Maßstab für die Ausbildung gelten. Die Richtlinien, die seit 1980 existieren und 2005 überarbeitet worden sind, wurden in Deutschland bis heute nicht vollständig umgesetzt. Deutschland ist EU – weit eines der wenigen Länder, in dem die Hebammenausbildung noch nicht, wie es die 2. WHO – Gesundheitsministerkonferenz in München 2000 forderte, auf Fachhochschulniveau angesiedelt ist(zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).


Berufsausbildung

Die derzeitige Hebammenausbildung in Deutschland hat als schulische Voraussetzung den mittleren Schulabschluss

Aber 69% der Auszubildenden zur Hebamme haben Abitur.

Dauer: 3 Jahre

Abschluss: staatliche Prüfung.

Das Ziel der Ausbildung ist in § 5 der HebAPrV geregelt.

Ausbildung: „Die Ausbildung soll insbesondere dazu befähigen, Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett Rat zu erteilen und die notwendige Fürsorge zu gewähren, normale Geburten zu leiten, Komplikationen des Geburtsverlaufs rechtzeitig zu erkennen, Neugeborene zu versorgen, den Wochenbettverlauf zu überwachen und eine Dokumentation über den Geburtsverlauf anzufertigen (Ausbildungsziel).“

Derzeit gibt es in Deutschland 58 staatlich anerkannte Hebammenschulen. Die Größe der Schulen ist unterschiedlich (12 – 95 Ausbildungsplätze pro Schule).

Dienst- und Fachaufsicht: Durch das jeweilige Landes-Ministerium für Gesundheit.

In Sachsen, Thüringen und Bayern unterliegt die Hebammenausbildung dem Landesschulgesetz und damit dem Kultusministerium.

Inhalte

Die Ausbildung gliedert sich in einen theoretischen- (1600 Stunden) und einen praktischen (3000 Stunden)Anteil.

In der deutschen HebAPrV finden sich lediglich eine verbindliche Auflistung von Fächern, sowie die Nennung einzelner Praxiseinsatzorte. Nur in Sachsen und Bayern gibt es rechtsverbindliche Lehrpläne. Auch fehlt die im dualen System sonst übliche Aktualisierung der Inhalte der Ausbildung durch eine wissenschaftlich fundierte Berufsanforderungsanalyse.

Träger

Träger der Hebammenschule: überwiegend das Krankenhaus.

Praktischer Teil: Es ist lediglich der Einsatzort Krankenhaus gesetzlich festgelegt.

Der Einsatz in fachspezifischen ambulanten Bereichen ist nicht vorgeschrieben. Von der Mehrheit der Hebammenschulen wird er als sogenanntes Externat (z.B.: in Geburtshäusern) angeboten(zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Die Externatshebammen werden für die Ausbildungsleistung nicht honoriert. Am Praxisort Krankenhaus werden keine verbindlichen Regeln für eine systematische Ausbildung vom Gesetzgeber festgelegt. Es finden sich keine Vorgaben über die Anzahl und Ausbildung von Praxisanleiterinnen oder Mentorinnen. Auch fehlen andere Qualitätsanforderungen, wie zum Beispiel die Anzahl der Anleitungsstunden, Evaluationsprozedere, Dokumentationsanleitung (Zoege 2004).

Europäische Anerkennung

Im europäischen Ausland wird die deutsche Hebammenausbildung nicht nahtlos anerkannt.

Berufsbildungsforschung

Aus Sicht der Gesundheits- und Bildungspolitik ist die Qualität der Hebammenausbildung in Deutschland nicht ausreichend gesichert. (Pehlke-Milde et al. 2005)

Die sich noch in ihren Anfängen befindliche Forschung zeigt große Unterschiede im Hinblick auf die Ausbildungskonditionen und der Qualität der Ausbildung an den einzelnen Hebammenschulen in Deutschland. (Zoege 2004)

Entwicklungsmöglichkeiten

Nach der Ausbildung: Keine anschlussfähigen Bildungsabschlüsse. Durch das Fehlen der allgemeinbildenden Fächer im Stundenplan können also keine weiterführenden Schulabschlüsse erworben werden. Auch fehlen fachspezifische Anschlussmöglichkeiten (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007). Die Absolventinnen die bereits vor der Ausbildung ihr Abitur erhielten haben keine Möglichkeit der akademischen fachspezifischen Weiterbildung. Ein Studium der Hebammenwissenschaft wird in Deutschland nur ein einziges Mal angeboten. Seit dem Wintersemester 2010 existiert an der Hochschule für Gesundheit in Bochum ein grundständiger Studiengang für Hebammenkunde, der mit doppeltem Abschluss - Staatsexamen und Bachelor (evtl. Master) abschließt. Interessierte Hebammen konnten bisher diese Studiengänge nur im Ausland absolvieren, dies führte zu einer Abwanderung von studierten Hebammenwissenschaftlerinnen (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Lehrerin für Hebammenwesen

Zur Zeit gibt es 120 hauptamtlich Lehrende für 2000 Ausbildungsplätze.

Ein Großteil der Lehrerinnen hat zusätzlich zur Hebammenausbildung eine ein-bis zweijährige Weiterbildung im pädagogischen Bereich absolviert. Die Lehrerausbildung auf Hochschulniveau wird vom Gesetz nicht gefordert, doch mittlerweile haben zirka 50% der Lehrerinnen einen akademischen Abschluss erworben.

Die entsprechenden Studiengänge sind meist medizin- oder pflegeorientiert. Von den Betroffenen wird hierbei häufig die fehlende berufsspezifische Ausrichtung bemängelt(zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007). Auf der anderen Seite wird in den Stellenbeschreibungen der Schulen bereits häufig ein abgeschlossenes Studium gewünscht, in der Bezahlung wiederum wird dieses vielmals nicht berücksichtigt(Vgl. zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Die Zukunft der Hebammenausbildung in Deutschland

Für die derzeitige Hebammenausbildung fehlen:

- eine geregelte Beschreibung des Berufsausbildungsbildes

- verbindliche Qualitätsstandards für die theoretische und praktische Ausbildung

- Zuständigkeiten für curriculare Arbeit (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007)

Die heutige pathologisierte aufs Krankenhaus abgestimmte Hebammenausbildung wird dem zeitgemäßen Berufsbild nicht gerecht(Zoege 2004). Das oben bereits beschriebene Hebammengesetz von 1985 setzt daran an, dass die Mehrheit der Hebammen in Kreißsälen von Kliniken im Angestelltenverhältnis arbeiten.

Heute arbeiten Hebammen neben der Geburtshilfe zunehmend auch als Selbständige im ambulanten Bereich.

Sie betreuen Frauen und ihre Familien bereits in der Phase der Familienplanung. Sie begleiten die Frauen im interdisziplinären Dschungel der scheinbar unendlichen Möglichkeiten von Diagnostik und Therapie und zeigen mögliche interventionsfreie Wege für die einzelnen Phasen des Elternwerdens und -seins auf (Pehlke-Milde et al. 2005).

Die Einführung des G-DRG-Systems, welches eine kürzere Verweildauer der Wöchnerinnen in den Kliniken hervorgerufen hat, trägt auch zu dieser Entwicklung bei.

Die hier beschriebene Art der selbständigen Arbeit erfordert:

- ein hohes Maß an Autonomie und individueller Verantwortung und

- eine erhebliche ökonomisch organisatorische Kompetenz (Pehlke-Milde et al. 2005)

Untersuchungen zeigen, dass spezifische, im persönlichen Gespräch vermittelte Informationen, Beratung und Präventionsmaßnahmen, sowie die individuelle Begleitung in den hier relevanten Lebensphasen aus der Nutzerinnenperspektive erwünscht und notwendig sind(zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Es wird also immer wichtiger die Qualität der Hebammenleistungen zu erfassen, zu dokumentieren, zu evaluieren und gegebenenfalls zu verbessern. Die Effizienz von Maßnahmen zur Prävention muss nachgewiesen werden können. Das Anforderungsprofil heutiger Hebammenarbeit erfordert die Kompetenz evidenzbasiert zu entscheiden, zu begründen und zu handeln (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Doch auch die Situation der angestellten Hebammen in Kliniken hat sich verändert. Der medizintechnologische Fortschritt und die Gesundheitsreform, mit der die Rationalisierung der Arbeit und der Arbeitsprozesse einhergehen nehmen großen Einfluss auf die Tätigkeitsfelder der Hebamme.

Eine frauenorientierte Versorgung ist unter diesen veränderten Bedingungen nur sehr schwer zu erfüllen (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Es erscheint an dieser Stelle hervorhebenswert, dass in mittlerweile vier deutschen Entbindungskliniken ein Hebammenkreißsaal geschaffen wurde. Er ist eine geburtshilfliche Abteilung in einem Krankenhaus. Hebammen betreuen hier eigenverantwortlich gesunde Schwangere vor, während und nach der Geburt.

Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich der Bund Deutscher Hebammen bildungspolitisch gemeinsam mit den Physio- und Ergotherapeuten, den Logopäden und den Orthoptisten (AG MTG - Arbeitsgemeinschaft Medizinalfachberufe in der Therapie und Geburtshilfe) mit der bereits beschriebenen Problematik der Sonderstellung der Ausbildungen und fordert eine grundlegende Reform der Ausbildungen mit dem Ziel der Akademisierung derer auf Bachelorniveau (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Zurzeit haben die Auszubildenden zur Hebamme wenig bis gar keinen Kontakt zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ihrer Betreuungsfelder. Wenn es um Qualitätssicherung geht muss dieses aber ein entscheidender Bestandteil der Hebammentätigkeit werden.

Durch die Inhalte, die Struktur und die methodisch-didaktische Vorgehensweise ist hierfür die Hochschule als geeignet anzusehen. Durch die hier erworbene Fähigkeit zur evidenzbasierten Entscheidungsfindung und der damit verbundenen reflektierten Praxiskompetenz könnten die Hebammen den so wichtigen Theorie - Praxis - Transfer leisten und erheblich zur Qualitätssicherung beitragen(zu Sayn-Wittgensteinet al. 2007).Hierfür ist es als nicht ausreichend anzusehen lediglich die Lehrerinnen an Hochschulen auszubilden.

Die systematische Entwicklung von Curricula für die praktische Ausbildung muss als ein Teil der Hochschulausbildung gesehen werden. Es ist sinnvoll möglichst viele verschieden Praxiseinsatzorte einzurichten. Hier ist neben den Krankenhäusern auch an Geburtshäuser, Beratungsstellen etc. zu denken. Hierfür ist es notwendig Qualitätskriterien zu entwickeln.

Der Bologna–Prozess (1999) verfolgt eine europaweite Angleichung der Bildungsstrukturen im Bildungsbereich. Er leitet ein, dass sich Lehrende und Lernende ohne Akzeptanzprobleme in einem einheitlichen europäischen Hochschulraum frei bewegen können ohne dabei einen Zeitverlust zu erleiden (zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007).

Neben der Anhebung der Erstausbildung auf Bachelorniveau machen die veränderten Anforderungen weitere Qualifizierungen auf Masterniveau nötig.

Vor allem in folgenden Bereichen:

- Management (zur Entwicklung von Versorgungskonzepten und die Leitung von geburtshilflichen Abteilungen)

- Pädagogik (für die Ausbildung von Hebammen)

- Forschung(zu Sayn-Wittgenstein et al. 2007)

Die Reform der Hebammenausbildung setzt die Entwicklung eines Kompetenzprofils für Hebammen voraus. Die empirische Grundlagenentwicklung für ein neues Curriculum in der Hebammenausbildung macht sich unter anderem der pädagogische Fachbeirat im BDH zur Aufgabe. Es konnten acht Kompetenzen für die Hebammenausbildung definiert werden. Basierend auf diesem Ergebnis erarbeitet der Fachbeirat fortführend ein modularisiertes Kerncurriculum, welches sowohl für die derzeitige Hebammenausbildung, als auch für die Anhebung der Ausbildung auf Fachhochschulniveau Anwendung finden kann (Hellmers/Kehrbach 2006).

Die Gesundheitsminister der Bundesländer haben auf ihrer Konferenz am 04./05.07.07 in Ulm beschlossen, dass in die Berufsgesetze der Gesundheitsfachberufe eine Öffnungsklausel zur Erprobung neuer Ausbildungsformen aufgenommen werden soll. Das Bundesministerium für Gesundheit ist nun aufgefordert einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten.

Studiengang "Bachelor of Science" in Midwifery / Hebammenkunde

Folgende Entwicklung an der FH Osnabrück stellt eine erste entscheidende Veränderung dar. Ab dem Wintersemester 2008/2009 wird es dort den Studiengang "Bachelor of Sience" in Midwifery / Hebammenkunde" geben. Der Studiengang baut auf die ersten 1,5 Jahre der Hebammenausbildung auf. Nach einem gemeinsamen Lernabschnitt (Hebammenschule und FH) führt dieser Weg zu einem Vollzeitstudium. Die Studienzeit beträgt 6 Semester.

Seit dem Wintersemester 2010 gibt es an der Hochschule für Gesundheit in Bochum den Studiengang Hebammenkunde. Auf der Homepage der FH wird der Studiengang folgendermassen beschrieben:

Zitat: "Der grundständige Studiengang „Hebammenkunde“ integriert zwei berufliche Abschlüsse: durch Bestehen der staatlichen Prüfung im 6. Semester wird die staatliche Anerkennung und somit die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Hebamme“ bzw. „Entbindungspfleger“ erlangt. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums, dem Erstellen einer Bachelor-Arbeit und einem Kolloquium wird der akademische Abschluss "Bachelor of Science" verliehen. Diese doppelte Qualifikation ist in Deutschland bisher einzigartig."

Siehe auch


Literatur

  • Declaration of Bologna (1999): Der Europäische Hochschulraum - Gemeinsame Erklärung der europäischen Bildungsminister. 19.06.1999, Bologna
  • Hellmers, C., Kehrbach, A. (2006): Kompetenzprofil für die deutsche Hebammenausbildung. In: Die Hebamme (2006) 19:262-264.
  • Horschitz, H; Kurtenbach, H. (2003): Hebammengesetz: Gesetz über den Beruf der Hebammenund des Entbindungspflegers vom 4. Juni 1985 mit den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen mit Erläuterungen. 3. Auflage. Hannover: Elwin Staude.
  • Pehlke-Milde, J et al. (2005): Vocational analysis of health care professions as a basis for innovative curricular planning. An analysis and prognosis of the development of the professional competencies of midwives – cornerstone of innovative curricula in tertiary education. Nurse Education Today (2006) 26:183-190
  • Sayn-Wittgenstein, F. zu (2007): Geburtshilfe neu denken. Bericht zur Situation und Zukunft des Hebammenwesens in Deutschland. Bern: Hans Huber.
  • Zoege, M. (2004): Die Professionalisierung des Hebammenberufs. Anforderungen an die Ausbildung. Bern: Hans Huber.

Weblinks