Krankenhaus Moabit

Aus Familienwortschatz
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Das Krankenhaus Moabit ist ein ehemaliges Krankenhaus im Berliner Stadtteil Moabit. Es entstand Ende des 19. Jahrhunderts als Seuchenstation für ganz Berlin und entwickelte sich dann zu einem Schwerpunktkrankenhaus. In den 1920er Jahren war esTätigkeitsort vieler jüdischer Ärzte und das zweitwichtigste Krankenhaus nach der Charité. Nach der "Übernahme" des Krankenhauses durch nationalsozialistische Ärzte und den starken Zerstörungen der Gebäude im Zweiten Weltkrieg verlor das Krankenhaus seinen medizinischen Ruf. Es gab noch umfangreiche Auf- und Umbauten in der Nachkriegszeit – dennoch wurde das Krankenhaus im Zuge von Einsparungsbeschlüssen des Berliner Senats (der zuständigen Landesregierung) im Oktober 2001 gesundsaniert. Ein großes Klinikgelände, gerade frisch renoviert, wurde geschlossen und die 783 Mitarbeiterinnen und -er entlassen. Erstmalig in der Bundesrepublik.

Geschichte

  • 1872–1874: Barackenlazarett als Seuchenstation

Eine dreiköpfige Kommission, darunter der Stadtrat und Arzt Rudolf Virchow, bestimmte Ackerland bei Moabit als Standort für 16 Baracken für je 30 Betten, ein Verwaltungsgebäude, eine Koch- und Waschküche, ein Maschinenhaus, ein Portierhaus, zwei Schuppen und ein Leichenhaus.

Viele Moabiter protestierten gegen die Verlegung von hunderten Cholera-, Pocken- oder Typhuskranken in ihren Stadttteil.

Die offizielle Eröffnung fand am 7. Mai 1872 statt. Auch eine Kinderstation wurde in den Moabiter Baracken eingerichtet. Bis Oktober 72 wurden 144 Kinder versorgt und erst im Herbst, beim Auftreten einer Typhusepidemie, die ersten Erwachsenen eingeliefert. Fleckfieber- und Choleraerkrankungen trugen zu den 2.288 Kranken bei, die bis zum Oktober 1874 behandelt wurden. Danach öffnete das Städtische allgemeine Krankenhaus Friedrichshain und das Provisorium Moabit wurde wieder geschlossen.

  • 1875–1932: Krankenhaus

Seinen ursprünglichen Zweck erfüllte das Krankenhaus bei der großen Berliner Fleckfieberepidemie, die von Januar bis in den Sommer 1879 hinein andauerte.

Die weitere Nutzung veränderte auch den Charakter der Anlage. Solide Backsteinbauten ersetzten bis 1896 nach und nach die provisorischen Gebäude. Dazu kamen unter anderem noch ein Stall für Versuchstiere und fünf neue Baracken an der Nordseite des Geländes, so dass sich die Gesamtzahl der Baracken auf 29 erhöhte – die Baracken Nummer 30 bis 34 entstanden um 1895. Von der Küche mit den Wirtschaftsräumen aus wurden Schienenstränge entlang der freistehenden Baracken gelegt, so dass die Speisen „in einem Wagen bis vor die Thür geschoben werden“ konnten.[1]

730 Betten, vier Assistenzärzte und 43 „Wärter“ zählte das Krankenhaus 1886.

Robert Koch experimentierte in den 1880er Jahren zur Desinfektion und Sterilisation mit den zwei Hitzedesinfektionsapparaten des Krankenhauses. Um 1890 wurden ihm fünf Baracken mit 150 Betten zur Verfügung gestellt, in denen er Versuche mit Tuberkulin zur Tuberkulosebehandlung durchführte. Mit der Eröffnung einer chirurgischen Abteilung im April des selben Jahres konnten neben den äußeren auch innere Erkrankungen behandelt werden. Operationssäle besaß das Krankenhaus zu dieser Zeit noch nicht. Erst nach dreijähriger Bauzeit wurde am 25. Juli 1896 ein massives Operationshaus in Betrieb genommen – inklusive getrennter Warteräume für Frauen und Männer.

  • 1904: Krankenpflegeschule

Um die ungelernten Wärter des Krankenhauses ablösen zu können, wurde 1904 die erste städtische Krankenpflegeschule Berlins gegründet.

  • 1932–1945: Unter den Nationalsozialisten

„Jüdische Ärzte beurlaubt, Stadtmedizinalrat Pg. Dr. Klein räumt im Krankenhaus Moabit auf.“ titelte die Zeitung Völkischer Beobachter am 21. März 1933. Da rund 70 Prozent der Ärzte jüdischen Glaubens waren und zehn Prozent des Pflegepersonals gewerkschaftlich organisiert, galt das Krankenhaus als „rot und jüdisch“. In dem Artikel hieß es, die Ärzte seien „mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden“ und Mitarbeitern, die „entweder Juden bzw. Ausländer oder Angehörige der marxistischen Parteien sind“, sei „das Betreten des Krankenhauses verboten worden“.

Die dann neu eingesetzten NSDAP-nahen Ärzte konnten mit der Qualität ihrer Vorgänger nicht mithalten. Ein militärischer und überheblicher Ton hielt Einzug in das Krankenhaus.

Wie von den neu errichteten Erbgesundheitsgerichten angeordnet, erfolgten auch im Krankenhaus Moabit Zwangssterilisationen.

  • 1945–1985: Wiederaufbau in der Nachkriegszeit

Von den 1.850 Betten, die vor dem Zweiten Weltkrieg zur Verfügung standen, waren nach Kriegsende nur noch 340 nutzbar. Erst nach 1950 mussten die Patienten keine eigene Bettwäsche mehr mitbringen.

Bereits 1985 hatte der Berliner Senat erste Schließungsabsichten verkündet. Die ebenfalls betroffenen Krankenhäuser Lazarus und Paul-Gerhardt-Stift zogen daher von Wedding nach Moabit und gründeten mit dem städtischen Krankenhaus am 18. Dezember 1986 die Krankenhaus Moabit GbR. Dieser städtisch-diakonische Verbund wurde 1997 in eine gemeinnützige Gesellschaft, die Krankenhaus Moabit gGmbH, umgewandelt.

Von 695 Betten, 1.256 Beschäftigten und 21.886 behandelten Patienten sprach die Statistik dieses Kalenderjahres.

  • nach 2001: Heutige Nutzung

Die Bewirtschaftung des Geländes ging am 1. Januar 2004 an die Berliner Immobilienmanagement GmbH über, welche dort seitdem das Gesundheits- und Sozialzentrum Moabit aufbaut. Einige der Gebäude sind als Arztpraxen, Außenstellen anderer Krankenhäuser oder an verschiedene Organisationen wie die Diakonie vermietet. Des Weiteren befinden sich eine Rehabilitationsklinik, die Median Klinik und ein Altenpflegeheim, dasPflegewerk Seniorencentrum Abendstern auf dem Gelände.

Bekannte Ärzte

Am Krankenhaus waren als Ärzte u. a. tätig:

Literatur

  • Manfred Stürzbecher: 125 Jahre Krankenhaus Moabit. 1872–1997. Weidler, Berlin, 1997. ISBN 3-89693-105-9
  • Bernd Hildbrandt (Hrsg.): Unser Krankenhaus Moabit ist 125 Jahre alt. Historisches Kaleidoskop von der Gründung bis heute. Weidler, Berlin, 1997. ISBN 3-89693-110-5
  • Christian Pross: Das Krankenhaus Moabit 1920 1933 1945. In: Christian Pross, Rolf Winau (Hrsg.): nicht mißhandeln. S. 109 ff., Edition Hentrich, Berlin. 1984. ISBN 3-88725-109-1
  • Manfred Stürzbecher: Städtisches Krankenhaus Moabit. Festschrift zum 100jährigen Bestehen. Bezirksamt Tiergarten von Berlin, Berlin, 1972.

Anmerkungen, Einzelnachweise für Zitate

  1. Meyers Konversationslexikon, Band 10, 1888, S. 149

Weblinks

  • Krankenhaus Moabit - Artikel bei Wikipedia (Dort in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen)
  • Thomas Loy: Klinisch tot. In: Der Tagesspiegel vom 27. Januar 2002 (Kommentar zur Schließung des Krankenhauses).


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Kurze Zusammenfassung des Artikels bei Wikipedia, Stand 31.12.2008