Literaturarbeit:Clinical Pathways - Implementierung eines interdisziplinären Versorgungspfades in den deutschen Krankenhausalltag

Aus Familienwortschatz
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Literaturarbeit: "Clinical Pathways - Implementierung eines interdisziplinären Versorgungspfades in den deutschen Krankenhausalltag" von Matthias Menne, 2003

Da Literaturarbeiten abgeschlossene Arbeiten der jeweiligen Autoren sind, können Sie diese Seiten nicht bearbeiten!

Für Anregungen und Meinungen nutzen Sie bitte die Diskussionsseite.


Einleitung

Themeneinführung

Aufgrund veränderter Wettbewerbsbedingungen, steigenden Kostendrucks und höherer Qualitätsanforderungen hat in deutschen Krankenhäusern schon seit einigen Jahren ein Umdenken von der funktionsorientierten hin zu einer prozeßorientierten Sichtweise des Unternehmens Krankenhaus begonnen (Greiling, Hofstetter, 2002). Mit der Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems in Form der G-DRGs (German – Diagnosis – Related – Groups) wird nochmals neuer Schwung in diese Entwicklung kommen. Aufgabe der Krankenhäuser wird es in Zukunft sein, die Verweildauer, die Kosten und die Verwaltungs- und Dokumentationsarbeit zu senken, und gleichzeitig sowohl die Versorgungs- und Behandlungsqualität als auch die Mitarbeiter-, Patienten- und Angehörigenzufriedenheit zu steigern. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden muss eine entsprechende Steuerungsmethode gefunden werden. Hier bieten sich Clinical Pathways (interdisziplinäre Versorgungspfade) an. Diese enthalten alle Maßnahmen und Untersuchungen, die bei einer bestimmten Erkrankung standardmäßig vom Tag der Aufnahme bis zur Entlassung durchgeführt werden, wobei die Individualität des Patienten nicht auf der Strecke bleiben soll. Der Unterschied zu den in Deutschland derzeit bekannten Behandlungsplänen ist der berufsgruppenübergreifende Ansatz (Peters, 2001). Clinical Pathways entstehen in interdisziplinären Projektgruppen, die nicht nur mit Pflegenden und Medizinern besetzt sind, sondern denen Vertreter aller an der Behandlung einer bestimmten Diagnose beteiligten Disziplinen, wie z.B. Verwaltung, sozialer Dienst oder Physiotherapie, angehören sollten. Ziel der entwickelten Ablaufpfade soll es sein, die Behandlungsprozesse zu optimieren und die medizinisch-pflegerische Versorgung für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar zu machen. Ihren Ursprung haben die Versorgungspfade in den USA, wo die Gesundheitseinrichtungen in den achtziger Jahren aufgrund von sinkenden Gewinnen und immer weiter steigenden Kosten begonnen haben, die Prozesse der gesundheitlichen Versorgung zu analysieren (Dykes, Wheeler, 2002). Hierbei war das New England Medical Center das erste Unternehmen, welches „Critical Pathways“ entwickelt hat. Mittlerweile werden interdisziplinäre Versorgungspfade in DRG - erfahrenen Ländern, wie zum Beispiel den USA und Großbritannien, eingesetzt (Kellnhauser et al., 2002).

Themenwahl

Geleitet wurde die Themenwahl durch die Annahme, dass aufgrund politischer und betriebswirtschaftlicher Veränderungen, deutsche Krankenhäuser in Zukunft weiter dazu angehalten sein werden, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit zu steigern, um am Markt zu bestehen. Daher wird es wichtig sein, Krankenhausinterne Prozesse berufsgruppenübergreifend zu analysieren und zu optimieren. Bei der hierfür offensichtlich sinnvollen Verwendung von Clinical Pathways stellt sich jedoch aus pflegerischer Sicht die Frage, in wieweit Pflege in die Erstellung, den Aufbau und die Implementierung solcher interdisziplinären Versorgungspfade einbezogen wird, welche Position sie einnimmt und welche Chancen sich der Pflege durch dieses neue Arbeitssystem bieten werden. Gerade die Implementierung wird von entscheidender Bedeutung sein, da es gilt die Mitarbeiter von einem völlig neuen Konzept, einer neuen Arbeitsstruktur und einem neuen Miteinander unter den einzelnen Disziplinen zu überzeugen, um somit einen erfolgreichen Einsatz in der Praxis zu garantieren. Es ist zu überlegen, wie hierbei sinnvoll vorgegangen werden kann, wie mögliche Risiken bei der Einführung frühzeitig erkannt und minimiert werden können und wie ein langfristiger Erfolg durch eine regelmäßige Evaluation und Schwachstellenanalyse sichergestellt werden kann. Mit dieser Arbeit, soll aufbauend auf eine kurze Beschreibung der Ziele, der Erstellung und der Struktur dargestellt werden, wie die Implementierung von Clinical Pathways in der deutschen Literatur beschrieben und diskutiert wird, und welche Rolle Pflege dabei spielt.


Methodisches Vorgehen

In einem ersten Schritt war es möglich Frau Prof. Hellige (evangelische Fachhochschule Hannover) per Email zu kontaktieren. Sie unterrichtet im Studiengang Pflegemanagement unter anderem den Lernbereich „Pathways“, und beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Thematik Clinical Pathways. Im Rahmen dieser Arbeit stand mir Frau Prof. Hellige hinsichtlich der Literaturauswahl freundlicherweise kooperativ und beratend zur Seite. Bei einem Besuch an der Fachhochschule Hannover konnten weitere inhaltliche Fragen in einem persönlichen Gespräch bearbeitet werden. Aus dieser Kooperation stammen 6 Artikel, die für diese Arbeit verwendet wurden. Die Literaturrecherche über Datenbanken erfolgte zuerst über das deutschsprachige Angebot „CareLit“ unter Verwendung der Schlagwörter: Pflege + Clinical Pathways + Critical Pathways + Interdisziplinäre Versorgungspfade + Implementierung Es war auffällig, dass die Suche mit diesen Begriffen in unterschiedlichsten Kombinationen 0 Treffer ergab. Daraufhin erfolgte über das Internetangebot www.MedPilot.de eine weitere Recherche mit den oben genannten Schlagwörtern in den Datenbanken Medline, CCMed und CancerLit. Bei dieser Suche wurde sehr viel englischsprachige Literatur gefunden, aber lediglich 6 aus Deutschland stammende Beiträge. Von diesen konnten 2 Artikel für die vorliegende Arbeit verwendet werden. Des Weiteren konnten über die Internetadresse www.bibliomed.de mit Zugang zu den Archiven der Fachzeitschriften „Die Schwester/Der Pfleger“ und „Führen & Wirtschaften“ 3 weitere Artikel gefunden werden. Texte aus dem Bereich Pflegemanagement wurden verwendet, da diese nicht nur umfassend die Notwendigkeit von interdiszipinären Versorgungspfaden beschreiben, sondern auch ansatzweise auf Inhalte der Pfade, speziell in Hinblick auf die Erstellung und die Implementierung, eingehen. In einem letzten Schritt wurden Monographien ausgewählt. Da die Thematik Clinical Pathways noch nicht lange in Deutschland diskutiert wird, gibt es auch noch nicht viele deutschsprachige Veröffentlichungen in diesem Bereich. Für diese Arbeit konnten 3 Bücher verwendet werden.

Insgesamt wurden für diese Arbeit 11 Artikel und 3 Bücher verwendet. Bis auf zwei Bücher, die aus dem englischen ins deutsche übersetzt sind, wurde aufgrund der Fragestellung, die sich ausschließlich auf den deutschen Krankenpflegealltag bezieht, auf die Verwendung englischsprachiger Literatur bewusst verzichtet. Diese beiden Bücher wurden verwendet, um Inhalte, die in der deutschen Literatur nur angerissen werden, intensiver zu behandeln, und die Inhalte deutscher und internationaler Literatur zu vergleichen.


Definition Clinical Pathways / Critical Pathways

In der deutschsprachigen Literatur werden diese Begriffe gleichermaßen verwendet bei gleicher inhaltlicher Bedeutung. Auch die Definitionen weichen kaum voneinander ab. Für diese Arbeit wurde die Definition nach Kellnhauser (2003) gewählt. Klinischer Behandlungspfad (Critical Pathways) oder kriterienorientierte Durchleitung heißt: Jeder Patient wird auf der Basis der ihm zugeordneten DRG durch die in dieser DRG zur Verfügung stehenden Aufenthaltstage (Verweildauer) durchgeleitet. Kriterienorientiert durchgeleitet heißt: Es besteht ein standardisierter Behandlungsplan, der bestimmte durchzuführende Untersuchungen / Behandlungen (Kriterien) an den einzelnen Verweiltagen in jeder DRG für alle Fachdisziplinen festlegt. Demnach handelt es sich bei einem interdisziplinären Behandlungspfad, je nach Krankheitsbild, um die Beteiligung mehrerer Fachdisziplinen, z.B. Pflege, Medizin, Krankengymnastik, Logopädie, Sozialarbeit u. a.


Ziele von Clinical Pathways

Durch die Einführung von interdisziplinären Versorgungspfaden sollen Patienten durch die für ihre Diagnose vorgesehene Verweildauer im Krankenhaus geleitet werden. Die hiermit verfolgten Ziele, werden in der Literatur übereinstimmend beschrieben. Die Steigerung der Patienten - und Angehörigenzufriedenheit: Dieses Ziel soll zum Beispiel durch die optimierten, transparenten und klar definierten Behandlungsprozesse erreicht werden. Der Patient und seine Angehörigen sollen so stets über den Stand der Behandlung und die weitere Vorgehensweise, informiert sein. Die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit: Dies kann zum Beispiel durch die transparente Aufgabenverteilung und die klare Festlegung von Verantwortlichkeiten im Rahmen des Versorgungspfades erreicht werden. Die gute Kenntnis der Mitarbeiter über den Behandlungsverlauf durch klar definierte Abläufe kann ein weiterer Faktor zum erreichen dieses Ziels sein. Die Verringerung der Behandlungskosten: Dieses Ziel soll primär durch die Optimierung des Behandlungsprozesses und einer damit einhergehenden Reduktion der Verweildauer erreicht werden. Hierzu sollen des Weiteren alle unnötigen Tests, Therapien und Doppeluntersuchungen vermieden werden, wobei trotzdem eine qualitativ anspruchsvolle Behandlung kostengünstig gewährleistet wird. Grundgedanke, um das Ziel der Qualitätssteigerung trotz Kostensenkung zu erreichen, ist die Ansicht des Qualitätsmanagements, dass sich durch das reine Senken von Kosten die Qualität verschlechtert, dass aber im umgekehrten Sinn durch die Erhöhung der Qualität die Kosten gesenkt werden. Bollmann et al. (2002) schlagen für den Begriff Qualität in Bezug auf das Thema Kostensenkung folgende Definition vor: „Qualität ist eine möglichst maximale interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit für den Patienten. Alle Behandlungsschritte sollen evident, für den Patient transparent und geplant sein. Das Behandlungsziel steht im Mittelpunkt und ist für den Patienten und seine Angehörigen verständlich.“


Erstellung und Aufbau von Clinical Pathways

Die Erstellung

Clinical Pathways werden in moderierten, multidisziplinären Projektgruppen, die aus Vertretern aller an der Behandlung der ausgewählten Diagnose beteiligten Disziplinen bestehen, entwickelt (Peters, 2001; Rupp et al., 2000). Bei der ersten Ausarbeitung eines Behandlungspfades empfiehlt die Literatur zuerst eine unkomplizierte, aber häufig vorkommende Diagnose zu wählen, da das entstandene Grundraster mit zunehmender Erfahrung im praktischen Einsatz auf kompliziertere Diagnosen übertragen und erweitert werden kann (Kellnhauser et al., 2003). In einem ersten Schritt zur Entwicklung von Clinical Pathways muss eine Ist-Analyse vorgenommen werden. Diese sollte eine Analyse der Fachliteratur zur Diagnose (z.B. Standardpflegepläne), der hausinternen Standards und der Patientendokumentationen beinhalten (Kellnhauser et al., 2003). Je nach Verfügbarkeit sollte bei der Analyse auf evidenzbasierte wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden (Wuttke, 2002). Generell wird es in Zukunft eine wichtige Aufgabe der pflegerischen Qualitätssicherung sein, einen pflegewissenschaftlich relevanten Input sicherzustellen. (Dahlgaard, 2002). Bezüglich der Dokumentationsanalyse empfiehlt Peters (2001) 5 bis 30 Akten mit einer durchschnittlichen Verweildauer, 20 bis 40 bis Akten die ein bis zwei Tage über der durchschnittlichen Verweildauer liegen, und 20 bis 40 Patientenakten, die ein bis zwei Tage unter der durchschnittlichen Verweildauer liegen anzuschauen. Ziel dieser Analyse ist es zum einen den derzeit üblichen Standard herauszuarbeiten und zum anderen Schwachstellen zu ermitteln. Es gilt diese nach Erstellung einer Schwachstellenstatistik aufzuarbeiten (Kellnhauser et al., 2002). Hierbei sollten alle Behandlungen und Interventionen unvoreingenommen und kritisch durchleuchtet und neu überdacht werden. Anmerkung: Auf die Kategorisierung einer Schwachstellenstatistik wird in Punkt 6.3.1 genauer eingegangen. In einem nächsten Schritt werden vom multidisziplinären Team in einer Reihe von Gruppensitzungen die Behandlungsziele festgelegt. Aufgrund dieser werden wiederum in weiteren Teamsitzungen die einzelnen Behandlungs- schritte, wie Aufnahme, Diagnostik, Therapie, Patientenaufklärung, Ernährung, Mobilisation und Entlassung definiert (Söffge, 2002). Diese Behandlungsschritte müssen so optimiert sein, dass eine möglichst reibungslose Implementierung in den Stationsalltag gewährleistet ist. Söffge (2002) empfiehlt bei der Erstellung von Versorgungspfaden neben der Version „Arzt/Pflege“, auch eine Version „Patient“ zu erstellen. Diese ist eine Übersetzung der medizinisch – pflegerischen Variante in laienverständliche Sprache. Der Patient erhält seinen Behandlungsplan am Tag der Aufnahme, so dass er direkt einen Überblick hat über das was ihn in den nächsten Tagen erwartet. Somit ist der Patient von Anfang an in den Behandlungsablauf integriert, was sich wiederum positiv auf die Patientenzufriedenheit auswirkt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Aussagen in der deutschen Literatur hinsichtlich der Erstellung eines interdisziplinären Versorgungspfads offensichtlich an die internationalen Veröffentlichungen (z.B. Dykes et al. 2002) angelehnt sind und nur geringfügig voneinander abweichen.


Der Aufbau aus pflegerischer Sicht

In einem interdisziplinären Versorgungspfad sind alle Behandlungs-, Pflege- und Verwaltungsprozesse bezüglich einer speziellen Diagnose für jeden Tag der geplanten Verweildauer definiert. Das hat den Vorteil, dass alle an der Behandlung beteiligten Disziplinen einen Überblick über die zu erreichenden Ziele haben, und gleichzeitig erkennen, was bis dato geschehen ist und was noch geschehen wird (Bollmann, Beck, 2002). Wie die Behandlungspläne speziell aus pflegerischer Sicht aufgebaut sind, wird in der deutschen Literatur nur ansatzweise bzw. gar nicht dargestellt. Lediglich Kellnhauser (2003) beschreibt im Rahmen eines Pilotprojekts zur Einführung eines interdisziplinären Behandlungspfads für die Diagnose Laparoskopische Cholecystektomie (Gallenblasen – Operation) am Klinikum Augsburg, wie ein pflegerischer Behandlungsplan aufgebaut sein kann. Dieses Projekt fand im Jahr 2001 im Hinblick auf die Einführung der DRGs statt. Man ist hier von einer Verweildauer von 5 Tagen ausgegangen: Dem Aufnahmetag, dem OP-Tag (aufgeteilt in prä- und postoperativ), 2 postoperative Tage und dem Entlassungstag. Für jeden Tag wurde ein standardisierter pflegerischer Behandlungsplan entwickelt. Als Grundlage diente die Analyse eines Standardpflegeplans zu dieser Diagnose. Zur Erstellung wurden vorhandene Dokumentationsformulare und hausinterne Standards verwendet, sowie die PPR-Items berücksichtigt. Der jeweilige Behandlungsplan bestand aus einer Vorder- und einer Rückseite, und baute auf das klassiche Muster Pflegebedürfnisse, Pflegeziele, Pflegemaßnahmen auf. Hinzu kamen die Spalten PPR-Kürzel, Schichtzuordnung, Uhrzeit, Handzeichen und Pflegeziel erreicht? => ja oder nein. Wurde bei letzterem Punkt angekreuzt, dass das Ziel nicht erreicht wurde, musste dies in einer dafür vorhandenen Berichtspalte schriftlich begründet werden. Somit wurden die Dokumentation der Abweichungen und die Anpassung an individuelle Bedürfnisse sichergestellt.

Anmerkung: Für die Überwachungsdokumentation am postoperativen Tag wurden spezielle Spalten in den Plan eingearbeitet.

Inhalte am Beispiel des Aufnahmetags: In diesem Plan spielen die Leistungsbereiche Ernährung (Kostumstellung, Flüssigkeitsaufnahme) und Ausscheidung (präoperative Darmentleerung) eine Rolle. Um auch möglichen Ängsten und Unsicherheiten des Patienten zu entsprechen wurde das Bedürfnis nach Kommunikation hinzugenommen. Mit dem Beginn der Entlassungsplanung am Aufnahmetag soll das Ziel der Verweildauerreduktion erreicht werden. Abschließend wurde das Bedürfnis Schlaf in den pflegerischen Plan aufgenommen, da diese Ruhe in der präoperativen Phase ist.

Insgesamt belegen die Pläne eine theoriegeleitete Vorgehensweise basierend auf der Pflegetheorie von Roper et al. und somit auf den ATLs (Aktivitäten des täglichen Lebens). Auf eine Auflistung der eigenen Fähigkeiten des Patienten wurde bewusst verzichtet, um die Pläne nicht unnötig zu expandieren. Außerdem wurden diese als selbstverständlich vorausgesetzt. Der medizinische Behandlungsplan wurde parallel entwickelt, und enthielt sowohl alle ärztlichen Tätigkeiten, als auch alle ärztlichen Anordnungen. Der pflegerische und der medizinische Plan wurden in einem interdisziplinären Fachseminar kombiniert, und erschienen fortan auf einem Formular. Nach Evaluation des praktischen Einsatzes wurde festgehalten, dass durch diesen Aufbau eine deutlich verbesserte Dokumentation und eine Nachvollziehbarkeit pflegerischer Leistungen erreicht wurden. Des Weiteren konnte über die Spalte Pflegeziel erreicht? ja/nein der Erfolg pflegerischer Maßnahmen nachgewiesen und gleichzeitig deren Qualität gemessen und geprüft werden. Aus Sicht der Pflegenden wurde die zeitsparende Dokumentationsweise und der Überblick über die Entwicklung des Patientenzustands als hilfreich angesehen. Die Zusammenführung des medizinischen und des pflegerischen Behandlungsplans hat in beiden Disziplinen zeitliche Ressourcen freigesetzt. Außerdem war eine bessere Zusammenarbeit der beiden Berufsgruppen erkennbar. Bemerkung: Aufgrund des Pilotcharakters dieses Projekts haben lediglich zwei Disziplinen, nämlich Pflege und Medizin, an der Durchführung teilgenommen. Ein Beispiel für einen standardisierten Behandlungsplan befindet sich im Anhang (siehe Seite 29)


Implementierung von Clinical Pathways

Die Risikoerkennung

Nach der theoretischen Entwicklung eines interdiziplinären Versorgungs-pfades gilt es diesen sorgfältig und erfolgreich im praktischen Arbeitsalltag einzuführen, denn was nützt das beste theoretische Konzept, wenn man es nicht erfolgreich in die Praxis implementiert? Dieser Schritt birgt viele Risiken, die im Vorhinein bedacht, erkannt und vermieden bzw. minimiert werden müssen. Vom Nürnberger HealthUpdate Kongress 2003 wurde berichtet, dass die Umsetzung auf den Stationen in vielen deutschen Krankenhäusern an der heftigen Gegenwehr der Mitarbeiter gescheitert ist, da diese nicht bereit waren sich von traditionellen Arbeitsabläufen zu lösen. Johnson et al. (2002) empfehlen die Erstellung einer strukturierten, aus Fragen bestehenden Checkliste, mit der vorhandene oder mögliche Risikobereiche erkannt werden können. Diese Checkliste sollte in drei große Bereiche unterteilt werden, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

1. Das Umfeld des Projekts Hier wird das Projekt hinsichtlich der Integration, des administrativen Umfelds, der Ziele, des Umfangs und des Nutzens hinterfragt. Es sollten Fragen formuliert werden, wie zum Beispiel: a) Gibt es eine Äußerung des Unternehmens/Krankenhauses, die klar die Aufgabe des Projekts benennt und die Ziele, zu denen es Hilfestellung geben soll? b) Sind alle Mitarbeiter bereit, durch die Analyse von Varianzen, eine Bewertung seitens der Kollegen und eine klinische Qualitätskontrolle die Versorgung zu verbessern? c) Ist der Umfang des Projekts deutlich größer als andere Projekte, die das Krankenhaus in der Vergangenheit angepackt hat? d) Gibt es eindeutige Ziele des Projekts, so dass seine Ergebnisse gemessen werden können? e) Sind der Nutzen und die Erfolgskriterien gut durchdacht worden und wurde diesbezüglich eine Übereinkunft erzielt?

2. Planung des Projekts Unter diesem Punkt der Checkliste werden die Methode und Vorgehensweise, die Einschätzung und die Detailplanung des Projekts diskutiert. Es sollten Fragen gestellt werden, wie zum Beispiel: a) Ist der Umfang des interdisziplinären Versorgungspfades so strukturiert, dass er mit den Aktivitäten des Teams auf Stationsebene kompatibel ist? b) Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten für alle wichtigen, am Prozess Beteiligten klar definiert? c) Gibt es einen klar definierten Projektplan für den interdiziplinären Versorgungspfad? d) Wurden kurzfristige Termine festgelegt, um die Eigendynamik des Prozesses zu bewahren, und sind diese Zeitvorstellungen realistisch und erfüllbar? 3. Struktur des Projektmanagements In diesem Teil geht es um die Richtung, die Durchführung, die Kontrolle und das Management des Projekts. Außerdem sollten hier das Management von Veränderungen, das Qualitätsmanagement und die Akzeptanz innerhalb der Einrichtung bedacht werden. Fragen in der Checkliste können wie folgt lauten: a) Gibt es einen eindeutig definierten Leiter des Projekts, und gewährt er dem Projekt seine volle Unterstützung? b) Gibt es einen Koordinator, der fähig und erfahren genug ist das Projekt effektiv durchzuführen? c) Ist eindeutig an welchem Punkt sich das Projekt zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet, und gibt es Kontroll- und Feedbackmechanismen um wichtige Personen auf dem Laufenden zu halten und Probleme rasch zu lösen? d) Gibt es formelle Verfahrensweisen, um Fragen und Probleme in diesem Projekt zu lösen, und sind diese effektiv? e) Gibt es Qualitätsvorgaben oder Standards für die Dinge, die durch den interdisziplinären Versorgungspfad erreicht werden sollen, und sind die Überprüfung und Einschätzung dieser in die Planung eingebunden? f) Wird das Projekt von den klinischen Fachkräften und dem Management verstanden und gebilligt? g) Sind die Mitarbeiter bereit, die notwendigen Veränderungen für eine erfolgreiche Implementierung durchzuführen, und sehen sie die Notwendigkeit von Informationen und Training hinsichtlich ihres Umfangs ein?

Nach Abschluss der Checkliste können die Risiken hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens und der negativen Folgen für das Projekt analysiert werden, so dass Strategien zur Verhinderung der Risiken bzw. zur Minimierung der schädlichen Auswirkungen auf das Projekt entwickelt werden können. Des Weiteren sollte laut Johnson et al. (2002) ein so genannter Eventualplan erstellt werden, der die Maßnahmen enthält, die zum Einsatz kommen müssen, wenn ein Risiko unerwartet doch eintritt. Auch wenn in diesem Fall nicht alle negativen Folgen ausgeschaltet werden könnten, würde dieser Plan jedoch gewährleisten, dass der interdisziplinäre Versorgungspfad wieder auf seinen normalen Weg gebracht werden würde. Es empfiehlt sich das Risikomanagement über die gesamte Dauer des Projekts fortzuführen, um die Chance auf einen Erfolg der Implementierung des Versorgungspfades zu erhöhen.


Die Einführung

Die erfolgreiche Umsetzung und effektive Weiterführung von Clinical Pathways erfordert die aktive Mitarbeit aller beteiligten Disziplin (Kellnhauser et al., 2003), wobei hauseigen erarbeitete Versorgungspfade die höchste Akzeptanz erfahren (Bollmann et al., 2002). Grundlage der aktiven Beteiligung aller Mitarbeiter ist eine umfassende Schulung in Hinblick auf den Umgang und den Nutzen von Clinical Pathways. Diese Schulungen sollten in den jeweiligen Disziplinen stattfinden und von einem Angehörigen dieser Berufsgruppe durchgeführt werden (Dykes et al., 2002; Kellnhauser et al., 2003). Der Aufwand, der durch diese Schulungen entsteht, kann nicht zum Nulltarif geleistet werden. Vielmehr bedarf es bei der Einführung eines solchen Arbeitssystems der ideellen und finanziellen Unterstützung der hierfür verantwortlichen Personen. In dem, in Punkt 4.2 erwähnten, Pilotprojekt am Klinikum Augsburg wurden im Rahmen der Schulung der Pflegenden folgende Themen behandelt:

  • Erläuterung von Spezialbegriffen
  • Darstellung des gesetzlichen Hintergrundes
  • Auswirkungen des DRG-Systems auf den Krankenhausbetrieb
  • Aufgaben und Vorteile der Pflege in diesem Vergütungssystem
  • Vorstellung des erarbeiteten Behandlungspfades
  • Durchspielung des Behandlungspfades unter Einsatz der einzelnen Behandlungspläne und der Nutzung der bestehenden Formulare
  • Diskussion über Nutzen und Bedenkenswertes dieser Arbeitsweise

Anmerkung: Auf gleiche Weise wurde der Behandlungspfad in diesem Projekt dem ärztlichen Dienst vorgestellt.

Sind die Mitarbeiter umfassend geschult und über die Benutzung des Behandlungspfades unterrichtet, steht der Einführung in den praktischen Arbeitsalltag nichts mehr im Wege. Der Behandlungspfad wird in die Dokumentation geheftet und alle Leistungen werden fortan von allen beteiligten Disziplinen auf diesem dokumentiert, wodurch jeder einen Überblick darüber hat, welche Behandlungen, Untersuchungen etc. bis dato durchgeführt wurden und welche in den folgenden Tagen bis zur Entlassung noch folgen werden. Der Pfad gilt hierbei als Standard, von dem nur mit schriftlicher Begründung abgewichen werden darf (Peters, 2001; Bollmann et al. 2002). Es bietet sich an, zuerst nur einen Behandlungspfad in Form eines Probelaufs auf ausgewählten Stationen einzusetzen. Dies hat den Vorteil, dass der Nutzen und die Handhabung des Plans nach Beendigung des Probelaufs besser ausgewertet und notwendige Veränderungen herbeigeführt werden können. Des Weiteren wird so den Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, sich mit dem neuen Konzept vertraut zu machen und sich den Veränderungen kontrolliert anzupassen (Dykes et al., 2002; Kellnhauser et al., 2003). Der Start des Probelaufs sollte als ein besonderer Termin hervorgehoben werden, so dass sich die Mitarbeiter über die Bedeutung dieses Projekts bewusst sind. Es ist außerdem wichtig, dass eine Person, die mit der Pilotstation, dem Behandlungspfad und den möglicherweise damit verbundenen Problemen vertraut ist, für die Überwachung der Implementierung bestimmt wird (z.B. Pflegefachkraft). Diese Person nimmt auch eine beratende Funktion ein, indem sie als Ansprechpartner für die Mitarbeiter fungiert, um mögliche Fragen hinsichtlich des Umgangs mit dem Behandlungspfad direkt vor Ort zu klären. Nicht beantwortete Fragen können dazu führen, dass der Versorgungspfad nicht wie vorgesehen verwendet wird und möglicherweise als Belastung angesehen wird. Um solchen Gefahren entgegenzuwirken, empfiehlt es sich außerdem in regelmäßig stattfindenden Besprechungen sowohl positives als auch negatives Feedback der Mitarbeiter einzuholen. Dieses sollte den richtigen und falschen Umgang mit dem Behandlungspfad zum Inhalt haben. Werden zum Beispiel von mehreren Mitarbeitern ähnliche Fehler gemacht, können diese in der Gruppe analysiert werden. Unterlaufen hingegen nur einzelnen Mitarbeitern Fehler können diese in Zwiegesprächen diskutiert werden und Strategien zur Vermeidung vorgeschlagen werden. Ein regelmäßiges und konsistentes Feedback, als Kritik wie auch als Bestätigung, ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Implementierung der interdisziplinären Versorgungspfade (Dykes et al., 2002). Des Weiteren scheint es wichtig, die Mitarbeiter zu ermutigen, den Versorgungspfad in ihre Alltagsarbeit zu integrieren, indem sie mit ihm zum Beispiel Übergaben und interdisziplinäre Fallbesprechungen organisieren. Hierdurch soll den Mitarbeitern bewusst werden, dass es sich um ein strukturiertes, interdisziplinäres Instrument handelt, das auf die Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet ist. Die Zeitspanne der Implementierung ist von Institution zu Institution unterschiedlich, sollte aber circa ein Vierteljahr umfassen. Im Klinikum Augsburg wurde der erste Probelauf des Behandlungspfades zur Diagnose Laparoskopische Cholecystektomie (Gallenblasen – Operation) auf 2 ausgewählten Stationen durchgeführt und dauerte 3,5 Monate. Nach der folgenden Auswertung der Handhabung der Behandlungspläne und der Anpassung aufgezeigter Problembereiche wurde ein zweiter Probelauf, über einen Zeitraum von 6 Wochen gestartet – diesmal auf 4 Stationen. Nach Evaluation dieses Einsatzes konnte der Behandlungspfad in die Praxis übernommen werden. Bei der ersten Implementierung gesammelte Erfahrungen können in Zukunft bei der Einführung weiterer interdisziplinärer Versorgungspfade eingesetzt werden.

Anmerkung - Verantwortung für die Umsetzung: In den USA stellen Clinical Pathways ein Werkzeug des Case-Managements (Fallmanagement) dar, wobei die Case-ManagerInnen für die Umsetzung des Behandlungsplans verantwortlich sind. Da dieses System in Deutschland nicht eingesetzt wird, bietet sich hier die schon teilweise eingeführte Bezugspflege (Primary Nursing) an. In diesem Fall kann eine Krankenschwester die Verantwortung für die Durchführung des Plans bei einer bestimmten Anzahl Patienten übernehmen. Die Bezugspflegekraft ist dann im besten Sinne des Wortes eine Pflegemanagerin. Sie managt den Behandlungsprozess des Patienten, indem sie sowohl das kommunikative Zusammenwirken mit anderen Berufsgruppen, als auch die Gewährleistung professioneller Pflegeleistungen durch sich und andere koordiniert. Die Herausforderung besteht darin, dass diese Organisationsfähigkeiten nicht, wie sonst im Pflegemanagement üblich, abseits vom Patienten angewendet werden, sondern sich in diesem Fall unmittelbar auf die Versorgung des Patienten beziehen (Peters, 2001; Dahlgaard, 2002).


Die Evaluation

Nach der Implementierung ist in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung der Erreichung der Qualitätsziele erforderlich, da der Pfad als kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu sehen ist (Söffge, 2002; Bollmann et al., 2002). Die hierzu aus der Dokumentation entnommenen Daten können verwendet werden, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die praktische Handhabung des Versorgungspfades und seine Wirkung auf den Patienten zu untersuchen. Man könnte zum Beispiel nach einem Piloteinsatz die Versorgung eines Patienten, der im Rahmen eines Behandlungspfades betreut wurde, mit der Versorgung eines Patienten vergleichen bei dem dies nicht der Fall war. Sind die erreichten Resultate bei letzterem Patient weniger günstig als bei dem Patient, der mit Hilfe eines interdisziplinären Versorgungspfades gepflegt wurde, kann dies als Bestätigung des erfolgreichen Einsatzes des Pfades gesehen werden. Ist das Gegenteil der Fall, muss die praktische Vorgehensweise mit den in den Versorgungspfaden vorgegebenen verglichen werden. Möglicherweise kann der interdisziplinäre Versorgungspfad durch Veränderungen verbessert und somit die Akzeptanz der Behandlungspläne bei skeptischen Mitarbeitern gefördert werden. Weiterhin dient die Evaluation dazu, die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit zu messen. Bei den Patienten kann dies in Form von anonymisierten Fragebögen geschehen. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter hingegen kann auch durch interne Befragungen erfasst werden. Der Piloteinsatz eines Versorgungspfades am Klinikum Augsburg wurde wie folgt evaluiert: Nach dem ersten Durchlauf auf zwei Stationen wurden zwölf Patientenakten ausgewertet und von insgesamt 22 Pflegenden mittels Fragebogen eine Rückmeldung eingeholt. Aufgrund dieser Analysen wurden Änderungen an den Plänen vorgenommen, wie zum Beispiel die Präzisierung von Pflegebedürfnissen, Pflegezielen und Maßnahmen, oder die Ergänzung der Pläne durch die Spalte „geplantes Pflegeziel erreicht? ja oder nein“. Nach dem zweiten Probelauf auf vier Stationen wurden, basierend auf einer erneuten Dokumentationsanalyse (diesmal 20 Akten), die beiden Einsätze miteinander verglichen, wobei die in den Plänen vorkommenden Bedürfnisse, wie zum Beispiel Körperpflege, Ernährung, Ausscheidung, Mobilisation, Kommunikation und Entlassungsplanung, überprüft wurden. Hierbei kamen die Kriterien Angabe des PPR – Kürzels, Angabe der Uhrzeit, Angabe des Handzeichens und die Dokumentation des Erreichens der geplanten Pflegeziele zum Einsatz. Es wurde festgestellt, dass nach den Veränderungen in Folge des ersten Probelaufs eine deutlich verbesserte Dokumentation ersichtlich ist, und dass die Erreichung der Pflegeziele von vormals 35 Prozent auf nunmehr über 80 Prozent angestiegen ist. Die Abweichungen von den geplanten Maßnahmen wurden wie vorgesehen schriftlich dokumentiert und begründet. Zusätzlich zu der Dokumentenanalyse konnten die Pflegenden anhand eines Fragebogens Wünsche, Anregungen und Verbesserungsvorschläge äußern. Der Behandlungspfad wurde seitens der Pflegenden generell als positiv eingeschätzt. Gerade die zeitsparende und übersichtliche Dokumentation und der Überblick über die Entwicklung des Patienten wurden als hilfreich beschrieben. Anmerkung: Eine Patientenbefragung wurde im Rahmen der Evaluation dieses Projekts nicht durchgeführt.


Die Evaluation der Abweichungen

Bei Abweichungen handelt es sich um Diskrepanzen zwischen den geplanten und den tatsächlich eingetretenen Ereignissen im Rahmen des Versorgungspfades (Dykes et al., 2002). Wie schon beschrieben, werden diese Abweichungen vom standardisierten Behandlungspfad in der dafür vorgesehenen Dokumentationsspalte schriftlich festgehalten. Es gilt diese zu evaluieren, da die rechtzeitige Wahrnehmung von Abweichungen ein wesentlicher Schritt in Richtung einer qualitativ guten Patientenversorgung ist, denn hierdurch wird der Fokus auf den Patienten und seine individuellen Bedürfnisse gerichtet. Außerdem kann durch diese Analyse aufgedeckt werden, welche Abweichungen zum Erreichen bzw. Nichterreichen der geplanten Pflegeziele geführt haben und welche hierbei möglicherweise auf eine Verkürzung oder Verlängerung der Verweildauer Einfluss genommen haben. In den USA wurde zum Beispiel festgestellt, dass sich bei bestimmten Patientengruppen die Verweildauer verlängert hat, weil die Angehörigen nicht auf die Entlassung vorbereitet waren. Aufgrund dessen wurde die Entlassungsplanung für den Tag der Aufnahme festgelegt, so dass der Patient und seine Angehörigen bereits zu diesem Zeitpunkt über den geplanten Entlassungstag informiert wurden. Außerdem wurde ihnen mitgeteilt, dass eine Abweichung von diesem Termin bis spätestens einen Tag vor der geplanten Entlassung bekannt gegeben wird (Peters, 2001).

Zur Auswertung der Abweichungen empfiehlt es sich, diese in einer Statistik in drei Kategorien darzustellen, mit dem Ziel durch die Aufarbeitung der Schwachstellen die Pflegequalität anzuheben (Dykes et al., 2002; Kellnhauser, 2002).

Kategorie 1: Der Patient Eine Abweichung von dem angestrebten Ziel kann darin bestehen, dass der Patient nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, an seiner pflegerischen Versorgung aktiv mitzuwirken. Beispiel: Der Patient hat Angst sich sein Insulin selbständig zu injizieren. Es ist in diesem Fall beispielsweise zu hinterfragen:

  • Bei wie viel Prozent der Patienten kommt es zu dieser Abweichung?
  • Was kann getan werden um diese Schwachstelle aufzuarbeiten?
  • Muss die Vorgehensweise bei der Anleitung verändert werden?
  • Müssen Angehörige vermehrt in die Anleitung einbezogen werden?

Kategorie 2: Das Krankenhaus Es kann auch zu Abweichungen von der angestrebten Wirkung kommen, weil nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird.

Beispiel: Die Analyse der Abweichung aus Kategorie 1 zeigt, dass die Anleitung zur Selbstinjektion anstatt wie geplant dreimal täglich nur einmal täglich durchgeführt wurde. Die Begründung lässt auf eine Unterbesetzung mit qualifiziertem Personal schließen. In diesem Fall muss zum Beispiel hinterfragt werden:

  • Wie oft diese Situation in einem bestimmten Zeitraum auftritt?
  • Welche pflegefremden Arbeiten kann eine examinierte Pflegekraft weiterdelegieren, um sich auf solche pflegespezifischen Tätigkeiten konzentrieren zu können?
  • Muss eine spezielle Stelle „Diabetes – Schwester/Pfleger“ geschaffen werden?

Kategorie 3: Betriebsinterne Prozesse Schließlich kann es zu einem Abweichen vom definierten Pflegeziel kommen, weil betriebsinterne Kommunikationssysteme nur mangelhaft funktionieren. Beispiel: Die termingerechte Entlassung des Diabetes–Patienten ist verzögert, weil der Sozialdienst verspätet reagiert hat. Es müsste hier beispielsweise gefragt werden:

  • Wie oft tritt dieser Zustand in einem bestimmten Zeitraum auf?
  • Woran liegt diese Verzögerung? (Station, Sozialdienst, Kommunikationssystem)
  • Wie könnte eine mögliche interdisziplinäre Lösung aussehen?

Hat man auf diese Art eine bestimmte Anzahl an Patientendokumentationen untersucht, entsteht eine deutliche Übersicht und davon abgeleitet eine aussagekräftige Statistik der bestehenden Leistungsqualität und der aufzuarbeitenden Schwachstellen (Kellnhauser, 2002). Die Aufarbeitung dieser Schwachstellen stellt den Kernpunkt zur Anhebung der Pflegequalität dar. Allerdings handelt es sich bei dieser Vorgehensweise nicht um ein Einmalunternehmen, sondern vielmehr um einen kontinuierlichen Prozess, bei dem Schwachstellen eliminiert und immer wieder überprüft werden müssen (Bollmann et al., 2002; Kellnhauser, 2002). Kommen bei Patientengruppen identische Abweichungen vor, ist zu überlegen, den gesamten Versorgungspfad diesbezüglich zu ändern. Anmerkung: Bei der Evaluation der Abweichungen sollte es nicht nur um diejenigen gehen, die negativen Einfluss auf den Behandlungsprozess nehmen, sondern auch um solche, welche einen positiven Einfluss nehmen. Ist zum Beispiel die Mobilisation eines Patienten mit bestimmter Diagnose standardmäßig für den zweiten postoperativen Tag eingeplant, der Patient aber schon am ersten Tag nach der Operation hierzu in der Lage, ist diese Abweichung zu beachten, auch wenn keine korrigierende Intervention notwendig ist. Denn trifft diese Varianz bei einer Vielzahl der Patienten die im Rahmen dieses Versorgungspfades betreut werden zu, ist zu überlegen den Pfad in diesem Punkt zu ändern, um den wirklichen Fortschritten des Patienten gerecht zu werden (Dykes et al., 2002).


Die Bedeutung der Implementierung für die Pflege

Pflege hat als eigenständige therapeutisch – rehabilitative Disziplin einen hohen Stellenwert im Behandlungsprozess. Es wird darauf ankommen den, gegenüber der Medizin andersartigen, aber gleichwertigen Auftrag der Pflege gegenüber dem Patienten sowohl nach innen, als auch nach aussen zu verdeutlichen. Denn es darf nicht um kritiklose Gefolgschaft gehen, sondern vielmehr um eine kritisch – konstruktive Begleitung ärztlichen Handelns. Daher ist eine optimierte Zusammenarbeit zwingend notwendig (Dahlgaard, 2002). Interdisziplinäre Versorgungspfade bieten hierzu sehr gute Möglichkeiten.

Anmerkung: Nicht umsonst berücksichtigt das KHG (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze) in seiner Definition des Krankenhauses den Leistungsbeitrag der Pflege gleichrangig zu dem der Medizin. §2, Ziffer1: "Krankenhäuser (sind) Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten ... geheilt ... werden sollen...“

Durch die Einführung dieses Arbeitssystems und den präzisen schriftlichen Nachweis pro Patient und Tag werden pflegerische Leistungen detailliert nachgewiesen und pflegerische Behandlungserfolge belegt. Hierdurch kann die Pflege ihren beachtlichen Anteil an der Gesamtproduktion des Betriebes herausstellen, und sich basierend darauf als bedeutender Produktionsfaktor positionieren. Die Stellung der Pflege wird somit im gesamtbetrieblichen Gefüge nachhaltig gefestigt. Des Weiteren bietet sich der Pflege die Möglich- keit durch die Evaluation der pflegerischen Ergebnisqualität (s. Punkt 5.4) ihre qualitative Arbeit darzustellen und sich basierend darauf berufliche Anerkennung zu verschaffen (Kellnhauser 2002, 2003).


Resümee

Nach Durcharbeitung der Literatur ist zusammenfassend zu sagen, dass sich die Pflege in der deutschen Fachliteratur nur minimal und ansatzweise zu den Inhalten der Erstellung, des Aufbaus und im Speziellen der Implementierung von Clinical Pathways äußert. Lediglich Kellnhauser ist hervorzuheben, die im Zeitraum 2000 – 2003 in vier Artikeln, aufbauend auf der Beschreibung von Standardpflegeplänen und einer Einführung in das DRG – System, Clinical Pathways inhaltlich aus pflegerischer Sicht umfassend vorstellt. Hier ist besonders der Bericht über den praktischen Piloteinsatz eines interdisziplinären Versorgungspfades am Klinikum Augsburg aus dem Jahr 2003 zu nennen. Ferner stellt Kellnhauser in diesen Texten sehr deutlich heraus, dass sich für die Pflege in diesem Arbeitssystem, aufgrund der transparenten Darstellung der Pflegeleistungen in Quantität und Qualität die Chance einer Neupositionierung im Gesamtunternehmen Krankenhaus bietet. Das Pflegemanagement äußert sich hingegen seit einigen Jahren vermehrt in der Fachliteratur über die Notwendigkeit der Einführung von interdisziplinären Versorgungspfaden in deutschen Krankenhäusern - besonders in Hinblick auf das kommende, pauschalierte Entgeltsystem in Form der DRGs. Die interdisziplinären Versorgungspfade werden in diesem Zusammenhang übereinstimmend als geeignetes Instrument beschrieben, um Anforderungen wie Kostensenkung, Senkung der Verweildauer, Qualitätssteigerung und Anhebung der Patienten- und Angehörigen-zufriedenheit zu begegnen. Außerdem werden in diesen Artikeln neben den Gründen für die Notwendigkeit dieses Arbeitssystems auch Inhalte zur interdisziplinären Erstellung und Umsetzung von Clinical Pathways beschrieben, allerdings ebenfalls nur ansatzweise und offensichtlich an die internationale Literatur angelehnt. In allen verwendeten Artikeln wird der interdisziplinäre Ansatz als besondere und notwendige Herausforderung angesehen. Allerdings könnte genau dieser Ansatz das große Handicap bei der Einführung von Clinical Pathways sein, da der deutsche Krankenhausalltag offensichtlich immer noch von einem „Stände- und Zunftwesen“ beherrscht wird (Schwing, 2003). In diesem Kontext wurde vom Nürnberger Health Update Kongress 2003 berichtet, dass in verschiedenen deutschen Kliniken (zum Beispiel Hamburg, Hannover und Neustadt) die Einführung interdisziplinärer Versorgungspfade an der Gegenwehr der Mitarbeiter und an der nicht vorhandenen berufsgruppenübergreifenden Gestaltung der Behandlungsprozesse gescheitert ist. Gerade der ärztliche Dienst argumentiere heftigst gegen die Einführung von Clinical Pathways. Gegenargumente der Mitarbeiter seien, dass man qualitativ gute Arbeit schon immer leiste und dafür keine Behandlungspfade benötige, oder dass durch den Einsatz standardisierter Ablaufpläne die Individualität des Patienten zerstört werde, wobei sich diesbezüglich auch noch ethisch-moralische Fragen stellen. Des Weiteren sehe sich der ärztliche Dienst in seiner Behandlungsfreiheit eingeschränkt. Die Pflege, so wird von diesem Kongress weiter berichtet, sei eher bereit ihre Leistungen zu reflektieren und eine neue, effektivere Arbeitsorganisation anzustreben. Und offensichtlich können solche Organisationsveränderungen nur herbeigeführt werden, wenn die Mitarbeiter bereit sind ihre Einstellung zu ändern. Neben diesen negativen Erfahrungen wurde aber auch von einigen Krankenhäusern (zum Beispiel Ulm und Stuttgart) berichtet, dass nach der Implementierung des ersten Behandlungspfades alle anfänglichen Widerstände in Wohlwollen und Erleichterung umgeschlagen seien, und man eine unglaubliche Zustimmung erlebe. Es bleibt abzuwarten, wie deutsche Krankenhäuser der offensichtlichen Notwendigkeit von interdisziplinären Versorgungspfaden in Zukunft begegnen werden. Aus pflegerischer Sicht wird es interessant sein, wie Pflege in die Prozesse der Erstellung und Implementierung involviert wird und wie sie die, sich ihr durch dieses Arbeitssystem bietenden Chancen nutzt.

Um tiefer in die Thematik einzusteigen, und tiefgreifendere inhaltliche Ansätze für die Entwicklung und Umsetzung in deutschen Krankenhäusern speziell aus Sicht der Pflege zu gewinnen, bieten sich die ins deutsche übersetzten Bücher von Dykes et al. und Johnson et al. an, die sich sehr detailliert mit den Inhalten, der Erstellung und der Umsetzung von Clinical Pathways auseinandersetzen.


Glossar

Implementierung

Da in der verwendeten Literatur keine spezielle Definition für den Begriff Implementierung gefunden wurde, schlägt der Verfasser nach Durcharbeitung der Literatur folgende Definition für die Implementierung eines interdisziplinären Versorgungspfades vor: Unter Implementierung versteht man in diesem Fall die Einführung eines theoretisch erarbeiteten interdisziplinären Versorgungspfades in den praktischen Krankenpflegealltag, unter Berücksichtigung aller damit verbundenen Risiken. Die Garanten für eine erfolgreiche Implementierung sind neben der umfassenden Schulung der Mitarbeiter, die regelmäßige Evaluation der Handhabung, des Erreichens der definierten Qualitätsziele und die strukturierte Aufarbeitung aufgedeckter Schwachstellen. Für diese Evaluation werden Dokumentenanalysen durchgeführt und regelmäßige Feedbacks der Mitarbeiter eingeholt.

DRGs

Die DRGs sind ein diagnosespezifisches retrospektives Vergütungssystem für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen mit Schwerpunkt auf der Entlassung. Diagnosis Related Groups stellen ein Patientenklassifikationssystem dar, das Patienten bei der stationären Aufnahme, je nach Diagnose, in bestimmte Diagnose – Gruppen einordnet. Verbunden mit den Diagnosegruppen ist ein retrospektives Vergütungssystem, das dem Krankenhaus eine im Nachhinein festgelegte Pauschale pro Diagnosegruppe zusichert (Kellnhauser, 2001).

Pflegequalität

Im Hinblick auf den Einsatz von Behandlungspfaden wurde aus der verwendeten Literatur folgende Definition für diesen Begriff gewählt: Pflegequalität ist der Grad der Übereinstimmungen zwischen erbrachter Pflege und den bestehenden Kriterien für diese Pflege. Größtenteils werden Abweichungen, also die Nichterreichung der pflegerischen Behandlungsziele, am Tag von deren Auftreten oder den folgenden Tagen durch Änderung oder Anpassung pflegerischer Maßnahmen an die bestehende Situation behoben. Durch die Zielerreichung aufgrund veränderter Vorgehensweise wird pflegerische Qualitätsarbeit im Einzelnen an individuellen Patienten während des stationären Aufenthalts, also behandlungsbegleitend, nachgewiesen. (Kellnhauser et al.,2002)

Standardpflegpläne

Ein Standardpflegeplan ist eine umfassende Darstellung von möglicherweise auftretenden Bedürfnissen/Problemen eines Patienten mit einem bestimmten Krankheitsbild. Dieser soll den jeweils individuellen Patientenbedürfnissen angepasst werden (Kellnhauser et al., 2001)

Prozessoptimierung

Prozessoptimierung ist eine zielgerichtete, von einem Prozessteam durchgeführte Methode mit Prozesscharakter die zur Optiemierung bzw. Verbesserung von Geschäftsprozessen anhand der Parameter Qualität, Kosten und Zeit dient. (Greiling, Hofstetter, 2002)


Literaturverzeichnis

  • Bollmann, M.; Beck, M. (2002): Steigt die Qualität, sinken die Kosten. Behandlungsmanagement als Therapie für Krankenhäuser. In: F&W, Hft. 2, S. 170-172
  • Dahlgaard, K. (2002): Neue Aufgaben für die Pflegemanagerin. Zur Kernkompetenz der Pflege kommt das Management des Behandlungsprozesses hinzu. In: F&W, Hft.2, S. 174-178
  • Dykes, P.C., Wheeler, K. (2000): Critical Pathways - Interdisziplinäre Versorgungspfade. DRG-Management-Instrumente; Huber
  • Greiling, M.; Hofstetter, J. (2002): Patientenbehandlungspfade optimieren: Prozessmanagement im Krankenhaus; Baumann
  • Johnson, S. (Hrgs.) (2002): Interdisziplinäre Versorgungspfade. Pathway of Care. Huber
  • Kellnhauser, E. (2001): DRGs – Aufgaben und Chancen für die Pflege anhand von Standardpflegeplänen Teil 1. In: Die Schwester/Der Pfleger, Hft. 3, S. 210 – 218
  • Kellnhauser, E. (2001): DRGs – Aufgaben und Chancen für die Pflege anhand von Standardpflegeplänen Teil 2. In: Die Schwester/Der Pfleger, Hft. 4, S. 309 - 317
  • Kellnhauser, E. (2002): Pflegequalität im DRG-System. In: Die Schwester/Der Pfleger, Hft. 4, S. 318-321
  • Kellnhauser, E. (2003): Einführung eines interdisziplinären Versorgungspfades. In: Die Schwester/Der Pfleger, Hft. 4
  • Peters, J. (2001): Mit Clinical Pathways arbeiten. In: Pflege Aktuell, Hft. 11, S. 597
  • Rupp, St., Hoffmann, E., Grahe, M., Scholz, C., Stein, V. (2000): Die kundenorientierte Prozessoptimierung steigert Zufriedenheit und Engagement der Mitarbeiter. In: F&W, Hft. 3, S. 242 – 249
  • Schwing, C. (2003): Wir erleben eine unglaubliche Zustimmung – Bericht vom ersten Nürnberger HealthUpdate – Kongress 2003

Von: http://www.kma-online.de/ml.asp?uid=1001.1007.1001.1001&detailid=6&stammid=93&back=hsb:

  • Söffge, W. (2002): Ablaufpfade führen zu Transparenz, Qualität und Effizienz. Mit den DRG werden standardisierte Behandlungspfade unverzichtbar. In: F&W, Hft. 2, S. 169-171
  • Tenckhoff, B., Perl, P. (2002): Clinical Pathways erfordern eine anwenderorientierte Umsetzung in Struktur und Inhalt. In: F&W, Hft. 6
  • Wuttke,R. (2002): Behandlungspfade führen Patienten, Personal und die Klinik zum Erfolg. In: F&W, Hft. 1, S. 60-64