Milieutherapie

Aus Familienwortschatz
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Definition:

Der Begriff Milieutherapie dient manchmal in einem übergeordneten Sinne zur Bezeichnung des gesamten äußeren Rahmens, in dem sich alle therapeutischen Aktivitäten in einer Institution abspielen. Ein Merkmal von Milieutherapie in diesem Sinne ist, die bewusste und gezielte Koordination aller organisatorischen und therapeutischen Maßnahmen in einer Einrichtung.

Andere AutorInnen verstehen unter Milieutherapie ein Set von spezifischen Einzelmaßnahmen, Einzelangeboten und Einzeltechniken, die als Ergänzung neben andere Therapieformen, wie Psychopharmaka oder Psychotherapie stehen.

Die therapeutische Gemeinschaft gilt teils als eine spezifische Form der Milieutherapie, teils als ein von Milieutherapie zu unterscheidenes Konzept. Im englischen Sprachraum werden Soziotherapie (social therapy) und Milieutherapie als Synonym gebraucht.

In der Pflegeinterventionsklassifikation NIC ist die Milieutherapie eine einzelne Pflegeintervention.

Einsatz:

In manchen Einrichtungen wird das therapeutische Milieu als hauptsächliches Behandlungsmittel angesehen und gezielt eingesetzt: In diesem Fall ist es sinnvoll, von Milieutherapie zu sprechen.


Kritik:

Die Begriffsverwendung im Zusammenhang mit der therapeutischen Nutzung von Milieueinflüssen ist sehr uneinheitlich. (Heim, 1984). Die uneinheitliche und oft vage Verwendung des Begriffs Milieutherapie wurde seit seiner Einführung immer wieder kritisiert. Camming /Camming 1979 wiesen zum Beispiel bereits 1962 auf den inflationären Gebrauch des Begriffs hin:

Der Begriff ist so populär geworden, dass wenige Krankenhäuser, zugeben werden, kein therapeutisches Milieu geschaffen zu haben. Ein Bett und 3 Mahlzeiten am Tag sind keine Milieutherapie..

Delaney 1979 weist auf die oft beliebige Verwendung des Begriffs im Sinne einer theoretisch nicht fundierten Ideologie ohne Technologie hin. Es wird kritisiert, dass vielfach unklar ist, was mit der Etikette Milieutherapie konkret gemeint ist und es wird empfohlen in der psychiatrischen Pflege auf die Verwendung dieses Sammelbegriffs zu verzichten und stattdessen die konkreten einzelnen Maßnahmen zu beschreiben, die eingesetzt werden.


Die Therapeutische Gemeinschaft:

Die therapeutische Gemeinschaft ist eine besondere Form der Milieutherapie, vielleicht die konsequenteste Umsetzung der Idee. Zu Grunde liegen tiefenpsychologische, sozialpsychologische und lerntheoretische Konzepte und die Einsicht, dass alle Interaktionen in der Gemeinschaft therapeutisch wirksam sein können. Zentrales Element ist die Möglichkeit sozialen Lernens durch bewusste Gestaltung und Reflexion aller Beziehungen zwischen Patienten, zwischen dem Personal, zwischen Patienten und Personal und eine freie Kommunikation. Heute spielt das Konzept der Therapeutischen Gemeinschaft in der klinischen Psychiatrie nur noch eine untergeordnete Rolle. Am ehesten in Tageskliniken, auf Rehabilitations- oder Psychotherapiestationen, aber auch auf Akutstationen. Nach wie vor aktuell ist es hingegen im Suchtbereich, wo therapeutische Gemeinschaften nach wie vor eines der Konzepte für die stationäre Behandlung darstellen.

Einige zentrale Gedanken, vor allem bezüglich der Teamarbeit, sind jedoch zum psychiatrischen Allgemeingut geworden:

  • die Anerkennung der Rechte, der Ressourcen und der individuellen Bedürfnisse der Patienten
  • die Haltung, dass alle Mitglieder einer Station oder Behandlungseinheit gleichberechtigte Partner sind
  • die Bedeutung der offenen Kommunikation und der Reflexion von Beziehungen
  • das Wissen, dass jeder von jedem lernen kann, auch das Personal von den Patienten


Literatur:

  • Lehrbuch Psychiatrische Pflege von Sauter, Abderhalden, Needham, Wolff 2., durchgesehende und ergänzte Auflage 2006 ISBN 3-456-84273-2
  • Praktische Psychiatrische Pflege von Schädle-Deininger, Villinger 1996 ISBN 3-88414-182-1
  • Milieutherapie - Ein stationäres Konzept zur Betreuung dementiell Erktrankter,Swen Staack, Vincentz-Verlag, 2004, ISBN 3-87870-118-7

Siehe auch: